Dresden, im Sommer 1794.

Schon so mancher Reisende vor mir hat über die Straßen zwischen Prag und Dresden geklagt. Ich war also vorbereitet, und doch hatte ich keine Vorstellung von der Sache. Wer kann sich auch vorstellen, daß er in einem Lande, das sich nur einigermaßen aus der Barbarey gerissen hat, ein solches Unheil finden wird, besonders da er in dem Kaiserlichen Lande, größtentheils an sehr gute Straßen gewöhnt ist. Von Prag aus bemerkt man gar bald, daß man nicht mehr auf der Straße zwischen Prag und Wien ist; indessen geht es noch recht gut, bis man nach Schlan kommt. Von da an wird die Straße sehr schlecht, und immer schlechter, und so geht es fort ganze 10 Meilen bis nach Peterswalde, die letzte Kaiserliche Station. Auf der letzten Höhe, ehe man nach Peterswalde kommt, zeigt sich an der Landstraße gewöhnlich ein Schmidt, der nicht weit davon wohnt, und, so bald er einen Reisewagen erblickt, mit etwas Handwerkzeuge ihm zu Hülfe kommt, weil er ohne weiteres voraussetzt, daß ein jeder, der diesen Berg hinaufgekommen ist, etwas zerbrochen haben muß.

Man sagt mir, es sey eine weise und tiefe Politik, daß das Haus Oesterreich die Nördlichen Grenzen von Böhmen beynahe unzugänglich erhalte. Freylich muß es äusserst schwer seyn, mit einer Armee und ihrer schweren Artillerie von der Sächsischen Seite einzubrechen; (denn die übrigen Straßen an dieser Grenze sind entweder eben so schlimm, oder nicht viel besser.) Allein ich sollte kaum denken, daß diese Speculation richtig sey; auf alle Fälle ist es eine furchtsame Politik; denn derjenige, welcher den Zugang in sein Land erschweret, findet es natürlich eben so schwer, in das Land seines Nachbars zu kommen.

Ich hatte auf der vorletzten Böhmischen Station den Wagen verlassen, und ritt langsam den hohen und beschwerlichen Berg hinauf, der nach Peterswalde führt. Ein Mann, der zu Fuße gieng, gesellte sich zu mir, erzählte mir allerhand von der benachbarten Gegend und zeigte mir endlich ein Haus an der Landstraße, wo man, wie er sich ausdrückte, die beßten Europäischen Weine haben könnte. Ich hielt das natürlich für die Sprache eines gemeinen Mannes, der das vortreflich nennt, was er besser findet, als gewöhnlich. Indessen hatte Lord *** auch den Wagen verlassen, der noch in grosser Entfernung war, und so giengen wir in diese Bauernschenke, wo ich in der That eine Liste von dreysig und etlichen Weinarten sahe, und darunter einige, wovon die halbe Flasche zu 1 Ducaten angesetzt war. Wir versuchten einige Ungarische Weine und fanden sie vortreflich. Der Mann schien Bekanntschaft machen zu wollen und brachte auch einige Proben von Spanischen Weine. Ich konnte noch immer nicht begreifen, wie das Alles in eine Dorfschenke käme, bis die Lage des Hauses mir erklärte, was das ohngefähr für ein Handel seyn möchte. Dieser Mann wohnt nahe an der Sächsischen Grenze, und schickt vermuthlich diese Weine, seitwärts von Peterswalde, über die kleinen Bergpässe, setzt sie da ab, und zieht dafür Sächsische Artickel, die in Böhmen verbothen sind.

So wie man von Peterswalde herab auf Sächsischen Boden kommt, wird die Straße besser, und von Zehist nach Dresden, ist sie recht gut.


Wanderungen durch die Niederlande, Deutschland, die Schweiz und Italien in den Jahren 1793 und 1794. Leipzig, 1796. bei Voß und Kompagnie.

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