Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 27/latex

\setcounter{section}{27}






\zwischenueberschrift{Entfaltungen}




\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {holomorphen Funktion}{}{} \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen, nennt man eine holomorphe Funktion \maabb {E} {U \times V} { {\mathbb C} } {,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen, mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{E( - , 0) }
{ = }{f }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionswort {Entfaltung}{} von $f$.

}

Statt Entfaltung spricht man auch von einer \stichwort {Deformation} {} oder einer \stichwort {Störung} {} von $f$. Den Raum $V$ nennt man dabei auch den Entfaltungsraum oder Deformationsraum oder Parameterraum. Typischerweise bezeichnet man die Koordinaten von $U$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ = }{(z_1 , \ldots , z_n) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und die Koordinaten von $V$ \zusatzklammer {die Deformationsparameter} {} {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ = }{(w_1 , \ldots , w_m) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die Definition bedeutet, dass man, wenn man
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} setzt, die ursprüngliche Funktion $f$ zurückerhält, und dass man für fixiertes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine variierte, deformierte, gestörte Version von $f$ erhält. Die Funktion \maabb {E(-,w)} { U } { {\mathbb C} } {,} wo also der Deformationsparameter $w$ fixiert ist, wird auch mit $f_w$ bezeichnet. Man spricht bei einer Entfaltung auch von einer \stichwort {Familie} {} von Funktionen
\mathbed {f_w} {}
{w \in V} {}
{} {} {} {.} Die Grundidee ist, dass diese Deformationen helfen, das eigentliche $f$ zu verstehen. Den Graphen der Ausgangsfunktion $f$ erhält man aus dem Graphen zu $E$ zurück, indem man mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} schneidet.






\inputbemerkung
{}
{

Es seien \mathkor {} {f} {und} {g} {} \definitionsverweis {holomorphe Funktionen}{}{} auf
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen. Dann besitzt die \definitionsverweis {Entfaltung}{}{} \maabbeledisp {E} {U \times {\mathbb C} } { {\mathbb C} } { (P,t) } { (1-t) f(P) + tg(P) } {,} die Eigenschaft, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{E( -,0) }
{ = }{f }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{E( -,1) }
{ = }{g }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Von daher gibt es Entfaltungen, die jede holomorphe Funktion in jede andere holomorphe Funktion deformieren. Insbesondere treten glatte Fasern und beliebige singuläre Fasern in einer Entfaltung auf. Von daher ist die Eigenschaft relevanter, wie die deformierten Funktionen bzw. Nullstellengebilde in einer beliebig kleinen Umgebung aussehen. Eine grundsätzliche Beobachtung dabei ist, dass in einer kleinen offenen Umgebung die Funktionen weniger singulär sind als in einer speziellen Faser. Zu einer regulären Funktion sind auch die deformierten Funktionen in einer Umgebung regulär.

}






\inputbemerkung
{}
{

Es sei \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{} auf
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen. Dann besitzt die \definitionsverweis {Entfaltung}{}{} \maabbeledisp {E} {U \times {\mathbb C} } { {\mathbb C} } { (x,t) } { f(x) -t } {,} die Eigenschaft, dass die Nullstellenmenge zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{E( f,t) }
{ = }{f_t }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} bei $t$ fixiert einfach das Urbild von $t$ unter $f$ ist. Es ist ja unmittelbar
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ E(-,t)^{-1} (0) }
{ =} { f_t^{-1} (0) }
{ =} { { \left\{ x \in U \mid f_t(x) = 0 \right\} } }
{ =} {{ \left\{ x \in U \mid f (x) = t \right\} } }
{ =} { f^{-1}(t) }
} {}{}{.} D.h. in dieser Entfaltung treten die benachbarten Fasern
\mathl{f^{-1}(t)}{} zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{t }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} als deformierte Fasern auf. Mit Entfaltungen studiert man also insbesondere auch, wie sich die Nullstellenmenge zu $f$ bezogen auf die benachbarten Fasern verhält.

}




\inputdefinition
{}
{

Es sei \maabb {f} {U} { {\mathbb C} } {,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen, eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{} mit einer isolierten Singularität im Nullpunkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es seien
\mathdisp {h_1 , \ldots , h_\mu \in {\mathcal O}_n} { }
holomorphe Funktionen, deren Restklassen im Restklassenraum
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \mathcal O}_n /J_f }
{ =} { { \mathcal O}_n / ( \partial_1 f , \ldots , \partial_n f ) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {Basis}{}{} bilden. Dann nennt man die holomorphe Abbildung \maabbeledisp {} {U' \times {\mathbb C}^\mu } { {\mathbb C} } {(z,w)} { f(z) + \sum_{j = 1}^\mu w_j h_j(z) } {,} \zusatzklammer {wobei
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{U' }
{ \subseteq }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein gemeinsamer Definitionsbereich der $h_j$ sei} {} {} die \definitionswort {Standardentfaltung}{} von $f$.

}

Diese Standardentfaltung ist in einem präzisierbaren Sinn die universelle Entfaltung, d.h. jede Entfaltung lässt sich in einem gewissen Sinne durch die Standardentfaltung erfassen. Dies werden wir hier nicht durchführen. Wenn $f$ ein Polynom ist, das eine isolierte Singularität definiert, so ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ {\mathbb C} [X_1 , \ldots , X_n]_{(X_1 , \ldots , X_n)} /J_f }
{ \cong} { {\mathcal O}_n/J_f }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gemäß Satz 24.12, d.h. der Parameterraum zur Standardentfaltung lässt sich rein algebraisch beschreiben. Die $1$ kann man stets als ein Basiselement nehmen. Wenn man allerdings nur an Entfaltungen mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f_w(0) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} interessiert ist, so kann man dies weglassen und spart eine Parameterdimension.




\inputbeispiel{}
{

Zu einer Variablenpotenz
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f(x) }
{ = }{x^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \maabbeledisp {f} { {\mathbb C} } { {\mathbb C} } {x} {x^n } {,} ist die Ableitung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(x) }
{ = }{ nx^{n-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und somit bilden die Funktionen
\mathl{1,x,x^2 , \ldots , x^{n-2}}{} eine Basis von
\mathl{{\mathcal O}/ { \left( nx^{n-1} \right) }}{.} Die \definitionsverweis {Standardentfaltung}{}{} ist also \maabbeledisp {} { {\mathbb C} \times {\mathbb C}^{n-1} } { {\mathbb C} } {(x,a_0,a_1 , \ldots , a_{n-2}) } { x^n +a_0+a_1x + \cdots + a_{n-2} x^{n-2} } {.}


}






\inputbemerkung
{}
{

Bei einer \definitionsverweis {Entfaltung}{}{} \maabbdisp {E} { {\mathbb C}^n \times {\mathbb C}^m } { {\mathbb C} } {} variieren die kritischen Punkte von
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{f_w }
{ =} { E(-,w) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} \zusatzklammer {und die singulären Punkte der Hyperflächen $V(f_w)$} {} {} mit dem Parameter
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ \in }{ {\mathbb C}^m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Eigenschaften der kritischen Punkte \zusatzklammer {wie ihre Anzahl, ihre Multiplizität, ihre Milnorzahl} {} {} definieren Bedingungen an die Parameter. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ = }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} sind die kritischen Punkte einfach die Nullstellen der Ableitung von $f_w$, die einfach oder mehrfach sein können. Bei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{E(x,w) }
{ =} {x^3+ wx }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} liegt zum Parameterwert
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ = }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein kritischer Punkt im Nullpunkt der Ordnung $3$ \zusatzklammer {Milnorzahl $2$} {} {} vor, bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es zwei kritische Punkte, nämlich bei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x }
{ =} { \pm \sqrt{w/3} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} die jeweils Ordnung $2$ haben \zusatzklammer {Milnorzahl $1$} {} {.} Reell betrachtet \zusatzklammer {man skizziere den Gesamtgraphen von $E$} {} {} liegt in einem der Punkte ein lokales Minimum, im anderen ein lokales Maximum vor. Wenn sich der Parameter auf $0$ zubewegt, so fallen die beiden singulären Punkte zusammen. Solche Phänome, wie Singularitäten parameterabhängig zusammen- oder auseinanderfallen, werden unter dem Stichwort \anfuehrung{Katastrophentheorie}{} studiert.

}




\inputbeispiel{}
{

Zur Funktion
\mathl{X^2-Y^3}{} bilden
\mathl{1,Y}{} eine Basis von
\mathl{{\mathcal O}/ { \left( 2X,3Y^2 \right) }}{.} Die \definitionsverweis {Standardentfaltung}{}{} ist also \maabbeledisp {} { {\mathbb C}^2 \times {\mathbb C}^2 } { {\mathbb C} } {(x,y,v,w)} { x^2-y^3 +v+wy } {.} Zu einem fixierten Parameterpaar
\mathl{(v,w)}{} besitzt die dadurch parametrisierte Funktion $f_{v,w}$ die partiellen Ableitungen \mathkor {} {2x} {und} {- 3y^2+w} {.} Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} besitzt $f_{v,w}$ den einzigen singulären Punkt
\mathl{(0,0)}{} \zusatzklammer {der aber nur bei \mathlk{v=0}{} auf der Faser liegt} {} {,} der \definitionsverweis {ausgeartet}{}{} ist \zusatzklammer {mit \definitionsverweis {Milnorzahl}{}{} $2$} {} {,} bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} besitzt $f_{v,w}$ die beiden singulären Punkte \mathkor {} {(0, \sqrt{w/3)}} {und} {(0,- \sqrt{w/3)}} {,} die beide nicht ausgeartet sind. Die Anzahl der nichtausgearteten kritischen Punkte stimmt also mit der Milnorzahl der Ausgangshyperfläche überein.


}






\zwischenueberschrift{Algebraisch bestimmte Diffeomorphismen}

Wir besprechen nun wichtige Kriterien, mit denen man $f$ und
\mathl{f+h}{,} wobei $h$ bezogen auf $f$ eine große Nullstellenordnung besitzt, als rechtsäquivalent nachweisen kann. Dazu arbeitet man mit der Entfaltung
\mathl{f+th}{,} die ja $f$ in
\mathl{f+h}{} deformiert, und dazu passenden Vektorfeldern.




\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktion/Addition/Rechtsäquivalenz/Ausdehnung und Vektorfeld/Biholomorphe Abbildung/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien \maabb {f,h} {U} { {\mathbb C} } {,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {offen}{}{,} \definitionsverweis {holomorphe Funktionen}{}{.} Es sei \maabbdisp {H} { {\mathbb C} \times U } { {\mathbb C} } {} durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{H (t,z) }
{ \defeq} { f(z) + t h(z) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definiert.}
\faktvoraussetzung {In den lokalen Ringen ${\mathcal O}_P$ zu den Punkten
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ = }{ (s,0) }
{ \in }{ [0,1] \times {\mathbb C}^n }
{ \subseteq }{{\mathbb C}^{n +1} }
{ }{ }
} {}{}{} gelte
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h }
{ \in} { { \left( z_1 , \ldots , z_n \right) } { \left( \partial_{z_1} H , \ldots , \partial_{z_n} H \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $f+h$ \definitionsverweis {rechtsäquivalent}{}{} zu $f$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial_{z_j} H }
{ =} { \partial_{z_j} f + t \partial_{z_j} h }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und somit auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial_{z_j} f }
{ =} { \partial_{z_j} H - t \partial_{z_j} h }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wir fixieren ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s }
{ \in }{ [0,1] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und arbeiten im Ring
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{R }
{ = }{ {\mathcal O}_P }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} der holomorphen Funktionen im Punkt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{P }
{ =} { (s,0 ) }
{ \in} { {\mathbb C} \times {\mathbb C}^n }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} \zusatzklammer {in \mathlk{n+1}{} Variablen} {} {.} Nach Voraussetzung ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h }
{ \in} { { \left( z_1 , \ldots , z_n \right) } { \left( \partial_{z_1} H , \ldots , \partial_{z_n} H \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} in diesem Ring. Dies bedeutet, dass es holomorphe Funktionen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \alpha_j }
{ \in }{ { \left( z_1 , \ldots , z_n \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {als Ideal in $R$, diese Funktionen hängen auch von $t$ ab} {} {} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ -h }
{ =} { \sum_j \alpha_j \partial_{z_j} H }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gibt, die in einer offenen Umgebung $V$ von $P$ definiert sind. Wir können
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{V }
{ =} { ]s- \epsilon, s+ \epsilon[ \times W }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{W }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen schreiben. Wir betrachten das holomorphe zeitabhängige \zusatzklammer {wenn man $t$ als Zeitparameter auffasst} {} {} Vektorfeld
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{F }
{ =} { \partial_t + \sum_{j = 1}^n \alpha_j \partial_{z_j} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} auf $V$. Nach Konstruktion gilt \zusatzklammer {das Vektorfeld als Derivation aufgefasst} {} {}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ F(H) }
{ = }{ \partial_t H + \sum_j \alpha_j \partial_{z_j} H }
{ = }{h-h }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
} {}{}{.} Da die $\alpha_j$ zu
\mathl{{ \left( z_1 , \ldots , z_n \right) }}{} gehören, ist im Raumpunkt $0$ die Raumkomponente des Vektorfeldes gleich $0$. Für die nach Satz 26.11 zugehörige holomorphe \definitionsverweis {lokal einparametrige Gruppe}{}{} \maabbdisp {\Psi} { ]s- \epsilon, s+ \epsilon[ \times W' } { W } {} gilt insbesondere
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\Psi_t(0) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle $t$. Die zugehörigen biholomorphen Abbildungen respektieren also den Nullpunkt. Die Eigenschaft
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ F(H) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} impliziert, dass die Funktion $H$ längs jeder Lösungskurve
\mathl{\Psi( - , z)}{} konstant ist. Daher ist
\mathl{H( t, \Psi_t(z) )}{} unabhängig von
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{t }
{ \in }{]s- \epsilon,s+\epsilon[ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

Die offenen Intervalle
\mathl{]s- \epsilon,s+\epsilon [}{} zu den verschiedenen $s$ überdecken das Einheitsintervall, daher gibt es wegen dessen \definitionsverweis {Kompaktheit}{}{} endlich viele Intervalle davon, die es überdecken. Daher gibt es Punkte
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{0 }
{ <} {t_2 }
{ <} {t_3 }
{ < \cdots <} { t_{m-1} }
{ <} {1 }
} {}{}{,} wobei je zwei aufeinanderfolgende Punkte in einem der Intervalle liegen, und biholomorphe Abbildungen
\mathl{\Psi_j}{,} die die Situation im Zeitpunkt $t_j$ in die Situation zum Zeitpunkt
\mathl{t_{j+1}}{} überführen. Wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ H( 0,z ) }
{ =} { f(z) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und der Invarianz gilt auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ H( t_1, \Psi_{t_1} (z) ) }
{ =} { f(z) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und dies folgt durch Induktion für alle weiteren Zeitpunkte $t_j$.

Die Hintereinanderschaltung dieser biholomorphen Abbildungen transformiert die Funktion $f$ insgesamt in die Funktion
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ H(1,-) }
{ = }{ f+ h }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}





\inputfaktbeweis
{Holomorphe Funktion/Dritte Potenz/Summe/Zweite Jacobiidealpotenz/Rechtsäquivalenz/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien \maabb {f,h} {U} { {\mathbb C} } {,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C}^n }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \definitionsverweis {offen}{}{,} \definitionsverweis {holomorphe Funktionen}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Im lokalen Ring ${\mathcal O}_n$ gelte
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ \in }{ {\mathfrak m}^{3} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{h }
{ \in }{ J_f^2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $f+h$ \definitionsverweis {rechtsäquivalent}{}{} zu $f$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es seien
\mathl{z_1 , \ldots , z_n}{} die Koordinaten in ${\mathbb C}^n$ und somit ist insbesondere
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathfrak m} }
{ = }{ { \left( z_1 , \ldots , z_n \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wir setzen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{H (t,z) }
{ \defeq} { f(z) + t h(z) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und arbeiten mit Lemma 27.8. Es sei
\mathl{(R, {\mathfrak n})}{} ein dafür relevanter lokaler Ring, dabei ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathfrak m} }
{ \subset }{ {\mathfrak n} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{h }
{ \in }{ J_f^2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{h }
{ =} { \sum_{i,j} \beta_{ij} { \left( \partial_{z_i} f \right) } \cdot { \left( \partial_{z_j} f \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit holomorphen Funktionen
\mathl{\beta_{ij}}{} und wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial_{z_k} { \left( \partial_{z_j} f \right) } }
{ \in} {{\mathfrak m} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} \zusatzklammer {was auf \mathlk{f \in {\mathfrak m}^3}{} beruht} {} {} folgt mit der Produktregel
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial_{z_i} h }
{ \in} { {\mathfrak m} J_f }
{ \subseteq} { {\mathfrak n} J_f }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial_{z_j} H }
{ =} { \partial_{z_j} f +t \partial_{z_j} h }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bzw.
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial_{z_j} f }
{ =} { \partial_{z_j} H - t \partial_{z_j} h }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daher gilt mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ J_H }
{ = }{ { \left( \partial_{z_1} H , \ldots , \partial_{z_n} H \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Beziehung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ {\mathfrak m} J_f }
{ \subseteq} { {\mathfrak m} J_H + {\mathfrak m} { \left( \partial_{z_1} h , \ldots , \partial_{z_n} h \right) } }
{ \subseteq} {{\mathfrak m} J_H + {\mathfrak m} {\mathfrak n} J_f }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Mit dem Lemma von Nakayama folgt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathfrak m} J_f }
{ \subseteq }{ {\mathfrak m} J_H }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Aus
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{h }
{ \in }{ J_f^2 }
{ \subseteq }{ {\mathfrak m} J_f }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} folgt somit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{h }
{ \in }{{\mathfrak m} J_H }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}





\inputbeispiel{}
{

Betrachten wir
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{f }
{ =} {x^3+y^4 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Das \definitionsverweis {Jacobiideal}{}{} ist
\mathl{{ \left( x^2,y^3 \right) }}{,} das Quadrat davon ist
\mathl{{ \left( x^4,x^2y^3,y^6 \right) }}{.} Nach Lemma 27.9 ist beispielsweise
\mathl{x^3+y^4+5x^4+ x^3y^3+7xy^9}{} \definitionsverweis {rechtsäquivalent}{}{} zu $f$. In der \definitionsverweis {Entfaltung}{}{}
\mathl{x^3+y^4+tx^4}{} kommen also nur zu $f$ rechtsäquivalente Deformationen vor. Wenn man hingegen die Entfaltung
\mathl{sx^3+y^4+x^4}{} betrachtet, so ist für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Deformation rechtsäquivalent zu $f$, für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} geht es hingegen um
\mathl{y^4+x^4}{,} das, weil es reduzibel ist, nicht rechtsäquivalent zu $f$ ist.


}

Der Beweis zu Lemma 29.4 zeigt, dass die Voraussetzung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f }
{ \in }{{\mathfrak m}^2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für Lemma 27.9 nicht ausreichen würde.