Gleichungen/Eine Variable/Einführung/Textabschnitt

Unter einer Gleichung in einer Variablen (oder Unbekannten oder Unbestimmten) versteht man einen Ausdruck der Form

wobei sowohl als auch mathematische Ausdrücke (Terme) bezeichnen, in denen in einer mehr oder weniger komplexen Form vorkommt (als Extremfall erlauben wir die Situation, wo nicht explizit von abhängt). In einer solchen Situation besteht die Aufgabe darin, die Lösungen oder die Lösung für zu finden, also diejenigen Zahlen (aus einem vorgegebenen Zahlenbereich) zu finden, die die Gleichung erfüllen, die also die Eigenschaft besitzen, dass, wenn man links und rechts die Unbestimmte durch die Zahl ersetzt, in der Tat links und rechts das gleiche steht, oder aber festzustellen, dass die Gleichung keine Lösung hat. Typische Beispiele sind , , , , . Wenn man von Gleichungen in einer Variablen (von einer bestimmten Bauart) allgemein spricht, so ist es oft sinnvoll, für die umgebenden Daten, die die Gleichung konstituieren, selbst wieder Buchstaben zu verwenden. Diese sind zwar auch variabel, sie sind aber keine Variablen (der Gleichung), sondern Parameter, die man sich als konkret fixiert denken sollte. Eine solche Gleichung heißt auch eine Gleichungsform, erst durch die wirkliche Fixierung der Parameter als Zahlen entsteht eine echte Gleichung. Beispielsweise ist eine additive Gleichung eine Gleichung der Form

und eine lineare Gleichung ist eine Gleichung der Form . Eine normierte quadratische Gleichung hat die Form . Hier sind (bzw. ) Parameter, die die Gleichung festlegen, wofür dann die Lösung gesucht wird.

Wir sagen, dass zwei Gleichungen lösungsäquivalent (oder lösungsgleich) sind, wenn sie sich auf die gleiche Variablenmenge beziehen und ihre Lösungsmengen übereinstimmen.

Wenn eine Gleichung der Form

vorliegt, wobei ein Term ist, in dem die Variable nicht vorkommt, so sagt man, dass in der Gleichung isoliert (oder aufgelöst) vorliegt. Hierbei kann eventuell ein komplizierter Ausdruck sein, und so besteht die Aufgabe im Allgemeinen darin, den Ausdruck zu vereinfachen. Wenn beispielsweise

vorliegt, so führt dies auf die vereinfachte und nicht weiter zu vereinfachende Gleichung

die man dann als Lösung betrachtet. Grundsätzlich versteht man unter der Lösung (im Sinne von die Lösung finden) einer Gleichung in einer Variablen die Isolierung der Variablen auf einer Seite und die Vereinfachung der anderen Seite.


Eine Gleichung der Form

mit Ausdrücken und , in denen die Variable vorkommt, ist lösungsäquivalent zur Gleichung

Für diese Umformung braucht man die negativen Zahlen. Grundsätzlich, und das heißt bei theoretischen Überlegungen, kann man sich auf Gleichungen der Form

mit einem Ausdruck in der Variablen beschränken. Allerdings muss diese Umstellung nicht unbedingt eine Vereinfachung sein.



Es sei ein Dedekind-Peano-Modell der natürlichen Zahlen, d.h. man hat nur die Nachfolgerabbildung mit ihren charakteristischen Eigenschaften zur Verfügung. Damit kann man für jedes feste die Nachfolgergleichung

formulieren. Dies ist eine Bedingungsgleichung, man sucht nach derjenigen Zahl , dessen Nachfolger die Zahl ist. Bei besitzt diese Gleichung eine eindeutige Lösung, nämlich den Vorgänger von , der aufgrund der Injektivität der Nachfolgerabbildung und dem Induktionsaxiom eindeutig bestimmt ist (siehe Aufgabe). Hingegen besitzt die Gleichung

keine Lösung, da die kein Nachfolger einer natürlichen Zahl ist.



Wir arbeiten über den natürlichen Zahlen und betrachten die Gleichung

mit der Unbestimmten . Gesucht ist also nach derjenigen Zahl, die zu hinzuaddiert die Zahl ergibt. Diese Gleichung besitzt die einzige Lösung

Dies sind zwei Aussagen! Einerseits wird behauptet, dass eine Lösung ist und andererseits, dass es außer der keine weitere Lösung gibt. Das Erste kann man einfach durch Einsetzen und Nachrechnen überprüfen, es ist ja in der Tat

Dass es keine weitere Lösung gibt, ergibt sich einfach aus der Abziehregel. Wenn eine weitere Lösung der Gleichung ist, so liegt die Gleichungskette

vor, die Abziehregel sichert dann

Dieses Argument kann man auch dann durchführen, wenn man die eine Lösung noch gar nicht kennt: Aus der Gleichung

folgt eben

Betrachten wir allgemein eine Gleichung (eine additive Gleichung oder Additionsgleichung) der Form

mit fixierten natürlichen Zahlen . Zwar sind hier ebenso wie Buchstaben, die für natürliche Zahlen stehen, doch ist die Funktion jeweils eine andere. Die Zahlen stellen jeweils fixierte natürliche Zahlen dar, die somit die Gleichung (als Parameter) festlegen, für die dann die zu bestimmende Unbekannte ist. Wenn also vorliegt, so denke man nicht an die Menge aller Dreiertupel derart, dass die Gleichheit vorliegt (was ebenfalls eine sinnvolle mathematische Aufgabe ist), sondern an eine Gleichung in , die durch die Zahlen als Parameter bestimmt ist.

Das Lösungsverhalten über einer Gleichung der Form

hängt vom Größenverhältnis zwischen und ab. Bei gibt es keine Lösung, da wegen

die linke Seite stets (für jedes ) größer als die rechte Seite ist.

Bei hingegen gibt es wie im zuerst genannten Beispiel genau eine Lösung. Die Voraussetzung

bedeutet ja, dass man von aus durch sukzessives Nachfolgerbilden zu gelangt. Diese Definition ist nach Fakt äquivalent dazu, dass es überhaupt ein mit gibt. Die eindeutige Lösung ist dann gerade diejenige Zahl, die angibt, wie oft man den Nachfolger von nehmen muss, um zu zu gelangen. Also ist die Differenz

die eindeutig bestimmte Lösung der Gleichung

bei .


Spezifische Bezeichnungen für spezielle Gleichungen orientieren sich an den in der Gleichung vorkommenden mathematischen Strukturen, nicht am Lösungsverfahren. Eine quadratische Gleichung

heißt quadratische Gleichung, weil in ihr der komplizierteste Ausdruck das Quadrat ist. Sie heißen nicht „Quadratwurzelgleichungen“, obwohl zur Bestimmung ihrer Lösung Quadratwurzeln gezogen werden. Entsprechend nennen wir

eine Additionsgleichung, obwohl man die Lösung durch Subtraktion findet, und

eine Nachfolgergleichung, obwohl die Lösung der Vorgänger von ist.