Mitscherlich, Alexander (1946)

Mitscherlich, Alexander: Freiheit und Unfreiheit in der Krankheit. Das Bild des Menschen in der Psychotherapie. 2. Auflage. Hamburg: Claassen & Goverts 1948, Erstdruck 1946.


Mitscherlich sah in der neurotischen Symptombildung Freiheit in der Krankheit. Sich auf die tradierten wissenschaftlichen Anschauungen beziehend, schreibt er: Was als Konversion dargestellt wurde, ist also eigentlich menschliches Vermögen. (S. 105)

Psychotherapie war für Mitscherlich eine anthropologische Disziplin, - Menschenkunde und Menschenkenntnis. Als Wissenschaft, so führt Mitscherlich aus, lasse sie sich belehren aus dem in Jahrtausenden gesammelten Erfahrungsgut der Theologie und Philosophie. Da die Psychotherapie ebenso die Nähe zu den Naturwissenschaften suche, bleibe sie - vielleicht zum Ärger mancher - im Lager der Medizin. (S. 130)

Von K.-P. Kisker (1960) und Anderen wurde diese Haltung auf das Verständnis der endogenen Psychosen übertragen.

In den sechziger Jahren schrieb Mitscherlich publizistisch wirkungsvolle Beiträge, in denen er die Psychoanalyse als Gesellschaftskritik verstehen wollte.[1] In Heidelberg gipfelte die Politisierung der Psychiatrie in dem pathogenetischen Konzept des Sozialistischen Patientenkollektivs, das in der Krankheit eine Form des Widerstands gegen die kapitalistischen Produktionsverhältnisse sah (Konversion als menschliches Vermögen) und - einen Schritt weiter gehend - in psychisch Kranken „revolutionäres Potential.“

  1. Schott, Heinz und Rainer Tölle: Geschichte der Psychiatrie. München: C. H. Beck 2006, Seite 209


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