Kurs:Dresden/Glossar/Neustadt
Johann Wilhelm Schwartz: Taschenbuch für Fremde in Dresden, die ihren Aufenthalt daselbst zweckmäßig benutzen wollen. Mit Kupfer und Charte. Dresden, bey Heinrich Gerlach. 1804.
BearbeitenNeustadt-Dresden,
oder eigentlich Altdresden, wie in der Einleitung gedacht worden ist. Unter den drey Georgen erhielt es seine Festungswerke, obgleich dessen übrige Beschaffenheit nicht beträchtlich war. Ein unglücklicher Brand im Jahr 1685 wurde die Veranlassung, daß König August der II. sie in den gegenwärtigen und prachtvollen Zustand versetzte, denn er erweiterte ihre Festungswerke, ließ sie mit einem Wassergraben umgeben -- legte die breiten und graden Straßen an, und versahe dieselben mit herrlichen Gebäuden; so daß sie nunmehr im Ganzen betrachtet, wegen ihrer Regelmäßigkeit, die Residenz zu übertreffen scheint. Sie hat 256 Gebäude und ist ebenfalls in 4 Viertel getheilt.
Wenn man von der Brücke herabkommt; so hat man gleich zur linken Hand, das schöne Kommandanten- oder Blockhaus, in dessen Erdstock die Hauptwache und die Gouvernements-Gerichte befindlich sind. Seine Hauptfronte macht dieses Gebäude gegen die Neustadt, und die hintere nach der Elbe. Zwey Appareillen führen zu beiden Seiten auf den freien Platz, der mit Kegeln und Ketten umgeben ist. Etwa 70 Schritte von dem Wachplatze und demselben gegenüber, steht die aus Kupfer getriebene und vergoldete Statüe König Augusts des II. welche der Obristlieutenant Wiedemann 1736 verfertigte, sie ruhet auf einem viereckigten Piedestal in der Mitte eines freien Platzes.
Vor dieser Statüe übersieht man eine schöne Lindenallee, welche als Promenade fleißig besucht wird, zumal da dieselbe eine schöne Ansicht der Elbbrücke gewährt. Diese 370 Schritte lange Allee, nebst den auf beiden Seiten gelegenen Wegen, formiren die Hauptstraße von Neustadt, welche nach dem Schwarzen- oder Lausitzerthore führet. Zur Bequemlichkeit findet der Fremde folgende Anweisung, zum leichten Aufsuchen der sämmtlichen Gassen, welche die Neustadt in sich faßt. Sobald man die Brücke verlassen hat, sieht man dem Marktplatz zu beiden Seiten,
Links:
an der Hauptwache hin, die große Meißnischegasse, welche auf den Kohlmarkt, und gerade nach dem Weissen- oder Meißnischen Thore führt.
Rechts:
die große und kleine Klostergasse, die erstere bezeichnet den Eingang in den Jägerhof, und das sogenannte Elbwiesenthor. Ehe man die Hauptstraße oder Allee betritt, sind
Links:
1) Die kleine Meißnischegasse, welche sich an der großen dieses Namens endiget, und von da auf den freien Platz, der Töpfermarkt genannt, bis an das Weissethor hinweiset. Von dem Töpfermarkte dem Japanischen-Palais gegenüber, kommt man auf die lange und breite
2) Königsstraße, die sich an dem Festungswall endiget und an beiden Seiten mit Linden besetzt ist.
Rechts:
die Breitegasse, sie bildet mit der Hauptstraße eine gerade Linie, führt zu dem Kadettenhause, bey den Casernen vorüber, und an den sogenannten Bär, welches die Benennung einer Hauptschanze an den Festungswerken ist. Von der Breitengasse kommt man durch 2 links gelegene Seiten-Gassen auf die Hauptstraße.
Auf der Hauptstraße findet man
Links:
1) die Frohngasse,
2) die Pfarrgasse, beide führen auf die Rhänitzgasse, die ihren Anfang an der kleinen Meißnischengasse nimmt, sich an der Kirche endiget, und links die Neuegasse zur Seite hat,
3) den Obergraben,
4) den Weg an der Kirche.
Rechts:
1) die Kirchgäßchen,
2) den Niedergraben, und die Ritterstrasse an den Casernen. Stadtthore in der Neustadt, sind nur zwey,
1) Das Weissethor gegen Mitternacht, welches wahrscheinlich diese Benennung von den weißen Sandsteinen führt, aus denen dasselbe aufgeführt worden ist. August der II. ließ es errichten, aber sein Ableben hinderte dessen völligen Ausbau, aus demselben kommt man auf die Strasse nach Meißen und Leipzig.
2) Das Schwarze- oder Lausitzer-Thor gegen Morgen, führt gerade hin auf die Berliner Poststraße -- rechts nach dem Linkeschen-Bade und auf die hinter demselben angelegte Chaussee, als der Hauptstraße nach der Lausitz. Beide Thore sind seit 1794 durch eine Castanien- und Pappelallee mit einander verbunden, so daß man von einem bis zu dem andern eine angenehme Promenade hat.
Die öffentliche Gebäude
in dieser Stadt, haben eine solche Lage, daß dieselben in folgender Ordnung aufgesucht werden können: Geht man die große Meißnische Gasse über den Kohlmarkt; so erblickt man linker Hand
Das Holländische- oder Japanische Palais,
welches 1715 von dem ehemaligen General-Feldmarschall, Grafen von Flemming erbaut worden ist, und von dem es August der II. 1717 erkaufte. Ohnstreitig ist dieser Pallast eine große Zierde für Dresden. Seine Façade, welche mit Statüen und Bildhauerarbeit gezieret ist, hat der damalige Generallieutenant v. Bott entworfen. Das Gebäude mit Kupfer bedeckt, besteht aus 3 Stockwerken, deren Zimmer sonst mit Japanischem und Chinesischem Porzellan und Indianischen Meubeln versehen waren. Der an dieses Palais anstossende Garten ist wegen seiner angenehmen Lage nahe an der Elbe, und wegen der vortreflichen Aussicht auf die Brücke überaus reitzend. An der linken Seite des Palais nicht weit von dem Eingange in den Garten, findet man ein Fer a Cheval, das auf den Wall führt, wo unter einer Lindenparthie, die umliegenden Gegenden sich herrlich präsentiren. Uebrigens enthält dieser Garten verschiedene Quadrate von Buchhecken und einige Lindenalleen, welche von den Bewohnern der Neustadt, als eine angenehme Promenade sehr besucht werden. ---So merkwürdige dieses Gebäude in Hinsicht seiner Bauart ist; so unschätzbar und verehrungswürdig muß dasselbe jedem Fremden werden, wenn er die darinn aufbewahrten Schätze der seltensten Geistesprodukte, älterer und neuerer Zeiten betrachtet; denn er findet daselbst 1) das Porzellan-Cabinet, 2) das berühmte Antiken- und Münz-Cabinet und 3) die Churfürstliche Bibliothek.
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Das Rathhaus
links an der Hauptstraße, ist ein schönes und massives Gebäude von drey Stockwerken, mit einem zierlichen Thurme versehen; 1750 wurde es neu erbaut. Im Erdgeschoß sind der Stadtkeller und die Fleisch- und Brodbänke. Der erste und zweite Stock enthalten die Säle und Zimmer, in welchen ein Theil des Dresdner Stadtmagistrats seine Geschäfte verwaltet. Im dritten Stock befindet sich die Pfand- oder Leihexpedition. Nahe dabey stehet das Gebäude der Stadtschule auf einem erhöheten Grunde. Auf dieser Seite und am Ende der Hauptstraße, zeigt sich
Die Kirche,
ehemals die Dreykönigskirche genannt, sie wurde von 1732 bis 1739 an diesem Platz neu erbaut, vor ihrer Errichtung, befand sich die Neustädter Kirche in der jetzigen Allee, und zwar in der Gegend, wo nunmehr die zwey Wasserhäuser stehen. August der II. ließ dieselbe abtragen, und verschafte dadurch diesem Terrain mehr Regelmäßigkeit und freiere Aussicht. Die Form der gegenwärtigen Kirche ist edel, sie hat 4 Eingänge, das Hauptportal besteht aus einem Zirkelbogen, vor welchem eine Freitreppe liegt. Ihre innere Einrichtung zeigt eine auf Pfeilern ruhende Decke -- zwey Reihen Emporkirchen, und ein gut angelegtes Musikchor. Der Altar besteht aus Korinthischen Säulen und enthält die Szene der 10 klugen und thörichten Jungfrauen.
Wendet man sich von der Elbbrücke nach der rechten Seite, so tritt man in die Klostergasse, welche ihren Namen von einem sonst darin befindlich gewesenen Augstinerkloster hat. Am Ende derselben präsentirt sich
Der Churfürstl. Jägerhof,
ein großes weitläuftiges Gebäude, das Churfürst August 1568 zu bauen anfing, und von den nachfolgenden Regenten immer mehr erweitert worden ist. Sein Alterthum macht es mehr als dessen Bauart merkwürdig -- es hat einen großen viereckigten Hof, auf welchem sich ein Bärenfang, eine Abbrühküche und eine Hundeschwemme befinden. Auch trift man daselbst besondere Behältnisse für allerhand wilde und ausländische Thiere an, die sonst mit vielen Kosten unterhalten wurden, aber unter der jetzigen Regierung abgeschaft sind. Die erste Stock enthält einige fürstl. Zimmer mit herrlichen Gemälden, welche die vornehmsten Solennitäten bey der römischen Kaiserkrönung, wie auch den Einzug des Kaisers Mathias in Dresden darstellen. Ausser diesen Zimmern hat dieses Gebäude viele Wohnungen zur Jagdexpedition und für die Jagdbedienten, desgleichen ein Zeughaus, in welchem das Jagdgeräthe verwahrt wird. In dem hier befindlichen Hundezwinger, werden stets einige hundert Jagdhunde gehalten. Das ganze Gebäude hat ein gothisches Ansehen und zeichnet dich durch einige Thürme aus.
Die Ritter-Akademie, oder das Kadettenhaus,
auf der Breitengasse gelegen, ist ein vorzüglich schönes Gebäude, welches die Stände des Churfürstenthums, 1725 zur Erziehung adelicher Kinder, die sich dem Militärstande widmen wollen, erbauen ließen. Es hat 4 Stockwerke, im Erdstock sind die Fecht- und Voltigirsäle, nebst den Remisen für den Kommandanten und die übrigen Offiziers des Kadettenkorps. Das erste Stockwerk enthält deren Wohnungen und die Hörsäle; ausser dem Tanzsalon ist ein grosser Saal sehenswerth, auf welchem das ganze Korps manöuvriren kann. In der hintern Abtheilung dieses Hauses, ist das große Churfürstl. Reithaus, nebst den Ställen für die Schulpferde angelegt, und das Ganze so eingerichtet, daß es die Besichtigung eines jeden Fremden verdient.
Die Casernen-Gebäude,
der Kirche gegenüber, sind durch den General von Bott im Jahr 1732 errichtet worden. Das Ganze besteht aus drey Stockwerken und enthält und enthält 16 Ecken, und einen Umfang von 868 Ellen, der innere Hof gleicht einem mittelmäßigen Marktplatze. In diesem herrlichen Gebäude hat das Sanitätskollegium seine eigene Expedition. Zugleich befindet sich in demselben das seit 1748 hier errichtete Collegium Medico Chirurgicum, bey welchem geschickte Wundärzte gebildet werden. Auf dem hiezu geeigneten Präparir-Saale wo die Vorlesungen gehalten werden, findet man eine zahlreiche und wohlgeordnete Sammlung von Präparaten, Skeleten, Embrionen und Instrumenten, nebst einer auserlesenen Bibliothek. Um den daselbst studierenden Chirurgen, Gelegenheit zu verschaffen, ihre Wissenschaften practisch anzuwenden; so ist mit dieser Anstalt zugleich ein chirurgisches Hospital verbunden, und eine für das ganze Land ersprießliche Hebammenschule angelegt worden. Die Artillerieschule, und ausser derselben, die Bildungsanstalt für das Ingenieur-Corps, welche ebenfalls unter der jetzigen Regierung in dieses Gebäude gestiftet wurden, tragen nicht wenig zur Vervollkommnung der Armee bey. Man findet auch in den Casernen eine geräumige und schön verzierte Katholischekapelle, welche die Kaiserliche genannt wird, weil der dabey angestellte Geistliche, vom kaiserl. Hofe hieher gesendet und besoldet wird.
Die wichtigsten Privathäuser in Neustadt sind:
1) Auf der Hauptstrasse links das Gräfl. Vosische, welches zwar nur eine 7 Fenster breite Fronte zeigt, aber wegen seiner Tiefe und der ausgezeichneten Bauart, bemerkenswerth ist.
2) Rechts auf dieser Strasse, dem Rathhause gegenüber, das Banquier Richtersche Haus.
3) Auf der Königsstrasse, das Lippert'sche.
4) Auf der Klostergasse, das Gräfl. Salmour'sche.
5) Auf der großen Meißnischengasse, das Gräfl. Kalenberg'sche und das Berlepschische. Im Ganzen betrachtet enthält die Neustadt sehr schöne Häuser, unter welchen viele Palai's genannt werden könnten.
Die Neustadt hat nur eine einzige Vorstadt, die ohngefähr seit 60 Jahren nach und nach entstanden ist. Gewöhnlich wird dieselbe wegen ihrem sandigen Boden, der Sand genennt. Ihr Quartier besteht aus 3 ansehnlichen Strassen, an deren Seiten Kastanienbäume angepflanzt worden sind; und aus einigen Queergassen, welche dieselben durchschneiden. Bemerkenswerth sind hier: 1) der Gräfl. Coselsche- jetzt Bünau'sche Garten an der Elbe, 2) das Linkische Bad nebst Garten und einem Schauspielhause, in welchem den Sommer hindurch Vorstellungen gegeben werden. Die hier angelegte Strasse bringt nach der Lausitz. 3) Die neue Armenschule, 4) eine Cichorienfabrik, 5) das Soldatenlazareth und 6) der schöne Begräbnisplatz mit einem ohnlängst daselbst errichteten Leichenhause.