Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2023-2024)/Teil I/Vorlesung 7/latex

\setcounter{section}{7}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Crystal Clear kdm user female.svg} }
\end{center}
\bildtext {Dies ist Dr. Ines Eisenbeis. Sie ist für die wissenschaftliche Begleitung des Projektes Vorlesungshund verantwortlich. Ihre Arbeitshypothesen sind: 1) Studierende gehen lieber zur Vorlesung, 2) Außenseiter werden aus ihrer Isolation geholt, 3) Auffälligkeiten reduzieren sich, 4) Positive Sozialkontakte werden gefördert, 5) Profs werden mehr beachtet.} }

\bildlizenz { Crystal Clear kdm user female.svg } {} {Ftiercel} {Commons} {GNU-Lizenz für freie Dokumentatio} {}







\zwischenueberschrift{Approximation}

Ein grundlegender Gedanke der Mathematik ist der der \stichwort {Approximation} {,} der in unterschiedlichen Kontexten auftritt und sowohl für die Mathematik als Hilfswissenschaft für die empirischen Wissenschaften als auch für den Aufbau der Mathematik selbst, insbesondere der Analysis, entscheidend ist.

Das erste Beispiel dazu ist das \stichwort {Messen} {,} beispielsweise der Länge einer Strecke oder der Dauer eines Zeitabschnittes. Abhängig vom Kontext und der Zielsetzung gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, was eine genaue Messung ist, und die gewünschte Genauigkeit hat eine Auswirkung auf das zu wählende Messinstrument.

Das Ergebnis einer Messung wird, bezogen auf eine physikalische Einheit, durch einen \stichwort {Dezimalbruch} {} angegeben, also eine abbrechende \anfuehrung{Kommazahl}{,} und die Anzahl der Nachkommaziffern gibt Aufschluss über die behauptete Genauigkeit. Zur Angabe von Messergebnissen braucht man also weder irrationale Zahlen noch rationale Zahlen, deren periodische Ziffernentwicklung nicht abbricht.

Betrachten wir die Meteorologie. Aus Messungen an verschiedenen Messstationen wird versucht, das Wetter der folgenden Tage mit mathematischen Modellen \zusatzklammer {und Computersimulation} {} {} zu berechnen. Hier wird man, um bessere Prognosen machen zu können, im Allgemeinen mehr Messstationen brauchen \zusatzklammer {wobei man irgendwann aufgrund von anderen Fehlerquellen mit zusätzlichen Messstationen die Prognosen nicht mehr optimieren kann} {} {.}

Kommen wir zu innermathematischen Approximationen. Eine Strecke kann man zumindest ideell in $n$ gleichlange Teile unterteilen und man kann sich für die Länge der Teilstücke interessieren, oder man kann sich für die Länge der Diagonalen in einem Einheitsquadrat interessieren. Die Länge dieser Strecken könnte man prinzipiell auch messen, doch bietet die Mathematik bessere Beschreibungen dieser Längen an, indem sie beliebige rationale Zahlen und irrationale Zahlen \zusatzklammer {wie hier $\sqrt{2}$} {} {} zur Verfügung stellt. Die Bestimmung einer guten Approximation erfolgt dann innermathematisch. Betrachten wir den Bruch
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{q }
{ = }{ { \frac{ 3 }{ 7 } } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Eine Approximation dieser Zahl mit einer Genauigkeit von neun Nachkommastellen ist durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{0,428571428 }
{ <} { { \frac{ 3 }{ 7 } } }
{ <} {0,428571429 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gegeben. Die beiden Dezimalbrüche links und rechts sind also Approximationen \zusatzklammer {Abschätzungen} {} {} des wahren Bruches
\mathl{{ \frac{ 3 }{ 7 } }}{} mit einem Fehler, der kleiner als
\mathl{{ \frac{ 1 }{ 10^9 } }}{} ist. Dies ist eine typische Taschenrechnergenauigkeit, je nach Zielsetzung möchte man eine deutliche größere Genauigkeit \zusatzklammer {einen kleineren Fehler} {} {} haben. Die Rechnung in diesem Beispiel beruht auf dem Divisionsalgorithmus, den man beliebig weit durchführen kann, um beliebige Fehlergenauigkeiten zu erreichen \zusatzklammer {dass man wegen der auftretenden Periodizität irgendwann nur noch die weiteren Ziffern ablesen und nicht mehr rechnen muss, ist ein zusätzlicher Aspekt} {} {.} Die Angabe einer Dezimalbruchapproximation einer gegebenen Zahl nennt man auch eine \stichwort {Rundung} {.}

Sowohl in der empirischen als auch in der innermathematischen Situation gilt das folgende Approximationsprinzip.

\stichwort {Approximationsprinzip} {:} Es gibt keine allgemeingültige Güte für eine Approximation. Ein gutes Approximationsverfahren ist keine einzelne Approximation, sondern eine Methode, mit der man zu jeder gewünschten Güte \zusatzklammer {Fehler, Toleranz, Genauigkeit, Abweichung} {} {} bei entsprechendem Aufwand eine Approximation finden kann, die diese vorgegebene Güte erreicht.

Mit diesem Prinzip im Hinterkopf werden viele Begriffe wie \stichwort {konvergente Folge} {} und \stichwort {Stetigkeit} {,} deren präzise Formulierungen ziemlich kompliziert aussehen, verständlich.

Approximationen treten auch in dem Sinne auf, dass man empirische Funktionen, von denen ein endliches Datensampling bekannt ist, durch mathematisch möglichst einfache Funktionen beschreiben möchte. Ein Beispiel dazu ist der Interpolationssatz. Später werden wir die Taylorformel kennenlernen, die eine Funktion in einer kleinen Umgebung eines einzelnen Punktes besonders gut durch ein Polynom approximiert. Auch hier gilt wieder das Approximationsprinzip in der Form, dass man, um die Funktion zunehmend besser zu approximieren, den Grad der Polynome zunehmend höher wählen muss. In der Integrationstheorie wird ein Funktionsgraph durch obere und untere Treppenfunktionen eingeschachtelt und damit der Flächeninhalt unterhalb des Graphen approximiert, mit feineren Treppenfunktionen \zusatzklammer {kürzeren Stufen} {} {} erhält man zunehmend bessere Approximationen.

Wie gut eine Approximation ist, zeigt sich oft erst dann, wenn man mit den Approximationen rechnen soll. Man möchte beispielsweise wissen, welche Abschätzung man für den Flächeninhalt eines Rechtecks hat, wenn man Abschätzungen für seine Seitenlängen hat. Und zwar fragt man sich, welchen Fehler man für die Seitenlängen erlauben darf, damit der Fehler des Flächeninhalts noch innerhalb einer gewünschten Toleranz bleibt.

Wir werden uns nun als Beispiel mit Quadratwurzeln beschäftigen und wie man diese approximieren kann, und zwar, wie man sie als den Limes einer Folge erhalten kann. Wir haben in der vierten Vorlesung gesehen, dass es keine einfachere Beschreibung für Quadratwurzeln aus Primzahlen gibt, da diese im Allgemeinen irrational sind.






\zwischenueberschrift{Reelle Zahlenfolgen}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Heron_von_Alexandria.jpg} }
\end{center}
\bildtext {Heron von Alexandria (1. Jahrhundert n.C.)} }

\bildlizenz { Heron von Alexandria.jpg } {} {Frank C. Müller} {Commons} {PD} {}

Wir beginnen mit einem motivierenden Beispiel.


\inputbeispiel{ }
{

Wir wollen die Quadratwurzel einer natürlichen Zahl \anfuehrung{berechnen}{,} sagen wir von $5$. Eine solche Zahl $x$ mit der Eigenschaft
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x^2 }
{ = }{5 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es nicht innerhalb der rationalen Zahlen, wie aus der eindeutigen Primfaktorzerlegung folgt. Wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein solches Element ist, so hat auch $-x$ diese Eigenschaft. Mehr als zwei Lösungen kann es aber nach Korollar 6.6 nicht geben, sodass wir nur nach der positiven Lösung suchen müssen.

Obwohl es innerhalb der rationalen Zahlen keine Lösung für die Gleichung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x^2 }
{ = }{ 5 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt, so gibt es doch beliebig gute Approximationen innerhalb der rationalen Zahlen dafür. Beliebig gut heißt dabei, dass der Fehler \zusatzklammer {oder die Abweichung} {} {} unter jede gewünschte positive Schranke gedrückt werden kann. Das klassische Verfahren, um eine Quadratwurzel beliebig anzunähern, ist das \stichwort {Heron-Verfahren} {,} das man auch \stichwort {babylonisches Wurzelziehen} {} nennt. Dies ist ein \stichwort {iteratives Verfahren} {,} d.h., die nächste Approximation wird aus den vorausgehenden Approximationen berechnet. Beginnen wir mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ \defeq }{ x_0 }
{ \defeq }{ 2 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} als erster Näherung. Wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_0^2 }
{ =} {2^2 }
{ =} { 4 }
{ <} { 5 }
{ } { }
} {}{}{} ist $x_0$ zu klein, d.h. es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x_0 }
{ < }{ x }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Aus
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a^2 }
{ < }{ 5 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {mit $a$ positiv} {} {} folgt zunächst
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ 5/a^2 }
{ > }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und daraus
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ (5/a)^2 }
{ > }{ 5 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} d.h.
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ 5/a }
{ > }{ \sqrt{5} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Man hat also die Abschätzungen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{a }
{ <} {\sqrt{5} }
{ <} {5/a }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei rechts eine rationale Zahl steht, wenn links eine rationale Zahl steht. Eine solche Abschätzung vermittelt offenbar eine quantitative Vorstellung darüber, wo $\sqrt{5}$ liegt. Die Differenz
\mathl{5/a -a}{} ist ein Maß für die Güte der Approximation.

Beim Startwert $2$ ergibt sich, dass die Quadratwurzel $\sqrt{5}$ zwischen \mathkor {} {2} {und} {5/2} {} liegt. Man nimmt nun das \definitionsverweis {arithmetische Mittel}{}{} der beiden Intervallgrenzen, also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_1 }
{ \defeq} {\frac{2+ \frac{5}{2} }{2} }
{ =} {\frac{9}{4} }
{ } {}
{ } {}
} {}{}{.} Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \left( \frac{9}{4} \right) }^2 }
{ = }{\frac{81}{16} }
{ > }{5 }
{ }{}
{ }{}
} {}{}{} ist dieser Wert zu groß und daher liegt $\sqrt{5}$ im Intervall
\mathl{[5\cdot\frac{4}{9} , \frac{9}{4}]}{.} Von diesen Intervallgrenzen nimmt man erneut das arithmetische Mittel und setzt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_2 }
{ \defeq} {\frac{ 5 \cdot \frac{4}{9} + \frac{9}{4} }{2} }
{ =} {\frac{161}{72} }
{ } {}
{ } {}
} {}{}{} als nächste Approximation. So fortfahrend erhält man eine immer besser werdende Approximation von $\sqrt{5}$.


}

Eine entsprechende Folge ergibt sich zur Berechnung der Quadratwurzel einer jeden positiven reellen Zahl.


\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{\R_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine positive reelle Zahl. Die \stichwort {Heron-Folge} {} zum positiven Startwert $x_0$ ist rekursiv durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_{n+1} }
{ \defeq} { { \frac{ x_n + { \frac{ c }{ x_n } } }{ 2 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} definiert.

}

Entsprechend heißt das Verfahren, rekursiv zunehmend bessere Approximationen einer Quadratwurzel zu finden, \stichwort {Heron-Verfahren} {.} Dieses Verfahren liefert also insbesondere zu jeder natürlichen Zahl $n$ eine reelle Zahl, die eine durch eine gewisse algebraische Eigenschaft charakterisierte Zahl beliebig gut approximiert. Bei vielen technischen Anwendungen genügt es, gewisse Zahlen nur hinreichend genau zu kennen, wobei allerdings die benötigte Güte der Approximation von der technischen Zielsetzung abhängt. Es gibt im Allgemeinen keine Güte, die für jede vorstellbare Anwendung ausreicht, sodass es wichtig ist zu wissen, wie man eine gute Approximation durch eine bessere Approximation ersetzen kann und wie viele Schritte man machen muss, um eine gewünschte Approximation zu erreichen. Dies führt zu den Begriffen Folge und Konvergenz.




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionswort {reelle Folge}{} ist eine \definitionsverweis {Abbildung}{}{} \maabbeledisp {} {\N} {\R } {n} {x_n } {.}

} Eine Folge wird zumeist als
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{,} oder einfach nur kurz als
\mathl{(x_n)_n}{} geschrieben. Die oben zu einem Startglied $x_0$ rekursiv definierten Zahlen zur Berechnung von $\sqrt{c}$ sind ein Beispiel für eine Folge. Manchmal sind Folgen nicht für alle natürlichen Zahlen definiert, sondern nur für alle natürlichen Zahlen $\geq N$. Alle Begriffe und Aussagen lassen sich dann sinngemäß auch auf diese Situation übertragen.




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} eine \definitionsverweis {reelle Folge}{}{} und es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Man sagt, dass die Folge gegen $x$ \definitionswort {konvergiert}{,} wenn folgende Eigenschaft erfüllt ist

Zu jedem positiven
\mathbed {\epsilon > 0} {}
{\epsilon \in \R} {}
{} {} {} {,} gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n_0 }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \geq }{ n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_n-x } }
{ \leq} { \epsilon }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt. In diesem Fall heißt $x$ der \definitionswort {Grenzwert}{} oder der \definitionswort {Limes}{} der Folge. Dafür schreibt man auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lim_{n \rightarrow \infty} x_n }
{ \defeq} {x }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wenn die Folge einen Grenzwert besitzt, so sagt man auch, dass sie \definitionswort {konvergiert}{} \zusatzklammer {ohne Bezug auf einen Grenzwert} {.} {,} andernfalls, dass sie \definitionswort {divergiert}{.}

}

Man sollte sich dabei das vorgegebene $\epsilon$ als eine kleine, aber positive Zahl vorstellen, die eine gewünschte \stichwort {Zielgenauigkeit} {} \zusatzklammer {oder erlaubten Fehler} {} {} ausdrückt. Die natürliche Zahl $n_0$ ist dann die \stichwort {Aufwandszahl} {,} die beschreibt, wie weit man gehen muss, um die gewünschte Zielgenauigkeit zu erreichen, und zwar so zu erreichen, dass alle ab $n_0$ folgenden Glieder innerhalb dieser Zielgenauigkeit bleiben. Konvergenz bedeutet demnach, dass man jede gewünschte Genauigkeit bei hinreichend großem Aufwand auch erreichen kann. Je kleiner der Fehler, also je besser die Approximation sein soll, desto höher ist im Allgemeinen der Aufwand. Statt mit beliebigen positiven reellen Zahlen $\epsilon$ kann man auch mit den \stichwort {Stammbrüchen} {,} also den rationalen Zahlen
\mathbed {{ \frac{ 1 }{ k } }} {}
{k \in \N_+} {}
{} {} {} {,} arbeiten, siehe Aufgabe 7.7, oder mit den inversen Zehnerpotenzen
\mathbed {{ \frac{ 1 }{ 10^\ell } }} {}
{\ell \in \N} {}
{} {} {} {.}

Zu einem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und einer reellen Zahl $x$ nennt man das Intervall
\mathl{]x- \epsilon, x + \epsilon[}{} auch die $\epsilon$-\stichwort {Umgebung} {} von $x$. Eine Folge, die gegen $0$ konvergiert, heißt \stichwort {Nullfolge} {.}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Konvergenz.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Konvergenz.svg } {} {Matthias Vogelgesang} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}







\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Cauchy_sequence_-_example.png} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Cauchy sequence - example.png } {} {Pred} {da.wikipedia} {CC-by-sa 2.5} {}





\inputbeispiel{}
{

Eine \stichwort {konstante Folge} {}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x_n }
{ \defeq }{ c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist stets konvergent mit dem Grenzwert $c$. Dies folgt direkt daraus, dass man für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ > }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} als Aufwandszahl
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n_0 }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nehmen kann. Es ist ja
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_n-c } }
{ =} { \betrag { c-c } }
{ =} { \betrag { 0 } }
{ =} { 0 }
{ <} {\epsilon }
} {}{}{} für alle $n$.


}




\inputbeispiel{}
{

Die Folge
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_n }
{ =} { { \frac{ 1 }{ n } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist \definitionsverweis {konvergent}{}{} mit dem Grenzwert $0$. Es sei dazu ein beliebiges positives $\epsilon$ vorgegeben. Aufgrund des Archimedes Axioms gibt es ein $n_0$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ n_0 } } }
{ \leq }{ \epsilon }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Insgesamt gilt damit für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \geq }{n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_n-0 } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ n } } }
{ \leq} {{ \frac{ 1 }{ n_0 } } }
{ \leq} { \epsilon }
{ } {}
} {}{}{.}


}




\inputbeispiel{}
{

Wir betrachten die Folge
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_n }
{ =} { 0, 33 \ldots 33 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit genau $n$ Nachkommaziffern und behaupten, dass diese Folge gegen $1/3$ konvergiert. Dazu müssen wir
\mathl{\betrag { 0, 33 \ldots 33 - { \frac{ 1 }{ 3 } } }}{} bestimmen, und dafür müssen wir uns an die Bedeutung von Dezimalbrüchen erinnern. Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_n }
{ =} { 0, 33 \ldots 33 }
{ =} { { \frac{ 33 \ldots 33 }{ 10^n } } }
{ =} { { \frac{ \sum_{j = 0}^{n-1} 3 \cdot 10^j }{ 10^n } } }
{ } { }
} {}{}{} und somit ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \betrag { 0, 33 \ldots 33 - { \frac{ 1 }{ 3 } } } }
{ =} { \betrag { { \frac{ \sum_{j = 0}^{n-1} 3 \cdot 10^j }{ 10^n } } - { \frac{ 1 }{ 3 } } } }
{ =} { \betrag { { \frac{ 3 \cdot { \left( \sum_{j = 0}^{n-1} 3 \cdot 10^j \right) } - 10^n }{ 3 \cdot 10^n } } } }
{ =} { \betrag { { \frac{ { \left( \sum_{j = 0}^{n-1} 9 \cdot 10^j \right) } - 10^n }{ 3 \cdot 10^n } } } }
{ =} { \betrag { { \frac{ -1 }{ 3 \cdot 10^n } } } }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { { \frac{ 1 }{ 3 \cdot 10^n } } }
{ } {}
{ } {}
{ } {}
} {}{.} Wenn nun ein positives $\epsilon$ vorgegeben ist, so ist für $n$ hinreichend groß dieser letzte Term $\leq \epsilon$.


}





\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Folge/Eindeutiger Limes/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Eine \definitionsverweis {reelle Folge}{}{}}
\faktfolgerung {besitzt maximal einen Grenzwert.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

 Nehmen wir an, dass es zwei verschiedene Grenzwerte
\mathbed {x,y} {}
{x \neq y} {}
{} {} {} {,} gibt. Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{d }
{ \defeq }{ \betrag { x-y } }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wir betrachten
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ \defeq }{ d/3 }
{ > }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wegen der Konvergenz gegen $x$ gibt es ein $n_0$ mit
\mathdisp {\betrag { x_n-x } \leq \epsilon \text{ für } \text{alle } n \geq n_0} { }
und wegen der Konvergenz gegen $y$ gibt es ein $n_0'$ mit
\mathdisp {\betrag { x_n-y } \leq \epsilon \text{ für } \text{alle } n \geq n_0'} { . }
Beide Bedingungen gelten dann gleichermaßen für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \geq }{\max\{n_0,n_0'\} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es sei $n$ mindestens so groß wie dieses Maximum. Dann ergibt sich aufgrund der Dreiecksungleichung der Widerspruch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{d }
{ =} { \betrag { x-y } }
{ \leq} { \betrag { x-x_n } + \betrag { x_n-y } }
{ \leq} { \epsilon+ \epsilon }
{ =} { 2 d/3 }
} {}{}{.}

}






\zwischenueberschrift{Beschränktheit}




\inputdefinition
{}
{

Eine Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{M }
{ \subseteq }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} der reellen Zahlen heißt \definitionswort {beschränkt}{,} wenn es reelle Zahlen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s }
{ \leq }{S }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{M }
{ \subseteq }{ [s, S] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt.

}

Man nennt $S$ dann auch eine \stichwort {obere Schranke} {} von $M$ und $s$ eine \stichwort {untere Schranke} {} von $M$. Diese Begriffe werden auch für Folgen angewendet, und zwar für die Bildmenge
\mathl{{ \left\{ x_n \mid n \in \N \right\} }}{.} Für die Folge
\mathbed {1/n} {}
{n \in \N_+} {}
{} {} {} {,} ist $1$ eine obere Schranke und $0$ eine untere Schranke.





\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Konvergente Folge/Beschränkt/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {}
\faktvoraussetzung {Eine \definitionsverweis {konvergente}{}{} \definitionsverweis {reelle Folge}{}{}}
\faktfolgerung {ist \definitionsverweis {beschränkt}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} die konvergente Folge mit dem Limes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und es sei ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gewählt. Aufgrund der Konvergenz gibt es ein $n_0$ derart, dass
\mathdisp {\betrag { x_n-x } \leq \epsilon \text { für alle } n \geq n_0} { . }
Dann ist insbesondere
\mathdisp {\betrag { x_n } \leq \betrag { x } + \betrag { x-x_n } \leq \betrag { x } +\epsilon \text { für alle } n \geq n_0} { . }
Unterhalb von $n_0$ gibt es nur endlich viele Zahlen, sodass das Maximum
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{B }
{ \defeq} { \max_{n <n_0}\{ \betrag { x_n } ,\, \betrag { x } + \epsilon \} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} wohldefiniert ist. Daher ist $B$ eine obere Schranke und $- B$ eine untere Schranke für
\mathl{{ \left\{ x_n \mid n \in \N \right\} }}{.}

}


Es ist einfach, beschränkte, aber nicht konvergente Folgen anzugeben.


\inputbeispiel{}
{

Die \stichwort {alternierende Folge} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_n }
{ \defeq} { (-1)^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist beschränkt, aber nicht \definitionsverweis {konvergent}{}{.} Die Beschränktheit folgt direkt aus
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x_n }
{ \in }{ [-1,1] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle $n$. Konvergenz liegt aber nicht vor. Wäre nämlich
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \geq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} der Grenzwert, so gilt für positives
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ < }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und jedes ungerade $n$ die Beziehung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_n-x } }
{ =} { \betrag { -1-x } }
{ =} {1+x }
{ \geq} {1 }
{ >} {\epsilon }
} {}{}{,} sodass es Folgenwerte außerhalb dieser $\epsilon$-Umgebung gibt. Analog kann man einen negativ angenommen Grenzwert zum Widerspruch führen.


}






\zwischenueberschrift{Das Quetschkriterium}


\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Zwei konvergente Folgen/Vergleich/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien \mathkor {} {{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }} {und} {{ \left( y_n \right) }_{n \in \N }} {} \definitionsverweis {konvergente Folgen}{}{}}
\faktvoraussetzung {mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x_n }
{ \geq }{y_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lim_{n \rightarrow \infty} x_n }
{ \geq }{ \lim_{n \rightarrow \infty} y_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 7.14. }


Die folgende Aussage heißt \stichwort {Quetschkriterium} {.}

\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Folgen/Quetschkriterium/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien \mathkor {} {{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }, \, { \left( y_n \right) }_{n \in \N }} {und} {{ \left( z_n \right) }_{n \in \N }} {} \definitionsverweis {reelle Folgen}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Es gelte
\mathdisp {x_n \leq y_n \leq z_n \text{ für alle } n \in \N} { }
und \mathkor {} {{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }} {und} {{ \left( z_n \right) }_{n \in \N }} {} \definitionsverweis {konvergieren}{}{} beide gegen den gleichen Grenzwert $a$.}
\faktfolgerung {Dann konvergiert auch
\mathl{{ \left( y_n \right) }_{n \in \N }}{} gegen $a$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 7.15. }