Die Awaren

Als die Awaren erstmals nach Europa vordrangen, war der Eindruck der Hunnen, deren Reich ein Jahrhundert zuvor untergegangen war, noch so stark, dass man auch das neue Reitervolk als Hunnen ansah und so bezeichnete. Auch in Österreich gibt es zahlreiche Ortsund Flurnamen, die mit dem Wort Hunnen zusammengesetzt sind, tatsächlich aber auf die Awaren hinweisen. Als Beispiel sei Heun(en)burg, das heutige Haimburg bei Völkermarkt in Kärnten genannt. Während der deutsche Name auf die Heunen (Hunnen) zurückgeht, weist die slowenische Form Vobre, die von ober=Aware abgeleitet ist, auf die richtige Wurzel hin.

Umstritten ist die von manchen Forschern vertretene Gleichsetzung der Awaren mit den Jou-Jan, die in der Mongolei ansässig waren und in chinesischen Quellen genannt werden. Jene Awaren, die zunächst mit dem Byzantinischen Reich und dann mit dem Frankenreich in Kontakt traten, werden bisweilen als „Pseudoawaren“ bezeichnet, weil sie ihren Namen offenbar von einem anderen Steppenvolk, den ursprünglichen Awaren, übernommen hatten. Ähnlich wie bei den Hunnen finden sich auch bei den Awaren europide und mongolide Einflüsse. In der Hauptsache aber sind die Awaren, auch was ihre Sprache betrifft, als Turkvolk anzusprechen.

So wie die Hunnen sind auch die Awaren aus einem Bündnis verschiedener Stämme und Reitervölker hervorgegangen, darunter die Bulgaren, die sich nach 626 aus diesem Bündnis lösten. In enger Verbindung mit den Awaren traten die Slawen bzw. Anten auf, deren Ursprung in der Forschung nach wie vor umstritten ist. Den zeitgenössischen Quellen ist zu entnehmen, dass die Awaren eine zahlenmäßig geringe Oberschicht bildeten, die als Reiterkrieger die von ihnen beherrschten Völker ausbeuteten. Die Slawen als Bauern, die vom Ackerbau lebten, versorgten die Awaren, die Viehzüchter waren, mit Getreide und anderen von ihnen hergestellten Produkten. Die Awaren wiederum benützten ihre Position als „Herrenvolk“ um mit slawischen Frauen Nachkommen zu zeugen. Kinder aus solchen Verbindungen wurden, wenn sie erfolgreich waren, zu Reiterkriegern und damit selbst zu Awaren, andernfalls zählten sie zu den von den Awaren ausgebeuteten Slawen. Für den Status als Aware oder Slawe war daher weniger die ethnische Zugehörigkeit als das Sozialprestige ausschlaggebend.

Die „goldene Epoche“ bis 626

Nachdem die Awaren von anderen Turkvölkern aus Zentralasien verdrängt worden waren, erschien im Winter 558/59 ihre erste Gesandtschaft in Konstantinopel. Da sie ihre Haare ganz lang trugen, geflochten und mit Bändern gebunden, erregten sie allgemeines Aufsehen.

In den folgenden Jahren kämpften sie gegen hohen Sold als Verbündete Kaiser Justinians und besiegten die Barbarenreiche nördlich des Schwarzen Meeres.

Ein erster Angriff auf das Frankenreich im Westen um 561/62 wurde durch König Sigibert I. von Austrasien bei Magdeburg an der Elbe zurückgeschlagen.

Als der oströmische Kaiser Justin II. 565 die Zahlungen an die Awaren einstellte, unternahmen diese einen erneuten Vorstoß nach Westen.

Der Khagan Bajan – der einzige Awarenherrscher, der namentlich genannt wird – besiegte König Sigibert. Die fränkischen Truppen waren eingeschüchtert von den Furcht erregenden Masken und den ekstatischen Gebärden der awarischen Schamanen, dem Dröhnen der Trommeln und dem Sausen der dreiflügeligen Pfeile. Durch Verhandlungen, Geschenke und die Lieferung von Lebensmittel konnte Sigibert einen Waffenstillstand und den Abzug der Awaren erreichen.


Diese schlossen 566 ein Bündnis mit den Langobarden, die im heutigen Niederösterreich und dem östlichen Ungarn siedelten. Gemeinsam zerstörten sie mit diesen das Reich der Gepiden im Karpatenbecken. Für die verbündeten Langobarden waren die Awaren als Nachbarn aber derart unangenehm, dass sie 568 unter ihrem König Alboin nach Italien zogen. Ein mit den Awaren geschlossener Vertrag sah vor, dass die Langobarden für ein Jahrhundert das Recht behielten, in ihre alten Wohngebiete zurückzukehren.

Die Awaren besetzten das Gebiet vom Wienerwald über Pannonien und das Karpatenbecken bis Siebenbürgen und konnten von hier aus sowohl Angriffe gegen das Byzantinische Reich im Osten als auch gegen das Frankenreich im Westen vortragen.

581 eroberten sie die Provinzhauptstadt Sirmium (Sremska Mitrovica), im folgenden Jahr Singidunum (Belgrad) und 584 überschritten sie das Balkangebirge.


Dem ständig erhöhten Druck auf Byzanz entsprechend wuchsen auch die Tributzahlungen in Form von Jahrgeldern an die Awaren von 60.000 Goldsolidi 573 auf 100.000 im Jahre 584, auf 120.000 im Jahre 604 und auf 200.000 Goldsolidi ab 623. Dazu kamen die oft enorm hohen Lösegelder für freigekaufte byzantinische Kriegsgefangene.

Auch der Westen geriet immer stärker unter Druck. Nach dem Sieg des Awarenkhagans über den Bayernherzog Tassilo I. 595 wurden die Franken beim Tode König Childeberts II. (596) zur Entrichtung eines hohen Tributs gezwungen.

598 wurden Emona (Laibach) und Poetovio (Pettau) zerstört, 602 Istrien verwüstet, 611 das langobardische Friaul angegriffen, der Herzog Gisulf getötet, die Hauptstadt Cividale eingenommen und ein grässliches Blutbad angerichtet.

Nachdem die Awaren gemeinsam mit den Slawen 587/88 Patras und andere griechische Städte erobert hatten, begannen die Slawen einen Großteil Griechenlands zu besiedeln.

Ein Bündnis, das der Frankenkönig Teudebert II. 596 mit dem byzantinischen Kaiser Maurikios schloss, brachte trotz etlicher Feldzüge des Maurikios gegen die Awaren keinen Erfolg.

Obwohl 617 die Belagerung von Saloniki durch Awaren und Slawen scheiterte, nahm die Gefahr für das Byzantinische Reich, das im Osten von den persischen Sassanidenherrschern bedrängt wurde, immer mehr zu.

Kaiser Herakleios versuchte zunächst, durch enorme Geldzahlungen und die Stellung von Geiseln Frieden mit den Awaren zu schließen, um im Osten gegen die Perser freie Hand zu haben.


Nach einem fehlgeschlagenen Attentat auf den Kaiser kam es 626 zur Belagerung von Konstantinopel durch die verbündeten Awaren und Perser. Im riesigen Heer der Awaren, das die Kaiserstadt von der Landseite her angriff, kämpften auch Slawen, Gepiden, Bulgaren und andere Völker. Die Vernichtung der von Slawen bemannten Flotte durch die Byzantiner beim Kampf im Goldenen Horn brachte die Entscheidung. Auch die awarischen Truppen vor der Landmauer von Konstantinopel gerieten in Unordnung, erlitten Verluste und mussten den Rückzug antreten. Damit schlitterte die Herrschaft der Awaren in eine tiefe Krise. Der Khagan wurde ermordet, die Bulgaren, die selbst nach der Führung strebten, lösten sich aus dem Bündnis mit den Awaren, und auch slawische Völker unter der Führung des fränkischen Kaufmanns Samo konnten das awarische Joch abschütteln. Die Niederlage vor Konstantinopel beendete das „goldene Zeitalter“ der Awaren, in dem aufgrund der enormen byzantinischen Tribute fast jedes Kriegergrab mit Goldschmuck ausgestattet war.

Krise, Konsolidierung und Untergang

Die Krise nach dem Scheitern des Feldzugs 626 und der Verlust der Herrschaft über slawische Völker, die bis dahin als Hauptlieferanten von Lebensmitteln und Sachgütern gedient hatten, erzwangen einen tief greifenden inneren Wandel des Awarenreiches. Der Großteil der Bevölkerung wurde sesshaft und lebte in Dörfern. Zur traditionellen Viehzucht trat nun der Ackerbau. Mit dem Wandel von Reiterkriegern zu Bauern büßten auch die Awaren allmählich ihre alte Kampfkraft und Beweglichkeit ein. Die Residenz des Khagans, die zwischen Donau und Theiß lag, wurde „Ring“ genannt, weil sie wahrscheinlich von kreisförmigen Palisaden umgeben war. Neben dem Khagan, der bis 626 der uneingeschränkte Herr über alle Awaren war und später vor allem auf seine religiösen Funktionen beschränkt wurde, und seiner Hauptfrau, der Katun, treten weitere awarische Fürsten in Erscheinung: Der Jugurrus als zweiter Herrscher und Konkurrent des Khagans, der Tudun, der für den Westteil des Reiches zuständig war, der Canizaucus sowie eine Anzahl von Großen, die den Titel Tarkhan führten.


Die Bulgaren gründeten um 630/35 unter ihrem Khan Kuvrat ein Reich am Kuban, wo sie die Türken vertrieben. Der Tod Kuvrats um 660 führte jedoch zu einem raschen Zerfall seines Reiches, und mit dem Tod Samos um dieselbe Zeit, löste sich auch dessen slawisches Reich auf. Das ermöglichte eine allmähliche Konsolidierung des Awarenreiches.

Die Herrschaft über slawische Völker konnte erneut gefestigt werden, auch Angriffskriege fanden wieder statt.

Im Bund mit dem Langobardenkönig Grimoald fielen die Awaren 663 in Friaul ein und töteten dort den Herzog Lupus. Erst durch den Aufmarsch des königlichen Heeres unter Grimoald konnten sie zum Abzug bewogen werden.

Mit der Gründung eines zweiten Bulgarenreichs an der unteren Donau unter Khan Asparuch um 680 wurden die Awaren endgültig vom Byzantinischen Reich abgeschnitten.

678/79 war zum letzten Mal eine awarische Gesandtschaft in Konstantinopel erschienen. In der Folge konzentrierte sich die awarische Politik vor allem auf Bayern und das Frankenreich im Westen sowie auf Italien und die Langobarden im Süden.

Während um 713/14 die alte Bischofsstadt Lauriacum (Lorch bei Enns) von den Awaren erobert und zerstört wurde, erlitten sie drei Jahrzehnte später eine Niederlage gegen die slawischen Karantanen, die den awarischen Angriff mit Hilfe des Bayernherzogs Odilo zurückschlagen konnten.


Die offensive Politik Karls des Großen, der 774 das Langobardenreich in Italien erobert hatte, leitete nach Jahrzehnten der Stabilität und des inneren Friedens den Untergang des Awarenreiches ein. Den Anlass dafür gab ein Bündnis, das die Awaren mit dem Bayernherzog Tassilo III. geschlossen hatte, der 788 von seinem Vetter Karl dem Großen abgesetzt wurde. Awarische Truppen, die zur Unterstützung Tassilos ins Frankenreich vordrangen, wurden sowohl in Friaul als auch auf dem Ybbsfeld besiegt. In den folgenden Jahren gingen die Franken zur Offensive über. Ein fränkisch-langobardisches Heer konnte zwar im August 791 eine awarische Befestigung an der italienischen Grenze erobern, der große Awarenfeldzug Karls des Großen im Herbst 791, der bis an die Raab führte, scheiterte jedoch durch den Ausbruch einer Pferdeseuche. Die Tatsache, dass auf Befehl König Karls vor dem Überschreiten der Grenze an der Enns das ganze Heer drei Tage lang fasten und beten musste, zeigt wie groß der Respekt vor den kampfkräftigen Reiterkriegern immer noch war.

Innere Kämpfe im Awarenreich führten 794/95 zum Tod des Khagans und des Iugurrus. Gesandte des Tuduns erschienen 795 bei Karl dem Großen und boten die Unterwerfung an. Nachdem bereits im Herbst 795 fränkische und slawische Truppen bis zum Ring der Khagane vorgedrungen waren und diesen geplündert hatten, drang ein großes Heer unter Pippin von Italien, dem Sohn Karls des Großen, und dem Herzog Erich von Friaul 796 ins Awarenreich ein und plünderte erneut den Ring. Einen Teil der reichen Awarenbeute sandte König Karl als Ehrengeschenk an den Papst. Schon zuvor war der Tudun bei ihm erschienen und getauft worden; jetzt unterwarf sich auch der Khagan, und eine fränkische Synode beriet schon während des Kriegszugs über die Missionierung der Awaren.


Noch aber war der Widerstand der einstigen militärischen Großmacht nicht gebrochen. Im Verlauf eines Aufstands gegen die Franken 799 bis 803 fanden Herzog Erich von Friaul und der Ostlandpräfekt Gerold I., der Schwager Karls des Großen, den Tod, ebenso zwei fränkische Grafen.

Erst 803 konnte der Aufstand niedergeschlagen werden, der Tudun kam zu Kaiser Karl nach Regensburg und unterwarf sich. In den folgenden Jahren gerieten die Awaren durch einen Feldzug, den der Bulgarenkhan Krum 803/04 von Osten her gegen sie führte, und durch Kämpfe mit den aufständischen Slawen immer stärker unter Druck.

der bereits zum Christentum übergetretene Kapkhan Theodor begab sich wegen der Bedrohung durch die Slawen nach Aachen und erhielt von Karl dem Großen ein Gebiet zwischen Carnuntum (bei Hainburg an der Donau) und Steinamanger (Szombathély) zugewiesen.

Auch der Khagan erschien im September 805 bei König Karl, bat um die Wiederherstellung seiner Oberherrschaft und wurde in der Fischa auf den Namen Abraham getauft.

Nachdem es 811 erneut zu inneren Unruhen und zu Kämpfen zwischen Awaren und Slawen gekommen war, teilte Kaiser Ludwig der Fromme 817 die Gebiete der Awaren und Slawen dem Reich seinen Sohnes Ludwig des Deutschen zu.

822 erschien zum letzten Mal eine awarische Gesandtschaft im Frankenreich.

Bei der administrativen Neuordnung des bayerischen Ostlandes wurde 828 das awarische Tributärfürstentum zwischen Canuntum und Steinamanger beseitigt.

Während ein altrussisches Sprichwort lautet: „Sie sind untergegangen wie die Awaren“, haben archäologische Forschungen ergeben, dass die Awaren im Gebiet zwischen Donau und Theiß noch bis ins 10. Jahrhundert unter der Herrschaft der Ungarn präsent waren und sich auch weiter im Osten, unter der Oberhoheit der Bulgaren, noch länger halten konnten.

Die awarische Kultur und ihr Einfluss auf Mitteleuropa


Es würde zu weit führen, an dieser Stelle einen Überblick über Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur des Awarenreiches zu bieten, wie es in komprimierter Form für die Hunnen versucht wurde.

Stattdessen soll auf einige kulturelle Sonderleistungen der Awaren verwiesen werden, vor allem auf jene Errungenschaften, die in ganz Mittel- und Osteuropa Schule machten.

Als Beigaben in Gräbern von awarischen Fürsten und Großen wurde vor allem prachtvoller Goldschmuck gefunden. Getriebene goldene Ohrringe in Form von Kugeln oder Pyramiden, goldene Brustkreuze, Schmuckstücke aller Art und besonders die vielteiligen Gürtelgarnituren demonstrieren den hohen Rang der awarischen Goldschmiedekunst. Dem entsprach es, dass Waffen- und Goldschmiede nicht nur mit ihren Pferden und den üblichen Grabbeigaben beigesetzt wurden, sondern auch ihr Werkzeug mit ins Jenseits nahmen, um auch dort ihre Kunst unter Beweis zu stellen.

Unter den großen Schatzfunden der Awarenzeit ragen jene von Nagyszentmiklós (heute Sînnicolaul Mare in Rumänien) und von Vrap in Albanien hervor. Allein die 23 Gefäße, die der Schatz von Nagyszentmiklós enthält, haben ein Gewicht von zehn Kilogramm reinem Gold. Am bekanntesten ist wohl der Krug Nr. 2 mit den berühmten Motiven der „himmlischen Jagd“ und des „siegreichen Fürsten“, der hoch zu Ross den besiegten Feind am Haupthaar gefasst mit sich führt. Das berühmte Motiv des Greifs, das vor allem für die spätawarische Kunst typisch ist, findet sich auch auf einigen Gefäßen dieses Schatzes.

Noch vor wenigen Jahrzehnten wurde bezweifelt, dass die Awaren fähig waren, derart prachtvolle Gefäße herzustellen. Heute geht man davon aus, dass beide großen Schatzfunde, sowohl Nagyszentmiklós als auch Vrap, das Tafelgeschirr und den Schmuck eines Awarenkhagans und seiner Angehörigen bildeten.

Als Entstehungszeit werden das 7. und 8. Jahrhundert angenommen.


Typisch für die Spätzeit der Awaren, nach dem Überwinden der großen Krise, ist der Bronzeguss, der jetzt, wo kein Gold mehr zur Verfügung stand, die früher übliche Treibarbeit in Gold ablöste. Nach den fast immer wiederkehrenden Hauptmotiven bezeichnet man den damals üblichen Stil als „Greifen-Rankenstil“, zumal die Zierbeschläge aus Bronze so gegossen sind, dass sie wie durchbrochen gearbeitet wirken.

Die Awaren verfügten außerdem über eine ausgezeichnete Keramik, die mit ihren grauen und später gelben Töpfen mittelasiatische Traditionen bewahrte. Diese Kunst hat ebenso wie die qualitätvolle Beinschnitzerei in Mitteleuropa nicht Schule gemacht.

Festzuhalten ist auch, dass es eine eigene spätawarische Schrift gab, deren Buchstaben sich auch auf Gegenständen des Schatzes von Nagyszentmiklós finden.


Die nachhaltigste Wirkung auf die europäischen Nachbarvölker haben Trachtzubehör, Bewaffnung und Kriegskunst der Awaren hinterlassen. Die Mode der vielteiligen Gürtelgarnituren mit ihren schön gearbeiteten Zierbeschlägen am Gürten selbst und an den Riemenzungen wurden ebenso wie das verzierte Pferdezaumzeug von fast allen germanischen Völkern übernommen und nachgeahmt.

Eine der wichtigsten Neuerungen war der eiserne Steigbügel. Er ermöglichte es in Verbindung mit dem schweren Sattel und dem hohen Sattelknopf in den Steigbügeln stehend einerseits Pfeile in alle Richtungen abzuschießen, andererseits auch den schweren, panzerbrechenden Speer eingelegt zu führen.

Nimmt man dazu die bei den Awaren üblichen, beweglichen Lamellenpanzer und die von der schweren Reiterei verwendeten Panzer für die Pferdebrust, dann stellt man fest, dass unser abendländisches Rittertum keine bodenständige Erfindung war. Es wurde zu einem großen Teil von den Awaren übernommen, die alle diese Erfindungen und dazu auch das Stangengebiss des Pferdezaumzeugs nach Europa brachten. Auch manche Errungenschaften des Reiterkriegs wie die geteilte Schlachtordnung, die Ausbildung der Reserve und das Mitführen von Zweitpferden machten bei den germanischen Völkern Schule.

Die Ohrringe mit großen Anhängern und manche anderen Schmuckformen machten auch bei den abendländischen Frauen Mode.

Im 8. und frühen 9. Jahrhundert jedoch als sich die Awaren immer stärker von ihrer Umwelt abgekapselt hatten, war die Zeit der Vorbildwirkung auf andere Völker vorüber. Während sich die Umwelt rasch weiter entwickelte, stagnierten Kunst und Kultur des Awarenreiches auf dem Niveau des 7. Jahrhunderts. So bildete es schließlich einen lebenden Anachronismus, der im frühmittelalterlichen Europa weder eine wichtige Rolle spielen noch einen angemessenen Platz finden konnte.

Literatur:

Alexander Avenarius, Die Awaren in Europa, Bratislava 1974.

Falko Daim (Hg.), Studien zur Archäologie der Awaren (Österreichische Akademie der Wissenschaften), bisher 4 Bände.

Anton Distelberger, Das awarische Gräberfeld von Mistelbach (Niederösterreich), Innsbruck 1996.

Josef Déer, Karl der Große und der Untergang des Awarenreiches, in: Karl der Große I, Persönlichkeit und Geschichte, Düsseldorf 1965, S. 719-791.

Arnulf Kollautz und Hisayuki Miyakawa, Geschichte und Kultur eines völkerwanderungszeitlichen Nomadenvolkes. Die Jou-Jan der Mongolei und die Awaren in Mitteleuropa, 2 Bände (Aus Forschung und Kunst Bd. 10/11), Klagenfurt 1970.

Walter Pohl, Die Awarenkriege Karls des Großen 788-803 (Militärhistorische Schriftenreihe 61), Wien 1988.

Walter Pohl, Die Awaren. Ein Steppenvolk in Mitteleuropa 567-822 n. Chr., München 2 2002.

(Die beste Zusammenfassung).

Heinz Winter, Awarische Grab- und Streufunde aus Ostösterreich. Ein Beitrag zur Siedlungsgeschichte, Innsbruck 1997.

Die Awaren in Europa. Schätze eines asiatischen Reitervolkes 6.-8. Jahrhundert. Ausstellungskatalog, Frankfurt/Nürnberg 1985.