Kurs:Stochastik/Bernoulli-Experiment

Einführung Bearbeiten

Zufallsgrößen mit einer Bernoulli-Verteilung (auch als Null-Eins-Verteilung, Alternativ-Verteilung[1] oder Boole-Verteilung[2] bezeichnet) benutzt man zur Beschreibung von zufälligen Ereignissen, bei denen es nur zwei mögliche Versuchsausgänge gibt. Einer der Versuchsausgänge wird meistens mit Erfolg bezeichnet und der komplementäre Versuchsausgang mit Misserfolg. Die zugehörige Wahrscheinlichkeit   für einen Erfolg nennt man Erfolgswahrscheinlichkeit und   die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs.

Beispiele Bearbeiten

  • Qualitätsprüfung (einwandfrei, nicht einwandfrei).
  • Anlagenprüfung (funktioniert, funktioniert nicht).
  • Werfen einer Münze: Kopf (Erfolg),  , und Zahl (Misserfolg),  .
  • Werfen eines Würfels, wobei nur eine „6“ als Erfolg und "keine 6" als Misserfolg gewertet wird:  ,  .

Geschichte Bearbeiten

Die Bezeichnung Bernoulli-Versuch (Bernoullian trials nach Jakob I Bernoulli) wurde erstmals 1937 in dem Buch Introduction to Mathematical Probability von James Victor Uspensky verwendet[3].

Definition Bearbeiten

Sei   ein Messraum mit   als eine disjunkten Zerlegung von   und einer Zufallsgröße

 
  • Mit   und
  •   nennt man   Bernoulli-Verteilung auf dem Messraum  .

Beschreibung Bearbeiten

Eine diskrete Zufallsgröße   mit Werten in der Menge   unterliegt der Null-Eins-Verteilung bzw. Bernoulli-Verteilung mit dem Parameter  , wenn sie der folgenden Wahrscheinlichkeitsfunktion folgt

 

Zufallsgrößen und induzierte Verteilung Bearbeiten

Beim Werfen eines Würfels hat man als   mit der Gleichverteilung gegeben. Wenn bei einem Zufallsexperiment/Spiel nur wesentlich ist, ob man eine „6“ als Erfolg (1) und "keine 6" als Misserfolg (0) erhalten hat, kann man die Zufallsgröße   verwenden. Als induzierte Verteilung der Gleichverteilung erhält man nun eine Bernoulli-Verteilung mit:  ,  .

Veranschaulichung Wahrscheinlichkeitsfunktion Bearbeiten

 

Verteilungsfunktion Bearbeiten

Die Verteilungsfunktion ist dann

 

Man schreibt dann  .

Bernoulli-Prozess Bearbeiten

Eine Reihe von unabhängigen identischen Versuchen, bei der jeder Einzelversuch der Bernoulli-Verteilung genügt, wird Bernoulli-Prozess oder bernoullisches Versuchsschema genannt. Diese sind z.B. beim Gesetz der großen Zahlen von Bedeutung.


Erwartungswert Bearbeiten

Die Bernoulli-Verteilung mit Parameter   hat den Erwartungswert:

 

Dies hat den Grund, dass für eine Bernoulli-verteilte Zufallsvariable   mit   und   gilt

 

Varianz und weitere Streumaße Bearbeiten

Die Bernoulli-Verteilung besitzt die Varianz

 

denn es ist   und damit

 

Damit ist die Standardabweichung

 

Beziehung zu anderen Verteilungen Bearbeiten

Ein Bernoulli-Experiment hängt mit anderen Zufallsexperiemten zusammen. Die folgenden Folien zeigen den Zusammenhang.

Beziehung zur Binomialverteilung Bearbeiten

Die Bernoulli-Verteilung ist ein Spezialfall der Binomialverteilung für  . Mit anderen Worten, die Summe von unabhängigen Bernoulli-verteilten Zufallsgrößen mit identischem Parameter   genügt der Binomialverteilung, demnach ist die Bernoulli-Verteilung nicht reproduktiv. Die Binomialverteilung ist die  -fache Faltung der Bernoulli-Verteilung bei gleichem Parameter   bzw. mit gleicher Wahrscheinlichkeit  .

Beziehung zur verallgemeinerten Binomialverteilung Bearbeiten

Die Summe von   voneinander unabhängigen Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen, die alle einen unterschiedlichen Parameter   besitzen, ist verallgemeinert binomialverteilt.

Beziehung zur Poisson-Verteilung Bearbeiten

Die Summe von Bernoulli-verteilten Zufallsgrößen genügt für  ,   und   einer Poisson-Verteilung mit dem Parameter  . Dies folgt direkt daraus, dass die Summe binomialverteilt ist und für die Binomialverteilung die Poisson-Approximation gilt.

Beziehung zur Zweipunktverteilung Bearbeiten

Die Bernoulli-Verteilung ist ein Spezialfall der Zweipunktverteilung mit  . Umgekehrt ist die Zweipunktverteilung eine Verallgemeinerung der Bernoulli-Verteilung auf beliebige zweielementige Punktmengen.

Beziehung zur Rademacher-Verteilung Bearbeiten

Sowohl die Bernoulli-Verteilung mit   als auch die Rademacher-Verteilung modellieren einen fairen Münzwurf (oder eine faire, zufällige Ja/Nein-Entscheidung). Der Unterschied besteht lediglich darin, dass bei der Rademacher-Verteilung der Erfolg ebenso mit 1 aber der Misserfolg dagegen mit -1 unterschiedlich codiert werden.

Beziehung zur geometrischen Verteilung Bearbeiten

Bei Hintereinanderausführung von Bernoulli-verteilten Experimenten ist die Wartezeit auf den ersten Erfolg (oder letzten Misserfolg, je nach Definition) geometrisch verteilt.

Beziehung zur diskreten Gleichverteilung Bearbeiten

Die Bernoulli-Verteilung mit   ist eine diskrete Gleichverteilung auf  .

Urnenmodell Bearbeiten

Die Bernoulli-Verteilung lässt sich auch aus dem Urnenmodell erzeugen, wenn   ist. Dann entspricht dies dem einmaligen Ziehen aus einer Urne mit   Kugeln, von denen genau   rot sind und alle anderen eine andere Farbe besitzen. Die Wahrscheinlichkeit, eine rote Kugel zu ziehen, ist dann Bernoulli-verteilt.

Simulation Bearbeiten

Bei der Simulation macht man sich zunutze, dass wenn   eine stetig gleichverteilte Zufallsvariable auf   ist, die Zufallsvariable   Bernoulli-verteilt ist mit Parameter  . Da fast jeder Computer Standardzufallszahlen erzeugen kann, ist die Simulation wie folgend:

  1. Erzeuge eine Standardzufallszahl  
  2. Ist  , gib 0 aus, ansonsten gib 1 aus.

Dies entspricht genau der Inversionsmethode. Die einfache Simulierbarkeit von Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen kann auch zur Simulation von binomialverteilten oder verallgemeinert Binomialverteilten Zufallsvariablen genutzt werden.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Norbert Kusolitsch: Maß- und Wahrscheinlichkeitstheorie. Eine Einführung. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2014, lSBN 978-3-642-45386-1, S. 63, doi:10.1007/978-3-642-45387-8
  2. Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2., durchgesehene Auflage. Springer-Verlag, Heidelberg Dordrecht London New York 2011, lSBN 978-3-642-21025-9, S. 254, doi:10.1007/978-3-642-21026-6
  3. James Victor Uspensky: Introduction to Mathematical Probability, McGraw-Hill, New York 1937, Seite 45


Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Hans-Otto Georgii: Stochastik: Einführung in die Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik., 4 Auflage, de Gruyter, 2009, lSBN 978-3-11-021526-7 .

Seiten-Information Bearbeiten

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