Kurs:Ethik und Digitalisierung/Utilitarismus und Optimierung

Generelle Merkmale des Utilitarismus

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Neben den genannten drei Grundprinzipien gibt es eine Reihe von Merkmalen, die nahezu alle Utilitaristen teilen, aber von einigen wenigen Utilitaristen abgelehnt werden. Diese Merkmale sind also nicht zwangsmäßige Eigenschaften einer utilitaristischen Ethik, auch wenn sie oft als solche dargestellt werden.

Konsequentialismus

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Konsequentialismus: Im Utilitarismus als teleologische Ethik ergibt sich die Richtigkeit einer Handlung grundsätzlich nicht aus ihr selbst oder ihren Eigenschaften, sondern aus ihren Folgen. Um eine Handlung moralisch zu bewerten, muss man die Konsequenzen der Handlung ermitteln und bewerten. Die Richtigkeit einer Handlung ergibt sich dann aus dem Wert ihrer Folgen. Andere Fragen, etwa ob eine Handlung aus gutem Willen erfolgt oder nicht, sind hierbei von untergeordnetem oder gar keinem Interesse. Das Konsequenzprinzip impliziert gleichzeitig eine empiristische Vorgehensweise.

Maximierung des Wohlergehens

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Maximierung. Alle klassischen Utilitaristen, und nahezu alle modernen Utilitaristen, nehmen an, dass eine Handlung richtig ist genau wenn sie das Wohlergehen maximiert. Diese Annahme führt aber zu einigen kontraintuitiven Ergebnissen. Viele alltägliche Handlungen – etwa das Kino zu besuchen – maximieren nicht das Wohlergehen anderer und müssten also nach der utilitaristischen Grundformel als moralisch falsch beurteilt werden. Einige Utilitaristen haben deshalb die Position so modifiziert, dass eine Handlung richtig ist, wenn sie zu hinreichend guten, anstatt maximal guten, Ergebnissen führt.[1]

Aggregation von Nutzen

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Aggregation. Eine andere Annahme, die von modernen Utilitaristen zunehmend zurückgewiesen wird, ist, dass die Verteilung von Nutzen zwischen Individuen nicht zählt. Im klassischen Utilitarismus wird Nutzen schlicht aggregiert, sodass zwischen einer Verteilung, in der einem bestimmten Individuum 100 Nutzen zukommen und 99 Individuen keiner, und einer Verteilung, in der einhundert Individuen jeweils einen „Nutzenpunkt“ wahrnehmen, nicht unterschieden wird. Einige Utilitaristen weisen diese Annahme jedoch zurück. Nach dem moralischen Prioritarismus hat der Grenznutzen, der wohlsituierten Individuen zukommt, einen geringeren moralischen Wert als der Grenznutzen schlechter situierter Individuen.[2] (Diese Position ist nicht mit der Annahme des abnehmenden Grenznutzens zu verwechseln.) Eine solche Position weist die Annahme schlichter Aggregation zurück.

Handlungsfokus

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Beim Handlungsfokus betrachten die meisten utilitaristischen Ethiken die Richtigkeit von individuellen Handlungen, aber andere Alternativen sind möglich. Die bekannteste Alternative, manchmal Mill zugeschrieben,[3] ist der sogenannte Regelutilitarismus, nach dem eine Handlung richtig ist, wenn sie einer Regel entspricht, deren allgemeine Befolgung den Nutzen maximiert.[4] In neuerer Forschung wird angezweifelt, ob Utilitaristen sich überhaupt für einen „fokalen Punkt“ entscheiden sollten – Utilitaristen sollten die Handlungen, Regeln, Charakterformen usw. bevorzugen, die jeweils den Nutzen maximieren. Diese „fokuslose“ Position wird meist als globaler Utilitarismus bezeichnet.[5]

Binäre Handlungsevaluation

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Die binäre Handlungsevaluation bezieht auf zwei Handlungsoption (z.B. Ablehnung, Akzeptieren einer Option). Standardformen des Utilitarismus geben an, wann eine Handlung – oder Regel usw. – richtig ist. Diese Formen von Utilitarismus akzeptieren also das klassische Beurteilungssystem der normativen Ethik, nach der Handlungen in „richtig“ und „falsch“, bzw. „erlaubt“ und „unerlaubt“, eingeteilt werden. Sogenannter skalarer Utilitarismus weist diese Annahme hingegen zurück.[6]

Literaturquellen

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  1. Michael Slote, Philip Pettit: Satisficing Consequentialism. In: Proceedings of the Aristotelian Society, Supplementary Volumes. Band 58, 1984, S. 139–76.
    Tim Mulgan: Slote’s Satisficing Consequentialism. In: Ratio. Band 6, Nr. 2, 1993, S. 121–34, doi:10.1111/j.1467-9329.1993.tb00142.x.
    Ben Bradley: Against Satisficing Consequentialism. In: Utilitas. Band 18, Nr. 2, 2006, S. 97—108. Jason Rogers: In Defense of a Version of Satisficing Consequentialism. In: Utilitas. Band 22, Nr. 2, 2010, S. 198–221.
  2. Derek Parfit: Equality and Priority. In: Ratio. Band 10, Nr. 3, 1997, S. 202–221.
    Nils Holtug: Prioritarianism. In: Nils Holtug and Kasper Lippert-Rasmussen (Hrsg.): Egalitarianism: New Essays on the Nature and Value of Equality. 2007, S. 125–156.
    Derek Parfit: Another Defence of the Priority View. In: Utilitas. Band 24, Nr. 3. Clarendon Press, Oxford 2012, S. 399–440, doi:10.1017/S095382081200009X.
  3. J. O. Urmson: The Interpretation of the Moral Philosophy of J. S. Mill. In: The Philosophical Quarterly. Band 3, Nr. 10, 1953, S. 33–39, doi:10.2307/2216697.
  4. Für moderne Formen, siehe Brad Hooker: Ideal Code, Real World: A Rule-Consequentialist Theory of Morality. Oxford University Press, Oxford 2000.
  5. Philip Pettit, Michael Smith: Global Consequentialism. In: Elinor Mason, Brad Hooker und Dale E. Miller (Hrsg.): Morality, Rules, and Consequences: A Critical Reader. Rowman & Littlefield, Lanham 2000, S. 121–33.
    Shelly Kagan: Evaluative Focal Points. In: Elinor Mason, Brad Hooker und Dale E. Miller (Hrsg.): Morality, Rules, and Consequences: A Critical Reader. Rowman & Littlefield, Lanham 2000 (Google Books).
  6. Alastair Norcross: The Scalar Approach to Utilitarianism. In: The Blackwell Guide to Mill’s Utilitarianism. Blackwell, Oxford 2006.
    Rob Lawlor: The Rejection of Scalar Consequentialism. In: Utilitas. Band 21, Nr. 1, 2009, S. 100–116.

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