Implizite Abbildung/Faser/Motivation/Einführung/Textabschnitt
Die Faser zu einem Punkt ist also einfach das Urbild von . Zu einem Punkt nennt man die Faser über auch die Faser durch . Bei sagt man statt Fasern auch Niveaumengen oder, insbesondere bei , auch Höhenlinien. In meteorologischen Kontexten spricht man von Isothermen oder von Isobaren.
Wir betrachten die Funktion
Da diese nur nichtnegative Werte annimmt, sind die Fasern zu leer. Die Faser zum Wert besteht aus dem einzigen Punkt . Die Faser zu einem positiven Wert ist
das ist der Kreis mit dem Radius . Zu jedem Punkt ist die Faser (oder die Niveaumenge) durch diesen Punkt also ein Kreis . Eine hinreichend kleine offene Ballumgebung von enthält nur einen Teil des Kreisbogens, der homöomorph zu einem offenen Intervall ist. Die differenzierbare Abbildung
(mit geeignet gewählten Intervallgrenzen) induziert dabei eine Homöomorphie zwischen und dem Kreisbogenausschnitt .
Es sei , , eine Funktion in einer Variablen. Dazu kann man die Funktion in zwei Variablen,
betrachten. Die Fasern von über sind durch
charakterisiert. D.h. die Faser über ist einfach der Graph der durch definierten Funktion. Alle Fasern gehen durch eine Verschiebung ineinander über, sie sind parallel zueinander. Die Punkte einer jeden Faser stehen in Bijektion mit der -Achse, indem nämlich auf abgebildet wird.
Der Satz über implizite Abbildungen wird zeigen, dass unter gewissen Differenzierbarkeitsvoraussetzungen die Fasern einer Abbildung sich lokal als Graphen von Abbildungen realisieren lassen.
Eine Abbildung mit
führt unmittelbar zu einem Gleichungssystem
Die Lösungsmenge eines solchen Gleichungssystems ist gerade die Faser über . Man kann sich fragen, wie zu gegebenem die Lösungsmenge aussieht, welche Struktur sie hat und wie sie sich mit verändert. Das „grobe Muster“ zeigt sich schon deutlich bei einem linearen Gleichungssystem in Variablen und Gleichungen. Dort sind bei
und wenn die Gleichungen linear unabhängig sind, die Lösungsmengen -dimensionale affine Untervektorräume des . Insbesondere sind alle Lösungsmengen gleich und besitzen die gleiche Dimension.
Das Bestimmen der Lösungsmengen ist im Allgemeinen sehr viel schwieriger als im linearen Fall und auch gar nicht effektiv durchführbar. Dennoch vermittelt die lineare Approximation durch das totale Differential den richtigen Ansatz für das Studium allgemeiner Fasern. Eine reichhaltige Strukturaussage über die Gestalt der Faser in einem Punkt ist nur dann zu erwarten, wenn das totale Differential in surjektiv ist. In diesem Fall ist der Kern des totalen Differentials, also die Lösungsmenge des durch diese lineare Abbildung gegebenen linearen Gleichungssystems, tangential an die Faser durch , und man kann auf hinreichend kleinen offenen Mengen eine Bijektion zwischen dem Kern und der Faser stiften.
- ↑ Dass man solche singulären Punkte in der Natur nur selten antrifft, liegt daran, dass das Höhenprofil der Erde nur endlich viele kritische Punkte und damit nur endlich viele Gipfel und Sattelpunkte besitzt. Es ist daher unwahrscheinlich, dass der Meeresspiegel genau auf der Höhe eines solchen kritischen Punktes liegt. Wenn man aber Ebbe und Flut betrachtet, so werden solche Punkte immer wieder durchlaufen.