Projekt:Altes Dresden/Geschichte/Napoleonzeit

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Ausländische Ministres und Chargés d'Affaires

Chronologie

Carl Gottlob Küttner 1794 in Dresden

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Dresden, im Sommer 1794.

So wie man von Peterswalde herab auf Sächsischen Boden kommt, wird die Straße besser, und von Zehist nach Dresden, ist sie recht gut.

Dresden ist im Sommer eine öde, leblose Stadt, und die Mittelstände sind hier bey weitem nicht so wohlhabend, als zu Leipzig. Der Hof, ein Theil der auswärtigen Gesandten und die mehresten reichen Familien des Landes verlassen die Stadt und bringen, wenigstens einen grossen Theil des Sommers, auf ihren Gütern oder in kleinen Landhäusern zu. Handel giebt es zu Dresden nur wenig; folglich ist die Zahl reicher Kaufleute äusserst geringe; die bey der Regierung angestellten Bürgerlichen sind durch ihr Einkommen äusserst eingeschränkt und reiche Capitalisten, wenn sie nicht von Adel sind, wählen Dresden, aus sehr natürlichen Ursachen, selten zum Orte ihres Aufenthaltes. Auch Ausländer kommen im Sommer nur wenig dahin, und in diesem Augenblicke ist ihre Zahl äusserst geringe.

Alles, was ich hier von Dresden gesagt habe, ist und muß der Fall der mehresten deutschen Residenzstädte seyn. In den grossen Hauptstädten von Europa selbst zu Rom und Wien bedarf man des Hofes nicht. Die gute Gesellschaft ist immer zahlreich und diese Orte biethen schon an sich selbst dem Fremden eine Menge Ressourcen dar. Auch giebt es immer einige grosse Häuser, welche offen sind. Zu Dresden ist in diesem Augenblicke kein einziges einheimisches Haus, das man offen nennen könnte. Der Graf von Schall, dessen Haus in der Stadt sowohl als auf dem Lande mir äusserst angenehm vorkam, ist der Bayrische Gesandte und also ein Ausländer. Der Spanische Minister giebt häufig Mahlzeiten, und der Englische hält ein vortrefliches Haus für diejenigen, auf die sich seine Gesellschaft einschränkt.

Der Churfürst kommt gewöhnlich nur Sonntags in die Stadt, da denn die Fremden ihm vorgestellet werden. Zu Pillnitz lebt er recht eigentlich auf dem Lande und hält nicht was man einen Hof nennt. Dieses Pillnitz hat weder die Pracht noch die Prätension eines fürstlichen Sitzes, ist aber eine überaus niedliche, heitere und angenehme Villa, meublirt mit Einfalt, aber größtentheils in einem sehr guten Geschmack. Die Lage ist vortreflich, und Alles umher athmet Reinlichkeit, Nettigkeit und Freude.

Es ist Schade, daß Dresden im Sommer dem Ausländer nicht mehr gesellschaftliche Resourcen darbiethet; denn sonst hat dieser Ort so Manches, das ihn vor andern Städten Deutschlands vortheilhaft auszeichnet und zu einem längern Aufenthalte reitzen sollte. Wie angenehm kann der Mann von Geschmack und Kunstliebe seine Vormittage hier zubringen, indem er mehrere Orte besucht, die irgendwo kaum ihresgleichen haben;

Die Churfürstliche Gemähldesammlung steht unter diesen bey weitem oben an. Ich berufe mich auf das, was ich zu Florenz sagte und behaupte, daß die Dresdener Gemähldesammlung der Florentinischen vorzuziehen ist, so bald man nehmlich bloß von den Gemählden der letztern redet. Florenz und noch mehr Rom, jede Stadt einzeln genommen, besitzen einen ungleich höhern Schatz an Gemählden, als die Stadt Dresden; aber dieses Dresden hat eine einzige Gallerie, der, meines Erachtens, zu Rom und Florenz keine gleich kommt. Ganz Rom besitzt weniger Correggios als Dresden, und unter diesen wenigen ist keiner, der der Nacht gleich käme. Zwar habe ich nicht den hohen Grad von Verehrung für diese Nacht, den so viele andere haben, weil das vorzüglichste Verdienst dieses Gemähldes am Ende doch nicht in Zeichnung und Ausdruck, sondern in der Wirkung und Vertheilung von Licht und Schatten besteht; indessen wollte ich dich auch das Urtheil nicht unterschreiben, das, in Rücksicht auf Composition und Ausdruck einem gewissen Bischoffe in den Mund gelegt wird, welcher gesagt haben soll: "that the mother had the look of a french whore, and that the child was ill conceived and worse begotten."

Was die Antikensammlung betrifft, so muß ich leider denen beytreten, welche sie weit unter die Sammlungen dieser Art setzen, die sich zu Rom oder Florenz befinden, so sehr auch einige Dresdener sich zu allen Zeiten gegen dieses Urtheil gesetzt haben. Indessen ist schon das eine Art von Wunder, daß man in der nördlichen Breite von Dresden, eine so ansehnliche Sammlung antiker Kunstwerke findet, die am andern Ende von Europa ihren Ursprung hatten: Und für diejenigen, denen Zeit und Umstände nicht erlauben, über die Apenninen zu gehen, ist die Dresdener Sammlung immer ein Schatz, in dem sie sich so mancherley Begriffe über die Kunst der Alten erwerben können.

Die Sammlung von Porzellan, (ich meyne nicht die Niederlage von Meissner, sondern die merkwürdige Porzellansammlung, die mit den Antiken im nehmlichen Pallaste siehet) betrachte ich als einzig in ihrer Art; alles, was ich in den reichsten Ländern von Europa in diesem Fache gesehen habe, ist weit unter dem, was Dresden besitzt.

Oben auf stehet in dem nehmlichen Japanischen Pallaste, die Churfürstliche Bibliothek. Ihr innerer Werth ist unter den Gelehrten genugsam bekannt, die ihr auch längst ihren Rang angewiesen haben. Davon also kein Wort; aber die Anlage und ganze Einrichtung dieser Büchersammlung, der weite Raum, die Ordnung, die Heiterkeit, die Bequemlichkeit, die man da findet -- Alles das ist so, wie ich es an keinem andern Orte, ohne Ausnahme, gesehen habe; und der Wiener wird mir verzeihen, wenn ich die vielen heitern, reinlichen und bequemen Zimmer seinem großen, prächtigen, schweren und Tempelartigen Saale vorziehe. Die Vaticanische Bibliothek zu Rom gehöret nicht hieher, weil sie hauptsächlich eine Sammlung von Handschriften, und die Bestimmung des Gebäudes eigentlich nicht ist, das man dahin gehe und lese. Prächtiger ist sie freylich als die Dresdener; aber ich muß doch auch bemerken, daß die vielen mittelmäßigen und sehr bunten Fresco-Gemählde auf die mehresten, mit denen ich davon geredet habe, die nehmliche widrige Wirkung hatten, wie auf mich selbst. Uebrigens scheint die Dresdener Bibliothek für wirklichen Gebrauch bestimmt zu seyn, den man sich leicht verschaffen kann, während das der Stolz der Vaticanischen, im bloßen Besitze zu bestehen scheint. Wer etwas daraus verlangt, muß durch eine langweilige Menge von Instanzen gehen, und selbst dann hat man schon viele Mühe, wenn man nur etwas mehr sehen will, als das Wenige, das einer der ganz unwissenden Unterbibliothekare oder Diener, dem Fremden gewöhnlich zeigt.

Ich sagte weiter oben, wie angenehm ein Fremder viele Monathe zu Dresden zubringen könnte, wenn ihm das gesellschaftliche Leben mehrere Ressourcen darböthe. Unter diese Annehmlichkeiten, sind denn auch die schönen Gegenden umher zu rechnen. Freylich sind diese Gegenden bey weitem nicht das, wofür der Sachse des flachen Landes und alle diejenigen sie halten, die zwischen Dresden und der Ostsee wohnen; Ich kenne so manche Striche in der Schweiz und in Großbritannien, in Süddeutschland und in Italien, die ich denen um Dresden herum weit vorziehe; allein sie haben doch große Schönheiten, und ich möchte sie ein wahres Paradies nennen, wenn ich sie mit den Schönsten vergleiche, das ich im Nördlichen und Nordwestlichen Deutschlande gesehen habe. Die Lage von Tarant, die Naturschönheiten von Seyffersdorf, die merkwürdigen Formen bey Königstein, die Gegenden um Pillnitz, der ganze Strich zwischen Dresden und Meissen, werden immer unter dem positiv Schönen von Europa einen Platz einnehmen.

Es thut mir leid, daß es unter gewissen Reisenden zur Mode wird, den Königstein zu verachten, einander zu sagen, es sey nicht der Mühe werth, einen Tag darauf zu verwenden, und so diesen und jenen zu bewegen, daß er Dresden verläßt, ohne diese Festung gesehen zu haben. Auch will ich dem Königsteine, als Festung, gar nicht das Wort reden; aber die Gegend in der er liegt, verdient doch gewiß gesehen zu werden, und hat so vieles, das sie so ganz vorzüglich auszeichnet, daß sie für den Mahler, den Naturforscher und den Liebhaber schöner und sonderbarer Landschaften ewig interessant seyn muß.

Es fiel mir auf, daß man auf dieser Festung so viele Betteley erlaubt. Alles Merkwürdige und -- Nichtmerkwürdige ist das Eigenthum einer besondern Person, die es zeigt und Bezahlung erwartet; und dabey geschahen so viele Forderungen von angestellten Arbeitern, und was weiß ich von welchen Leuten, daß ich sie zahlte; (denn man hatte mir es schon vorher gesagt) aber ich fand ihrer so viele, daß ich die Sache bey der fünften oder sechsten Forderung aufgab.


Carl Gottlob Küttner: Wanderungen durch die Niederlande, Deutschland, die Schweiz und Italien in den Jahren 1793 und 1794. Leipzig, 1796. bei Voß und Kompagnie.


Reise eines Liefländers 1795

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Von Schmiedefeld bis Dresden (3 M.) fährt man größesten Theils durch einen sandigten Wald, der einen unebenen Boden hat, aber stellenweise, wo man über Anhöhen kömmt, eine ziemlich ausgebreitete Aussicht ins freye hinunter gewährt. Wenn man von dem weißen Hirsche, einem Gasthofe, der ungefähr anderthalb Stunde von Dresden liegt, hinabkommt, übersieht man schon einen großen Theil dieser Stadt. Die Frauen- und Kreuzkirche, die Schloßkapelle, und mehrere andre oͤffentliche Gebäude, werden sichtbar. Bald erblickt man die Elbe, die hier schon ein beträchtlicher Strom ist, wie sie ihren Lauf auf die Stadt nimmt. Man verliert diese Ansicht noch einmal aus den Augen, und kommt auf einer vortreflich angelegten und unterhaltenen Straße, welche in weiten Krümmungen einen Berg hinab führt, durch eine Strecke Waldes, wo man abermals auf Stellen stößt, die mehrere Aussichten, wo nicht auf die Stadt, doch über die hinter ihr liegenden Gegenden nach Böhmen und dem Erzgebirge zu, gewähren. Zur Rechten sieht man noch nichts als Wald, der sich eine mäßige Anhöhe hinan zieht und jede Aussicht versperrt. Weiter hinunter tritt man in eine schöne Allee von Kastanienbäumen ein, die bis an das schwarze Thor führt, und von da in mehreren Nebenalleen, zum Theil nach dem weißen Thor, zum Theil rechts nach der Heyde zu fortläuft.

Der Eintritt in Dresden von dieser Seite, ist glänzend und überaus heiter. So wie man innerhalb des Thores ist, dehnt sich links ein Flügel der ansehnlichen Artillerie-Kaserne aus, und rechts behält man die Kirche, die in einem guten Geschmack erbauet, aber ohne Thurm ist. An den Platz zwischen beyden lehnt sich eine breite Straße, deren Mitte mit einer wohlunterhaltenen Allee besetzt und mit Geländern eingefaßt ist. Sie hat fast die ganze Länge der Neustadt und läuft in einen Platz aus, worauf die von Kupfer getriebene, vergoldete Statuë August des Ersten zu Pferde auf einem angemessenen Fußgestelle von Werkstücken stehet. Die Hauptwache, die gut in die Augen fällt, und ansehnliche Bürgerhäuser, umschließen rechts und links diesen Platz. Von demselben tritt man unmittelbar auf die große Elbbrücke, die in Absicht ihrer Länge, Breite, Sauberkeit und Festigkeit, immer eine der prächtigsten in Europa bleiben wird, wenn auch unter den Brücken in Italien, z. B. in Pisa und Florenz, die zugleich von Marmor sind, einige gefunden werden sollten, die sie, besonders in Leichtigkeit der Bauart, überträfen. Die Aussicht von dieser Brücke herab ist köstlich, und man überblickt den Lauf der Elbe, oberhalb Dresden und unterhalb dieser Stadt, in einer ansehnlichen Entfernung. Die Bergrükken, die sie, näher oder entfernter, auf beyden Seiten einschließen, sind theils mit Wald, theils mit Reben besetzt, und unter letztern sieht ein Gewimmel von kleinern und grössern Land- und Lusthäuschen hervor.

Ist man über die Brücke herüber, so hat man die Schloßkapelle vor sich, die, trotz ihrer Ueberladung an Bildsäulen, die nicht alle Meisterstücke sind, mit einer gewissen Pracht in die Augen fällt; ferner das churfürstliche Schloß, das freylich, seines Alters wegen, ein wenig stark gegen jene absticht; ferner links die Terrassen des Brühlischen Gartens, für den man keine glücklichere Lage hätte finden können; weiterhin das ehemalige Brühlische Palais, und dem gegenüber die Stallgebäude, in deren oberen Geschoß sich die berühmte Gemälde-Gallerie befindet. Sodann gelangt man auf einen der schönsten Plätze in Dresden, den Neumarkt, auf welchem die ganz von Werkstücken, ein wenig schwerfällig, aufgewölbte Frauenkirche stehet, die nächstens an einer neuen Hauptwache, zu deren Bau schon Anstalten gemacht werden, eine Nachbarin erhalten soll, die diesen Platz, der übrigens von meist fünfstöckigen Häusern umschlossen ist, vortreflich zieren helfen wird. Hier bezog ich eine Wohnung in dem "Hotel de Saxe," einem Gasthofe der zweyten Ordnung zwar, aber unter allen übrigen in Dresden am besten gelegen.

Den andern Tag (den 29 May) machte ich Streifzüge, um das Aeußere der Stadt zu untersuchen und mich mit ihrem Plane bekannt zu machen. Bey solchen Gelegenheiten überlasse ich mich dem Zufalle, und jeder Weg, den er mit mir nimmt, ist mir der nächste, so wie jede Stunde, wo ich nach Hause zurückkomme, mir die rechte ist. Verirren kann man sich da nicht, wo man keinen bestimmten Weg zu suchen, und zu halten hat. Wo ich ein Thor fand, kehrte ich wieder um, weil ich mich für heute auf die Altstadt einschränken wollte.

Die Bauart dieser ist ganz auf Gelaß berechnet. Im Durchschnitt haben die Häuser 4 bis 5 Geschoß und gebrochene, holländische Dächer, die ebenfalls bewohnt werden. Sie sind meist von dem festen Pirnaischen Sandstein erbauet, der außerordentlich dauerhaft ist. Die Treppen sind in vielen Häusern von demselben Steine, was für die Einwohner in Feuersnöthen sehr beruhigend seyn muß. Die Häuser werden im Innern musterhaft reinlich gehalten und im Aeußern sind sie es nicht minder. Man hat sie meist gelblich oder grünlich abgeputzt und die Fensterverzierungen mit Farben, nicht in Gyps, wie z. B. in Berlin angegeben. Ihre Vorderseiten sind also nicht durch Schnörkeleyen unterbrochen, sondern geben ein heiteres Ganzes. In einigen Straßen, besonders in den ältern, z. B. der Schloß- Wilsdruffer- Scheffelgasse xc. findet man noch einzelne Häuser mit hervorspringenden Erkern, deren eines dem andern die Aussicht benimmt; aber sie sind hier nicht in so großer Anzahl, wie z. B. in Leipzig, Bautzen und in andern Sächsischen Städten. Ganz davon frey habe ich die Moritz- und Pirnaische Straßen, überhaupt die schönsten in Dresden, gefunden. Beyde sind zwar nicht lang, aber breit, und mit treflichen, meist ganz neuen, fünf bis sechs Geschoß hohen, Häusern und Palais besetzt. Die Moritzstraße war die letzte, die aus den Trümmern hervorging, in die sie das Bombardement im siebenjährigen Kriege (1760) legte, und sie ist die schönste geworden. Was Dresden überhaupt für einen Reichthum an Pallästen, an öffentlichen Gebäuden und Häusern besitzt, kann man aus den architektonisch genauen Schilderungen derselben ermessen, die Hr. Hasche seiner Beschreibung von Dresden *) eingestreuet hat.

  • ) Ihr Titel ist: Umständliche Beschreibung Dresdens, mit allen seinen innern und äußern Merkwürdigkeiten, historisch und architektonisch. Leipzig, 1781 - 83.

Das Pflaster ist im Ganzen genommen gut und man sorgt für dessen Reinlichkeit, wozu die Kanäle, die darunter hinlaufen, sehr viel beitragen.

Es ist in keiner Straße leer an Menschen, aber die lebhaftesten haben mir die Schloß- See- Wilsdruffer- Pirnaische geschienen und die kleinern, die von dem alten Markt zum Neumarkt und von da nach der Neustadt führen. Die beyden genannten Plätze sind ohnedies immer sehr volkreich, weil auf beyden täglich Markt ist. Nach dem alten Markt zu und auf demselben ist Kaufmannsgewölbe an Kaufmannsgewölbe, und alles, was man zur Wirthschaft, zur Bequemlichkeit und zum Luxus nöthig hat, wird hier herum eingekauft.

Die geringern, unansehnlichern Theile der Stadt finden sich an der Stadtmauer herum. Vom Pirnaischen Thore bis zum Zeughause, von dort hinten herum am Brühlischen Garten, vom Wilsdruffer- bis zum Seethore, von dort hinter der Kreuzkirche herum; in der Gegend eben dieser Kirche, in dem sogenannten Loche, wo sich ein Nest von engen, schmutzigen, finstern Straßen findet -- da überall sind die Häuser alt, größtentheils von der Mauer eingeschlossen, meist von ärmern, oft genug von liederlichen, Leuten bewohnt, die Gelegenheit geben und Gelegenheit machen, gewöhnlich aber Bierhäuser, und in diesen Schenkmädchen halten.

Dies wäre ein leichter Umriß von dem Aeußern der Altstadt Dresden, den ich von meiner ersten Ausflucht mit zurückbrachte. Meine zweite betraf die Neustadt, die durch die Elbe von der Altstadt getrennt, aber mittelst der Brücke mit ihr wiederum verbunden wird. Die Brücke hat einen gepflasterten Fahrweg und zwey erhöhete, mit Fliesen ausgelegte, Trottoirs für die Fußgänger. Wer nach der Neustadt geht, schlägt das Trottoir rechter Hand ein, wer aus der Neustadt kommt, nimmt auch das, welches ihm rechter Hand ist, und so kommt und geht man von beyden Seiten ungehindert. Die Schildwachen auf der Brücke haben über diese Ordnung zu wachen.

Die Neustadt ist bey weitem kleiner als die Altstadt, auch, wenn man die Hauptstraße oder Allee ausnimmt, nicht so gut gebauet. Schlägt man von der Brücke aus rechts die erste Straße ein, so führt sie nach der Elbe und nach mehreren Magazinen und Schuppen, die zu Wagen und Pontons bestimmt sind, schlägt man sich sodann links, so gelangt man zu dem sogenannten großen Jägerhofe, der aus mehreren geräumigen Höfen besteht, welche theils den Zeug zur Jagd, theils die Hundeställe, theils die Wohnungen für die Jäger und Jagdbeamten, (zusammengenommen ein sehr zahlreiches Personale) einschließen. Unfern davon findet man das Kadettenhaus, ein sehr ansehnliches Gebäude, dessen Inneres zu seiner Bestimmung vortreflich eingerichtet ist: im untern Geschoß ist eine geräumige Reitbahn mit den dazu gehörigen Stall- und Schulpferden, im zweyten Geschosse ist die Wohnung des Chefs der Kadetten, der Exerziersaal, die Lehrsäle u. s. w., im dritten und vierten wohnen, essen und schlafen die jungen Leute. Dem Haupteingange dieses Hauses gegenüber breiten sich drey andre Flügel der schon erwähnten Artillerie-Kaserne aus, welche die Artillerie- und Ingenieurschule, auch ein Institut zur Bildung der Chirurgen, ein anatomisches Theater, und einige andre nützliche Anstalten enthält. Hinter derselben sind mehrere Magazine, Schuppen für Fuhrwerk und andre Kriegsbedürfnisse, und unmittelbar daran stoßen die Festungswerke.

Verfügt man sich nach der andern Seite der Neustadt hinüber, so tritt man, gleich hinter der Kirche, in die Königsstraße, die mit ansehnlichen, meist gleich hohen und langen Häusern besetzt ist und "en face" den sogenannten Japanischen Pallast hat, aber todt und menschenleer ist. Der Platz, worauf jener Pallast steht, ist nicht wohl unterhalten, und schwimmt, wenn es geregnet hat, in Wasser und Koth, wozu die starke Durchfahrt, zum weißen Thor herein und hinaus, nicht wenig beiträgt. Der Pallast selbst fällt nicht übel in die Augen, nur wünscht man, daß er für seinen Umfang mehr Höhe und Leichtigkeit haben möchte. Das Innere desselben ist jetzt zu der vortrefflichen Bibliothek eingerichtet, und nicht leicht wird sich irgend ein Institut dieser Art, die Bibliothek zu Paris und im Vatikan ausgenommen, solch eines prächtigen, heitern, geschmackvollen und weitläuftigen Lokals rühmen können. Auch für die Kunst verwahrt es einen bedeutenden Schatz von antiken Bildhauereyen und von Gypsen; es ist aber bey weitem noch nicht ganz ausgefüllt. Die Aussicht von den obern Sälen ist vortreflich. Am Pallaste selbst ist ein kleiner, aber sehr artiger Garten, dessen Terrassen zugleich ein Stück des Walles einnehmen und einen köstlichen Ueberblick über die umliegenden Gegenden und den ganzen Spiegel der Elbe, die hart daran hinfließt, gewähren. Mit einem Worte, die Musen haben hier einen höchst anmuthigen Zufluchtsort gefunden.

Von hier aus ließ ich mich über die Elbe setzen, um die Friedrichsstadt zu besuchen. Man gelangt jenseits des Flusses auf die Ostrawiese, die, in ihrer ganzen Länge, mit mehrfachen Alleen besetzt ist, unter denen Heerden des erlesensten Schweizerviehes weiden, die zu dem daran stoßenden Ostravorwerke gehören. Diesem gegenüber, in der Friedrichsstadt selbst, liegt der Garten des Grafen Marcolini, dem es nicht an Umfang und artigen Anlagen fehlt, der aber, im Ganzen genommen, nicht außerordentlich ist. Auch der Prinz Anton hat in der Nähe ein artiges Sommerhaus. Uebrigens ist die Friedrichsstadt von größerem Umfange, als die Neustadt, aber ohne allen Vergleich geringer gebauet, obwohl bevölkert genug. Fabrikanten und Manufakturisten aller Art wohnen hier, und führen, bis auf die Kinder herunter, ein sehr arbeitsames, aber darum doch leider ein sehr armseliges Leben. Noth und Mangel sind hier zu Hause, und es ist nichts ungewöhnliches, ganze Familien in Lumpen vor den Häusern sitzen zu sehen.

Mit der Altstadt hängt die Friedrichsstadt durch eine schöne Allee zusammen, die sich am Zwinger endigt. Die Wilsdruffer Vorstadt, in der man sich nun befindet, ist stark von Gerbern bewohnt und in ihrer Nähe, wie es sich gebührt, befindet sich auch das Schlachthaus. Der größeste Theil dieser Vorstadt ist gut gebauet und sauber. Derselbe Fall ist es mit der Seevorstadt, die besonders einige vortrefliche Gärten einschließt. Schöner als beyde, ist die Pirnaische Vorstadt, die einige Häuser aufzuweisen hat, welche mit Ehren in den schönsten Straßen der Altstadt stehen würden.

Um Alles, was sich über das Aeußere von Dresden sagen läßt, in wenig Worten zusammen zu fassen: sie hat an Gründlichkeit und Geschmack in der Bauart, an Reinlichkeit, Nettigkeit, Neuheit, und in verhältnißmäßiger Harmonie der Vorstädte mit der Stadt selbst, ganz Deutschland vielleicht kaum zwey ihrer gleichen.

Sachsen hatte zwey Regenten, die in den Augen einseitiger Menschen noch jetzt unbedingt für zwei Geißeln ihres Landes gelten, da ihre Fehler sich längst schon, durch die wohlthätigen Folgen, die von Fehlern dieser Gattung nie entstehen, wieder gut gemacht haben. Es ist wahr, sie thaten nicht bloß, was ihrem Volke nöthig war, und was ihr eigener Ehrgeitz verlangen konnte: sie thaten mehr und hatten dazu einen Maßstab, der ihre Kräfte überstieg. Auch vergaßen sie von Zeit zu Zeit, daß sie nur die Rentmeister, nicht die Eigenthümer der Summen waren, die durch ihre Hände gingen; und sie legten dieselben öfterer zur Befriedigung ihrer persönlichen Ehrsucht, Prachtliebe, Galanterie und Liebhaberey, als zur Vergrößerung, Verstärkung, Sicherstellung ihres Staats und zur Schonung, Belebung und Zufriedenheit ihres Volkes an. So hatten sie nie genug, und das Volk konnte nie genug geben. Eine große Schuldenlast war die natürliche Folge davon; aber sie war doch in der That nur eine Anticipation auf die Talente und den Kunstfleiß dieses höchst fähigen Volkes, dem es, nach einer, Verhältnißmäßig kleinen, Reihe von Jahren gelang, diese Last abzuwälzen, und, als baaren und reinen Gewinn, eine zu Natur und Gewohnheit gewordene erfinderische Thätigkeit als Nationaltugend davon zu tragen. Ueberdieß war auch nicht Alles verloren, was für jene Schuldenlast erkauft worden war; es ist großentheils noch da, es wirkt immer noch fort, es hat die Nation selbst zu der ehrenvollen Stufe erhoben, die sie unter den Gemeinden deutscher Zunge einnimmt. Sie hat eine Hauptstadt, die eine kostbare Niederlage von nützlichen und angenehmen Dingen enthält, welche manche Kaiser- und Königsstadt entbehren muß: für die Kunst hat sie eine in ihrer Art einzige Gallerie von Gemählden, eine namhafte Sammlung von Antiken; für die Wissenschaften eine der vollständigsten Bibliotheken in der Welt; für die Pracht und die Noth eine der kostbarsten Sammlungen in Europa, das grüne Gewölbe genannt; für die Erhöhung und Erweiterung des menschlichen Geistes große öffentliche Werke, Brücke, Gärten, Kirchen Palläste; für die Verfeinerung der Sitten, des Geschmacks, des Lebensgenusses einen gewissen Geist, der mehrere Jahrzehn hintereinander, durch die beyden prächtigen, nach Genuß jeder Art strebenden Könige, in dieser Nation angefacht, genährt, ihr gleichsam eingeimpft wurde und sie noch jetzt vor ihren Nachbaren kenntlich macht -- alle diese Dinge besitzen die Sachsen noch als Nationalgüter, die ihnen auf ewige Zeiten Zinsen tragen, und sie haben diese Güter, bis auf eine Kleinigkeit, bezahlt, durch ihren Fleiß, unter der Leitung eines häuslichen Fürsten bezahlt, der den wahren Maßstab gefunden hat, nach welchem sein Volk arbeiten mußte, um alte Gläubiger und neue Bedürfnisse zu gleicher Zeit zu befriedigen und dabey übrig zu haben, und der durch sein Beyspiel lehrt, wie man das Schöne und Nützliche ohne Verschwendung befördern, wie man angenehme heitre Sitten ohne Regellosigkeit üben, und wie man der vernünftigen Freuden des Lebens genießen kann, ohne zu schwelgen.

Die Sparsamkeit des gegenwärtigen würdigen Regenten von Sachsen hat den sichtbarsten Einfluß auf die Nation gehabt, und man bemerkt dies nirgend so deutlich, als in Dresden selbst. Die Minister, die Generale, die höheren Staatsbeamten und die reichen Privatelute, die in Dresden leben, und deren Zahl nicht so klein ist, bemerkt man kaum. Da ist kein Ueberfluß an prächtigen Wagen, zahlreichen Dienerschaften, kostbaren Ställen, Assembleen, Gastereyen, Lustpartieen; da sind aber auch keine namhafte Schulden und keine betrogene, zu Grunde gerichtete Handwerker und Kaufleute. Viele Staatsbeamte, die selbst in kleinern Residenzen nicht ohne Wagen und Pferde seyn können, gehen hier zu Fuße, oder behelfen sich, in feyerlichen Fällen, mit Tragsesseln.

Wie hätte auch der Rath nöthig, oder wie könnte er auch nur wagen, Aufwand in dieser Art zu machen, wenn er mehrere seiner Minister, in einfachem Frack, zu Fuße, einhergehen sieht; wie der Hauptmann und Major, wenn er seinen General, bloß von einer Ordonanz oder von einem Stallknecht begleitet, zu Fuße oder zu Pferde, auf den Straßen von Dresden sieht? Es ist, glaub' ich, kein Beyspiel in Dresden, daß ein Kaufmann sich Wagen und Pferde hielte, und nur ein paar Wechsler sind in diesem Falle. Höchsten halten sich Leute dieser Klassen "demi-fortunes" mit Einem Pferde bespannt; und, zu ihrem Sommervergnügen, kleine Landhäuser auf den umliegenden Dörfern oder Weinbergen, wo sie des Sonntags ihre Freunde empfangen und mit wahrer Frugalität bewirthen. Was man in andern Hauptstädten, besonders des Winters, findet: einen Zusammenfluß von adelichen Familien aus der Provinz, ist der Fall sehr sparsam in Dresden, da der größeste Theil des Landadels auch den Winter über auf seinen Gütern bleibt.

Bei dem allen glaube man nicht, daß dieser Ton von Sparsamkeit in Garstigkeit ausarte. Bey Gelegenheiten, wo es gilt, zeigt man sich auf einem Fuße, den dem Wohlstande zusagt. Man ist zwar von der Warschauer Hülle und Fülle eben so weit entfernt, als von dem Wienerisch-Spanischen Prunke, aber alles, was ein feiner Gaum, der genießen und nicht schwelgen will, an Produkten der feinern Kochkunst und der edleren Rede billigerweise nur verlangen kann, wird dargeboten, und noch nebenher eine anständigere, geistreichere, mannichfachere Unterhaltung, als man an den genannten Orten findet. Die große Welt in Dresden, männlichen wie weiblichen Geschlechts, ist unterrichteter und geistvoller, als in vielen andern Residenzen von Deutschland, und man braucht nicht blos Pferde- Hunde- und Jagdliebhaber zu seyn, um in ihren Cirkeln Vergnügen und Belehrung zu finden. Das weibliche Geschlecht ist besonders gebildet und angenehm und kennt seine Würde besser und mißbraucht seine Rechte und Reize weniger, als die eleganten Weiber zu Warschau und Wien, deren Ton und Wesen in Dresden die Decenz beleidigen und ganze Gesellschaften aus einander sprengen oder doch still machen würde. Hier giebt es in der That noch häufig eheliche Liebe und Glückseligkeit in den höhern Ständen, und der Ton, der unter den beyden Augusten in dieser Rücksicht hier herrschte, ist längst verschwunden. Auch hierin geht der jetzige Fürst mit einem lehrreichen Beyspiel voran, und Regellosigkeit in diesem Punkte kann mehr, als alles übrige, sein Mißfallen erregen, besonders wenn Personen sie sich zu Schulden kommen lassen, die näher oder entfernter zu seinem Hofstaate gehören.

Wenn aber Ausschweifungen dieser Art unmöglich ganz unterbleiben können, so werden sie hier wenigstens mit mehr Vorsicht und Verheimlichung getrieben, als z. B. in Warschau, Berlin, Wien, München. Nichts von der Art ist hier privilegirt. Liederliche Häuser hängen hier wenigstens das Kaffee- Wein- oder Bierschild aus, und die feilen Geschöpfe in denselben spielen die Rolle der Aufwärterinnen. Auch sind diese Häuser nur meist für den Pöbel, oder zum Pöbel hinabgesunkene Wollüstlinge aus bessern Ständen, die sich zuweilen, verkleidet, an der Stadtmauer, im Loche, in der Fischerstraße, in der Friedrichsstadt xc. herum treiben. Das sinnliche Bedürfniß der anständigern Klassen wird meist von den Putz- Näther- Wäscher- und Sticker-Mädchen befriedigt, zu welchen sich auch häufig diejenigen gesellen, denen es verboten ist, mit den Gojim zuzuhalten. Die erstern zeigen sich hier durchgängig in einem Anzuge, dem man es wohl ansieht, daß sie ihn nicht der Nadel noch der Seife danken, und dessen einzelne Theile, Haarputz und Schuhe mit eingeschlossen, so geordnet und geformt sind, daß sie zugleich für Schilder gelten können, die den Kenner nicht irren lassen. Die Oerter und die Zeit, die sie zu ihren Ausflügen wählen, z. B. der Zwinger gegen Abend, die Schloßgasse um die Zeit des Zapfenstreiches, der Neumarkt um die Zeit der Wachparade, die öffentlichen Garten zur Zeit der Koncerte und Erleuchtungen, die Brücke bey Mondenschein u. s. w. alles dies sind Merkzeichen ihrer Geschäfte, die, da man sie unter freyem Himmel durch ein Wort, einen Blick, eine Frage einleitet, keiner eigends dazu eingerichteten Börsen, sondern bloß einiger Absteigquartiere bedürfen, wo sie vollends abgeschlossen werden. Miethet sich aber solch ein Mädchen eine eigene Wohnung für ihr Gewerbe, so muß es unter irgend einem Titel und unter der Obhut irgend einer Mutter oder Base seyn, die ein Handwerk treibt, welches die wahrscheinliche Vermuthung erregt, daß sie des Besuchs von Mannspersonen jedes Standes und Alters dabey bedürfe. Solche Mädchen sind aber in der That in Dresden nach Verhältniß selten, die auf einem gewissen Fuß leben; und nur Eine der Art, die kurz vor meiner Ankunft starb, hatte einige Jahre hindurch als eine Art von Phryne geglänzt, sowohl durch Schönheit als durch Verstand und eine gewisse Ausbildung des Betragens. Uebrigens haben diese Mädchen, da sie nicht in eigenen sittenlosen Häusern bey einander wohnen, sondern mit andern Leuten in Umgang und Verkehr bleiben, nicht das Plumpe und Eckelhaft-Zudringliche in ihrem Ton und Wesen, das ihre Berliner und Wiener Schwestern, die in Zwingern bey einander sind, mehr abschreckend als verführerisch macht.

Das Aeußere der Einwohner von Dresden, niederer und mittler Klassen, ist anständiger und sauberer, als man es in andern großen Städten, z. B. in Berlin, an eben diesen Klassen findet. Eine Handwerkersfrau, Soldatenfrau, Magd, die zu Markte geht, ist schier und weiß angezogen, und der Korb oder das Tuch, worin sie die eingekauften Waaren trägt, ist niedlich, reinlich, und in die Augen fallend. Diese Klasse ist Winter und Sommer in Kotton, Kamelot und ähnlichen Stoff gekleidet; Korsett und Rock sind von einem und demselben Zeuge; dazu trägt sie eine saubere Schürze. Die Haube ist von weißem, baumwollenen Zeuge, mit einem farbigten, seidnen Bande umschlungen, wozu, hauptsächlich im Winter, ein Mützchen, mit Marder oder Zobel eingefaßt und mit einer herabhangenden Klappe und Gold-Quaste versehen, auf den Kopf gestülpt wird, das, in seiner Art, nicht minder gut steht, als der schwarze sammetne Kopfputz der Breslauer Schließerinnen und der Reichsstadt-Schweinfurter Stubenmädchen. Eine Stube höher, erscheinen Kontuschen, die mit einer sehr kurzen Taille versehen sind, und tief herunter den Rock bedecken; sie begleiten schon zusammen gesetztere, größere Hauben von Klar, mit Spitzen und, des Sonntags, mit Blumen verziert, aber ohne Frisur darunter; und dies ist besonders die Tracht der Weiber und Mädchen, deren Männer und Väter bey Hofe oder bey irgend einer Herrschaft, Bediente, Läufer, Kutscher u. dgl. sind.

Sodann erscheint die ganze Klasse der Schneiders- und Friseurs-Frauen, der Putzmacherinnen, Stickerinnen, Kammerjungfern und alle übrigen, die unter ihrer Aufschrift, wie eben erwähnt, den galantern Beschäftigungen obliegen, in Linon, Mousselin und Seide gekleidet, in artigen Karakos, mit frisiertem Haar, in Hüten, mit Schawls, in Turkoisen xc. -- unter allen die netteste und auch die zahlreichste -- denn Figürchen dieser Art wimmeln auf allen Märkten und Spaziergängen, in allen Kirchen und Gärten, auf der Brücke, im Theater, in den Koncerten. Kommt sodann die Klasse der Kaufmanns- Künstler- Gelehrten- und Dikasterianten-Frauen, und diese kleidet sich in Dresden altmodischer, als in andern deutschen Hauptstädten, auch weit sparsamer und ängstlicher, und mit der furchtsamsten Rücksicht auf das: was werden die Leute sagen.

Die Männer dieser Klasse prunken noch häufiger, des Winters, mit Sammet- und Manschesterkleidern, des Sommers, mit verblaßten, färbig-gefütterten Seidenröcken, mit Tressenhüten, goldnen Beingürteln, sorgsam gefetteten und dickgepuderten Beutelperücken, großen spanischen Röhren, oder auch wie alte Hofmänner, den silbernen oder tombackenen Degen an der Seite, den Sonnenschirm in der Hand und den platten, zerriebenen Hut von Pferdehaar unter dem Arme. Der Englische Frack, der geschorne Wirbel und das gestutzte Seitenhaar, die in andern großen Städten von Deutschland die Kaufmannsklasse, die jüngern Dikasterianten u. dgl. seit mehreren Jahren schon in Besitz genommen haben, finden sich hier noch äußerst selten und werden nur höchstens den jungen Zöglingen der hiesigen Malerakademien verziehen. Ewige Chapeaubas-Träger sind hier die ältern Hofherren und Hofbedienten, die Kandidaten der Theologie, die man hier durchweg "Magistros" nennt, und die Räthe, Registratoren, Kalkulatoren und Sekretarien, die schon gewisse Jahre haben.

Das Aeußere und die Tracht der höhern Stände ist hier, wie überall, doch bleiben sie in Absicht der neuen Moden immer einige Monate hinter Leipzig, Berlin und Wien zurück.

Der Nahrungserwerb der Einwohner von Dresden ist nicht der reichlichste, und sie sind deshalb nicht das, was man wohlhabend nennt, obgleich man es ihrem Aeußern nicht ansieht. Der Hof, die Landeskollegien, das Militare, bilden die hauptsächlichern Erwerbsquellen der Einwohner, und der Handel, die Manufakturen, Künste und Handwerke, die geringern. Aber die Ausgaben des Hofes sind nach den Regeln der Häuslichkeit abgemessen; die Stellen an demselben, die höhern sowohl als die niedern, sind nicht reichlich; eben so die Gehalte in den Kollegien, für die Räthe sowohl, als für die Schreiber; und nicht anders bey dem Militare und der Jägerey. Der Handel ist in der That nur Krämerey und zieht kein Geld herein, sondern zahlt hinaus, theils nach Leipzig, theils nach den Lausitzer Sechsstädten, theils nach dem Erzgebirge. Wenn einige Fabriken und Manufakturen nach außen absetzen, so sind desto mehrere, die für den Bedarf von Dresden nicht zureichen, wie z. B. die Tuch- Leinwand- und Baumwollen-Manufakturen. Waaren des Luxus und der schönen Künste, z. B. Gold- Silber- Steinschleifen- Bildhauer- Maler- Tischler- Wagenbauer- Sattler-Arbeiten und andre von dieser Art, gehen zwar aus Dresden in die Provinz; aber diese liefert dagegen alles, was zu den Bedürfnissen gehört, die niemand entbehren kann und die alle Tage wieder kommen; die geht bis auf das Bier und Brot, womit die umliegenden Dörfer die Hauptstadt in großer Menge versorgen. Man sieht also, daß die Hauptquelle des Erwerbs für Dresden die Besoldung ist und bleibt.

Daher denn auch der Ueberfluß an Menschen, die nach Stellen und Besoldungen streben. Daher das Heer von Ueberzähligen in den Kollegien, die oft Jahre lang für nichts, oder für 25, 50, 100, 150, 200 Thaler dienen, mit der dürftigen Hoffnung, einmal für den Rest ihres Lebens 3 oder 400 Thaler sich zu erarbeiten; daher der Schwarm von Kompetenten zu Predigerstellen, die großentheils von hier aus besetzt werden, oder zu denen man wenigstens von hier aus Leute vorschlägt, die sich oft 8 bis 10 Jahre mit Unterricht kümmerlich durchhelfen müssen; daher ein Gewimmel von Subjekten zu Kantor- Schreiber- Accisebedienten- und andern Stellen aller Art, die eine Fertigkeit im Rechnen und Schreiben erfordern; und daher denn auch die auffallende Wohlfeilheit aller Fähigkeiten, Talente und Arbeiten, die auf diese Bedürfnisse Bezug haben. So armselig aber auch die Lage der jungen Leute ist, die diese Wege zu ihrem Unterkommen einschlagen, so vermehrt sich dennoch, wie man mich versichert hat, ihre Zahl mit jedem Jahre, und mithin wäre es in Dresden, wie anderwärts, die dringendste Pflicht der Regierung, dahin zu sehen, daß die Eitelkeit der geringern Stände, vermöge deren sie ihre Kinder gern um einige Stufen höher sehen möchten, als sie selbst gekommen sind, eingeschränkt und berichtiget würde. Thäten sich aber unbestreitbar vorzügliche Talente unter diesen Klassen hervor, wo müßte man sie desto nachdrücklicher ermuntern und unterstützen, damit sie zur völligen Ausbildung gelangten; solche Fälle würden unter diesem sehr fähigen Volke gewiß nicht selten seyn, und man hätte dann eine Pflanzschule, aus welcher man die abgängigen oder unbrauchbaren Glieder des Gelehrten- oder Beamten-Standes ersetzen könnte, indem man zugleich die Trägen darunter mit Wetteifer und Ehrgeiz erfüllte. So wäre dem Talente, wo es sich auch fände, die Laufbahn offen, und der Dummheit oder Trägheit, wie hoch sie auch schon stände, bliebe sie verschlossen.

Da also die Hauptmasse der Einwohner von Dresden in Absicht der Besoldung und Nahrung ziemlich eingeschränkt ist, so ist auch das, was man öffentliches Vergnügen nennt, hier einfacher, sparsamer, als irgendwo in einer andern Hauptstadt. Die höhern Klassen haben den Sommer hindurch, nichts vom Hofe an Festen und Vergnügungen zu erwarten, da er denselben in Pillnitz zubringt, wo er meist nur des Sonntags den einheimischen und fremden Ministern und Generalen zu essen giebt; sie gehen also auf ihre eigenen Landsitze und belustigen sich, wie eigner Geschmack, eigenes Bedürfniß und die Jahrszeit es wollen und mit sich bringen. Die Klassen, die auf sie folgen, bis auf den Rath und wohlhabenden Kaufmann hinunter, halten sich, wie ich schon erwähnt habe, ihre Land- Weinberg- Garten- und selbst Bauer-Häuschen, oder auch nur Stübchen, wo sie des Sommers Tage oder Wochen zubringen, wie ihre Aemter oder Geschäfte es erlauben. Was von diesen Klassen in der Stadt bleibt, bildet Gesellschaften, die sich täglich in irgend einem Garten zusammen finden: macht Ausflüge nach dem Plauenschen, oder dem Schoner-Grunde, oder dem Seifersdorfer Thale, und Uebigau, dem Ostravorwerke, dem Bade und nach andern Lustörtern, die um die Stadt liegen, und findet dort Musik, mancherley Biere, Taback, und ein einfaches Butterbrod mit Braten, auch wohl Land- höchstens Frankenwein und Kuchen. Die geringern Stände, vom Handwerker bis zum Musketier, verlieren sich in die Bierhäuser, auf die Kegelbahnen in der Friedrichsstadt, vor dem schwarzen und weißen Thore, im großen Garten xc. und Abends um zehn Uhr zieht alles in Schaaren und vergnügt nach Hause.

Im Winter haben die höhern Klassen öfters Tafel bey Hofe, Hofbälle, große Gesellschaften unter sich, und, mit den ihnen nähern gemeinschaftlich, Oper, deutsches Schauspiel, Redoute; doch wird letztre selten von ihnen benutzt. Das Publikum der Gartenbesucher im Sommer bleibt es auch großentheils im Winter, und geht noch überdieß in die Kaffeehäuser und Klubbs und auf die Koncert- und Tanzsäle, die dann in der Stadt offen sind. Der Bürger geht in sein Bierhaus in der Stadt.

Dies ist der Kreis, in welchem sich das gesellschaftliche Verkehr und der Lebensgenuß der Dresdener herum dreht. Man wird ihn sehr klein, sehr sparsam finden, aber wohl der Nation, die damit zufrieden ist! Es ist gerade genug, um sich von der Arbeit zu erholen, und von der Erholung ohne Unruhe zur Arbeit zurück zu gehen.

In Absicht der Wissenschaften und Künste spielt Dresden vielleicht nicht ganz die Rolle, die es, bey seinem außerordentlichen Vorrathe dazu, spielen könnte. Wenn es indessen keine große Gelehrte, kein große Künstler hat, so besitzt es doch mehrere vortrefliche und gute in vielen Zweigen der Wissenschaften und Künste.

Reise eines Liefländers von Riga nach Warschau, durch Südpreußen, über Breslau, Dresden, Karlsbad, Bayreuth, Nürnberg, Regensburg, München, Salzburg, Linz, Wien und Klagenfurt, nach Botzen in Tyrol. Berlin, 1795. bei Friedrich Vieweg dem ältern.


National-Zeitung der Deutschen. 2ten July 1807.

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Unglücksfälle

Dresden. Es war am 16. May, Mittags gegen 11 Uhr, als der Himmel sich mit dicken, schwarzen Wolken überzog. Es wurde beynahe gänzlich Nacht; die Luft, welche vom Morgen an warm war, wurde rauh, und -- auf einmal stürzte ein kolossalisch fürchterlicher Strom von Schloßen gewaltsam herab, welcher noch von einem Sturme begleitet ward, und mehrere Minuten fortdauerte. Das Getöse war gräßlich und so betäubend, daß man beynahe glaubte, es regne Steine. In mancher Gegend, als z. B. in unserer Neustadt und vor dem schwarzen Thore, soweit nur die Häuser gehen, und es von Menschen beobachtet werden konnte, waren die Schloßen am stärksten. In welcher bangen Erwartung sich dabey die Bewohner Dresdens und der umliegenden Gegend befanden, läßt sich leicht denken. In den Häusern, deren Fronte gegen Abend liegt, war fast kein einziges Fenster ganz geblieben. Schilder, die etwas von den Häusern abstanden, wurden herunter geworfen. Beträchtlich starke Bäume zerschmettert, und die andern ihres Laubes beraubt. Das Getraide und alle Gewächse, die sich in dieser unglücklichen Gegend befanden, wurden zertrümmert, so, daß alles gehauen, frisch geackert, und von neuem gesäet werden mußte. -- Der Schaden, den dieses Ungewitter nach sich zog, dürfte leicht die Summe von 100,000 Thalern überwiegen.


National-Zeitung der Deutschen. 27tes Stück, den 2ten July 1807.

Conversations-Lexicon 1816

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Diese sowohl in Rücksicht aus Lage als Bauart schöne Stadt, die Residenz des Königs von Sachsen, liegt im meissnischen Kreise, an der Elbe, welche das eigentliche Dresden und Neustadt von einandertheilt, während die berühmte 710 Ellen lange steinerne Brücke beide Städte wieder vereinigt. Dresden besteht aus der Residenz, oder dem eigentlichen Dresden (sonst auch Neu-Dresden genannt), aus der Neustadt (seit 1732 so genannt, und vorzüglich seit August II. schön angebaut, sonst Alt-Dresden), und aus der Friedrichsstadt (ehemals Ostra, seit 1670 angelegt). Die Volksmenge von Dresden wird gegen 60,000 Menschen angegeben. Unter den dresdener Sehenswürdigkeiten zeichnen sich vorzüglich aus: die schon erwähnte Elbbrücke von 18 Bogen, mit Trottoirs für die hin- und hergehenden Fußgänger, und steinernen Bänken über den Bogen, seit 1813 zugleich ein Denkmal des Marschalls Davoust; die 1736 auf der Promenade in Neustadt, zu welcher die Elbbrücke führt, aufgerichtete metallene und vergoldete Statue Augusts II. zu Pferde; die catholische Kirche, ein Meisterstück der Baukunst, mit einer herrlichen Orgel des berühmten Silbermann, und mehreren vortrefflichen Gemälden, am hohen Altar die Himmelsfahrt Christi von Mengs; die Frauenkirche, deren Bau 300,000 Thlr. gekostet, die seit 1726 angelegte Ritterakademie; die 1815 errichtete medicinisch-chirurgische Akademie; die Gemähldegallerie, in welcher die berühmte Nacht des Correggio (außer dem bekannten Kupferwerke gibt schon die kleine Beschreibung derselben, Dresden bei Walther 1807, einen Begriff von dem Reichthume derselben); die 1764 erneuerte Akademie der bildenden Künste, von welcher ein Zweig nach Leipzig verlegt worden, und welche den 5. Mai ihre Arbeiten ausstellt; das grüne Gewölbe seit 1806 eingepackt, und seit 1813 auf dem Königstein verwahrt, in welchem vorzüglich der gelbe Brillantring, der einzig in seiner Art ist, der grüne Diamant, der weisse Diamant u.a. merkwürdig sind; die königliche Bibliothek, welche die berühmten gräflich bünausschen und brühlichen Büchersammlungen umfasst; das Antikenkabinet, beide im japanischen Palais, nebst den mengsischen Abgüssen und der Porzellansammlung; (Abbildungen der vorzüglichsten Stücke des Antikenkabinets findet man in dem Recueil des marbres antiques, qui se trouvent dans la galerie du roi de Pologne à Dresde 1733, gr. Fol.; und in Beckers Augusteum s. Decker); endlich auch das Naturalienkabinet und die Rüstkammer; auch viele schöne Gärten, wie der große Garten (jetzt in traurigem Zustande), der große brühlische, der japanische, der Garten des Prinzen Maximilian in Friedrichsstadt. Unter den Spaziergängen um Dresden sind der plauische Grund und das seifersdorfer Thal, welches letztere Becker beschrieben hat, von romantischer Schönheit; so wie in der Nachbarschaft das königliche Luftschloss Pillnitz, die Festung Königstein, die Festung Sonnenstein, und die durch die kesselsdorfer Schlacht berühmten Höhen bei Kesselsdorf die größte Aufmerksamkeit verdienen. (Umständliche Beschreibung Dresdens von Hasche: Beschreibung der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten der königlichen Residenzstadt Dresden und einiger umliegenden Gegenden von Dassdorf). Der siebenjährige Krieg war für Dresden äußerst verderblich und brachte den Flor der Stadt sehr herunter; vorzüglich zerstörend wirkte das neuntägige Bombardement im Juli 1760, wo der König Friedrich der Große diese Stadt belagerte, und wobei auch die alte Kreuzkirche nebst 212 Häusern in den Grund geschossen wurde. Ueberhaupt ist Dresden wegen seiner Lage von frühern Zeiten her bei kriegerischen Operationen von Wichtigkeit, und den Zerstörungen des Kriegs daher vorzüglich ausgesetzt gewesen; auch hat die Wichtigkeit dieses Elbpasses zur Anlegung eines festen Platzes wahrscheinlich schon im 9ten Jahrhundert Gelegenheit gegeben. Siehe über diese frühere Geschichte Dresdens Weckens Beschreibung von Dresden.

Der Wechsel politischer Ereignisse in der neuesten Zeit, vorzüglich seit 1806, gab auch Dresden eine oft veränderte Gestalt. Die Festungswerke wurden auf Napoleons Befehl demolirt. Ohne große Folgen war der Einmarsch der Oesterreicher 1809; aber vor allen schrecklich das Jahr 1813. In demselben erlebte Dresden den Durchmarsch der russisch-preußischen Armee im Frühling, ihren Rückzug, den zerstörenden Aufenthalt des größten Theils der französischen Armee in der wiederum eiligst befestigten Stadt und ihrer Gegend im Mai und während des ganzen Waffenstillstands, den Angriff der Alliirten auf die Stadt, bei welcher Gelegenheit Moreau sein Leben verlor, und die damit verbundene Schlacht (26. Aug.) die unaufhörlichen Kriegsscenen in der Nähe; die Einschließung des von Napoleon nachher zurückgelassenen Corps des Marschalls St. Cyr; die Belagerung durch Russen und Oesterreicher; die Capitulation (10. Nov.), und die Besitznahme durch die Alliirten. Seit dem Dec. 1813 war Dresden der Sitz des russischen Generalgouvernements über Sachsen; am 8. Nov. 1814 schloß dasselbe aber seine Geschäfte, und es trat die preußische Verwaltung ein. Diese dauerte bis zu dem am 18.Mai 1815 zwischen Preußen und Sachsen geschlossenen Friedensvertrage; worauf denn am 7. Jun. der König wieder in seiner Hauptstadt ankam. Am 27. Jun. 1814 wurde Dresdens Neustadt abermals durch ein große Pulverexplosion sehr erschüttert und beschädigt.

Conversations-Lexicon oder encyclopädisches Handwörterbuch für gebildete Stände. Stuttgart bei A. F. Macklot. 1816.