Kurs:Stochastik/Starkes Gesetz der großen Zahlen

Einführung Bearbeiten

Das folgende starke Gesetz der großen Zahlen verschärft die Aussage des schwachen Gesetzes der großen Zahlen

Man unterscheidet unterschiedliche Voraussetzungen für das starke Gesetz der großen Zahlen.

Voraussetzungen für starke Gesetze der großen Zahlen Bearbeiten

  • (BOR) Folge von unabhängigen, Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen  
  • (KOL1) Folge von unabhängigen Zufallsvariablen   mit   und   (Kolmogorow 1930),
  • (KOL2) Folge von unabhängigen, identisch verteilten Zufallsvariablen   mit   (Kolmogorow 1933)
  • (IID) Folge von paarweise stochastisch unabhängigen, identisch verteilten Zufallsvariablen   mit   (IID = Independent Identically Distributed) - (Etemadi 1980).

Borels starkes Gesetz der großen Zahlen Bearbeiten

Ist   eine Folge von unabhängigen, zum Parameter   Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen, so konvergiert die Folge der relativen Häufigkeiten   mit   nach dem starken Gesetz der großen Zahlen P-fast sicher gegen die Wahrscheinlichkeit  [1].

Formal Bearbeiten

Für die relativen Häufigkeiten

 

gilt das starken Gesetz der großen Zahlen:

 

Geschichte des Satzes Bearbeiten

Diese Aussage wurde 1909 von Émile Borel bewiesen[2] und entspricht der Formulierung von Bernoullis Gesetz der großen Zahlen als starkes Gesetz der großen Zahlen.

Rückführung auf allgemeine Gesetz Bearbeiten

Den Term   kann man wie folgt zu einer allgemeineren Form des starken Gesetzes der großen Zahlen umformen:

 

Bei Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen mit Verteilungsparameter   existiert die Varianz und der Erwartungswert (siehe auch schwaches Gesetz der großen Zahlen).

Starkes Gesetz der großen Zahlen - IID Bearbeiten

Eine Folge von stochastisch unabhängigen, identisch verteilten Zufallsvariablen   auf   mit   genügt mit

 

dem starken Gesetz der großen Zahlen, d.h. es gilt:

 

Erläuterung Bearbeiten

Die obige Formulierung des GGZ bedeutet, dass das arithmetischen Mittel der zentrierten Zufallsvariablen fast sicher gegen 0 konvergieren.

Starkes Gesetz der großen Zahlen (2) Bearbeiten

Das starke Gesetz der großen Zahlen impliziert das schwache Gesetz der großen Zahlen. Eine allgemeinere Form des starken Gesetzes der großen Zahlen, die auch für abhängige Zufallsvariablen gilt, ist der individuelle Ergodensatz und der Lp-Ergodensatz, beide gelten für stationäre stochastische Prozesse.

Interpretation der formalen Aussagen (1) Bearbeiten

Anders als bei klassischen Folgen, wie sie in der Analysis untersucht werden, kann es in der Wahrscheinlichkeitstheorie in der Regel keine absolute Aussage über die Konvergenz einer Folge von Zufallsergebnissen geben. Der Grund hierfür ist, dass zum Beispiel bei einer Serie von Würfelversuchen Folgen von Zufallsergebnissen wie 6, 6, 6, … nicht ausgeschlossen sind. Bei einer solchen Folge von Zufallsergebnissen würde die Folge der daraus gebildeten arithmetischen Mittel aber nicht gegen den Erwartungswert 3,5 konvergieren.

Interpretation der formalen Aussagen (2) Bearbeiten

Allerdings besagt das starke Gesetz der großen Zahlen, dass das Ereignis, bei dem die arithmetischen Mittelwerte nicht gegen den Erwartungswert 3,5 konvergieren, die Wahrscheinlichkeit 0 besitzt. Man nennt ein solches Ereignis auch fast unmögliches Ereignis.

Interpretation der formalen Aussagen (3) Bearbeiten

Gegenstand der Gesetze der großen Zahlen ist die zu einer gegebenen Folge von Zufallsvariablen   gebildete Folge der arithmetischen Mittel der zentrierten Zufallsvariablen

 
 

Interpretation der formalen Aussagen (4) Bearbeiten

Aufgrund der beschriebenen Problematik muss die formale Charakterisierung der Konvergenz dieser Folge   gegen den Wert 0 nicht nur, wie bei einer klassischen Folge von Zahlen, von einem beliebig klein vorgegebenen Toleranzabstand   ausgehen. Zusätzlich wird eine beliebig kleine Toleranzwahrscheinlichkeit   vorgegeben.

Interpretation der formalen Aussagen (5) Bearbeiten

Die Aussage des schwachen Gesetzes der großen Zahlen bedeutet dann, dass zu jeder beliebigen Vorgabe eines Toleranzabstands   und einer Toleranzwahrscheinlichkeit   bei einem genügend groß gewählten Index   eine Abweichung  , die den Toleranzabstand   überschreitet, höchstens mit der Wahrscheinlichkeit   eintritt. Demgegenüber bezieht sich das starke Gesetz der großen Zahlen auf das Ereignis, dass irgendeine der Abweichungen   den Toleranzabstand   überschreitet.[3]

Praktische Bedeutung (1) Bearbeiten

Versicherungswesen:

Das GdgZ hat bei Versicherungen eine große praktische Bedeutung. Es erlaubt eine ungefähre Vorhersage über den künftigen Schadensverlauf. Je größer die Zahl der versicherten Personen, Güter und Sachwerte, die von der gleichen Gefahr bedroht sind, desto geringer ist der Einfluss des Zufalls. Das GdgZ kann aber nichts darüber aussagen, wer im Einzelnen von einem Schaden getroffen wird. Unvorhersehbare Großereignisse und Trends wie der Klimawandel, die die Berechnungsbasis von Durchschnittswerten verändern, können das Gesetz zumindest teilweise unbrauchbar machen.

Praktische Bedeutung (2) Bearbeiten

Medizin:

Beim Wirksamkeitsnachweis von medizinischen Verfahren kann man es nutzen, um Zufallseinflüsse auszuschalten.

Naturwissenschaften:

Der Einfluss von (nicht systematischen) Messfehlern kann durch häufige Versuchwiederholungen reduziert werden.

Geschichte der Gesetze der großen Zahlen (1) Bearbeiten

Erstmals formuliert wurde ein Gesetz der großen Zahlen durch Jakob I Bernoulli im Jahr 1689, wobei die posthume Veröffentlichung erst 1713 erfolgte. Bernoulli bezeichnete seine Version des schwachen Gesetzes der großen Zahlen als Goldenes Theorem. Die erste Version eines starken Gesetzes der großen Zahlen für den Spezialfall eines Münzwurfs wurde 1909 durch Émile Borel veröffentlicht. 1917 bewies Francesco Cantelli als Erster eine allgemeine Version des starken Gesetzes der großen Zahlen.[4]



Siehe auch Bearbeiten

Quellennachweise Bearbeiten

  1. Hesse: Angewandte Wahrscheinlichkeitstheorie. 2003, S. 249.
  2. A.V. Prokhorov: Borel strong law of large numbers. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 1-55608-010-7 (englisch, encyclopediaofmath.org).
  3. Jörg Bewersdorff: Statistik – wie und warum sie funktioniert. Ein mathematisches Lesebuch. 2011, Kapitel 2.8, S. 103–113.
  4. Jörg Bewersdorff: Statistik – wie und warum sie funktioniert. Ein mathematisches Lesebuch. 2011, Kapitel 2.7 und 2.8, S. 90–113.


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