Kurs:Mikropolitik(WS 2018/19)/Hochschule

Autor: Adrian Lautenbach

Exzerpt: Kaufmann, Benedict (2012): „Akkreditierung als Mikropolitik. Zur Wirkung neuer Steuerungsinstrumente an Hochschulen“, Wiesbaden: Springer VS, S.19-29 & 43-52.

Kernthese: Im Textabschnitt von Seite 19 bis 29 erklärt Kaufmann hauptsächlich das Konzept mikropolitischer Ansätze und deren Besondere Perspektive auf das Handeln von Akteuren in Organisationen. Der Abschnitt von Seite 43 bis 52 legt die speziellen Besonderheiten von Hochschulen als Organisationen dar. Hochschulen sind expertenfundierte Organisationen, deren Mitglieder weitgehend autonom eigene Interessen im Rahmen externer Umweltanforderungen folgen. Diese externen Umweltanforderungen sind allerdings stets im Wandel, widersprechen sich oftmals oder lassen sich quantitativ nicht messen. Dadurch entsteht ein großer Spielraum für Hochschulen für mikropolitische Prozesse.

Einleitung (S. 19 - 21) Bearbeiten

  • Steuerungsversuche müssen sich der spezifischen Verfasstheit der Organisation Hochschule bewusst sein.
  • Es gilt Besonderheiten und Spezifika der Hochschule zu analysieren: Wie werden externe Impulse organisationsintern verarbeitet?
  • „Mikropolitisch betrachtet sind Organisationen Spielfelder auf denen verschiedene Akteure um die Durchsetzung ihrer Interessen ringen.“
    • Innerhalb von Organisationen gibt es Handlungsspielräume welche die Akteure nutzen um ihre Ressourcen zu maximieren (Bezug auf Crozier/Friedberg 1979)
  • Organisationen bilden den flexiblen Bezugsrahmen für das „Spiel“
  • Zur mikropolitischen Analyseperspektive außerdem die Verwendung des Neoinstitutionalismus, da der mikropol. Ansatz nicht die Beziehung der Organisation zur Umwelt erklärt.
  • “Der NI betrachtet Organisationen als offene Systeme, die auf Umweltanforderungen reagieren und bei denen das Streben nach Legitimität eines der zentralen Elemente des Akteurshandelns darstellt.“

Mikropolitik als Erklärungsansatz für Akteurshandeln (S. 22) Bearbeiten

  • Mikropolitik als analytischer Bezugsrahmen, in dessen Mittelpunkt die Konstellationsanalyse handelnder Akteure steht.
  • Verweis auf Bosetzky´s Verständnis von Mikropolitik als Mittel um unter dem Einsatz eigener Ressourcen einen persönlichen Gewinn zu erzielen.
  • Mikropolitische Perspektive als Erklärungsansatz von Akteurshandeln unter gegebenen organisationalen und strukturellen Bedingungen.

Die Grundlagen: Akteur und Organisation (S. 23 - 24) Bearbeiten

(Crozier/Friedberg): Autonomie von Akteuren: Speist sich aus Expertentum, Kontrolle über Nahtstellen zur Umwelt, Kontrolle von Informationskanälen oder aus Organisationsregeln => dadurch Handlungsspielraum => dadurch Handlungsmacht. Ergebnisse von mikropolitischen Auseinandersetzungen können von rationalen Entscheidungsprozessen erheblich abweichen.

Mikropolitische Grundkonzepte I: Macht (S. 25) Bearbeiten

(Crozier/Friedberg): Macht als „verfügbare Möglichkeit“ von Gruppen und Individuen, auf andere Gruppen oder Individuen einzuwirken Macht ist relational, von sozialen Beziehungen abhängig Machtkontrolle durch die Kontrolle von Ungewissheitszonen. Diese sind für andere nicht kontrollierbar, jedoch absolut notwendig um eigene Interessen und Ziele zu erreichen. 4 Quellen von Macht: Expertentum, Kontrolle von Umweltschnittstellen, Kontrolle über Informations- und Kommunikationskanäle und die Nutzung organisatorischer Regeln.

Übertragung auf Hochschulen: Bearbeiten

Expertentum: wesentliche Machtquelle von Lehrenden und Forschenden -> spezifisches Wissen gewährt Handlungsspielraum gegenüber anderen Akteuren.

Schnittstellen zur Umwelt: Hauptsächlich Hochschulleitung (Verbindung zu staatlichen Mittelgebern). Aber auch Forschende/Lehrende durch die Einwerbung von Drittmitteln.

Nutzung organisatorischer Regeln: Verwaltung, andere Personen können aber auch Nutzen ziehen.

Kontrolle über Informations- und Kommunikationskanäle: Gruppen mit Umweltkontakten und organisatorisch höher gestellten

=> Nicht die nötige Trennschärfe für Hochschulen gegeben. Zu vage!

Mikropolitische Grundkonzepte II: Spiel (S. 27) Bearbeiten

(Ortmann 1992/Neuberger 1992): Handlungen der Akteure als Spiel, organisationale Strukturen als mehr oder weniger dehnbare Spielregeln (Crozier/Friedberg): Spiel als Mechanismus um Machtbeziehungen zu strukturieren und regulieren sowie Freiheiten zu erspielen. Spiel als Wettstreit um eigene Interessenslagen durchzusetzen. Freiheit & Zwang: Regeln sind bekannt, lassen sich durch das Spiel jedoch verändern. Routine-/Innovationsspiele: Routinespiele sind alltägliche Spiele welche zur Strukturerhaltung auf Organisationsebene geführt werden. Innovationsspiele sind neue Ideen, die zu neuen Strukturen führen können => Durchsetzung führt zur Strukturveränderung. Spielstrukturen bieten Organisationsmitgliedern genügend Chancen, um eigene Interessen zu realisieren -> Mitspielen erscheint als lohnender als der Ausstieg aus der Organisation.

Mikropolitische Grundkonzepte III: Strategie (S. 28) Bearbeiten

(Crozier/Friedberg): Strategien als interessensgeleitete aber flexible Handlungsmuster. Defensive Strategien: Erhalt von Spielräumen; offensive Strategien: Erweiterung von Spielräumen.

  • Strategien können unbewussten und unbeabsichtigten Prozessen zugrunde liegen sowie sich erst beim handeln entwickeln
    • ð Bezug Hochschule: Lehrstuhlinhaber entwickeln unterschiedliche Strategien zum Erwerb von Kapital. -> Innen/außen: Kapital durch Erbringung wissenschaftl. Leistung, Beteiligung an Hochschulgremien, Übernahme von Ämtern
  • als Dekan Möglichkeiten den eigenen Spielraum gegenüber Fakultätsmitgliedern durchzusetzen

Hochschulen als mikropolitische Felder (S. 29) Bearbeiten

Hochschulen sind Expertenorganisationen. Konfliktlinien: Experten wollen eigene Handlungsoptionen maximieren z.B. durch Erlangung von Kapital in unterschiedl. Form.

  • Konflikte entstehen, wenn dabei Interessen auseinandergehen: z.B. Hochschullehrer welche die Ressourcen der Organisation für die Forschung und ihre wissenschaftl. Publikation anstatt auch für die Lehre nutzen
  • anderes Beispiel: „Notwendigerweise führen extern initiierte Mittelkürzungen zu Konflikten, da jeder der Akteure nach seiner eigenen Handlungslogik versuchen muss, Einschnitte bei den ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen abzuwenden.“
  • “Vorhaben der Arbeit ist es, den Umgang mit Akkreditierung als Mikropolitik innerhalb der Hochschule zu deuten, um so zu einer tragfähigen Erklärung der empirisch beobachtbaren Effekte und Dynamiken zu kommen.“

Spezifika von Hochschulen als Organisation Bearbeiten

Idealtypische „vollständige“ Organisation (Wirtschaftsunternehmen): (S. 43)

  • Identität: Mindestmaß an Kontrolle über eigene Ressourcen und Grenzen
  • Hierarchie: Existenz eines steuerungsfähigen Zentrums
  • Rationalität: Fähigkeit Organisationsziele effektiv und effizient zu verfolgen

Hochschule ist keineswegs eine idealtypische Organisation:

  • Identität: Fehlende Kontrolle über Ressourcen und Grenzen: Angewiesen auf staatliche Mittelgeber
  • Hierarchie: Steuerungsfähiges Zentrum bestenfalls in Ansätzen
  • Rationalität: Auseinanderstrebende Interessen gerade bei Profilbildung und Entwicklung der Hochschule sowie individuelle Ziele der Mitglieder

Was macht eine Hochschule aus? Besonderheiten der Hochschule: (S. 44)

(Weick 1974): „loosely coupled systems“: Einzelne Mitglieder sind aufeinander bzw. auf die Organisation nur in geringem Maße angewiesen.

  • Hochschulen sind abhängig von Leistungsträgern, denen eine hohe Autonomie zukommt
    • Abhängig vom Expertenwissen einzelner Organisationsmitglieder
    • Ein Eingriff in die Autonomie kann intrinsische Motivation behindern und somit kreative Prozesse bedrohen

(Pasternack 2016): Experten sind einerseits an (innovativer) Profession orientiert, andererseits gegenüber der (trägen) Organisation gleichgültig eingestellt. (S. 45)

  • Grenzen rationaler Steuerungszugänglichkeit/Selbstorganisationsfähigkeit

Gemeinsame Ziele der Gesamtorganisation sind schwierig zu gestalten aufgrund geteilter Loyalität:

Lokalorientiert: Beteiligung an hochschulinternen Gremien/hochschuleigene Mittelvergabe

Kosmopolitisch orientiert: Beteiligung an überregional Gremien/Mitteleinwerbung bei nationalen und internationalen Einrichtungen

Äußere Schwierigkeiten: Konfrontation mit unterschiedlichen Zielpräferenzen aus verschiedenen Bereichen. Hochschulen kaum in der Lage klare Ziele zu definieren. Aufgaben wie Lehre, Forschung und Weiterbildung differenzieren sich immer weiter aus.

  • Lehre: Innovative Konzepte+ hohe Berufsrelevanz
  • Forschung: Anwendungsorientiert+ exzellent
  • Weiterbildung: Durchlässigkeit für immer neue Interessensgruppen

Weitere Schwierigkeiten bei Zielsetzung oder Festlegung von Verfahren zur Leistungserbringung. „In all diesen Bereichen kommt es typischerweise zu Situationen, in denen Verhaltensweisen nicht normiert vorgegeben werden können, sondern die eine spezifische Entscheidung des Experten verlangen, der dafür die entsprechende Autonomie benötigt.“ (S.47)

Hochschulen fußen nicht auf ökonomischen Marktrationalitäten (was gut ist). Deshalb entfällt ihnen das wesentliche Disziplinierungsmerkmal des Marktes welches die einzelnen Akteure zum effizienten Handeln anstößt. Informationen und Forschung bringen weniger/keinen ökonomischen Gewinn im Gegensatz zu Unternehmen. Unsichtbare Hand des Marktes kommt nicht zur Wirkung. (S. 48)

Problem der Partizipation (Teilnahme an Bearbeitung v. Problemen) (S. 50)

  • Zentrale Hochschulverwaltung: professionalisierte Verwaltungs- /Organisationsstrukturen
  • Akademische Verwaltung: Selbstverwaltung ohne professionelle Strukturen=>hohe fachwissenschaftliche Kompetenz geht nicht mit Organisationskompetenz einher


  • (Hochschule mit ihren verschiedensten Teilbereichen in einem stetigen Wandel in Lehre, Forschung und Weiterbildung mit autonomen Akteuren welche dabei verschiedene Ziele mit unterschiedlichen internen/externen Methoden verfolgen. Viele Leistungen sind nicht quantifizierbar.
  • Hochschule hervorragend für Analyse mikropolitischer Prozesse)
  • Viel Raum für mikropolitische Prozesse aufgrund der Freiheit der Mitglieder und der Schwierigkeit organisationsbedingte Zielsetzungen festzulegen
  • Erwerb von wissenschaftlichen, reputativen Kapital sowie das Streben nach Autonomieerhalt um die Ausgangsbedingungen des eigenen Kapitalerwerbs aufrecht erhalten zu können


Andererseits müssen Hochschulen sich den gesellschaftlichen Erwartungen in Form und Rationalität anpassen.

  • Stets andauernde, teilweise nicht umsetzbare und sogar widersprüchliche Umweltanforderungen.
  • Hochschulen im Widerspruch zwischen Selbstregulation und politisch/gesellschaftlichen Druck


Hochschule ist von externen Ressourceneinflüssen abhängig. Ihre Qualität lässt sich jedoch aufgrund spezifischer Leistungen für die Geldgeber kaum messen. Etablierung neuer Steuerungsmechanismen und Implementierung. Wie sich

diese allerdings auswirken ist im empirischen Teil vorzufinden