Projekt:FE Auswerteverfahren 1/Niederschlag/Messmethoden - Kombinierte Techniken

Wie in den vorangegangenen Abschnitten erläutert, wurden Niederschlags-Schätzmethoden entwickelt, die Daten von Sensoren für das sichtbare (VIS) und/oder Infrarot(IR)-Spektrum, von passiven Mikrowellen (PMW)-Sensoren sowie von Radarmessungen (PR - precipitation radar) nutzen. Mikrowellen- und Radar-Daten sind mit den physikalischen Strukturen von Wolken verbunden und stehen daher in einem besseren Zusammenhang mit den Niederschlagsbildungsprozessen.[1]

Verschiedene Autoren haben vorgeschlagen MW-Daten aus LEO-Sensoren (LEO = low earth orbit) in Kombination mit IR-Strahlungsdaten von GEO-Sensoren (GEO = geostationärer Orbit) für Ansätze zu verwenden, die eine breite Zeitskala umfassen, von der monatlichen bis zur „sofortigen“ Ebene[1]. Auf diese Weise sollen satellitenbasierte Niederschlagsschätzungen insbesondere in den Außertropen und über Landflächen verbessert werden.

Kombination von MW- und IR-Daten Bearbeiten

“Mischmethoden”, die aus passiven Mikrowellen-Sensoren von polarumlaufenden Satelliten gewonnene Regenraten mit der Infrarot (IR)-Helligkeitstemperatur (TB – brightness temperature) von geostationären Satelliten kombinieren, sind noch relativ neu und sind unter anderem auch Gegenstand aktueller internationaler Forschung.[2]

Mit der Kombination sollen die Nachteile der einzelnen Methoden ausgeglichen werden, die in der sehr groben zeitlichen Aufnahme von MW-Daten einerseits und der indirekten und damit relativ ungenauen Beziehung zwischen der IR-Wolkenoberflächen-Charakteristik und dem Niederschlag andererseits liegen.[3]

PMW-Techniken funktionieren am besten für sofortige Anwendung über Ozeanen, während IR- oder kombinierte IR/MW-Techniken aufgrund der besseren zeitlichen Auflösung bessere monatliche Niederschlagssummen liefern.[1] Die grundsätzliche Idee liegt darin, die bessere Leistung (besseren Ergebnisse) der PMW-Sensoren, die jedoch ein bestimmtes Gebiet nur relativ selten überfliegen, zu nutzen um die IR-Daten von GEO-Bildmaterial zu „kalibrieren“, das mit einer 15- bis 30-Minuten-Auflösung zur Verfügung steht. Auf diese Weise entstehen ständig verbesserte Niederschlagskarten mit der für zahlreiche Anwendungen in Meteorologie und Hydrologie notwendigen Raum-Zeit-Auflösung.[2]

Techniken Bearbeiten

 
Blockdiagramm zur Kombination von MW- und IR-Daten

Um die Schätzungen des monatlichen Niederschlags des GPI zu verbessern, schlugen Adler et. al. (1991) einen Anpassungsfaktor basierend auf MW- und IR-Daten vor. Xu et al. (1999) nutzen ebenfalls MW- und IR-Daten um den neuen universell angepassten GPI (UAGPI) zu erhalten, mit dem stabile Schätzungen des monatlichen Niederschlags auf verschiedenen räumlichen Skalen möglich sind.[1] Die Grundlage für ein neues Wolken-Klassifikationsschema für sowohl dicke als auch dünne Wolkensysteme wurde durch ein Niederschlagsverfahren von Liu und Curry (1992) gelegt. Es verwendet IR-Daten zur Charakterisierung der Wolkenoberflächen zusätzlich zu MW-Emissions- und Streusignalen.[1] In einem Verfahren nach Vicente und Anderson (1994) werden mittels multilinearen Regressionen zweimal täglich Kalibrierungen zwischen MW-Niederschlagsrate von SSM/I (Special Sensor Microwave/Imager)-Daten über dem pazifischen Ozean und GEO-IR-Helligkeitstemperatur durchgeführt.[1] Weiteres Potential zur Verbesserung sofortiger Niederschlagsabfragen steckt in der Verbindung von MW-, VIS- und IR-Bilddaten die von demselben Satelliten aufgenommen werden, so zum Beispiel durch TMI (TRMM Microwave Imager) und VIRS (Visible and Infrared Scanner) an Bord von TRMM.[1]

Einige weitere Verfahren nutzen ebenfalls Beziehungen zwischen der IR-Helligkeitstemperatur und der Niederschlagsrate. Das Verfahren nach Todd (2001)[3] mit dem Akronym MIRA (MW IR Rainfall Algorithm) verwendet an gleichem Ort und Zeitpunkt aufgenommene Daten von PMW-Schätzungen des Niederschlags und IR-Bildern. Es stützt sich auf eine Wahrscheinlichkeitsanpassung um die Beziehung zwischen IR und Niederschlagsrate in dem zeitlich und räumlich variablen Kalibrierungsgebiet zu optimieren und wird auf die vollständige zeitliche Auflösung der jeweiligen IR-Daten angewendet. MIRA kann Veränderungen der Niederschlagsrate auf der kleinstmöglichen Skala (Satellitenpixel) erfassen, wodurch eine bedeutende Verbesserung in der Genauigkeit im kleinskaligen Bereich im Vergleich zum GPI (Geostationary Operational Environmental Satellite Precipitation Index) und zum UAGPI (Universal Adjusted GPI) erreicht wurde.

Ein weiteres Verfahren wurde von Miller (2000) vorgestellt. MIRRA (MW/IR Rain Rate Algorithm) wurde mit Daten der TOGA-COARE-Kampagne (Tropical Ocean Global Atmosphere Coupled- Ocean-Atmosphere Response Experiment) entwickelt und getestet. Regenradardaten von Schiffen dienten dabei als Referenz. Die Ergebnisse zeigten Verbesserung auf der sofortigen Ebene im Vergleich zu anderen IR- oder Kombi-Algorithmen.[1]

 
Zeitlicher Ablauf der Kombination der Daten

Das im Rahmen des EURAINSAT-Projektes von Marzano et al. (2003)[4] vorgestellte Verfahren MICRA (Microwave Infrared Combined Rainfall Algorithm) nutzt ebenfalls LEO-MW-Daten in Kombination mit GEO-IR-Daten. Die Instrumente SSM/I und der TMI (TRMM Microwave Imager) messen die Intensität der Strahlung, die im Mikrowellenbereich des Spektrums von der Erde und der Erdatmosphäre emittiert werden. Das SEVIRI-Radiometer (Spinning Enhanced Visible and Infrared Imager) sammelt dagegen reflektierte Strahlung aus dem sichtbaren und dem nahen infraroten Spektralbereich. Die größte Schwierigkeit, die es hier zu überwinden galt - genau wie bei den meisten Verfahren, die Daten von verschiedenen Satellitensystemen kombinieren - ist der Unterschied in der räumlichen und zeitlichen Auflösung zwischen den zwei Datensätzen. Eine zunächst nur auf LEO-MW gestützte Schätzung der Niederschlagsmenge wird nach einigen mathematischen Operationen durch die Integration mit aus GEO-IR abgeleiteten Helligkeitstemperaturdaten gestärkt.[5]

PERSIANN (Precipitation Estimation from Remotely Sensed Information using Artificial Neural Networks) ist ein Verfahren, mit dem eine Niederschlagsschätzung mit langwelligen IR-Daten von geostationären Satelliten (z.B. GOES-IR) bei einer Auflösung von 0,25°x0,25° durchgeführt wird. Eine Verbesserung des Niederschlags-Produktes erfolgt durch adaptive Anpassung der Netzwerk-Parameter mit Schätzung der momentanen Regenrate aus einem TMI-Produkt. Das aktuelle Produkt dieses Verfahrens ist PERSIANN-GT, das über der Region 30°S-30°N, 90°E-30°W evaluiert wurde.[1]

Vicente (1998) stellte die Auto-Estimator-Technik vor. Hierfür werden IR-Daten von aus dem 11µm-Kanal von GOES (Geostationary Operational Environmental Satellite) in Kombination mit Radardaten des US-Netzwerkes verwendet. Die Technik findet Anwendung in der Sturzflut-Vorhersage, in numerischen Modellierungen und in der operationellen Hydrologie. [1]

Nutzung der Blitzerkennung Bearbeiten

Über den Ozeanen gibt es in tropischen Regionen häufig Cumulonimbus-Wolken, die in der Troposphäre sehr hoch reichen, jedoch nicht mit Gewitter verbunden sind. Mittels Fernerkundungsmethoden wurde beobachtet, dass diese Wolken reichlich konvektiven Niederschlag erzeugen, während relativ wenige Blitze festgestellt werden. Blitze werden bei weitem häufiger über Land- als über Ozeanflächen von den Messsystemen aufgenommen.

Blitze sind ein Anzeichen für die Wachstumsrate von großen Eis-Hydrometeoren. Daher ist zu erwarten, dass ein positiver Zusammenhang mit der Streuungsintensität im hochfrequenten Mikrowellen-Bereich besteht. Modellergebnisse zeigen auch einen Zusammenhang zwischen Blitzen und mikrophysikalischen Wolkeneigenschaften, wie z.B. Eisgehalt, Aufwindgeschwindigkeiten oder flüssigem Wasser in der Wolke. Solche Informationen können nützlich für die Ermittlung von Wolkenprofilen sein.[1]

Ein Beispiel ist der LIS (Lightning Imaging Sensor) an Bord des TRMM. Die mit Hilfe des LIS gewonnenen Daten werden genutzt um mesoskalige Prozesse zu untersuchen, so z.B. Konvektion, Dynamik und Mikrophysik von Gewitterwolken. Diese werden dann u.a. mit der globalen Niederschlagsverteilung, der Niederschlagsrate und –menge in Verbindung gebracht.[6]

Quellenangaben Bearbeiten

  1. 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 Levizzani, V., R. Amorati, and F. Meneguzzo, 2002: A review of satellite-based rainfall estimation methods. European Commission Project MUSIC Report (EVK1-CT-2000-00058), 66 pp.
  2. 2,0 2,1 Levizzani, 2006: Precipitation measurements from space. European Conf. on Antenna and Propagation (EUCAP 2006) Proc. CD-ROM, 13, ESA SP-626, ISBN 92-9092-937-5.
  3. 3,0 3,1 Todd, M.C, Kidd, C.K., Kniveton, D.R. and Bellerby, T.J., 2001: A combined satellite infrared and passive microwave technique for estimation of small scale rainfall over the global tropics and subtropics. Journal of Atmospheric and Oceanic technology, 18, 742-755.
  4. Marzano, F. S., G. Graziani, and D. Cimini, 2003: The Microwave Infrared Combined Rainfall Algorithm (MICRA). EURAINSAT Technical Report, 2, 14 pp.
  5. Marzano, F. S., 2004: Satelliten zur Bestimmung der Niederschlagsmenge. Innovationsreport, Forum für Wissenschaft, Industrie und Wirtschaft, 01.12.2004.
  6. LIS Homepage