V2-Fragesätze und Aussagesätze

In diesem Kapitel geht es um den Vergleich verschiedener Typen von Ausdrücken, die das Vorfeld besetzen können, und in diesem Zusammenhang um die Satztypen, die dabei entstehen: Fragesätze (mit Fragewörtern im Vorfeld) und Aussagesätze (wenn der Vorfeldbesetzer nicht als Frage-Ausdruck zählt). Das Ergebnis dieses Kapitels wird sein, dass die "Topikalisierung" (=Vorfeldbesetzung im Aussagesatz) wesentliche Gemeinsamkeiten mit der Fragesatzbildung aufweist.

Dies ist unter anderem deswegen interessant, weil in anderen Sprachen, wie dem Englischen, nur die Voranstellung von Fragewörtern ins "Vorfeld" (SpecCP) existiert, aber in normalen Aussagesätzen nichts vorangestellt wird. Die deutsche Vorfeldbesetzung wirkt dann jedoch nur noch wie die weitere Ausdehnung einer Regel, die auch in anderen Sprachen teilweise existiert.

Die Eigenschaften von W-Bewegung Bearbeiten

Grundsätze Bearbeiten

Fragesätze, die Ergänzungsfragen sind, also im Deutschen mit einem W-Fragewort gebildet werden, erfordern in vielen Sprachen eine Voranstellung des Fragewortes (nicht der Fall ist dies aber z.B. im Chinesischen). In der generativen Syntax ist dies einer der klassischsten Fälle einer Bewegungstransformation.

Die Rolle von C° und sein Spezifikator Bearbeiten

W-Bewegung zielt auf die Position am Satzanfang, die als "Spezifikator von C" bezeichnet wird; meist wird das deutsche Vorfeld auch als genau diese Position analysiert. (Eine Annahme, die wir nicht problematisiert haben, sondern hier durchgehend zugrunde legen). Der zugehörige Kopf C° ist in diesen Fällen mit einem Merkmal ausgestattet, das den ganzen Satz als Fragesatz ausweist ("[+W]"). Ein Frage-Ausdruck im Spezifikator von C muss dann mit diesem Merkmal übereinstimmen.

W-Bewegung in Mehrfach-Fragen Bearbeiten

Diese SpecC-Position kann nur eine selbständige Phrase enthalten. Wenn mehr als ein W-Element im Satz auftritt, kann im Deutschen nur eines davon bewegt werden, weitere Fragewörter bleiben in der zugrundeliegenden Position ("in situ"). Im Englischen gilt eine Regel, dass dann nur das höchste Fragewort bewegt werden kann, dies ist für das Deutsche jedoch weniger einschlägig:

(1) a. What did you buy when for Whom?
    b. Was hast du wann für wen gekauft?
          what have you when for whom bought

Weitere Sonderfälle bei Fragesätzen Bearbeiten

Zu bemerken ist, dass sich das Interrogativ in einigen Sonderfällen nicht bewegt. Zum Beispiel fragt man eine sog. Echo-Frage, wenn man einen Teil des Satzes nicht klar gehört hat. Diese Frage zielt nicht auf eine inhaltliche Antwort, sondern auf Wiederholung des Wortlauts, und ist deshalb ein anderer Fall:

(2) A: Das hat sie nicht zu xxx gesagt. (xxx ist undeutlich gesprochen)
    B: Das hat sie nicht zu wem gesagt?

Daneben gibt es "Quiz-Fragen" (auch unfaithful question), wenn der Frager die Antwort eigentlich kennt, aber die Kenntnisse des Gesprächspartners überprüfen will.

(3) Und das hat dann welchen Effekt?

Wenn im Folgenden von "Fragesätzen" die Rede ist, sollen nur normale Informationsfragen oder eingebettete Fragen gemeint sein, obige Sonderfälle werden weiter keine Rolle spielen. Ihre Existenz stützt allerdings die Analyse von Fragesätzen mittels Bewegung aus einer Mittelfeldposition heraus.

Lange Bewegung (Long distance dependencies) Bearbeiten

W-Bewegung produziert potenziell Abhängigkeiten über weite Strecken, anders gesagt: erlaubt "lange Bewegung". Eine lange Bewegung ist eine, die die Grenzen eines Satzes (CP) verlässt.

(4) a. [Weri wohl meint er [dass ei ihm seine Arbeit hier bezahlen werde]]?
      who perhaps assumes he [that him his work here pay shall]
     ‘Who did he perhaps assume would pay him for his work here?’

Dies ist eine Konstruktion mit einigen Besonderheiten: Sie enthält einen eingebetteten Nebensatz, dem sinngemäß das Fragewort zugeordnet werden muss, d.h. in seiner Eigenschaft als Subjekt, Objekt, Adverbial etc. Gleichzeitig ist dieser Nebensatz aber nicht der Fragesatz, sondern gefragt wird vom Hauptsatz her, d.h. erfragt wird das, was vom Gesamtsatz ausgedrückt wird.

Im obigen Beispiel gibt es daher die Auffälligkeit, dass 2 Nominative in einem Teilsatz vorkommen: Das "wer", welches das Subjekt des eingebetteten Satzes ist und das "er", welches das Subjekt zu "meint" ist, stehen beide im Matrixsatz. Das Vorfeld wird also mit dem Fragewort aus dem eingebetteten Satz besetzt und bringt, wie in Fragen üblich, seinen Nominativ mit. Da "wer" kein Bestandteil der VP ist, stört sich das Verb nicht daran; nur der vom finiten Verb "meint" regierte Nominativ wird innerhalb dieser VP zugewiesen und in dem relevanten Bereich, dem Mittelfeld, gibt es weiterhin nur einen Nominativ.

Somit übernimmt das Fragewort (wer) zwei Funktionen im Satz: Zum einen erhält seine Spur (bzw. es selbst vor der Bewegung) im Mittelfeld des eingebetteten Satzes einen Kasus und eine semantische Rolle vom Verb; nach der Bewegung dann dient es in der C-Position als Spezifikator für einen Fragesatz und löst die Frage-Interpretation aus.

Dieses Phänomen der langen Bewegung zeigt: SpecC ist keine Argument-Position, und man sieht hier, dass sogar Material dort erscheinen kann, das gar kein Satzglied des jeweiligen Hauptsatzes ist — es stammt aus dem Nebensatz. Die "lange Bewegung" findet sich bei Fragesätzen und Relativsätzen; wir werden später außerdem "lange Topikalisierung" im Deutschen sehen, da Topikalisierung zur gleichen Familie von Bewegungsprozessen gehört.

Lange Bewegung verläuft "zyklisch" Bearbeiten

W-Bewegung zielt definitionsgemäß auf den Spezifikator von C, deshalb geht eine lange Bewegung zunächst in die nächstmögliche solche Position, also SpecC desselben Satzes. Erst von dort geht es weiter in SpecC des höheren Satzes. Und das genau so lang, bis das übereinstimmende Merkmal [+W] im entsprechenden C-Kopf erreicht ist, und also die semantisch interpretierbare Satzform erreicht ist. Diese schrittweise Bewegung wird auch als "zyklische Bewegung" bezeichnet.

Ein wichtiger Punkt ist, dass durch diese schrittweise Bewegung Zwischenspuren entstehen. Daraus folgt: Eine lange W-Bewegung besetzt den eingebetteten Spezifikator, und folglich kann keine zweite Phrase denselben Satz mehr per langer Bewegung verlassen: die nötige Zwischenlande-Position ist blockiert. Diese ist die Wurzel der sogenannten "Insel-Beschränkungen" ("wh-island effects"), die von John Ross (1967) zuerst beschrieben und benannt wurden. Sie werden unten genauer dargestellt (siehe #Insel-Beschränkungen). Die Existenz dieser Inselbeschränkungen ist es letztlich, was die zyklische Natur der langen Bewegung verrät.

Anwendungsfälle Bearbeiten

Freie und eingebettete Interrogative Bearbeiten

Die eingebetteten und nicht eingebetteten Interrogative unterscheiden sich in der Stellung des finiten Verbs. Die uneingebetteten Interrogative, also Hauptsätze als Fragesätze, treten in Form von V2-Sätzen auf, während die eingebetteten Interrogative VL-Sätze bilden. Das Interrogativ bewegt sich in beiden Fällen in die SpecC-Position. Im Nebensatz bleibt anschließend die C°-Position frei — d.h. es gibt keine eingebetteten Fragesätze in Form einer V2-Struktur (obwohl eingebettete Aussagesätze V2 haben können). Noch einmal anders gesagt: Verbbewegung in eingebetteten Fragesätzen ist nicht möglich (in anderen Sprachen übrigens auch nicht, mehr dazu unter w: Inversion (Sprache)).

(1) a. [Auf wen]i hatk [sie ei gewartet ek]] ?
    b.  Ich weiß nicht, [[auf wen]i - [sie ei gewartet hat]].

Da bei langer Bewegung der eingebettete Satz, aus dem das Fragewort stammt, ein V2-Satz sein kann, ist gezeigt, dass der eingebettete Teil nicht als Fragesatz zählt:

(2) a. Auf wen glaubst du, wartet sie?
    b. [Auf wen]i glaubst du, ti wartet sie ti?

Der eingebettete Teil "...wartet sie" ist ein Satz mit vorangestelltem Verb, also ein V2-Satz! Sein Vorfeld ist allerdings durch eine unsichtbare Einheit besetzt, die Zwischenspur der langen Bewegung (hierzu gleich noch mehr).

Relativsätze Bearbeiten

In (2) werden Beispiele für Relativsätze (und ihr Bezugswort) aufgelistet. Auffällig ist, dass ein Bezugswort abwesend sein kann. Das Relativpronomen wer in (2c) leitet einen Relativsatz ein, der als ganzer Subjekt eines Satzes ist, ohne von einem weiteren N abzuhängen.

(2) a. ein Menschi, [deri dieses Beispiel analysiert]
     b. Allesi, [wasi man analysiert]
     c. Wer dieses Beispiel analysiert, (... stößt auf Probleme)
     (whoever)

Die Konstruktion (2c) wird in der Germanistik als "freier Relativsatz" bezeichnet (in der englischsprachigen Literatur ist auch von "headless relative clauses" die Rede, aber das ist eine schiefe Redeweise, weil das Substantiv, von dem ein Relativsatz abhängt, nicht buchstäblich "der Kopf des Relativsatzes" ist — der Kopf des Relativsatzes, als einer CP, ist das C° darin, das aber meist unsichtbar ist).

Wenn Relativpronomen (oder größere Gebilde) einen Relativsatz einleiten, gelangen sie ebenfalls durch W-Bewegung an den Satzanfang (SpecC). Dies wird in (3a) gezeigt.

(3) a. der Tag [auf deni [sie ei gewartet hat]]

Ebenso wie bei Fragesätzen gibt es bei der Bildung von Relativsätzen auch "lange Bewegung". Wie bei jeder langen Bewegung müssen aber zwischen Spur und Landeposition befindliche SpecC-Positionen frei sein, sonst resultiert Ungrammatikalität (so in (3c) und (3d); in (3c) blockiert seit wann die Setzung einer Zwischenspur und in (3d) der Vorfeldbesetzer "sie").

     b. der Tag [auf deni man glaubte [ei [dass sie ei gewartet habe]]
     c. *der Tag, auf deni er sagte [seit wann [sie ei gewartet habe]]
                                  SpecC blockiert
     d. *der Tag, auf deni er sagte [sie habe [ei gewartet]]
                               SpecC blockiert

Komparativkonstruktion Bearbeiten

(Dieser Abschnitt wurde auskommentiert, d.h. findet sich jetzt nur in der Bearbeitungsansicht; kein Klausurstoff)

"Insel-Beschränkungen" Bearbeiten

Hinweise auf lange Bewegung aus der Interpretation Bearbeiten

Manche Nebensätze können durch lange Bewegung verlassen werden, andere nicht — letztere nennt man dann "Inseln für Bewegung" (als ob man Inseln nicht verlassen könnte). Beispiele für solche Insel-Effekte sind in (3) gegeben. Die Beschränkungen für Bewegung zeigen sich dabei in Beschränkungen für die Interpretation der Sätze:

(3) a. Wie oftk hat sie gesagt [ek habe man sie ek angerufen]?

Interpretation: eindeutig ("wie oft angerufen")

    b. Wie ofti hat sie ei gesagt [mank habe ek sie angerufen]?

Interpretation: eindeutig ("wie oft gesagt")

    c. Wie ofti/k hat sie (ei) gesagt [ (ek) dass [man sie (ek) angerufen habe]]?

Interpretation: ambig

Die Erklärung für die Unterschiede wurde bereits dargestellt: Sie liegt darin, dass lange Bewegung zuerst in den SpecC des eingebetteten Satzes führen muss, im zweiten Schritt heraus in die Matrix. Lange Bewegung ist also in Wirklichkeit mehrfache, zyklische Bewegung. Wenn der tiefere SpecC besetzt ist, scheitert lange Bewegung. In (3) wurde nun verdeutlicht, dass diese Analyse aus einer Betrachtung der zulässigen Intepretationen hergeleitet werden kann.

Zu beachten ist dabei auch: Lange W-Bewegung kann im Deutschen auch mit eingebetteten Verbzweit-Sätzen auftreten. Dies zeigt sich in Beispiel (3a) oben. Hier muss ein eingebetteter V2-Satz vorliegen, obwohl man keine Besetzung des Vorfelds sieht. Vergleiche dazu:

(3a’) Sie sagte, [man habe sie 5x angerufen]

Der scheinbare Verberst-Satz in der Einbettung in (3a) ist in Wirklichkeit ein V2-Satz, dessen Vorfeld durch die Zwischenspur der langen Bewegung besetzt ist!

Weitere Beobachtungen zu langer Bewegung Bearbeiten

(Inhalt dieses Abschnitts ist kein Klausurstoff)

  • Lange W-Bewegung kann nicht aus Adjunkten heraus führen. Adverbiale sind also "Inseln" für w-Extraktion.
(4) a. Whoi did she laugh [before Bill mentioned ei]?
    b. Weni hat sie [ehe Fritz erwähnte ei] gelacht?
       who has she [before Fritz mentioned] laughed
     ‘Who was the person such that she laughed before Fritz mentioned this person'

Man kann zwar Adverbiale bewegen, aber nichts aus einem Adverbial heraus. Dies gilt nicht nur für Adverbiale, sondern auch für Nebensätze, die von einem Antezedenselement abhängig sind. Eigentlich ist es so: Man kann nichts aus "Adjunkten" (statt "Argumenten") herausbewegen:

vgl. Wen hat sie (*es) prophezeit, dass er heiraten würde
     whom has she (it) prophesied that he marry will
   ‘Whom has she prophesied that he will marry'

Nach Haider 2010 (S. 90) ist der Nebensatz im Nachfeld ein Adjunkt, wenn im Mittelfeld das Korrelat-Pronomen "es" steht; nur das "es" wäre in einer Position, aus der herausbewegt werden kann (aber hat natürlich keine bewegbaren Bestandteile), hingegen verhält sich der Satz, der das Korrelatpronomen wieder aufgreift, genauso wie Adverbiale, also als nicht selegierte Einheit.

  • In Bezug auf die Extraktion aus der Subjektphrase gibt es eine systematische Differenz zwischen dem Deutschen und Englischen.

Eine Besonderheit des Deutschen:

(5)a. Mit wemi hätte [ei dort ei dinieren zu dürfen] dir Spaß gemacht?
     with whom had-subjunctive [there to dine to be-allowed-to] you pleasure make
   ‘With whom would it have pleased you to be allowed to have dinner with there?’
  b. * With whomi would [ei to be able to have dinner with ei there] have pleased you
  c. * Mit wemi hat sie gesagt [CP [ei dort ei dinieren zu dürfen] [hätte [ihr Spaß gemacht]]]
     with whom has she said [[there dine to be-allowed-to] [had-SUBJUNCTIVE [her pleasure made]]]

Kommentare:

  • Bewegung aus deutschen Subjekten heraus ist möglich. Man erinnere sich, dass das deutsche Subjekt innerhalb der VP steht.
  • Bewegung aus englischen Subjekten heraus ist nicht möglich, und aus dem deutschen Vorfeld heraus auch nicht.(In Konstruktionen mit einem "Brückenverb" kann man wieder prüfen, ob im Deutschen w-Elemente aus dem Subjekt herausbewegt werden können). Dies unterstützt die "IP-Analyse" des englischen Satzes: Das Subjekt ist nicht in dem Bereich, der vom Verb regiert wird, und steht stattdessen im Spezifikator eines funktionalen Kopfes (SpecI). Dieselbe Beschreibung trifft auf das deutsche Vorfeld zu (SpecC).
  • Im Deutschen können Determinierer oder Spezifikatoren von DP nicht extrahiert werden, deshalb bei einer w-Bewegung die gesamte DP mitgenommen werden ("Rattenfängerkonstruktion", engl.: "Pied-piping"):
(6)a. [Welches/Wessen Buch] hast du nicht gelese?
   b. *[Welchesi/Wesseni] hast du [ei Buch] nicht gelesen?
  • Anders als im Englischen ist es im Deutschen meist nicht erlaubt, das Komplement einer Präposition einzeln zu bewegen (also Präpositionen bei Bewegung zurückzulassen bzw. "stranden" zu lassen). Deshalb werden PPs dann auch im Ganzen bewegt:
(7) a. [Which train]i are you waiting for ei?
    b. *[Welchen Zug]i wartest du auf ei? 
    c. [Auf welchen Zug]i wartest du auf ei?

W-Bewegung und Topikalisierung im Deutschen Bearbeiten

Nun werden V2-Aussagesätze mit Topikalisierung analysiert. Die Bewegungsanalyse der W-Bewegung überträgt sich auf diese Konstruktion: Man findet, dass lange Topikalisierung ebenso möglich ist wie lange Fragewort-Bewegung, und dass alle Inselbeschränkungen ebenso greifen.

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Die folgenden Beispiele sind bereits bekannt. Satz (1c) und (1d) sind ungrammatisch, weil die SpecC-Stelle blockiert ist und die lange Bewegung nicht stattfinden kann.

(1) a. Auf ihni hat sie ei gewartet.
     b. Auf ihni glaubte man [ei dass [sie ei gewartet habe]].
     c. *Auf ihni sagte er [wo [sie ei gewartet habe]].
                     SpecC blockiert
     d. *Auf ihni sagte er [sie habe [ei gewartet]].
                     SpecC blockiert
 

Es ist noch zu beachten, dass die lange Bewegung aus einer Adjunkt-Insel verboten ist. (s. engl. Adjunct island)

(22) a. *Mit dem Manni war sie so kurzsichtig, [ei [dass [sie ei kollidierte]]].
                                                        Adjunkt-Insel
     b. *Mit welchem Manni war sie so kurzsichtig, [ei [dass [sie ei kollidierte]]]?
                                                            Adjunkt-Insel

Falls ein W-Wort in der SpecC-Stelle ist, wird es obligatorisch als Interrogativpronomen verstanden. Aber wenn es in seiner Basisposition ist, ist es mehrdeutig.

(23) a. Gestern hat das wer erzählt
                      jemand (someone)           → Gestern hat das jemand erzählt.
                        wer (who)                → Gestern hat das wer erzählt? (echo question, s. oben)
     b. Wer hat das gestern erzählt
      jemand (someone)                           → *Jemand hat das gestern erzählt.
        wer (who)                                → Wer hat das gestern erzählt? (einzige Möglichkeit, obligatorisch!)
(24) a. Gestern hat sie wen besucht
                     jemanden (someone)          → Gestern hat sie jemanden besucht.
                        wen (who)                → Wen hat sie gestern besucht? (echo question)
     b. Wen hat sie gestern besucht
     Jemanden (someone)                          → *Jemanden hat sie gestern besucht.
        Wen (who)                                → Wen hat sie gestern besucht? (einzige Möglichkeit, obligatorisch!)


Zusammenfassung: Gründe für eine Bewegungsanalyse der Vorfeldbesetzung Bearbeiten

Theoretische Argumente Bearbeiten

  • (Die deutsche Sprache hat eine OV-Struktur, die sowieso eine Verbbewegung fordert. Dies ist allerdings nur eine Analogie, kein starkes Argument)
  • Nicht alle Satzformen haben ein VF, alle Satzteile können auch im Mittelfeld stehen.

z.B. ein Verberst- oder Verbletztsatz. Fast alle Konstituenten stehen im Mittelfeld.

Vorfeld linke Klammer Mittelfeld rechte Klammer Nachfeld
- Hat der Kassierer dem Kunden die Quittung gegeben?

Die Bewegungsanalyse ermöglicht einheitlichen Strukturaufbau fürs Mittelfeld = VP. Das Mittelfeld ist dann der Bereich, in dem das Verb Kasus an seine Ergänzungen zuweist, dies geschieht also einheitlich innerhalb der Phrase, die vom Verb aufgespannt wird; die Kasuszuweisungs-Regel wird dadurch einheitlich formulierbar. Bewegung kasusmarkierter Phrasen ins Vorfeld setzt danach an. Das Vorfeld ist demnach einheitlich weder eine Argument- noch eine Kasusposition.

Einzelne Phänomene Bearbeiten

  • Rekonstruktions-Effekte: Rahmenadverbiale, gebundene Pronomen ++
  • "Lange Topikalisierung": der Vorfeldbesetzer stammt aus einem eingebetteten Satz

z.B. Auf ihni glaubte man [ei dass [sie ei gewartet habe]].

Literatur Bearbeiten

Haider, Hubert (2010): The Syntax of German. Cambridge (UK): Cambridge University Press. (Kapitel 3: Targeting the clause-initial position: German wh-constructions).



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