Kontrastive Syntax Deutsch-Englisch: Syntaktische Grundlagen

Überblick

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Die syntaktische Analyse in diesem Kurs benutzt eine Version der Generativen Transformationsgrammatik im Gefolge Noam Chomskys. Dieses Grammatikmodell wird klassischerweise so beschrieben, dass es zwei Komponenten aufweist. Die erste ist die Komponente der Phrasenstruktur: durch Zusammenfügen (merge) von Wörtern und größeren Einheiten entstehen Konstituenten, die, ebenso wie die Wörter, die den Ausgangspunkt bildeten, ein Kategoriemerkmal tragen. Eine zweite Komponente sind Transformationen: Dies sind Operationen, durch die bestehende Phrasenstrukturen abgewandelt werden, Transformationen führen demnach zu Ergebnissen, die nicht direkt durch Regeln des Phrasenaufbaus hergestellt werden können. Die bei weitem wichtigste Art von Transformation ist die syntaktische Bewegung. (In neueren Theorievarianten werden Phrasenaufbau und Bewegung allerdings mithilfe derselben Grundprinzipien formuliert).

Wortarten

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Die Wortart (lexikalische Kategorie) ist ein festliegendes Merkmal eines Wortes, das in der Syntax auf größere Einheiten weitervererbt wird (siehe nächster Abschnitt). Wir verwenden folgende Kategoriemerkmale:

  • N (Nomen, Substantiv)
  • V (Verb),
  • A (Adjektiv), schließt auch solche Adjektive ein, die in adverbieller Funktion gebraucht werden. Es ist strittig, ob englische Ableitungen wie beautifully weiterhin der Wortart A angehören, oder in eine eigene Wortart Adverb überwechseln.
  • P (Prä-/Postposition), im Deutschen existieren nachgestellte Wörter dieser Kategorie.
  • Adv (Adverb), für eine Restklasse von unflektierbaren Wörtern, die nirgendwo anders eingeordnet werden können, z.B. dt. vielleicht, glücklicherweise, egal, anders.

Diese Wörter bilden sogenannte lexikalische Kategorien (Inhaltswörter), wobei der Status von P in dieser Hinsicht nicht einheitlich ist.

Zusätzlich wird eine Anzahl funktionaler Kategorien angesetzt (grammatische Funktionswörter):

In der generativen Syntax werden diese Merkmale, vor allem die funktionalen Kategorien, auch in Form von „leeren Kategorien" benutzt, d.h. sie sind als Positionen in der Struktur anwesend, auch wenn es kein Wort gibt, das die Merkmale sichtbar ausdrückt. Zum Beispiel kann der Artikel beim indefiniten Plural durch ein leeres D ausgedrückt werden:

  • alte Bäume = D-- [ Aalte NBäume ]

(andere Sprachen, z.B. Französisch, haben hingegen einen Artikel für diese Form).

Strukturaufbau

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Projektion eines Kategoriemerkmals

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Wenn ein Wort mit einer anderen syntaktischen Einheit kombiniert wird, z.B. Nomen mit Adjektiv, erhält die entstehende größere Einheit ein Kategoriemerkmal, das von einem der beiden Beteiligten abstammt, d.h. bei der Kombination eines N mit einem Adjektiv dehnt sich die nominale Eigenschaft auf die gesamte entstehende Einheit aus, sie verhält sich als ganze wie „N“. Da sich folglich die Kategorie des andern nicht weiter ausgedehnt hat, erklärt man die andere Seite für „abgeschlossen“, diese Abgeschlossenheit wird mit der Bezeichnung „Phrase“ ausgedrückt. Der Teil, der sein Merkmal weitergibt, ist der „Kopf“ des Ganzen. Wenn am Anfang des Phrasenaufbaus ein Einzelwort X als Kopf in die Syntax kommt, kann es mit „X° “ markiert werden. Eine syntaktische Einheit, die nicht elementar (wie X°) ist, sondern erweitert, aber auch noch keine abgeschlossene Phrase (XP) ist, wird als X‘ („X-Strich“ oder „X-bar“) markiert. Dies gilt für alle Kategorien X = A, N, D, C, ...etc... .

Beispiele:

     N‘
   /   \
 AP      N°        (AP, weil A nicht weitergegeben wird)
alter  Hund
  D‘
 /  \
D    NP             (NP, weil N nicht weitergegeben wird)
ein [alter Hund]

Für die Behandlung der Kombination Nomen + Artikel kursieren zwei Varianten. Wir verwenden die Analyse, dass D der Kopf ist, die gesamte Konstruktion erbt das Merkmal „definit / indefinit“ vom Artikel.

              V‘            (V weitergegeben, D abgeschlossen)
            /    \
          DP       V
[ein alter Hund]   bellt
     C‘            (C weitergegeben, V abgeschlossen)
   /    \
 C        VP
dass   [ein alter Hund bellt]

In der klassischen „X-bar-Theorie“ gibt es Regeln, wie die Position von Argumenten und Adjunkten in der Notation auseinandergehalten wird. Ein solches System wird in Poole (2011) benutzt, seine Bäume sind also stets etwas größer als unsere. Wir benutzen im Kurs ein einfacheres System: Eine Projektion eines Merkmals X in einer Verbindung wird als X‘ geschrieben, falls anschließend noch mehr Zusätze zu X dazukommen; oder sie wird gleich als XP geschrieben, wenn wir sehen, dass nichts mehr dazukommt. Die Verbindung „dass ein alter Hund bellt“ ist oben vorsichtshalber als C‘ etikettiert worden, man darf aber sofort zu CP übergehen, wenn keine Zusätze mehr dazukommen. In solchen Beispielen ergibt sich also: CP = C+VP. (Vergleichen Sie z.B. Poole, Kapitel 9, S. 267: Dort gibt es eine VP, die in einem separaten Schritt aus V’ ohne weitere Zusätze entsteht. Diese „leere Projektion“ ist es, was unser System vermeidet. Der Grund für Poole ist, dass man sehen soll, dass die DP „Bill“ ein Komplement des Verbs ist (da es ein Argument ist). Siehe die Erläuterungen im nächsten Abschnitt).

Argumente und Adjunkte

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In der klassischen X-bar-Theorie wird zwischen Komplementen und Adjunkten unterschieden. Ein Komplement ist definiert als eine Phrase, die zu einem Kopf X° hinzutritt, und eine Projektionsstufe X’ erzeugt. Typischerweise wird das erste Argument eines Kopfes als Komplement realisiert.

Ein Adjunkt ist definiert als eine Einheit, die zu einer beliebigen Projektion hinzutritt und die Projektionsstufe unverändert lässt. Dieser Adjunktionsprozess wirkt auf den ersten Blick seltsam, die Beispiele sehen so aus:

  • Adjunktion an einen Kopf: ADJUNKT + X° ergibt X°
  • Adjunktion an eine Phrase: ADJUNKT + XP ergibt XP
  • Adjunktion an eine Zwischenprojektion: ADJUNKT + X’ ergibt X’

Einige vorläufige Erläuterungen hierzu:

  • Adjunktion an einen Kopf ist möglicherweise nur für Köpfe erlaubt. Es ist also ein Prozess, der zusammengesetzte Wörter in der Syntax bildet. Wir werden später sehen, dass ein solches Verfahren für das zusammengesetzte Prädikat des Deutschen brauchbar ist, ebenso für die Bewegung von Köpfen.
  • Adjunktion an eine Phrase ist im Hinblick auf den Inhalt des vorigen Abschnitts scheinbar in sich widersprüchlich. Warum kann XP schon als Phrase bezeichnet werden, wenn bei der Hinzufügung des Adjunktes nocheinmal das Kategoriemerkmal X weitergegeben wird? Die Idee ist, dass es Fälle geben kann, wo ein Element (das Adjunkt) nicht richtig in eine Phrase eingeschlossen ist, sondern gewissermaßen nur „außen dranhängt“. Die beiden Vorkommen von „XP“ sollen eigentlich als zwei „Segmente“ desselben XP-Knotens aufgefasst werden, so dass eigentlich gar nicht weiterprojiziert wurde. Dieser Trick heißt nach seinem Erfinder auch „Chomsky-Adjunktion“. — Wir werden so einen Prozess im Kurs vielleicht gar nicht verwenden müssen, es könnte in der Literatur aber vorkommen.
  • Adjunktion an eine Zwischenstufe X’ ist in unserem vereinfachten System nicht gesondert erkennbar; das ist gerade eine der Vereinfachungen. Der Abschluss einer Phrase wird laut vorigem Abschnitt nur dadurch bewirkt, dass sich außen ein anderes Kategoriemerkmal bei der Projektion durchsetzt. Solange dies nicht geschieht, werden alle Zusätze zu einem Kopf der Reihe nach an eine unabgeschlossene Projektion X’ angefügt, egal was es ist. In der deutschen Verbalphrase wäre ein restriktiveres System kaum durchzuhalten. Wir bauen also ein Verb und ein Adverbial (Modifikator, klassisch: ein Adjunkt) genauso ein wie ein Argument (klassisch: ein Komplement bzw. Spezifikator (s.u.):
                     V‘
                    / \
                 AP    V
(...den Hund)  laut herbeirufen
                        V‘
                       / \
                    DP    V
(..vielleicht) [den Hund] herbeirufen

Im zweiten Beispiel wird das Objekt den Hund als erstes mit dem Verb kombiniert, es entsteht hier also erstmals ein V’. Dies ist die Konstellation, die klassisch als Komplement definiert wird. Im ersten Beispiel wird das Adverbial laut jedoch schon auf dieselbe Weise eingebaut. Da in der deutschen Verbalphrase mehrere Objekte mit mehreren Adverbialen in verschiedenen Reihenfolgen vorkommen können, erscheint ein restriktiveres System nicht durchhaltbar (ohne sehr aufwendige Zusatzannahmen). Im ersten Beispiel muss das direkte Objekt dann mit V’ kombiniert werden, es entsteht dann erneut V’. Formal entspricht dies der Konstellation, die als Adjunktion an V’ bezeichnet wird. In der klassischen Theorie sollten Argumente jedoch niemals in einer Adjunktposition erzeugt werden. Dies sorgt allerdings für eine Platzknappheit in der VP. Ein Problem entsteht bereits, wenn das Verb mehr als ein Objekt hat, auch dann müssen Objekte außerhalb der Komplementposition eingebaut werden. In der klassischen Theorie gab es für Verben mit zwei Objekten keine befriedigende Lösung, diese konnte erst mit der Erfindung der „VP-Schalen“ geschaffen werden. Da für das Deutsche jedoch keine Schalen-Analyse der VP in Frage kommt (siehe Kapitel Verb und Objekte), geben wir den klassischen Komplementbegriff jedenfalls für die deutsche VP auf; erlauben also die Kombination von Argumenten mit V’ (und ebenso dann die von Modifikatoren mit V°).

Unstreitig ist aber, dass funktionale Kategorien, besonders C, eine begrenztere Kombinationsfähigkeit haben, und dass sich bei diesen ein Komplement in der Regel eindeutig festlegen lässt. Das deutsche C verbindet sich (nach unserer Analyse (ebenso Haider 2010, Sternefeld 2008) des deutschen Satzes, s.u.) nur mit einer VP zur Rechten, sowie in gewissen Fällen mit einer weiteren Phrase links davon (Spezifikator), ohne dass es sonst Adjunkte geben könnte. Auch die englische VP ist wie gesagt restriktiver und hat nur Platz für ein Argument rechts vom Verb.

Bewegungstransformationen

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Syntaktische Bewegung wird in neueren Varianten der generativen Grammatik als ein Prozess dargestellt, bei dem ebenfalls eine Phrasenstruktur erweitert wird, jedoch unter Benutzung von Material, das schon einmal verwendet wurde. Die nachfolgende Darstellung spricht also davon, dass beim Bewegen eine „Kopie“ von bereits im Baum vorhandenen Material angefertigt wird, diese wird mit dem bisherigen Baum kombiniert, und die Vorlage der Kopie an der ursprünglichen Position wird gelöscht und durch eine Spur ersetzt. Eine Spur ist hierbei eine nicht sichtbare bzw. phonetisch leere Einheit, die mit der Einheit an der neu hinzugefügten Stelle einen Index teilt. Anscheinend verlaufen Bewegungsprozesse normalerweise so, dass der ursprüngliche Baum nach „links oben“ erweitert wird, also durch Anhängen vor die Ausgangsstruktur. Daraus ergibt sich dass Bewegung nur in eine höhere Position führt. Die einzige mögliche Ausnahme zur Bewegungsrichtung nach links ist die Extraposition, also die Versetzung von Satzteilen ins Nachfeld. Es ist strittig, ob dies auch eine Bewegung ist.

Verb-Voranstellung als Bewegung eines Kopfes

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Die Bewegungsanalyse bewährt sich sehr gut bei der Voranstellung des Verbs im deutschen Hauptsatz: Dort wird immer nur das Finitum vorangestellt, alle anderen Prädikatsteile verbleiben am Satzende (in der  „rechten Klammer“ des Feldermodells). Hier wird also ein Kopf (V°) bewegt. Seine Grundposition ist am Satzende, die vorangestellte Position ist die, die durch Bewegung abgeleitet wird. Nachfolgend wird die Ableitung des Fragesatzes Schläft die Katze? aus einer VP mit Verb-Endstellung gezeigt.

  • Ausgangsstruktur des Fragesatzes: Linke Klammer = C° + VP. C° wird als leerer Knoten erzeugt, dies wird die Landeposition der Bewegung:
C°  +  VP[  DP[die Katze]   schläft ]
  • Eine Kopie des V° wird an der Stelle C° eingesetzt (die Einzelheiten dieses Prozesses sollen hier vernachlässigt werden[1]):
C°+schläft     +    VP[DP[die Katze]  schläft ]
  • Die kopierte Stelle wird durch eine Spur „t“ ersetzt, die mit der vorne angehängten Einheit einen gemeinsamen Index „i“ hat:
C°+[schläft]i     +    VP[DP[die Katze]  V:ti ]

Hierdurch bleibt die ursprüngliche VP erhalten; die Spur zählt als die Stelle, an der Ergänzungen selegiert und regiert werden.

  • Als Endergebnis sieht man eine CP, deren Kopf durch Bewegung gefüllt wurde:
CP[ C°+[schläft]i    VP[DP[die Katze]  V:ti ] ]

Eine weitere Anwendung dieses Verfahrens ist z.B. die Bildung von „VP-Schalen“ im Englischen.


Vorfeldbesetzung als Bewegung einer Phrase

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Der Aussagesatz des Deutschen unterscheidet sich von der Ja-Nein-Frage durch die zusätzliche Besetzung des Vorfeldes. Hierzu kann die soeben erzeugte Struktur als Ausgangsmaterial genommen werden, allerdings soll die Bewegung in einen Bereich gehen, der noch vom Kopf C° regiert wird, den Spezifikator von C. Wir benötigen also eine nicht abgeschlossene C-Projektion. Ferner soll das Beispiel mit einem Adverb angereichert werden, damit das Mittelfeld nicht völlig leer bleibt:

C’[ C°+[schläft]i    VP[DP[die Katze]  AdvPschon  V:ti ] ]
  • Nun wird eine Kopie der zu bewegenden Einheit „die Katze“ angefertigt, und links an die bestehende Struktur angefügt:
DP[die Katze]    +   C’[ C°+[schläft]i    VP[DP[die Katze]  AdvPschon  V:ti ] ]
  • Einsetzung und Indizierung der Spur:
DP[die Katze]k    +   C’[ C°+[schläft]i    VP[DP:tk  AdvPschon  V:ti ] ]
  • Ergebnis mit der Projektion der neu geschaffenen Einheit CP (VP fett zwecks besserer Erkennbarkeit):
CP[[die Katze]k   C’[ C°+[schläft]i    VP[DP:tk  AdvPschon  V:ti] ] ]

Bewegung mit Adjunktion

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Adjunktionsstrukturen, die wie oben dargestellt, nicht ganz außerhalb einer Phrase sind, können auch durch Bewegung gebildet werden. Dies ist die Möglichkeit, die bleibt, wenn eine Phrase links an eine Einheit angefügt wird, ohne dass diese von einem Kopf eingeleitet wird (wie es das C° im vorigen Beispiel war). Das Scrambling im deutschen Mittelfeld wird meist als eine solche VP-Adjunktion durch Bewegung analysiert. Hierbei wird also eine Kopie z.B. eines Objekts vor die vorhandene VP gesetzt, das Gesamtergebnis wird dann gemäß der Adjunktionsregel als ein neues Segment derselben VP etikettiert. Schematisch:

VP[ DP[das Subjekt]   DP[dem Objekt ]  nachfolgt ]
  • Bewegung der Phrase „dem Objekt“:
DP[dem Objekt]i   +   VP[DP[das Subjekt]   t:DPi   nachfolgt ]
  • Adjunktionsstruktur projizieren:
(dass...) VP[ DP[dem Objekt]i   VP[ [DP[das Subjekt]   t:DPi   nachfolgt ]]

Anmerkungen

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  1. Für eine genauere Darstellung vgl. Sternefeld (2008), Kap. IV.2.5 (S. 493ff.) und IV.2.9.3 (S. 502ff.)

Literaturangaben

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  • Haider, Hubert (2010): The Syntax of German. Cambridge University Press.
  • Poole, Geoffrey (2011): Syntactic Theory. 2nd edition. Basingstoke: Palgrave Macmillan.
  • Sternefeld, Wolfgang (2008): Syntax. Eine morphologisch motivierte generative Beschreibung des Deutschen. 3. Auflage. Tübingen: Stauffenburg (2 Bände).

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