Elbinsel Krautsand (April 2019)

Mein Name ist Jörg Kuntze. Ich wohne in der rheinland-pfälzischen Stadt Mayen.

Alles ist im Werden oder die Frage nach dem "X"

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Platon charakterisiert die Materie für sich allein als nicht existent. Zur Wirklichkeit wird sie erst durch die Ideen erweckt, die in ihr anwesend sind. Durch die Annahme von Ideen kann ein Zusammenhang zwischen dem Denken und der Sprache einerseits und der dinglichen Wirklichkeit andererseits gefunden werden. Die Idee (gr. idea, eidos) ist ein immer Seiendes und in sich stets Gleiche, was als ewiger Bestand über allem Werden steht. Platon bezeichnet die Idee als "das X selbst" oder als "an sich".

Aristoteles nimmt zwichen dem Sein und dem Nichts ein Mittleres an, das aus der Gegensätzlichkeit von Seiendem und Nichtseiendem ein Werden vollziehen kann. Dieses Mittlere, was er als Materie bezeichnet sei das, woraus etwas wird. Dieses das Werden Ermöglichende und ihm damit Zugrundeliegende muss für Aristoteles etwas sein, was nur der Möglichkeit nach besteht. Aristoteles untersuchte die Substanz X gemäß zweier Annahmen, die in seiner Theorie der Kategorien auf die erste und die zweite Substanz verteilt sind:

  • X muss selbständige Existenz oder Subjekt für alles andere sein, aber nicht selbst Prädikat (individuelles Wesen = erste Substanz)
  • X muss Definitionsgegenstand sein, um Erkennbarkeit zu garantieren, das heißt auf die Frage ‚Was ist X? Wo ist X? Wie ist X beschaffen?‘ antworten (allgemeines Wesen = zweite Substanz)

Die höchste Idee sei nach Platon die des Guten, aus ihr gehen alle gewöhnlichen Ideen hervor. Das überseiende Gute stifte als absoluter Urgrund das Reich der Ideen und sei selbst unbedingt. Platon bezeichnet das Wesen dieses Urprinzips als das "Eine". Die Ideen bilden untereinander ein einiges, in sich selbst gegliedertes Ganzes und dienen als Musterbilder (Paradigmen[1]) der vergänglichen Dinge.

Die Philosophie ist durch die platonische Lehre geprägt, die von zwei Dimensionen der Wirklichkeit ausgeht. Der raum-zeitlichen Welt des Werdens steht die Welt des Seins jenseits von Zeit und Raum gegenüber. Die durch die ewigen Wesenheiten gebildete Welt des Seins ist dem Denken zugänglich, sie repräsentiert das Unwandelbare. Die Welt des Werdens kann mit den Wahrnehmungen erkannt werden. Durch die Annahme von Ideen kann ein intuitiver Zusammenhang zwischen der Welt des Seins und der Sprache einerseits und der dinglichen Wirklichkeit andererseits gefunden werden.

Die Welt der Ideen und die dingliche Welt der Erscheinungen stehen in dem Verhältnis zueinander, wie es zwischen Urbild[2] und Nachbildung[3] besteht. Das Einzelding hat Anteil an der Idee, kann jedoch nie mehr als ein Abbild[4] sein. Platon nimmt an, dass jeder Mensch ein apriorisches, vorgeburtliches Wissen hat und es nur durch "Wiedererkennung"[5] möglich ist, bereits in der Ideenwelt geschaute Erkenntnisse zu erlangen. Erkenntnisse durch reine Überlegung schließt er aus. Das Gleiche gilt auch für Beobachtungen von Phänomenen, d.h. Wahrnehmungen mit den Sinnesorganen.

Emil du Bois-Reymond: "Naturerkennen - genauer gesagt naturwissenschaftliches Erkennen oder Erkennen der Körperwelt mit Hilfe und im Sinne der theoretischen Naturwissenschaft - ist Zurückführen der Veränderungen in der Körperwelt auf Bewegungen von Atomen, die durch deren von der Zeit unabhängige Zentralkräfte bewirkt werden, oder Auflösung der Naturvorgänge in Mechanik der Atome. Ja, es lässt eine Stufe der Naturerkenntnis sich denken, auf welcher der ganze Weltvorgang durch eine mathematische Formel vorgestellt würde, durch ein unermessliches System simultaner Differentialgleichungen, aus dem sich Ort, Bewegungsrichtung und Geschwindigkeit jedes Atomes im Weltall zu jeder Zeit ergäbe. Setzte er in der Weltformel  t = - ∞, so enthüllte sich ihm der rätselhafte Urzustand der Dinge. Um den Abstand zu zeigen, der uns sogar von den ersten Anfängen trennt, genügt eine Bemerkung. Ehe die Differentialgleichungen der Weltformel angesetzt werden könnten, müssten alle Naturvorgänge auf Bewegungen eines substantiell unterschiedslosen, mithin eigenschaftslosen Substrates dessen zurückgeführt sein, was uns als verschiedenartige Materie erscheint, mit anderen Worten, alle Qualität müsste aus Anordnung und Bewegung solchen Substrates erklärt sein. Und stumm und finster an sich, d.h. eigenschaftslos, wie sie aus der subjektiven Zergliederung hervorgeht, ist die Welt auch für die durch objektive Betrachtung gewonnene mechanische Anschauung, welche statt Schalle und Lichtes, nur Schwingungen eines eigenschaftlosen, dort zur wägbaren, hier zur unwägbaren Materie gewordenen Urstoffes kennt.

Der Stein der Weisen, der die heute noch unzerlegten Stoffe ineinander umwandelt und aus einem höheren Grundstoff, wenn nicht dem Urstoff selbst, erzeugte, müsste gefunden sein, ehe die ersten Vermutungen über Entstehung scheinbar verschiedenartiger aus in Wirklichkeit unterschiedsloser Materie möglich würde. Fahren wir in Gedanken mit der Teilung der Materie ins Unendliche fort, so bleiben wir mit unserer Anschauung in dem uns angewiesenen Gleise und fühlen uns in unserem Denken ungehindert. Zum Verständnis der Dinge aber tun wir keinen Schritt, da wir in der Tat nur das im Bereich des Grossen und Sichtbaren Erscheinende auch im Bereiche des Kleinen und unsichtbaren uns vorgestellt haben. Niemand der etwas tiefer nachgedacht hat, verkennt die transzendente Natur des Hindernisses, das sich uns hier entgegenstellt. Wie man es auch zu umgehen versuche, in der einen oder der anderen Form stösst man immer darauf. Allein es tritt nunmehr an irgend einem Punkte der Entwicklung des Lebens auf Erden, den wir nicht kennen etwas Neues, bis dahin unerhörtes auf, etwas wiederum, gleich dem Wesen von Materie und Kraft, Unbegreifliches. Der in negativ unendlicher Zeit angesponnte Faden des Verständnisses zerreist und unser Naturerkennen gelangt an eine Kluft, über die kein Steg, kein Fittig (Flügel) trägt. Dies neue Unbegreifliche ist das Bewusstsein. Man braucht nicht James Watts Parallelogramm erdenkend, nicht Shakespeare, Raphael, Mozart in der wunderbarsten ihrer Schöpfungen begriffen sich vorzustellen, um das Beispiel eines aus seinen materiellen Bedingungen unerklärbaren geistigen Vorgangs zu haben. Über wenig Gegenstände ist anhaltender nachgedacht, mehr geschrieben, leidenschaftlicher gestritten worden, als über die Verbindung von Leib und Seele im Menschen. Descartes selbst hatte sich die Möglichkeit, diese Wechselwirkung zu begreifen, durch zwei Aufstellungen vorweg abgeschnitten.  

Erstens behauptete er, dass Körper und Geist verschiedene Substanzen, durch Gottes Allmacht vereint seien, welche, da der Geist als unkörperlich keine Ausdehnung habe, nur in einem Punkt, nämlich in der sogenannten Zirbeldrüse des Gehirns einander berühren. Nicht mehr als im Verstehen von Kraft und Materie hat im Verstehen der Geistestätigkeit aus materiellen Bedingungen die Menschheit seit zweitausend Jahren, trotz allen Entdeckungen der Naturwissenschaft, einen wesentlichen Fortschritt gemacht. Sie wird es nie. Selbst der von Laplace gedachte Geist mit seiner Weltformel gliche in seinen Anstrengungen einem nach dem Monde trachtenden Luftschiffer. Unser Naturerkennen ist eingeschlossen zwischen den Grenzen, welche einerseits die Unfähigkeit, Materie und Kraft, andererseits das Unvermögen, geistige Vorgänge aus materiellen Bedingungen zu begreifen. Innerhalb dieser Grenzen ist der Naturforscher Herr und Meister, zergliedert er und baut er auf und niemand weiss, wo die Schranke seines Wissens liegt."

Artikel:

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Einzelnachweise

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  1. wikipedia zu Paradigma
  2. Urbild = innere, vorgefasste Vorstellung
  3. Nachbildung = Phänomen außerhalb einem selbst
  4. Abbild = "schlechte" Kopie
  5. auch als Anamnesis bekannt (vgl. wikipedia zu Anamnesis in der Philosophie)