Facard/Vortrag/1/Textabschnitt/latex
\zwischenueberschrift{Der Frobenius}
In dieser Vorlesungsreihe möchten wir Singularitäten, gegeben durch einen lokalen kommutativen Ring, mit Hilfe des Frobeniushomomorphismus \zusatzklammer {in positiver Charakteristik} {} {} und mit Hilfe von Differentialoperatoren \zusatzklammer {über einem Grundkörper beliebiger Charakteristik} {} {} verstehen. Zunächst rekapitulieren wir relevante Konzepte in positiver Charakteristik. Die neuen Ergebnisse zu den Differentialoperatoren und wie man damit eine Singularität erfassen kann beruhen auf einer gemeinsamen Arbeit mit Jack Jeffries und Luis Nuñez-Betancourt.
\inputdefinition
{}
{
Es sei $R$ ein
\definitionsverweis {kommutativer Ring}{}{,}
der einen
\definitionsverweis {Körper}{}{}
der positiven
\definitionsverweis {Charakteristik}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{p
}
{ > }{0
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
enthalte. Der \definitionswort {Frobeniushomomorphismus}{} ist der
\definitionsverweis {Ringhomomorphismus}{}{}
\maabbeledisp {} {R} { R} { f} {f^p} {.}
}
Mit $\,^e R$ bezeichnen wir denjenigen
$R$-\definitionsverweis {Modul}{}{,}
der als kommutative Gruppe einfach $R$ ist, dessen $R$-Modulstruktur aber durch den $e$-ten Frobenius festgelegt ist. Die $e$-te Skalarmultiplikation $\star_e$ ist also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{r \star_e f
}
{ \defeq} { r^{p^e} f
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
Die Menge der $p$-ten Potenzen in $R$ wird mit $R^p$ bezeichnet, das ist der Unterring von $R$, der mit dem Bild des Frobeniushomomorphismus übereinstimmt. Wenn $R$ reduziert ist, so ist der Frobenius injektiv und man betrachtet zunehmend kleinere Unterringe.
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{R
}
{ \supseteq} { R^p
}
{ \supseteq} { R^{p^2}
}
{ \supseteq} { \ldots
}
{ } {
}
}
{}{}{}
Die Inklusion
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{R^p
}
{ \subseteq }{R
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
kann man auch als Erweiterung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{R
}
{ \subseteq} { R^{1/p}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
verstehen, jedes Element bekommt also eine eindeutig bestimmte $p$-te Wurzel hinzu.
\inputdefinition
{}
{
Ein noetherscher kommutativer Ring $R$ heißt
\definitionswortpraemath {F}{ endlich }{,}
wenn der $R$-Modul
\mathl{\,^1 R}{} ein
\definitionsverweis {endlich erzeugter}{}{}
$R$-Modul ist.
}
Wenn $R$ $F$-endlich ist, so ist $\,^e R$ ein endlich erzeugter $R$-Modul für jedes $e$. Diese Eigenschaft gilt für Ringe der Form
\mathl{{ \left( \Z/(p) [X_1 , \ldots , X_n]/{\mathfrak a} \right) }_{ {\mathfrak m} }}{.}
\inputbeispiel{}
{
Auf dem Restklassenkörper
\mathl{\Z/(p)}{} ist der Frobeniushomomorphismus die Identität nach dem kleinen Fermat. Auf dem Polynomring
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{R
}
{ =} { \Z/(p) [X_1 , \ldots ,X_d ]
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
stimmt daher der Frobeniushomomorphismus mit dem Einsetzungshomomorphismus
\maabbeledisp {} { \Z/(p) [X_1 , \ldots ,X_d ]} {\Z/(p) [X_1 , \ldots ,X_d]
} {X_i} { X_i^p
} {,}
überein. Daher bilden die Monome
\mathbed {X_1^{r_1} \cdots X_d^{r_d}} {}
{0 \leq r_j < p} {}
{} {} {} {,}
eine $R$-Basis von
\mathl{\,^1 R}{.} Dabei ist klar, dass ein Erzeugendensystem vorliegt, da man jedes Monom
\mathl{X_1^{s_1} \cdots X_d^{s_d}}{} wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{s_j
}
{ =} { m_j p +r_j
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X_1^{s_1} \cdots X_d^{s_n}
}
{ =} { { \left( X_1^{p} \right) }^{m_1} \cdots { \left( X_d^{p} \right) }^{m_d} \cdot X_1^{r_1} \cdots X_d^{r_d}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
schreiben kann, und das Monom links vom Frobenius herrührt. Da diese Darstellung eindeutig ist, sind die angegebenen Monome auch linear unabhängig. Der $R$-Modul $\,^1 R$ ist also
\definitionsverweis {frei}{}{}
von Rang
\mathl{p^d}{.} Die entsprechende Überlegung zeigt, dass $\,^e R$ frei vom Rang
\mathl{{ \left( p^{e} \right) }^d}{} ist.
} \zusatzklammer {Wenn $R$ ein Integritätsbereich der Dimension $d$ ist, so ist der Rang von $\,^e R$ ebenfalls gleich $q^d$.} {} {}
Diese Aussage gilt im Wesentlichen auch für lokale reguläre Ringe in positiver Charakteristik. Wichtig ist, dass hiervon sogar die Umkehrung gilt. Der folgende Satz wurde 1969 von Kunz bewiesen und bildet einen wichtigen Startpunkt für die kommutative Algebra in positiver Charakteristik.
\inputfakt{Kommutativer Ring/Positive Charakteristik/Regularität und Freiheit/Kunz/Fakt}{Satz}{}
{
\faktsituation {Es sei $R$ ein lokaler $F$-endlicher Ring in positver Charakteristik.}
\faktfolgerung {Dann ist $R$ genau dann regulär, wenn der $R$-Modul $\,^1 R$ frei ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
So wie nach dem Satz von Kunz die Freiheit von $\,^1 R$ die Regularität des lokalen Ringes $R$ in positiver Charakteristik beschreibt, gibt es verschiedene Moduln, deren Freiheit die Regularität des Ringes charakterisiert.
Für einen lokalen noetherschen Ring der Dimension $d$ besagt die homologische Charakterisierung der Regularität
\zusatzklammer {Der
Satz von Auslander Buchsbaum Serre} {} {,}
dass in der an der $d$-ten Stelle abgebrochenen freien Auflösung des Restklassenkörpers, also
\mathdisp {0 \longrightarrow \operatorname{Syz}_{d-1} \longrightarrow F_{d-1} \longrightarrow F_{d-2} \longrightarrow \ldots \longrightarrow F_1 \longrightarrow F_0=R \longrightarrow R/{\mathfrak m} \longrightarrow 0} { }
mit $F_i$ frei der \anfuehrung{letzte}{}
$R$-\definitionsverweis {Modul}{}{}
\mathl{\operatorname{Syz}_{d-1}}{} genau dann frei ist, wenn $R$ regulär ist.
Für eine lokale $K$-Algebra $R$, die im wesentlichen vom endlichen Typ sei, wird die Glattheit von $R$ durch die Freiheit des $R$-Moduls der Kähler-Differentiale $\Omega_{R {{|}} K}$ charakterisiert. In Charakteristik $0$ ist es ein offenes Problem, ob die Freiheit des dazu dualen Modules, nämlich des Moduls der Derivationen, ebenfalls die Glattheit charakterisiert \zusatzklammer {Zariski-Lipman-Problem; in positiver Charakteristik ist dies falsch} {} {.}
Wir fragen uns, inwiefern man eine Singularität dadurch beschreiben kann, dass man die Abweichung von der Freiheit von diesen Moduln in einem asymptotischen Sinn misst.
\zwischenueberschrift{Die F-Signatur}
In der oben erwähnten Arbeit von Kunz wurde auch die sogenannte Hilbert-Kunz-Multiplizität eingeführt. Für einen lokalen Ring
\mathl{(R, {\mathfrak m} )}{} in positiver Charakteristik $p$ ist diese durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ e_{\rm HK} (R)
}
{ =} { \lim_{ e \rightarrow \infty} { \frac{ \operatorname{length} \, (R/ {\mathfrak m}^{[p^e]}) }{ p^{ e d } } }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathfrak m}^{[p^e]}
}
{ = }{ { \left( f^{p^e}: f \in {\mathfrak m} \right) }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
definiert. Die Existenz des Limes wurde von Monsky gezeigt. Wenn $R$ im wesentlichen von endlichem Typ über einem Körper $K$ und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{R/{\mathfrak m}
}
{ = }{ K
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ist, so geht es um die $K$-Dimensionen der Restklassenringe. Wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \,^e R \otimes_{ R } R/{\mathfrak m}
}
{ \cong} { R/{\mathfrak m}^{[p^e]}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
kann man diese Dimensionen auch als die minimalen Erzeugendenanzahlen der Modulserie $\,^e R$ auffassen. Insofern ist die Hilbert-Kunz-Multiplizität ein asymptotisches Maß für diese Serie.
Die genauere $R$-Modulstruktur von $\,^e R$ im nichtregulären Fall wurde vor allem von Smith und van den Bergh, Seibert, Huneke und Leuschke, Watanabe und Yoshida studiert. Die grundlegende Beobachtung ist, dass wenn $R$ eine \anfuehrung{milde}{} Singularität repräsentiert, dass dann eine gewisse Regelmäßigkeit in der $R$-Modulstruktur von $\,^e R$ für
\mathl{e \in \N}{} zu beobachten ist. Wir konzentrieren uns hier auf die sogenannte $F$-Signatur.
\inputdefinition
{}
{
Es sei $R$ ein
$F$-\definitionsverweis {endlicher}{}{}
Ring der
\definitionsverweis {Dimension}{}{}
$d$ in positiver Charakteristik $p$. Zu jedem
\mathl{e \in \N}{} sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \,^e R
}
{ \cong} { R^{a_e} \oplus M_e
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{,}
wobei $M_e$ keinen freien Summanden habe
\zusatzklammer {und $a_e$ maximal mit dieser Eigenschaft sei} {} {.}
Dann nennt man
\mathdisp {\lim_{n \rightarrow \infty} { \frac{ a_e }{ p^{de} } }} { }
die
\definitionswortpraemath {F}{ Signatur }{}
von $R$.
}
Die Existenz des Limits wurde von Tucker bewiesen. Die $F$-Signatur ist eine reelle Zahl aus dem Intervall
\mathl{[0,1]}{.} Es ist unbekannt, ob sie stets eine rationale Zahl ist.
Der folgende Satz wurde
\zusatzklammer {im Kontext von Hilbert-Kunz Theorie} {} {}
von Watanabe und Yoshida bewiesen. Er stellt bereits sicher, dass die $F$-Signatur ein sinnvolles Singularitätsmaß ist.
\inputfakt{Regulärer Ring/F-Signatur/Fakt}{Satz}{}
{
\faktsituation {}
\faktfolgerung {Ein lokaler noetherscher ungemischter Ring $R$ in positiver Charakteristik ist genau dann regulär, wenn die
$F$-\definitionsverweis {Signatur}{}{}
von $R$ gleich $1$ ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
Eine wichtige Beispielklasse wird durch das folgende Resultat abgedeckt.
\inputfakt{Polynomring/Gruppenoperation/Klein/F-Signatur/Fakt}{Satz}{}
{
\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{G
}
{ \subseteq }{ \operatorname{GL}_{ n } \! { \left( K \right) }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
eine endliche kleine Gruppe mit der natürlichen linearen Operation auf dem Polynomring
\mathl{K[X_1 , \ldots , X_n ]}{.}}
\faktvoraussetzung {Die Charakteristik von $K$ sei kein Teiler der Gruppenordnung.}
\faktfolgerung {Dann besitzt der Invariantenring
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{R
}
{ =} { K[X_1 , \ldots , X_n ]^G
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
die $F$-Signatur
\mathl{{ \frac{ 1 }{ \operatorname {ord} { { \left( G \right) } } } }}{}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
Somit kann die $F$-Signatur insbesondere verschiedene nichtreguläre Ringe voneinander unterscheiden.
Es ist keineswegs so, dass die $F$-Singularität immer eine positive Zahl ist. In einem gewissen Sinne ist dies eher eine Ausnahme.
\inputdefinition
{}
{
Ein noetherscher Integritätsbereich in positiver Charakteristik $p$ heißt
\definitionswort {stark F-regulär}{,}
wenn es zu jedem
\mathbed {r \in R} {}
{r \neq 0} {}
{} {} {} {,}
ein
\mathl{e \in \N}{} derart gibt, dass der von $r$ erzeugte $R^q$-Untermodul
\zusatzklammer {mit
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{q
}
{ = }{p^e
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}} {} {}
als $R^q$-Modul abspaltet.
}
Das bedeutet, dass wenn man die Skalare zunehmend auf die Unterringe $R^q$ einschränkt, dass nur noch gewisse Frobeniuspotenzen erlaubt sind, dass dann ein direkter Summand entsteht. Man kann die Eigenschaft auch so verstehen, dass es zu jedem
\mathbed {r \in R} {}
{r \neq 0} {}
{} {} {} {,}
eine additive Abbildung
\maabbdisp {\varphi} {R} {R
} {}
mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\varphi(r)
}
{ =} {1
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
gibt, die zusätzlich $R^q-R$-linear für ein gewisses
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{q
}
{ = }{p^e
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ist, was bedeutet, dass links über Potenzen und rechts normal operiert wird. Es gilt also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \varphi (f^q g)
}
{ =} { f \varphi(g)
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
für alle
\mathl{f,g \in R}{.} Das nennt man auch $p^{-e}$-linear.
Im Polynomring
\mathl{\Z/(p)[X_1 , \ldots , X_d]}{} erzeugt mit der Ausnahme einer konstanten Einheit ein Polynom $r$ nie einen direkten Summanden. Wenn man aber $q$ größer als den Grad des Polynoms macht, so kann man $r$ als Teil einer $R^q$-Basis von $R$ nehmen.
Dieses Konzept ist eng verwandt mit zwei Begriffen, die mit tight closure zusammenhängen, nämlich $F$-regulär und schwach $F$-regulär. Letzteres bedeutet, dass jedes Ideal $I$ mit seinem tight closure $I^*$ übereinstimmt, und stark $F$-regulär, wenn diese Eigenschaft auch für jede Lokalisierung gilt. Für Gorenstein-Ringe stimmen die drei Konzepte überein, und es wird vermutet, dass dies immer gilt. Beispielsweise sind direkte Summanden von regulären Ringen $F$-regulär. Dazu gehören normale Monoidringe und Invariantenringe.
Der folgende Satz von Aberbach und Leuschke klärt die Beziehung zwischen $F$-Signatur und starker $F$-Regularität.
\inputfakt{Ring/Stark F-regulär/Positive F-Signatur/Fakt}{Satz}{}
{
\faktsituation {}
\faktfolgerung {Ein reduzierter $F$-endlicher lokaler exzellenter Ring $R$ in positiver Charakteristik ist genau dann stark $F$-regulär, wenn die
$F$-\definitionsverweis {Signatur}{}{}
von $R$ positiv ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
Somit liefert die $F$-Signatur nur für eine kleine, aber relevante Klasse von milden Singularitäten ein numerisches Maß. Das unterscheidet sie von der Hilbert-Kunz-Multiplizität, die für alle Ringe ein Singularitätsmaß liefert.
Es sei $R$ eine endlich erzeugte $\Z$-Algebra, also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{R
}
{ =} { \Z[X_1 , \ldots , X_n ]/{\mathfrak a}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{,}
der Charakteristik $0$. Zu jeder Primzahl $p$ erhält man einerseits die Charakteristik $p$ Version des Ringes
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{R_p
}
{ =} { R \otimes_{ \Z } \Z/(p)
}
{ =} { \Z/(p) [X_1 , \ldots , X_n ]/{\mathfrak a}
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{,}
wobei die Erzeuger des Ideals jeweils modulo $p$ zu interpretieren sind
\zusatzklammer {$p$ ist ein Index, nicht die Nenneraufnahme an $p$} {} {.}
Andererseits gibt es die Charakteristik $0$ Version, nämlich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{R_\Q
}
{ =} { R \otimes_{ \Z } \Q
}
{ =} { \Q [X_1 , \ldots , X_n ]/{\mathfrak a}
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
Es liegt also eine Familie
\maabbdisp {} { \operatorname{Spec} { \left( R \right) } } { \operatorname{Spec} { \left( \Z \right) }
} {}
vor und die Fasern sind die Spektra der angegebenen Ringe. Wenn man endlich viele Primzahlen ausschließt, also $\Z$ durch $\Z_f$ ersetzt, so liegt eine flache Familie vor und man erwartet, dass viele Eigenschaften in der Familie konstant sind. Dies ist für viele wichtige Begriffe wie regulär, normal, Cohen-Macaulay richtig. Ein großes Problem ist es aber, diejenigen Konzepte, die auf den Frobenius in den einzelnen Fasern positiver Charakteristik Bezug nehmen, einheitlich zu erfassen und in Charakteristik $0$ zu interpretieren. Das Hauptproblem ist, dass die Frobeniushomomorphismen in jeder einzelnen Charakteristik definiert sind aber keine sinnvolle Familie bilden. Wie verhält sich beispielsweise die $F$-Signatur von $R_p$, wenn die Charakteristik gegen unendlich läuft. Hier gibt es kein allgemeines konzeptionelles Resultat. Die positiven Resulte sind vom Typ, dass wenn eine bestimmte Art von Ringen vorliegt, etwa Monoidringe oder Invariantenringe, dass dann das Ergebnis konstant ist, da es von sonstigen nicht-Frobenius Invarianten des Ringes abhängt.
In dieser Vorlesungsreihe fragen wir uns, ob es ein sinnvolles Konzept in Charakteristik $0$ gibt, dass die Rolle der $F$-Signatur übernehmen kann.
Es gibt im Wesentlichen zwei Ansätze, die $F$-Signatur auf Charakteristik $0$ zu übertragen.
Man kann versuchen, den Ring $R$ über $\Q$
\zusatzklammer {im wesentlichen vom endlichen Typ} {} {}
über $\Z$ zu realisieren und dann die verschiedenen $F$-Signaturen in den Modellen in positiver Charakteristik zu bestimmen und die Primzahl gegen unendlich laufen lassen, also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lim_{p \rightarrow \infty} F-\operatorname{Signatur} (R_p)
}
{ =} {?
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
Die andere Möglichkeit ist, in jeder Charakteristik nach einer Familie
\mathbed {M_n} {}
{n \in \N} {}
{} {} {} {,}
von $R$-Moduln zu suchen und die zugehörigen Quotienten aus freiem Rang und Rang zu studieren. Wenn man sich an denjenigen Moduln orientiert, deren Freiheit die Regularität bzw. Glattheit charakterisieren, so gelangt man dazu, daraus abgeleitete Familien zu studieren, wie
\mathdisp {\operatorname{Sym}^n( \operatorname{Syz}_{d-1} ),\, n \in \N, \text{ oder Tensorprodukte oder die Biduale davon}} { }
\mathdisp {\operatorname{Sym}^n( \operatorname{ \Omega_{R {{|}} K } }),\, n \in \N} { . }
Dieser Ansatz wurde von Brenner/Caminata verfolgt. Ersteres ist auch in gemischter Charakteristik definierbar, im letzteren Fall ist die direkte Summe davon die Tangentialalgebra des Ringes
\zusatzklammer {das Spektrum davon ist das Tangentialbündel. Allerdings gibt es im singulären Fall mehrere Möglichkeiten, dieses zu definieren} {} {.}
In dieser Vorlesungsreihe werden wir Modulfamilien studieren, die von Differentialoperatoren herrühren.
\zwischenueberschrift{Differentialoperatoren auf dem Polynomring}
\inputdefinition
{}
{
Es sei $K$ ein
\definitionsverweis {Körper}{}{.} Zu einem Polynom
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{F
}
{ =} {\sum_{\nu } a_\nu X^\nu
}
{ \in} { K[X_1 , \ldots , X_n]
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
und
\mathbed {i} {}
{1 \leq i \leq n} {}
{} {} {} {,}
heißt das Polynom
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\partial_i F
}
{ \defeq} { { \frac{ \partial F }{ \partial X_i } }
}
{ \defeq} { \sum_\nu \nu_i a_\nu X_1^{\nu_1} \cdots X_{i-1}^{\nu_{i-1} } X_i^{\nu_i -1} X_{i+1}^{\nu_{i+1} } \cdots X_n^{\nu_n}
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
die \definitionswort {formale partielle Ableitung}{} von $F$ nach $X_i$.
}
Es wird also einfach algebraisch gemäß der üblichen Formel abgeleitet. Wenn $\nu_i$ ein Vielfaches der Charakteristik des Körpers ist, so kann diese Ableitung \anfuehrung{überraschenderweise}{} $0$ ergeben. Statt
\mathl{{ \frac{ \partial F }{ \partial_{X_i} } }}{} schreibt man auch kurz
\mathl{\partial_i (F)}{.} Insgesamt handelt es sich um eine $K$-lineare Abbildung
\maabbdisp {\partial_i} { K[X_1 , \ldots , X_n]} { K[X_1 , \ldots , X_n]
} {.}
Es gilt die Produktregel
\zusatzklammer {oder Leibnizregel} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial_i(FG)
}
{ =} { F \partial_i(G) + G \partial_i(F)
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
Diese partiellen Ableitungen kann man miteinander verknüpfen. Hierzu empfiehlt sich Monomschreibweise. Zu einem Tupel
\zusatzklammer {einem Multiindex} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \alpha
}
{ =} { \left( \alpha_1 , \, \ldots , \, \alpha_n \right)
}
{ \in} { \N^n
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
setzen wir
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial^\alpha
}
{ =} { \partial_1^{\alpha_1} \cdots \partial_n^{\alpha_n}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{,}
wobei $\partial_i^{\alpha_i}$ die $\alpha_i$-fache Hintereinanderschaltung von $\partial_i$ bezeichnet. Bei dieser Gesamtkomposition kommt es nicht auf die Reihenfolge an, was hier im algebraischen Kontext einfacher ist als der analytische
Satz von Schwarz.
Die Summe
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { \alpha }
}
{ =} { \alpha_1 + \cdots + \alpha_n
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
nennt man die Ordnung der Hintereinanderschaltung. Zu einem Monom $X^\beta$ ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial^\alpha { \left( X^\beta \right) }
}
{ =} { { \frac{ \beta ! }{ ( \beta- \alpha)! } } X^{\beta - \alpha}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
wobei zu einem Tupel $\gamma$ die Fakultät als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \gamma!
}
{ =} {\gamma_1! \cdots \gamma_n!
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
definiert wird und wobei dieser Ausdruck als $0$ zu verstehen ist, wenn
\mathl{\beta- \alpha}{} in einer Komponente negativ ist. Die Operatoren
\mathl{{ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }}{} bilden $X^\alpha$ auf $1$ ab und sind auch in positiver Charakteristik definiert, allerdings nicht als Hintereinanderschaltung von Derivationen.
\inputdefinition
{}
{
Es sei $K$ ein Körper. Unter einem
\zusatzklammer {formalen} {} {}
\definitionswort {Differentialoperator}{}
auf
\mathl{K[X_1 , \ldots , X_n]}{} versteht man eine endliche Summe
\mathdisp {\sum_\alpha g_\alpha { \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }} { }
mit polynomialen Koeffizientenfunktionen
\mathl{g_\alpha \in K[X_1 , \ldots , X_n]}{,} wobei die Indizes Tupel aus $\N^n$ sind.
}
Die Ordnung eines Operators ist das maximale $\betrag { \alpha }$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{g_\alpha
}
{ \neq }{0
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}
Ein solcher Differentialoperator $E$ ist eine $K$-lineare Abbildung
\maabbeledisp {} { K[X_1 , \ldots , X_n] } { K[X_1 , \ldots , X_n]
} {f} { E(f) = \sum_\alpha g_\alpha \cdot { \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha ! } } (f)
} {.}
Er führt also polynomiale Funktionen auf dem $K^n$ in ebensolche Funktionen über. Im physikalischen Kontext sind die Koeffizientenfunktionen häufig nur stetige Funktionen auf einer offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U
}
{ \subseteq }{ \R^n
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{,}
und da beim Anwenden des Operators der Differenzierbarkeitsgrad heruntergeht, sind die Funktionenräume, die aus hinreichend oft differenzierbaren Funktionen bestehen und die als Definitionsbereich und als Wertebereich auftreten, nicht unbedingt identisch. Die beschriebenen Differentialoperatoren nennt man genauer lineare partielle Differentialoperatoren. Partiell bezieht sich dabei darauf, dass es mehr als eine Variable gibt
\zusatzklammer {sonst spricht man von gewöhnlichen Differentialgleichungen} {} {}
und linear darauf, dass die einzelnen $\partial^\alpha$ nur mit Koeffizientenfunktionen multipliziert werden, aber beispielsweise nicht quadriert werden. Insbesondere ist der Operator als Abbildung $K$-linear. Ein nichtlinearer partieller Differentialoperator ist beispielsweise der Monge-Ampère-Operator
\mathdisp {\partial_1^2 \cdot \partial_2^2 - ( \partial_1 \partial_2)^2} { . }
Hier steht links nicht die Verknüpfung der Operatoren, sondern das Produkt! Die Wirkungsweise auf eine Funktion $f$ ist also
\mathl{\partial_1^2 (f) \cdot \partial_2^2 (f)- ( \partial_1 \partial_2 (f) )^2}{.}
\inputbemerkung
{}
{
Ein Differentialoperator $E$ auf
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{R
}
{ =} {K[X_1 , \ldots , X_n]
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
und ein Polynom
\mathl{g \in K[X_1 , \ldots , X_n]}{} gibt Anlass zur
\zusatzklammer {linearen} {} {}
partiellen Differentialgleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{E (f)
}
{ =} { g
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{,}
wobei nach den Lösungen
\mathl{f \in K[X_1 , \ldots , X_n]}{}
\zusatzklammer {bzw. realistischer im Ring der hinreichend oft differenzierbaren Funktionen auf dem $K^n$, \mathlk{K=\R, {\mathbb C}}{}} {} {}
gesucht wird. Prominente partielle Differentialgleichungen sind die Wärmeleitungsgleichung mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{E
}
{ =} { \partial_t- \partial_x^2
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
\zusatzklammer {in \mathlk{K[t,x]}{}} {} {}
oder die Wellengleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ E
}
{ =} { \partial^2_t - \sum_{j = 1}^n \partial^2_{x_j}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
\zusatzklammer {in \mathlk{K[t,x_1 , \ldots , x_n]}{}} {} {.}
}
\inputbeispiel{}
{
Den Operator
\mathdisp {x_1 \partial_1 + \cdots + x_n \partial_n} { }
nennt man den \stichwort {Homogenitätsoperator} {} oder die \stichwort {Euler-Derivation} {.} Er bildet ein Monom $X^\mu$ auf
\mathl{\betrag { \mu } X^\mu}{} ab. Allgemeiner wird ein homogenes Polynom $f$ von Grad $m$ durch diesen Operator auf $m f$ abgebildet. Die homogenen Polynome vom Grad $m$ sind also die Eigenvektoren zum Eigenwert $m$ zu diesem Operator.
}
\inputbemerkung
{}
{
Die Differentialoperatoren
\mathl{{ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }}{} haben die besondere Eigenschaft, dass sie $X^\alpha$ auf $1$ abbilden. Generell gibt es für jedes Polynom
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f
}
{ \neq }{0
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
einen Operator, der dieses Polynom auf $1$ abbildet. Wenn $f$ die Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{f
}
{ =} { \sum_{\beta= d} c_\beta X^\beta + \sum_{\beta < d} c_\beta X^\beta
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
mit einem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c_\alpha
}
{ \neq }{0
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
vom Grad $d$ für ein bestimmtes $\alpha$, so ist ${ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }$ ein Operator, der $f$ auf $c_\alpha$ abbildet.
}
Wir nennen einen Differentialoperator $E$ unitär, wenn es ein Polynom $f$ mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{E (f)
}
{ =} {u
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
gibt, wobei $u$ eine Einheit ist, wenn also die partielle Differentialgleichung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{E (-)
}
{ = }{u
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
eine Lösung besitzt. Durch Übergang zu
\mathl{u^{-1} E}{} kann man dann die rechte Seite als $1$ ansetzen. Wegen der Existenz der Operatoren
\mathl{{ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }}{} gibt es in einem Polynomring viele unitäre Operatoren. Ein Operator wie
\mathl{X \partial_X}{} ist nicht unitär.
\zwischenueberschrift{Differentialoperatoren auf singulären Räumen}
\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {DoubleCone.png} }
\end{center}
\bildtext {} }
\bildlizenz { DoubleCone.png } {Lars H. Rohwedder} {RokerHRO} {Commons} {PD} {}
Im Weiteren soll es um Differentialoperatoren gehen, die nicht auf
\zusatzklammer {Funktionen auf} {} {}
dem glatten Raum $K^n$ wirken, sondern auf Räumen mit Singularitäten. Als ein typisches Beispiel kann man einen Doppelkegel betrachten, den man als die Nullstellenmenge des Polynoms
\mathl{Z^2-X^2-Y^2}{} betrachten kann. Nennen wir dieses geometrische Objekt $S$, also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{S
}
{ =} { { \left\{ (x,y,z) \in K^3 \mid x^2+y^2 = z^2 \right\} }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
Es hat in der Kegelspitze
\mathl{(0,0,0) \in S}{} eine Singularität. In jedem anderen Punkt ist er glatt, d.h. man kann
\zusatzklammer {bei \mathlk{K=\R}{} oder ${\mathbb C}$} {} {}
den
Satz über implizite Abbildungen
anwenden und erhält, dass außerhalb der Singularität eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit vorliegt. Es gibt also lokal in einer offenen Umgebung $U$ zu einem jeden Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P
}
{ \neq }{ (0,0,0)
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
einen Diffeomorphismus zu einer offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V
}
{ \subseteq }{\R^2
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}
Auf einer solchen offenen Menge wissen wir, was die Differentialoperatoren sind. Mit lokalen Koordinaten
\mathl{s,t}{} für $V$ hat man lokal die partiellen Ableitungen
\mathkor {} {\partial_s} {und} {\partial_t} {}
und somit auch ihre Verknüpfungen und Multiplikation mit Koeffizentenfunktionen zur Verfügung. Über den Diffeomorphismus überträgt sich dies zurück auf $U$. Im algebraischen Kontext ist diese Überlegung etwas komplizierter und arbeitet mit regulären Ringen.
Ein sinnvoller Differentialoperator auf
\zusatzklammer {Funktionen auf} {} {}
$S$ muss jedenfalls auch auf jeder offenen Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U
}
{ \subseteq }{S
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
einen Differentialoperator induzieren, und wenn eine Überdeckung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{U
}
{ =} { \bigcup_{i \in I} U_i
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
mit offenen Mengen vorliegt und auf den $U_i$ jeweils ein Differentialoperator $E_i$ gegeben ist, die miteinander verträglich sind in dem Sinne, dass für die Einschränkungen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ E_i {{|}}_{U_i \cap U_j }
}
{ =} { E_j {{|}}_{U_i \cap U_j }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {}
}
{}{}{}
gilt, so sollte dies von einem Differentialoperator $E$ auf ganz $U$ herrühren. D.h. man erwartet, dass Differentialoperatoren eine Garbe bilden. Diese naheliegenden Bedingungen legen bereits ein eindeutiges Konzept für Differentialoperatoren auf
\mathl{S \setminus \{(0,0,0)\}}{} fest. In der Tat werden diese Operatoren bereits die Operatoren auf ganz $S$ sein
\zusatzklammer {die Singularität ist normal} {} {.}
Achtung: Die partiellen Ableitungen
\mathl{\partial_X,\partial_Y, \partial_Z}{} des umgebenden Raumes $K^3$ ergeben keinen Sinn auf $S$. Das Polynom
\mathl{Z^2-X^2-Y^2}{} ist ja die Nullfunktion auf $S$
\zusatzklammer {$S$ wurde ja als die Nullstellenmenge dieses Polynoms definiert} {} {,}
es ist aber
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \partial_X { \left( Z^2-X^2-Y^2 \right) }
}
{ =} { -2X
}
{ \neq} { 0
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
auf $S$.
Wir geben nun die allgemeine algebraische Definition für einen Differentialoperator für eine beliebige kommutative $K$-Algebra. Im oben erwähnten Beispiel geht es um den Restklassenring
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{R
}
{ = }{ K[X,Y,Z]/ { \left( Z^2-X^2-Y^2 \right) }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}
\inputdefinition
{}
{
Es sei $R$ eine
\definitionsverweis {kommutative}{}{}
$K$-\definitionsverweis {Algebra}{}{.}
Das Konzept eines
\definitionswort {Differentialoperators}{}
wird induktiv definiert, wobei es sich um spezielle
$K$-\definitionsverweis {lineare Abbildungen}{}{}
von $R$ nach $R$ handelt.
\aufzaehlungzwei {Ein Differentialoperator der Ordnung $0$ ist die Multiplikationsabbildung
\maabbeledisp {\mu_f} {R} {R
} {x} {xf
} {,}
zu einem Element
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f
}
{ \in }{ R
}
{ }{}
{ }{}
{ }{}
}
{}{}{.}
} {Ein Differentialoperator $E$ der Ordnung $\leq n$ ist eine lineare Abbildung
\maabb {E} {R} {R
} {}
mit der Eigenschaft, dass für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f
}
{ \in }{ R
}
{ }{}
{ }{}
{ }{}
}
{}{}{}
die Abbildung
\mathdisp {E \circ \mu_f - \mu_f \circ E} { }
ein Differentialoperator der Ordnung
\mathl{\leq n-1}{} ist.
}
}
Wir bemerken, dass dieses Konzept für den Polynomring über einem Körper den durch die
\mathl{{ \frac{ \partial^\alpha }{ \alpha! } }}{} frei erzeugten Modul ergibt. Eine entsprechende Beschreibung gilt für jeden regulären
\zusatzklammer {glatten} {} {}
lokalen Ring.
Man sagt, dass ein Differentialoperator die Ordnung
\zusatzklammer {genau} {} {}
$n$ besitzt, wenn er eine Ordnung $\leq n$, aber nicht $\leq n-1$ besitzt. Differentialoperatoren der Ordnung $1$ sind einfach Derivationen, also $K$-lineare Abbildungen
\maabb {D} {R} {R
} {,}
die die Leibniz-Regel
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{D (fg)
}
{ =} {f D(g)+ gD(f)
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
erfüllen. Diese Regel kann man auch
\zusatzklammer {was zunächst komplizierter aussieht} {} {}
als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{D (fg)
}
{ =} {f D(g)+ gD(f)-fg D(1)
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
schreiben, da eine Derivation die Konstanten auf $0$ abbildet. Diese so formulierte Regel wird auch von den Multiplikationsabbildungen erfüllt, d.h. sie gilt für alle Differentialoperatoren der Ordnung $\leq 1$. Sie besitzt die folgende Verallgemeinerung.
\inputfakt{Differentialoperator/Algebraisch/Induktiv und Produktbedingung/Fakt}{Lemma}{}
{
\faktsituation {Es sei $R$ eine
\definitionsverweis {kommutative}{}{}
$K$-\definitionsverweis {Algebra}{}{}
und sei
\maabb {E} {R} {R
} {}
eine $K$-lineare Abbildung.}
\faktuebergang {Dann sind folgende Aussagen äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {$E$ ist ein
\definitionsverweis {Differentialoperator}{}{}
der Ordnung $\leq n$.
} {Für beliebige Elemente
\mathl{f_0,f_1 , \ldots , f_n \in R}{} gilt
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ E(f_0 \cdots f_n)
}
{ =} { \sum_{s =1}^{n+1} (-1)^{s+1} \sum_{I \subseteq \{0 , \ldots , n\},\, { \# \left( I \right) } = s } \prod_{i \in I} f_i \cdot E { \left( \prod_{i \notin I} f_i \right) }
}
{ =} { \sum_{I \subseteq \{0 , \ldots , n\},\, I \neq \emptyset } (-1)^{ { \# \left( I \right) } +1} \prod_{i \in I} f_i \cdot E { \left( \prod_{i \notin I} f_i \right) }
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}
{}{.}
}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
Wie oben erwähnt induziert ein Differentialoperator auf einem Ring im Allgemeinen keinen Differentialoperator auf einem Restklassenring. Allerdings kann man einfach charakterisieren, welche Differentialoperatoren dies erfüllen. Man beachte, dass es für Derivationen genügt, die Idealbedingung für Idealerzeuger zu überprüfen, dies gilt aber nicht für beliebige Differentialoperatoren.
\inputfakt{Kommutativer Ring/Restklassenring/Differentialoperatoren/Fakt}{Lemma}{}
{
\faktsituation {Es sei $P$ eine kommutative
$K$-\definitionsverweis {Algebra}{}{}
und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathfrak a}
}
{ \subseteq }{ P
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ein
\definitionsverweis {Ideal}{}{}
mit
\definitionsverweis {Restklassenring}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{R
}
{ = }{P/ {\mathfrak a}
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}}
\faktfolgerung {Dann induziert ein
\definitionsverweis {Differentialoperator}{}{}
\maabb {D} {P} {P
} {}
der Ordnung $\leq n$ einen Differentialoperator auf $R$ der Ordnung $\leq n$, wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{D( {\mathfrak a} )
}
{ \subseteq} { {\mathfrak a}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
\zwischenueberschrift{Verknüpfung von Differentialoperatoren}
Das folgende Lemma zeigt, wie die induktive Definition für Differentialoperatoren typischerweise funktioniert.
\inputfaktbeweis
{Differentialoperator/Algebraisch/Verknüpfung/Fakt}
{Lemma}
{}
{
\faktsituation {Es sei $R$ eine
\definitionsverweis {kommutative}{}{}
$K$-\definitionsverweis {Algebra}{}{}
und es sei $D$ ein
\definitionsverweis {Differentialoperator}{}{}
der Ordnung $\leq m$ und $E$ ein Differentialoperator der Ordnung $\leq n$.}
\faktfolgerung {Dann ist die Hintereinanderschaltung
\mathl{E \circ D}{} ein Differentialoperator der Ordnung
\mathl{\leq m+n}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Wir führen Induktion über $m+n$. Bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m
}
{ = }{n
}
{ = }{ 0
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ist die Verknüpfung einfach
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu_g \circ \mu_h
}
{ = }{ \mu_{gh}
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{.}
Im Allgemeinen schreiben wir
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ \mu_f \circ E \circ D - E \circ D \circ \mu_f
}
{ =} { \mu_f \circ E \circ D - E \circ \mu_f \circ D + E \circ \mu_f \circ D - E \circ D \circ \mu_f
}
{ =} { { \left( \mu_f \circ E - E \circ \mu_f \right) } \circ D + E \circ { \left( \mu_f \circ D - D \circ \mu_f \right) }
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}
{}{}
und die Aussage folgt aus der Induktionsvoraussetzung und der induktiven Definition.
Insbesondere ist die Verknüpfung von $n$ Derivationen ein Differentialoperator der Ordnung $n$. Es muss aber keineswegs jeder Operator der Ordnung $n$ ein Verknüpfung von $n$ Derivationen sein.
\inputdefinition
{}
{
Zu einer
\definitionsverweis {kommutativen}{}{}
$K$-\definitionsverweis {Algebra}{}{}
$R$ bezeichnet man die Menge aller $K$-Differentialoperatoren auf $R$ mit der Verknüpfung als Multiplikation als
\definitionswort {Ring der Differentialoperatoren}{.}
Er wird mit
\mathl{D_K(R,R)}{} bezeichnet.
}
Nach
Fakt
ist $D(R,R)$ ein Unterring des Endomorphismenringes
\mathl{\operatorname{End}_{ } { \left( R \right) }}{.}
Die Identität, also die Multiplikation mit $1$, ist das neutrale Element dieses Ringes. Einfache Beispiele zeigen, dass dieser Ring nicht kommutativ ist.
Es ist im Allgemeinen schwierig, sich einen Überblick über alle Differentialoperatoren einer $K$-Algebra $R$ zu verschaffen. Wir werden uns im Rahmen dieser Vorlesungen auf die folgenden Fragen konzentrieren. \aufzaehlungdrei{Wie kann man für Monoidringe die Differentialoperatoren beschreiben? }{Wie kann man Differentialoperatoren algorithmisch beschreiben? }{Kann man über die Anzahl von unitären Differentialoperatoren eine sinnvolle Aussage machen und mit ihnen eine Singularität quantitativ erfassen? }