Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2008)/Vorlesung 8b
Wir gehen nun zum allgemeinen Fall über, wo der Koppelungsabstand nicht ist. Das mechanische System wird dann durch den Schnitt von zwei Zylindern mit unterschiedlichen Radien beschrieben. Aus den beiden Gleichungen kann man einfach eliminieren und erhält die Gleichung
Wir setzen und .
Für einen Punkt der Koppelungsstange sind die Koordinaten gleich
Wir wollen die Trajektorie zu diesem Punkt des mechanischen System berechnen. Bei ist das einfach die Gerade, sodass wir im Folgenden annehmen. Wir ersetzen
in der ersten und der eliminierten Gleichung und erhalten
bzw.
Es liegen also zwei quadratische Gleichungen für über vor. Mittels Fakt4.6 kann man daraus eine Gleichung für und errechnen, und zwar ergibt sich
Das ist eine eben algebraische Kurve vom Grad vier, eine ziemlich hässliche Gleichung.
Als Bahnen betrachten wir jetzt zwei Kreise, wobei wir uns auf gleichen Radius beschränken, den wir zu normieren. Durch verschieben können wir annehmen, dass und die Mittelpunkte der beiden Kreise sind. Die Länge der Koppelungsstange sei wieder , sodass die drei algebraischen Gleichungen
das mechanische System beschreiben. Wir interessieren uns für die Trajektorie des Mittelpunktes der Stange. Dessen Koordinaten sind gegeben durch
Wir drücken das System in den Variablen aus, ersetzen und erhalten
- .
In der Gleichung (3) kommt nicht vor, und aus den Gleichungen (1) und (2) wollen wir eliminieren.
Wann sind für zwei gegebene algebraische Kurven und die Trajektorien des zugehörigen mechanischen Systems beschränkt? Dies ist nicht immer der Fall. So sind beispielsweise für zwei parallele Geraden die Trajektorien ebenfalls parallele Geraden (wenn der Stangenpunktabstand (Koppelungsabstand) mindestens so groß ist wie der Parallelabstand). Aber auch für kompliziertere Syteme gibt es unbeschränkte Trajektorien, wie das folgende Beispiel zeigt.
Die Zissoide des Diokles ist durch die Gleichung
gegeben. Sie hat für reelles keine reelle Lösung, da dann die rechte Seite negativ ist und keine Quadratwurzel besitzt. Sie hat auch für reelles keine reelle Lösung, da dann die rechte Seite positiv, aber der Koeffizient ist, sodass es wieder keine reelle Lösung gibt. Für ist die einzige Lösung, und für , gibt es genau zwei Lösungen in , die beide reelle sind.
Wir betrachten nun die Zissoide zusammen mit der durch definierten Geraden (im Bild grau) und das zugehörige mechanische Koppelungssystem mit Koppelungsabstand . Die Kurven und sind also die beiden Bahnen des mechanischen Stangensystems. Zu jeder reellen Zahlen gibt es stets Punkte mit , , mit und . Daher gibt es unbeschränkte Trajektorien. Die Gerade selbst ist eine unbeschränkte (Koppelungspunkt-)Trajektorie für einen Koppelungsabstand ( ist nicht die exakte Grenze; für kleinen Koppelungsabstand ist ein beschränkter Ausschnitt um nicht der Teil der Trajektorie) und die Zissoide ist eine (Koppelungspunkt-)Trajektorie, wenn der Koppelungsabstand ist (andernfalls ist ein beschränkter Teilbereich um den Nullpunkt nicht Teil der Trajektorie).
Zwei ebene, affine, reell-algebraische Kurven heißen asymptotisch koppelungsfrei, wenn es zu jedem ein derart gibt, dass für alle Punkte und mit gilt: .
Zwei Kurven sind insbesondere asymptotisch koppelungsfrei, wenn eine davon beschränkt ist. Aber auch zwei nicht parallele Geraden sind asymptotisch koppelungsfrei.
Es seien zwei ebene affine reell-algebraischen Kurven, die asymptotisch koppelungsfrei seien. Dann ist jede Trajektorie des zugehörigen mechanischen Koppelungssystems beschränkt.
Es sei der Koppelungsabstand des zugehörigen mechanischen Systems und sei ein Punkt der bewegten Stange (oder Ebene), dessen Trajektorie wir untersuchen. Es sei das Maximum der Abstände von zu den beiden Koppelungspunkten. Zu gibt es aufgrund der Definition von asymptotisch koppelungsfrei ein derart, dass es außerhalb der Ballumgebung kein Punktepaar gibt mit Abstand . Bei jeder erlaubten Konfiguration des mechanischen System muss also mindestens ein Koppelungspunkt innerhalb der Ballumgebung liegen, sagen wir . Dann gilt für den zugehörigen Bildpunkt von zu dieser Konfiguration die Abschätzung
D.h. also alle Trajektorienpunkte liegen in einer beschränkten Umgebung.