Kurs:Analysis (Osnabrück 2013-2015)/Teil I/Vorlesung 2/kontrolle



Abbildungen

Es seien und Mengen. Eine Abbildung von nach ist dadurch gegeben, dass jedem Element der Menge genau ein Element der Menge zugeordnet wird. Das zu eindeutig bestimmte Element wird mit bezeichnet. Die Abbildung drückt man als Ganzes häufig durch

aus.

Bei einer Abbildung heißt die Definitionsmenge (oder Definitionsbereich) der Abbildung und die Wertemenge (oder Wertevorrat oder Zielbereich) der Abbildung. Zu einem Element heißt das Element

der Wert von an der Stelle . Statt Stelle sagt man auch häufig Argument.

Zwei Abbildungen und sind gleich, wenn die Definitionsmengen und die Wertemengen übereinstimmen und wenn für alle die Gleichheit in gilt. Die Gleichheit von Abbildungen wird also zurückgeführt auf die Gleichheit von Elementen in einer Menge. Abbildungen werden häufig auch Funktionen genannt. Wir werden den Begriff Funktion für solche Abbildungen reservieren, deren Wertemenge ein Zahlbereich wie die reellen Zahlen ist.

Zu jeder Menge nennt man die Abbildung

also die Abbildung, die jedes Element auf sich selbst schickt, die Identität (auf ). Sie wird mit bezeichnet. Zu einer weiteren Menge und einem fixierten Element nennt man die Abbildung

die also jedem Element den konstanten Wert zuordnet, die konstante Abbildung (mit dem Wert ). Sie wird häufig wieder mit bezeichnet.[1]

Für eine Abbildung gibt es mehrere Darstellungsmöglichkeiten, z.B. Wertetabelle, Balkendiagramm, Kuchendiagramm, Pfeildiagramm, den Graphen der Abbildung. Dabei sind die Übergänge zwischen der formalen Definition einer Abbildung und den visuellen Realisierungen fließend. In der Mathematik wird eine Abbildung zumeist durch eine Abbildungsvorschrift beschrieben, die es erlaubt, die Werte der Abbildung zu berechnen. Solche Abbildungsvorschriften sind beispielsweise (jeweils von nach ) , , etc. In den Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften sind empirische Funktionen wichtig, die reale Bewegungen oder Entwicklungen beschreiben, doch auch bei solchen Funktionen erhebt sich die Frage, ob man diese auch mathematisch gut beschreiben (approximieren) kann.

Zu zwei Mengen und bezeichnet man die Menge der Abbildungen von nach mit





Injektive und surjektive Abbildungen

Es seien und Mengen und es sei

eine Abbildung. Dann heißt

  • injektiv, wenn für je zwei verschiedene Elemente
auch und verschieden sind.
  • surjektiv, wenn es für jedes mindestens ein Element mit
    gibt.
  • bijektiv, wenn sowohl injektiv als auch surjektiv ist.

Diese Begriffe sind fundamental! Die Frage, ob eine Abbildung diese Eigenschaften besitzt, kann man anhand der Gleichung

(in den beiden Variablen und ) erläutern. Die Surjektivität bedeutet, dass es zu jedem mindestens eine Lösung für diese Gleichung gibt, die Injektivität bedeutet, dass es zu jedem maximal eine Lösung für diese Gleichung gibt, und die Bijektivität bedeutet, dass es zu jedem genau eine Lösung für diese Gleichung gibt. Die Surjektivität entspricht also der Existenz von Lösungen, die Injektivität der Eindeutigkeit von Lösungen. Beide Fragestellungen durchziehen die Mathematik und können selbst wiederum häufig als die Surjektivität oder die Injektivität einer geeigneten Abbildung interpretiert werden.

Beim Nachweis der Injektivität einer Abbildung geht man häufig so vor, dass man zu zwei gegebenen Elementen und aus der Voraussetzung erschließt, dass ist. Dies ist oft einfacher zu zeigen, als aus auf zu schließen.


Die Abbildung

ist weder injektiv noch surjektiv. Sie ist nicht injektiv, da die verschiedenen Zahlen und beide auf abgebildet werden. Sie ist nicht surjektiv, da nur nichtnegative Elemente erreicht werden (eine negative Zahl hat keine reelle Quadratwurzel). Die Abbildung

ist injektiv, aber nicht surjektiv. Die Injektivität folgt beispielsweise so: Wenn ist, so ist eine Zahl größer, sagen wir

Doch dann ist auch und insbesondere . Die Abbildung

ist nicht injektiv, aber surjektiv, da jede nichtnegative reelle Zahl eine Quadratwurzel besitzt. Die Abbildung

ist injektiv und surjektiv.



Es sei eine bijektive Abbildung. Dann heißt die Abbildung

die jedes Element auf das eindeutig bestimmte Element mit abbildet, die Umkehrabbildung zu .



Hintereinanderschaltung von Abbildungen

Es seien und Mengen und

und

Abbildungen. Dann heißt die Abbildung[2]

die Hintereinanderschaltung der Abbildungen und .

Es gilt also

wobei die linke Seite durch die rechte Seite definiert wird. Wenn die beiden Abbildungen durch funktionale Ausdrücke gegeben sind, so wird die Hintereinanderschaltung dadurch realisiert, dass man den ersten Ausdruck anstelle der Variablen in den zweiten Ausdruck einsetzt (und nach Möglichkeit vereinfacht).


Zu einer bijektiven Abbildung ist die Umkehrabbildung durch die beiden Bedingungen

und

charakterisiert.



Lemma  Lemma 2.6 ändern

Es seien und Mengen und es seien

und

Abbildungen.

Dann ist

Zwei Abbildungen sind genau dann gleich, wenn für jedes die Gleichheit gilt. Es sei also . Dann ist



Graph, Bild und Urbild einer Abbildung

Es seien und Mengen und es sei

eine Abbildung. Dann nennt man

den Graphen der Abbildung .


Es seien und Mengen und es sei

eine Abbildung. Zu einer Teilmenge heißt

das Bild von unter . Für heißt

das Bild der Abbildung.


Es seien und Mengen und es sei

eine Abbildung. Zu einer Teilmenge heißt

das Urbild von unter . Für eine einelementige Teilmenge heißt

das Urbild von .



Verknüpfungen

Eine Verknüpfung auf einer Menge ist eine Abbildung

Eine Verknüpfung macht also aus einem Paar

ein einziges Element

Eine Vielzahl von mathematischen Konstruktionen fällt unter diesen Begriff: Die Addition, die Differenz, die Multiplikation, die Division von Zahlen, die Verknüpfung von Abbildungen, der Durchschnitt oder die Vereinigung von Mengen, etc. Als Verknüpfungssymbol kommt eine ganze Reihe in Frage, z.B. u.s.w. Je nach dem gewählten Symbol spricht man statt Verknüpfung auch von Multiplikation oder Addition, ohne dass man damit eine inhaltliche Bedeutung verbinden sollte. Wichtige strukturelle Eigenschaften einer Verknüpfung werden in den folgenden Definitionen aufgelistet.


Eine Verknüpfung

auf einer Menge heißt kommutativ, wenn für alle die Gleichheit

gilt.


Eine Verknüpfung

auf einer Menge heißt assoziativ, wenn für alle die Gleichheit

gilt.


Es sei eine Menge mit einer Verknüpfung

gegeben. Dann heißt ein Element neutrales Element der Verknüpfung, wenn für alle die Gleichheit gilt.

Im kommutativen Fall muss man natürlich für das neutrale Element nur eine Reihenfolge betrachten.


Es sei eine Menge mit einer Verknüpfung

und einem neutralen Element gegeben. Dann heißt zu einem Element ein Element inverses Element (zu ). wenn die Gleichheit

gilt.


Es sei eine Menge und

die Menge aller Abbildungen von in sich. Durch die Hintereinanderschaltung von Abbildungen liegt eine Verknüpfung auf vor, die aufgrund von Lemma 2.6 assoziativ ist. Dagegen ist sie nicht kommutativ. Die Identität auf ist das neutrale Element. Eine Abbildung besitzt genau dann ein inverses Element, wenn sie bijektiv ist; das inverse Element ist einfach die Umkehrabbildung.


Beginnend mit der nächsten Vorlesung beschäftigen wir uns mit den reellen Zahlen, bei denen es die Addition und die Multiplikation als Verknüpfungen gibt. Erstaunlicherweise erfüllen diese beiden Verknüpfungen (bei der Multiplikation muss man die Multiplikation herausnehmen) für sich genommen eine wichtige algebraische Struktur: Es handelt sich um Gruppen.


Eine Menge mit einem ausgezeichneten Element und mit einer Verknüpfung

heißt Gruppe, wenn folgende Eigenschaften erfüllt sind.

  1. Die Verknüpfung ist assoziativ, d.h. für alle gilt
  2. Das Element ist ein neutrales Element, d.h. für alle gilt
  3. Zu jedem gibt es ein inverses Element, d.h. es gibt ein mit

Solch abstrakte Strukturen führen ein Doppelleben: Einerseits sind sie wirklich nur die gegebene formale Struktur, die Elemente sind nur irgendwelche Elemente einer irgendwie gegebenen Menge, die Verknüpfung ist irgendeine Verknüpfung, unter der man sich nichts Bestimmtes vorstellen soll. Die gewählten Symbole sind willkürlich und ohne Bedeutung. Andererseits erhalten solche abstakte Strukturen dadurch ihr Leben, dass konkrete mathematische Strukturen darunter subsummiert werden können. Die konkreten Strukturen sind Beispiele oder Modelle für die abstrakte Struktur (und sie sind mathematikhistorisch auch die Motivation, abstraktere Strukturen einzuführen). Beide Ebenen sind wichtig, man sollte sie aber stets auseinander halten.



Fußnoten
  1. Von Hilbert stammt die etwas überraschende Aussage, die Kunst der Bezeichnung in der Mathematik besteht darin, unterschiedliche Sachen mit denselben Symbolen zu bezeichnen.
  2. Man beachte, dass in der Bezeichnung die „verkehrte“ Reihenfolge verwendet wird, da ja zuerst ausgeführt wird. Dies beruht darauf, dass das Argument rechts geschrieben wird.