Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil II/Vorlesung 33/latex

\setcounter{section}{33}






\zwischenueberschrift{Die Zahlenräume}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Vector_Addition.svg} }
\end{center}
\bildtext {Die Addition von zwei Pfeilen $a$ und $b$, ein typisches Beispiel für Vektoren.} }

\bildlizenz { Vector_Addition.svg } {} {Booyabazooka} {Commons} {PD} {}

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{\N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann ist die \definitionsverweis {Produktmenge}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ K^n }
{ =} { \underbrace{K \times \cdots \times K }_{n\text{-mal} } }
{ =} { { \left\{ (x_1 , \ldots , x_{ n }) \mid x_i \in K \right\} } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit der komponentenweisen Addition, also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ (x_1 , \ldots , x_{ n }) + (y_1 , \ldots , y_{ n }) }
{ \defeq} { \left( x_1+y_1 , \, \ldots , \, x_n+y_n \right) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und der durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ s (x_1 , \ldots , x_{ n }) }
{ =} { ( s x_1 , \ldots , s x_{ n }) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definierten Skalarmultiplikation ein sogenannter \stichwort {Vektorraum} {.} Damit ist folgendes gemeint: Die Menge $K^n$ ist mit der Verknüpfung $+$, die man \zusatzklammer {Vektor} {} {-}Addition nennt, eine \definitionsverweis {kommutative Gruppe}{}{,} und die Operation \maabb {} {K \times K^n} {K^n } {,} die man \stichwort {Skalarmultiplikation} {} nennt, erfüllt die folgenden Eigenschaften. \aufzaehlungvier{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ r(su) }
{ = }{ (rs) u }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ r(u+v) }
{ = }{ ru + rv }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{(r+s)u }
{ = }{ ru + su }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} }{
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{1u }
{ = }{u }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} } Diese Eigenschaften lassen sich für den $K^n$ direkt überprüfen.

Man nennt den $K^n$ mit diesen Strukturen den $n$-di\-mensionalen \stichwort {Standardraum} {} oder \zusatzklammer {kartesischen} {} {} \stichwort {Zahlenraum} {.} Insbesondere ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K^1 }
{ = }{K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} selbst ein Vektorraum. Die Elemente in einem Vektorraum nennt man \stichwort {Vektoren} {,} und die Elemente
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ r }
{ \in }{ K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} heißen \stichwort {Skalare} {.} Zu
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{v }
{ =} { \left( v_1 , \, v_2 , \, \ldots , \, v_n \right) }
{ \in} { K^n }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} nennt man $v_i$ die $i$-te Koordinate des Vektors. Das Nullelement
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ = }{ (0 , \ldots , 0) }
{ \in }{K^n }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} wird auch als \stichwort {Nullvektor} {} bezeichnet, und zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{v }
{ = }{ (v_1 , \ldots , v_n) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} heißt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{-v }
{ =} { - (v_1 , \ldots , v_n) }
{ =} { (-v_1 , \ldots , -v_n) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} das \stichwort {Negative} {} zu $v$. Wie in Ringen gilt wieder \stichwort {Punktrechnung vor Strichrechnung} {,} d.h. die Skalarmultiplikation bindet stärker als die Vektoraddition.

Den Körper, der im Vektorraumbegriff vorausgesetzt ist, nennt man auch den \stichwort {Grundkörper} {.} Alle Begriffe der linearen Algebra beziehen sich auf einen solchen Grundkörper, er darf also nie vergessen werden, auch wenn er manchmal nicht explizit aufgeführt wird. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K }
{ = }{\Q }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} spricht man von \stichwort {rationalen Vektorräumen} {} und bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K }
{ = }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} von \stichwort {reellen Vektorräumen} {.} Zunächst entwickeln wir aber die algebraische Theorie der Vektorräume über einem beliebigen Körper.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Vector_space_illust.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Vector space illust.svg } {} {Oleg Alexandrov} {Commons} {PD} {}


Der Nullraum $0$, der aus dem einzigen Element $0$ besteht, ist ebenfalls ein Vektorraum. Man kann ihn auch als
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K^0 }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auffassen. Es empfiehlt sich, Vektorräume als geometrische Objekte aufzufassen und sich $K^1$ als eine Gerade, $K^2$ als eine Ebene und $K^3$ als einen Raum vorzustellen.

Die Vektoren im Standardraum $K^n$ kann man als Zeilenvektoren
\mathdisp {\left( a_1 , \, a_2 , \, \ldots , \, a_n \right)} { }
oder als Spaltenvektoren
\mathdisp {\begin{pmatrix} a_1 \\a_2\\ \vdots\\a_n \end{pmatrix}} { }
schreiben. Der Vektor
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ e_i }
{ \defeq} { \begin{pmatrix} 0 \\ \vdots\\ 0\\1\\ 0\\ \vdots\\ 0 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei die $1$ an der $i$-ten Stelle steht, heißt $i$-ter \stichwort {Standardvektor} {.}




\inputdefinition
{}
{

Zu Vektoren
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} im $K^m$ und Skalaren
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s_1 , \ldots , s_n }
{ \in }{ K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nennt man
\mathdisp {\sum_{i = 1}^n s_i v_i} { }
eine \definitionswort {Linearkombination}{} dieser Vektoren.

}




\inputdefinition
{}
{

Die Vektoren
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} im $K^m$ heißen ein \definitionswort {Erzeugendensystem}{} des $K^m$, wenn man jeden Vektor
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ \in }{ K^m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} als eine \definitionsverweis {Linearkombination}{}{} mit den Vektoren
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} schreiben kann, wenn es also Skalare
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s_1 , \ldots , s_n }
{ \in }{ K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ w }
{ =} { \sum_{i = 1}^n s_i v_i }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gibt.

}

Man verlangt hier keine Eindeutigkeit, bei einem Erzeugendensystem kann man einen Vektor im Allgemeinen auf verschiedene Arten als Linearkombination darstellen.




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten im $\Q^2$ die drei Vektoren $\begin{pmatrix} -5 \\2 \end{pmatrix},\, \begin{pmatrix} 4 \\9 \end{pmatrix}$ und $\begin{pmatrix} 7 \\-13 \end{pmatrix}$. Den Vektor $\begin{pmatrix} 1 \\0 \end{pmatrix}$ kann man als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \begin{pmatrix} 1 \\0 \end{pmatrix} }
{ =} { - { \frac{ 9 }{ 53 } } \cdot \begin{pmatrix} -5 \\2 \end{pmatrix} + { \frac{ 2 }{ 53 } } \cdot \begin{pmatrix} 4 \\9 \end{pmatrix} + 0 \cdot \begin{pmatrix} 7 \\-13 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} aber auch als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \begin{pmatrix} 1 \\0 \end{pmatrix} }
{ =} { 2 \cdot \begin{pmatrix} -5 \\2 \end{pmatrix} + \begin{pmatrix} 4 \\9 \end{pmatrix} + \begin{pmatrix} 7 \\-13 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} schreiben. Besonders deutlich wird das Uneindeutigkeitsphänomen, wenn man den Nullvektor
\mathl{\begin{pmatrix} 0 \\0 \end{pmatrix}}{} betrachtet. Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \begin{pmatrix} 0 \\0 \end{pmatrix} }
{ =} { 0 \cdot \begin{pmatrix} -5 \\2 \end{pmatrix} + 0 \cdot \begin{pmatrix} 4 \\9 \end{pmatrix} + 0 \cdot \begin{pmatrix} 7 \\-13 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} die sogennante \stichwort {triviale Darstellung} {} des Nullvektors, aber es ist auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \begin{pmatrix} 0 \\0 \end{pmatrix} }
{ =} { 115 \cdot \begin{pmatrix} -5 \\2 \end{pmatrix} +51 \cdot \begin{pmatrix} 4 \\9 \end{pmatrix} + 53 \cdot \begin{pmatrix} 7 \\-13 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}





\inputfaktbeweis
{K^n/Erzeugendensystem/Standardvektoren/Gleichungssystem/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mathl{v_1= \begin{pmatrix} a_{11} \\\vdots\\ a_{m1} \end{pmatrix}, v_2= \begin{pmatrix} a_{12} \\\vdots\\ a_{m2} \end{pmatrix} , \ldots , v_n = \begin{pmatrix} a_{1n} \\\vdots\\ a_{mn} \end{pmatrix}}{} Vektoren im $K^m$.}
\faktuebergang {Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Die Vektoren bilden ein \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{} des $K^m$. }{Für jeden Standardvektor $e_i$ gibt es eine Darstellung als \definitionsverweis {Linearkombination}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ e_i }
{ =} { \sum s_j v_j }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ = }{ \begin{pmatrix} w_1 \\\vdots\\ w_m \end{pmatrix} }
{ \in }{ K^m }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist das lineare Gleichungssystem
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ s_1 \begin{pmatrix} a_{11} \\\vdots\\ a_{m1} \end{pmatrix} + s_2 \begin{pmatrix} a_{12} \\\vdots\\ a_{m2} \end{pmatrix} + \cdots + s_n \begin{pmatrix} a_{1n} \\\vdots\\ a_{m n} \end{pmatrix} }
{ =} { \begin{pmatrix} w_1 \\\vdots\\ w_m \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} lösbar. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

(1) und (3) sind äquivalent, da (3) lediglich eine ausgeschriebene Version von (1) ist. Die Eigenschaft (2) ist eine Spezialisierung von (1). Die Umkehrung ergibt sich so. Man schreibt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{w }
{ =} { \begin{pmatrix} w_1 \\\vdots\\ w_m \end{pmatrix} }
{ =} { w_1e_1 + \cdots + w_me_m }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Da man nach Voraussetzung die $e_i$ als Linearkombinationen der $v_j$ ausdrücken kann, ergibt sich auch eine Linearkombination von $w$ mit den $v_j$.

}


Wenn die Vektoren die Standardvektoren
\mathl{e_1 , \ldots , e_n}{} sind, so kann man jeden Vektor wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\left( a_1 , \, a_2 , \, \ldots , \, a_n \right) }
{ =} { a_1 e_1 + \cdots + a_n e_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} unmittelbar und eindeutig als Linearkombination der Standardvektoren darstellen.




\inputdefinition
{}
{

Die Vektoren
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} im $K^m$ heißen eine \definitionswort {Basis}{} des $K^m$, wenn man jeden Vektor
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ \in }{ K^m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eindeutig als eine \definitionsverweis {Linearkombination}{}{} mit den Vektoren
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} schreiben kann, wenn es also eindeutig bestimmte Skalare
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s_1 , \ldots , s_n }
{ \in }{ K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ w }
{ =} { \sum_{i = 1}^n s_i v_i }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gibt.

}





\inputfaktbeweis
{K^n/Basis/Eindeutige Darstellung der 0/Gleichungssystem/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mathl{v_1= \begin{pmatrix} a_{11} \\\vdots\\ a_{m1} \end{pmatrix}, v_2= \begin{pmatrix} a_{12} \\\vdots\\ a_{m2} \end{pmatrix} , \ldots , v_n = \begin{pmatrix} a_{1n} \\\vdots\\ a_{mn} \end{pmatrix}}{} Vektoren im $K^m$.}
\faktuebergang {Dann sind die folgenden Aussagen äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Die Vektoren bilden eine \definitionsverweis {Basis}{}{} des $K^m$. }{Die Vektoren bilden ein \definitionsverweis {Erzeugendensystem}{}{} des $K^m$, und die einzige Darstellung des Nullvektors als \definitionsverweis {Linearkombination}{}{} der $v_j$ ist die triviale Darstellung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{0 }
{ =} { 0 \cdot v_1 + \cdots + 0 \cdot v_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ = }{ \begin{pmatrix} w_1 \\\vdots\\ w_m \end{pmatrix} }
{ = }{ K^m }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} besitzt das lineare Gleichungssystem
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ s_1 \begin{pmatrix} a_{11} \\\vdots\\ a_{m1} \end{pmatrix} + s_2 \begin{pmatrix} a_{12} \\\vdots\\ a_{m2} \end{pmatrix} + \cdots + s_n \begin{pmatrix} a_{1n} \\\vdots\\ a_{mn} \end{pmatrix} }
{ =} { \begin{pmatrix} w_1 \\\vdots\\ w_m \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine eindeutige Lösung. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

(1) und (3) sind äquivalent, da (3) lediglich eine ausgeschriebene Version von (1) ist. Die Implikation von (1) nach (2) ist klar, da die eindeutige Darstellbarkeit insbesondere für den Nullvektor gilt. Für die Umkehrung sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{w }
{ =} { \sum_{j = 1}^n s_jv_j }
{ =} { \sum_{j = 1}^n t_jv_j }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} angenommen. Dann ist direkt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{0 }
{ =} {w-w }
{ =} { \sum_{j = 1}^n s_jv_j - \sum_{j = 1}^n t_jv_j }
{ =} { \sum_{j = 1}^n ( s_j-t_j) v_j }
{ } { }
} {}{}{.} Wegen der eindeutigen Darstellbarkeit der $0$ muss
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s_j-t_j }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s_j }
{ = }{ t_j }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle $j$ sein.

}

Es sei bemerkt, dass die Bedingungen im vorstehenden Lemma nur bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ = }{n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} erfüllt sein können.






\zwischenueberschrift{Der Matrizenkalkül}

Ein lineares Gleichungssystem lässt sich am einfachsten mit Matrizen schreiben. Dies ermöglicht es, die Umformungen, die zur Lösung eines solchen Systems führen, durchzuführen, ohne immer die Variablen mitschleppen zu müssen. Matrizen \zusatzklammer {und der zugehörige Kalkül} {} {} sind recht einfache Objekte; sie können aber ganz unterschiedliche mathematische Objekte beschreiben \zusatzklammer {eine Familie von Spaltenvektoren, eine Familie von Zeilenvektoren, eine lineare Abbildung, eine Tabelle von Wechselwirkungen, eine zweistellige Relation etc.} {} {,} die man stets im Hinterkopf haben sollte, um vor Fehlinterpretationen geschützt zu sein.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m,n }
{ \in }{\N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Unter einer \definitionswortpraemath {m \times n}{ Matrix }{} über $K$ versteht man ein Schema der Form
\mathdisp {\begin{pmatrix} a_{11 } & a_{1 2} & \ldots & a_{1 n } \\ a_{21 } & a_{2 2} & \ldots & a_{2 n } \\ \vdots & \vdots & \ddots & \vdots \\ a_{ m 1 } & a_{ m 2 } & \ldots & a_{ m n } \end{pmatrix}} { , }
wobei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a_{ij} }
{ \in }{ K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{1 }
{ \leq }{i }
{ \leq }{m }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{1 }
{ \leq }{j }
{ \leq }{n }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist.

}

Zu jedem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{i }
{ \in }{I }
{ = }{ \{ 1 , \ldots , m \} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} heißt
\mathbed {a_{ij}} {,}
{j \in J} {}
{} {} {} {,} die $i$-te \stichwort {Zeile} {} der Matrix, was man zumeist als ein \stichwort {Zeilentupel} {} \zusatzklammer {oder einen \stichwort {Zeilenvektor} {}} {} {}
\mathdisp {(a_{i1}, a_{i2} , \ldots , a_{in})} { }
schreibt. Zu jedem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{j }
{ \in }{ J }
{ = }{ { \{ 1 , \ldots , n \} } }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} heißt
\mathbed {a_{ij}} {,}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} die $j$-te \stichwort {Spalte} {} der Matrix, was man zumeist als ein \stichwort {Spaltentupel} {} \zusatzklammer {oder einen \stichwort {Spaltenvektor} {}} {} {}
\mathdisp {\begin{pmatrix} a_{1j} \\a_{2j}\\ \vdots\\a_{mj} \end{pmatrix}} { }
schreibt. Die Elemente
\mathl{a_{ij}}{} heißen die \stichwort {Einträge} {} der Matrix. Zu
\mathl{a_{ij}}{} heißt $i$ der \stichwort {Zeilenindex} {} und $j$ der \stichwort {Spaltenindex} {} des Eintrags. Man findet den Eintrag
\mathl{a_{ij}}{,} indem man die $i$-te Zeile mit der $j$-ten Spalte kreuzt. Eine Matrix mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ m }
{ = }{ n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nennt man eine \stichwort {quadratische Matrix} {.} Eine
\mathl{m \times 1}{-}Matrix ist einfach ein einziges Spaltentupel der Länge $m$, und eine
\mathl{1 \times n}{-}Matrix ist einfach ein einziges Zeilentupel der Länge $n$. Die Menge aller Matrizen mit $m$ Zeilen und $n$ Spalten \zusatzklammer {und mit Einträgen in $K$} {} {} wird mit
\mathl{\operatorname{Mat}_{ m \times n } (K)}{} bezeichnet, bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ = }{n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} schreibt man
\mathl{\operatorname{Mat}_{ n } (K)}{.}

Zwei Matrizen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{A,B }
{ \in }{ \operatorname{Mat}_{ m \times n } (K) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} werden addiert, indem man sie komponentenweise addiert. Ebenso ist die Multiplikation einer Matrix $A$ mit einem Element
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{r }
{ \in }{K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {einem \stichwort {Skalar} {}} {} {} komponentenweise definiert, also
\mavergleichskettealigndrucklinks
{\vergleichskettealigndrucklinks
{ \begin{pmatrix} a_{11 } & a_{1 2} & \ldots & a_{1 n } \\ a_{21 } & a_{2 2} & \ldots & a_{2 n } \\ \vdots & \vdots & \ddots & \vdots \\ a_{ m 1 } & a_{ m 2 } & \ldots & a_{ m n } \end{pmatrix} + \begin{pmatrix} b_{11 } & b_{1 2} & \ldots & b_{1 n } \\ b_{21 } & b_{2 2} & \ldots & b_{2 n } \\ \vdots & \vdots & \ddots & \vdots \\ b_{ m 1 } & b_{ m 2 } & \ldots & b_{ m n } \end{pmatrix} }
{ =} { \begin{pmatrix} a_{11 } +b_{11} & a_{1 2} +b_{12} & \ldots & a_{1 n } +b_{1n}\\ a_{21 } +b_{21} & a_{2 2} +b_{22} & \ldots & a_{2 n } +b_{2n} \\ \vdots & \vdots & \ddots & \vdots \\ a_{ m 1 } +b_{m1} & a_{ m 2 } +b_{m2} & \ldots & a_{ m n } +b_{mn} \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ r \begin{pmatrix} a_{11 } & a_{1 2} & \ldots & a_{1 n } \\ a_{21 } & a_{2 2} & \ldots & a_{2 n } \\ \vdots & \vdots & \ddots & \vdots \\ a_{ m 1 } & a_{ m 2 } & \ldots & a_{ m n } \end{pmatrix} }
{ =} { \begin{pmatrix} ra_{11 } & ra_{1 2} & \ldots & ra_{1 n } \\ ra_{21 } & ra_{2 2} & \ldots & ra_{2 n } \\ \vdots & \vdots & \ddots & \vdots \\ ra_{ m 1 } & ra_{ m 2 } & \ldots & ra_{ m n } \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

Die Matrizenmultiplikation wird folgendermaßen definiert.


\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} und es sei $A$ eine $m \times n$-\definitionsverweis {Matrix}{}{} und $B$ eine $n\times p$-Matrix über $K$. Dann ist das \definitionswort {Matrixprodukt}{}
\mathdisp {AB} { }
diejenige
\mathl{m\times p}{-}Matrix, deren Einträge durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ c_{ik} }
{ =} {\sum_{j = 1}^n a_{ij} b_{jk} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gegeben sind.

}

Eine solche Matrizenmultiplikation ist also nur möglich, wenn die Spaltenanzahl der linken Matrix mit der Zeilenanzahl der rechten Matrix übereinstimmt. Als Merk\-regel kann man das Schema
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ (Z E I L E) \begin{pmatrix} S \\P\\ A\\L\\ T \end{pmatrix} }
{ =} { (ZS+EP+IA+L^2+ET) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} verwenden, das Ergebnis ist eine $1 \times 1$-Matrix. Die beiden soeben angeführten Matrizen kann man auch in der anderen Reihenfolge multiplizieren \zusatzklammer {was nicht immer möglich ist} {} {} und man erhält
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \begin{pmatrix} S \\P\\ A\\L\\ T \end{pmatrix} (Z E I L E) }
{ =} { \begin{pmatrix} SZ & SE & SI & SL & SE \\ PZ & PE & PI & PL & PE \\ AZ & AE & AI & AL & AE \\ LZ & LE & LI & L^2 & LE \\ TZ & TE & TI & TL & TE \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

Insbesondere kann man eine
\mathl{m \times n}{-}Matrix $A$ mit einem Spaltenvektor der Länge $n$ \zusatzklammer {von rechts} {} {} multiplizieren, und erhält dabei einen Spaltenvektor der Länge $m$.




\inputbeispiel{}
{

Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \begin{pmatrix} 2 & -7 & 3 \\ 1 & 0 & -5 \end{pmatrix} \begin{pmatrix} 1 & 3 & -3 & 5 \\ 0 & 1 & 4 & 0 \\ 3 & 2 & -6 & 0 \end{pmatrix} }
{ =} { \begin{pmatrix} 11 & 5 & -52 & 10 \\ -14 & -7 & 27 & 5 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}


}






\inputbemerkung
{}
{

Wenn man eine \definitionsverweis {Matrix}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{A }
{ = }{(a_{ij})_{ij} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{}
} {}{}{} mit einem Spaltenvektor
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ = }{\begin{pmatrix} x_{1 } \\ x_{2 }\\ \vdots\\ x_{ n } \end{pmatrix} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {multipliziert}{}{,} so erhält man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ A x }
{ =} { \begin{pmatrix} a_{11 } & a_{1 2} & \ldots & a_{1 n } \\ a_{21 } & a_{2 2} & \ldots & a_{2 n } \\ \vdots & \vdots & \ddots & \vdots \\ a_{ m 1 } & a_{ m 2 } & \ldots & a_{ m n } \end{pmatrix} \begin{pmatrix} x_{1 } \\ x_{2 }\\ \vdots\\ x_{ n } \end{pmatrix} }
{ =} { \begin{pmatrix} a_{11}x_1 + a_{12}x_2 + \cdots + a_{1n} x_n \\ a_{21}x_1 + a_{22}x_2 + \cdots + a_{2n} x_n\\ \vdots\\ a_{m1}x_1 + a_{m2}x_2 + \cdots + a_{mn} x_n \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } {}
} {}{}{.} Damit lässt sich ein \definitionsverweis {inhomogenes lineares Gleichungssystem}{}{} mit dem \stichwort {Störvektor} {} $\begin{pmatrix} c_{1 } \\ c_{2 }\\ \vdots\\ c_{ m } \end{pmatrix}$ kurz als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{Ax }
{ =} {c }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} schreiben. Die erlaubten Gleichungsumformungen durch Manipulationen an den Gleichungen, die die Lösungsmenge nicht ändern, können dann durch die entsprechenden Zeilenumformungen in der Matrix \zusatzklammer {unter Berücksichtigung der Störvektorseite} {} {} ersetzt werden. Man muss dann die Variablen nicht mitschleppen.

}




\inputdefinition
{}
{

Die $n \times n$-\definitionsverweis {Matrix}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ E_{ n } }
{ \defeq} { \begin{pmatrix} 1 & 0 & \cdots & \cdots & 0 \\ 0 & 1 & 0 & \cdots & 0 \\ \vdots & \ddots & \ddots & \ddots & \vdots \\ 0 & \cdots & 0 & 1 & 0 \\ 0 & \cdots & \cdots & 0 & 1 \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} nennt man die \definitionswort {Einheitsmatrix}{.}

} Die Einheitsmatrix $E_n$ besitzt die Eigenschaft
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ E_n M }
{ = }{ M }
{ = }{ M E_n }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für eine beliebige
\mathl{n\times n}{-}Matrix $M$. Sie ist also das neutrale Element bezüglich der Multiplikation von quadratischen Matrizen.




\inputdefinition
{}
{

Eine $n \times n$-\definitionsverweis {Matrix}{}{} der Form
\mathdisp {\begin{pmatrix} d_{11} & 0 & \cdots & \cdots & 0 \\ 0 & d_{22} & 0 & \cdots & 0 \\ \vdots & \ddots & \ddots & \ddots & \vdots \\ 0 & \cdots & 0 & d_{ n-1\, n-1} & 0 \\ 0 & \cdots & \cdots & 0 & d_{ n n} \end{pmatrix}} { }
nennt man \definitionswort {Diagonalmatrix}{.}

}


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