Kurs:Analysis III/Kapitel VI: Lineare partielle Differentialgleichungen im R^n

§1 Das Maximumprinzip für elliptische Differentialgleichungen Bearbeiten

Definition 1 Bearbeiten

Sei   mit   ein Gebiet, in dem die stetigen Koeffizientenfunktionen   für   erklärt sind. Weiter sei die Matrix   für alle   symmetrisch. Den linearen, partiellen Differentialoperator zweiter Ordnung   erklärt durch
(1)  
nennen wir elliptisch bzw. degeneriert elliptisch, falls
  bzw.  
für alle   und alle   erfüllt ist. Gibt es Elliptizitätskonstanten  , so dass
 
für alle   und alle   richtig ist, so heißt   gleichmäßig elliptisch. Im Falle   bezeichnen wir den reduzierten Differentialoperator mit  .

Satz 1 (Eindeutigkeit und Stabilität) Bearbeiten

I.   sei ein degeneriert elliptischer Differentialoperator auf dem beschränkten Gebiet   mit der Koeffizientenfunktion  .
II. Es gebe Konstanten  , so dass
(2)   für alle  
erfüllt ist.
III. Schließlich sei   eine Lösung des Dirichletproblems
(3)   in   auf  
mit Funktionen   und  
Behauptung: Dann gibt es eine Konstante  , so dass gilt
(4)  

Beweis Bearbeiten

1. Wir betrachten die Hilfsfunktion   mit zunächst noch beliebigem  . Wir berechnen

 
 

wobei wir   so groß gewählt haben, dass   erfüllt ist.

2. Mit noch zu fixierendem   erklären wir die Hilfsfunktion

 

Wegen   in   können wir abschätzen

 
 

Wählen wir nun   mit festem  , so folgt

(5)   für alle  .

3. Für   berechnen wir

 

Nun gilt   sogar für alle  . Wäre dieses nämlich nicht der Fall, so existiert ein   mit   für alle  . Dann gilt

 

im Widerspruch zu (5). Also folgt

 

für alle   und alle  . Nach Grenzübergang   ergibt sich schließlich

 

mit  .

q.e.d.

Satz 2 (Das Hopfsche Maximumprinzip) Bearbeiten

I.   bezeichne einen reduzierten elliptischen Differentialoperator auf dem Gebiet  .
II. Für   sei die Differentialgleichung
 
erfüllt und   nehme in einem Punkt   ihr Maximum an, d. h.
  für alle  .
Behauptung: Dann folgt   für alle  .

Beweis Bearbeiten

Wir betrachten die nicht leere, in   abgeschlossene Menge

 

und zeigen, dass diese Menge offen ist. Da   ein Gebiet ist, folgt durch Fortsetzung die Identität   und somit

  für alle  .

Sei also   beliebig gewählt. Dann betrachten wir für beliebiges   mit

 

die Kugel   vom Radius   um den Punkt  . Offenbar gilt   und  . Wir können also Elliptizitätskonstanten   so angeben, dass   gleichmäßig elliptisch ist. Wäre nun   erfüllt, so gilt die Ungleichung

 

im Widerspruch zu  . Somit folgt  . Da dies für beliebige   mit   gilt, erhalten wir   mit einem  . Also ist   offen.

q.e.d.

Satz 3 (Scharfes Maximumprinzip) Bearbeiten

I. Sei   ein Gebiet und   ein Randpunkt von  , für den folgendes gilt: Es gibt eine Kugel   und eine Funktion   mit   und  , so dass
 
erfüllt ist.
II. Die Koeffizientenfunktionen   seien so gegeben, dass der reduzierte partielle Differentialoperator
 
gleichmäßig elliptisch auf   ist.
III. Die Funktion   genüge der Differentialgleichung
  für alle  .
IV. Schließlich nehme   in   ihr Maximum an, d. h.
  für alle  
und für ihre dort existierende Ableitung in Richtung der äußeren Normale   an   gelte
 
Behauptung: Dann folgt   für alle  .

Beweis Bearbeiten

Wegen Voraussetzung I kann man eine Kugel   mit einem   und   so bestimmen, dass

 

richtig ist. Wäre nun   erfüllt, so würde nach dem Hopfschen Randpunktlemma   folgen, im Widerspruch zu Voraussetzung IV. Also nimmt   ihr Maximum im inneren Punkt   an und Satz 2 liefert   für alle  .

Definition 2 Bearbeiten

Der lineare elliptische Differentialoperator   heißt stabil, falls es eine Funktion   mit
  für alle  
gibt.

§2 Quasilineare elliptische Differentialgleichungen Bearbeiten

Satz 1 (Eindeutige Lösbarkeit des gemischten Randwertproblems) Bearbeiten

I. Es sei   ein beschränktes Gebiet. Der Rand   enthalte eine - eventuell leere - Teilmenge   mit den folgenden Eigenschaften:
a) Die Menge   ist abgeschlossen.
b) Für alle   gibt es ein   und eine Funktion   mit   und  , so dass gilt
 
II. Die stetigen Funktionen   und   seien vorgelegt.
III. Die beiden Funktionen   und   der Regularitätsklasse   seien Lösungen des gemischten, quasi linearen, elliptischen Randwertproblems
(1)  
(2)  
(3)  
Dabei bezeichnet   die äußere Normale auf   an  .
IV. Schließlich gelte
  für alle  .
Behauptung: Dann folgt   für alle  .

Beweis Bearbeiten

Die Funktion

 

genügt der linearen, elliptischen Differentialgleichung

(4)  

die in einer Umgebung von   gleichmäßig elliptisch ist. Weiter erfüllt   die homogenen Randbedingungen

  und  .

Wegen Voraussetzung IV gilt für den Koeffizienten

  für alle  .

Nach Satz 2 und Satz 3 aus §1 kann   weder in   noch auf   ihr globales Maximum und globales Minimum annehmen. Somit folgt   bzw.

  in  .

q.e.d.

§3 Die Wärmeleitungsgleichung Bearbeiten

Satz 1 (Fourier-Plancherelsches Integraltheorem) Bearbeiten

Der lineare Operator
 
kann stetig fortgesetzt werden auf den Hilbertraum
 
mit dem inneren Produkt
 
Die Abbildung   besitzt die Umkehrabbildung
 
die wiederum stetig auf   fortgesetzt werden kann. Weiter sind   und   isometrische Operatoren auf  , d. h.
  für alle  
und es gilt
  für alle  .

Beweis Bearbeiten

Dieser Satz wird später bewiesen.

Definition 1 Bearbeiten

Wir nennen den Operator   die Fouriertransformation und   die inverse Fouriertransformation.

Definition 2 Bearbeiten

Die Funktion
 
nennen wir die Kernfunktion der Wärmeleitungsgleichung.

Satz 2 (Parabolisches Maximum-Minimum-Prinzip) Bearbeiten

Sei   eine Lösung der Wärmeleitungsgleichung
 
Dann folgt
 

Beweis Bearbeiten

Durch eine Anwendung auf die Hilfsfunktionen

  und  

erhält man sofort die Behauptung.

q.e.d.

Satz 3 (Eindeutigkeitssatz für die Wärmeleitungsgleichung) Bearbeiten

Gegeben sei die beschränkte, stetige Funktion  . Dann gibt es genau eine beschränkte Lösung   des Anfangswertproblems für die Wärmeleitungsgleichung zu dieser Funktion  , d. h.
(1)  
(1)   in  ,
(1)  
(1)  

Beweis Bearbeiten

Seien   und   zwei Lösungen von (1), so setzen wir

 

Für die Funktion

 

gilt dann

(2)   in  ,
(2)  
(2)   für alle  .

Wir wählen nun Zahlen   sowie   und erklären zu der Kugel   den parabolischen Zylinder

 

mit dem parabolischen Rand

 

Auf   betrachten wir sowohl die Lösung   des Problems (2) als auch die Funktion

(3)  

Die Funktion   genügt der Differentialgleichung

 

und auf dem parabolischen Rand gilt

 

Anwendung des parabolischen Maximum-Minimum-Prinzips liefert nun

(4)  

Lassen wir nun   in Formel (4) streben, so folgt

 

mit beliebigem  . Somit haben wir   bzw.   in  .

q.e.d.

§4 Charakteristische Flächen Bearbeiten

Definition 1 Bearbeiten

Sei   eine nicht konstante Funktion, für welche die Menge
 
nicht leer ist. Wir nennen   eine charakteristische Fläche für die Differentialgleichung
(1)  
falls die zugehörige quadratische Form
(2)  
die Bedingung
  für alle  
erfüllt. Andererseits heißt   nicht charakteristische Fläche, wenn gilt
  für alle  .
Im Falle   sprechen wir von charakteristischen bzw. nicht charakteristischen Kurven.

Definition 2 Bearbeiten

Zu dem Gebiet   und Zahlen   betrachten wir die Dose
 
Wir erklären den d'Alembert-Operator   durch
(3)  
für  . Dabei ist   eine feste positive Konstante (welche im physikalischen Kontext die Lichtgeschwindigkeit darstellt).

Satz 1 (Energieabschätzung für die Wellengleichung) Bearbeiten

Der Punkt   mit dem zugehörigen Kegel
 
sei gegeben. Weiter sei   eine Lösung der homogenen Wellengleichung
(4)   in  .
Hierbei ist   ein nicht negatives, stetiges Potenzial auf  .
Dann gilt für alle   die Energieungleichung
(5)  

Beweis Bearbeiten

1. Mit Hilfe der Transformation   ziehen wir uns auf den Fall   zurück. Die Koeffizientenmatrix des d'Alembert-Operators hat dann die Form

(6)  

Für   betrachten wir die Dose

 

dessen Rand   aus den drei Hyperflächen   und   besteht. Dabei ist   eine charakteristische Fläche für die Differentialgleichung (4) mit der äußeren Normale

 
 

Für die Flächen

 

bzw.

 

erhalten wir die äußere Normale

 
 

2. Wir multiplizieren nun (4) mit   und berechnen

(7)  
 
 

für  . Integrieren wir (7) mit Hilfe des Gaußschen Satzes über die Dose  , so erhalten wir

 
 
 
 

Es ist nämlich   nicht negativ und es gilt

 

auf  . Es folgt also

 

q.e.d.

Satz 2 (Eindeutigkeit des Cauchyschen Anfangswertproblems für die Wellengleichung) Bearbeiten

Die Voraussetzungen von Satz 1 seien erfüllt und   genüge zusätzlich den homogenen Cauchyschen Anfangsbedingungen
(8)   für alle   mit  .
Dann folgt   auf  .

Beweis Bearbeiten

Aus den Anfangsbedingungen (8) lesen wir ab

 

und die Energieabschätzung aus Satz 1 liefert

  für alle  .

Somit folgt   auf   und daher  . Wiederum aus (8) erhalten wir schließlich

  in  .

q.e.d.

§5 Die Wellengleichung im für Bearbeiten

Satz 1 (d'Alembert) Bearbeiten

Zu vorgegebenen Funktionen   und   stellt die Funktion
(1)  
die eindeutig bestimmte Lösung des Cauchyschen Anfangswertproblems für die eindimensionale Wellengleichung   dar.

Definition 1 Bearbeiten

Sei   gegeben. Wir nennen die Funktion
(2)  
den sphärischen Integralmittelwert von   über die Sphäre
 

Satz 2 (F. John) Bearbeiten

Zu vorgegebenem   mit   gehört die Funktion   der Regularitätsklasse   an und es gelten die folgenden Aussagen:
a)   für alle  .
b)   für alle  .
c)   für alle  .
d)   im  .

Beweis Bearbeiten

a) Aus (2) ersehen wir   und

  für alle  .

b) und c) Ebenfalls aus (2) lesen wir sofort ab   und Differentiation liefert   für alle  .

d) Wir führen auf der Sphäre   Polarkoordinaten ein:

 

Nach Kapitel I, §8 wird der Laplaceoperator in diesen Koordinaten zu

 

wobei   den Laplace- Beltrami-Operator auf der Sphäre   bezeichnet. In Kapitel I, §8 haben wir die Symmetrie von   auf  nachgewiesen. Wir erhalten damit für alle   und   die Gleichung

 
 
 
 

denn  . Also ist die Darbouxsche Differentialgleichung für alle   und   erfüllt. Da diese invariant unter der Spiegelung   ist, bleibt sie gültig für alle   und  .

q.e.d.

Satz 3 (Kirchhoff) Bearbeiten

Es seien Funktionen   und   vorgegeben. Dann wird das Cauchysche Anfangswertproblem   für die dreidimensionale Wellengleichung eindeutig gelöst durch die Funktion
(3)  
für  .

Beweis Bearbeiten

1. Gemäß Satz 2 für den Fall   erfüllt die Funktion   die Darbouxsche Differentialgleichung

 

Multiplikation mit   liefert

 

Wir betrachten nun die Funktion

 

mit  . Diese genügt der Wellengleichung

(4)   im  

und erfüllt die Anfangsbedingungen

(5)   für alle  .

2. Wie in Teil 1 des Beweises sieht man, dass die Funktion

 

der Wellengleichung   im   genügt. Ferner gilt  . Wir betrachten nun die Funktion

 
 
 

Auch   erfüllt die Wellengleichung und wir haben die Anfangsbedingungen

 
 

für alle  .

3. Mit

 
 

für   erhalten wir eine Lösung der Wellengleichung und wegen (5) und obigen Anfangsbedingungen genügt   den Anfangsbedingungen

 

Verwenden wir nun die Substitution  , so folgt für alle   die Identität

 

q.e.d.

§6 Die Wellengleichung im für Bearbeiten

Satz 1 (Mittelwertsatz von Asgeirsson) Bearbeiten