Orientierung/Vektorräume/Einführung/Niedrige Dimensionen/Textabschnitt

Bei einem eindimensionalen reellen Vektorraum (einer Geraden) ist jeder von verschiedener Vektor ein Basisvektor. Wenn man die herausnimmt, so zerfällt die Geradein zwei Hälften (zwei Halbgeraden, zwei Strahlen). Wenn die Gerade „horizontal vor einem liegt“, so werden die beiden Hälften als „links“ bzw. „rechts“ angesprochen. Diese Begrifflichkeit ist ziemlich problematisch, wenn man die Gerade bewegt oder wenn man sie aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet. Dagegen ist es ein einfacher Tatbestand, dass es zwei Seiten gibt und es ist auch einfach zu bestimen, ob zwei Punkte der gleichen Seite oder verschiedenen Seiten angehören, auch wenn die einzelnen Seiten schwer zu benennen sind. Die Gleichseitigkeit von zwei Punkten auf der Geraden kann man dadurch ausdrücken, dass ihre Übergangsmatrix (Basiswechselmatrix), die ja nur aus einer einzigen reellen Zahl besteht, positiv ist, die Andersseitigkeit bedeutet, dass die Übergangsmatrix negativ ist.

Jeder Punkt auf einer Geraden definiert eine Orientierung. Die beiden grünen Punkte definieren die gleiche Orientierung, der rote Punkt die andere.

In der Ebene gibt es ein vergleichbares Phänomen, den Drehsinn. Wenn man sich beispielsweise auf der Erdoberfläche um einen Baum bewegen möchte, so kann man das mit dem Uhrzeigersinn oder gegen den Uhrzeigersinn tun. Der Uhrzeigersinn ist durch eine Konvention festgelegt und es wird von der Draufsicht „von oben“ ausgegangen. Für den nach oben schauenden Maulwurf im Boden ist der Drehsinn genau umgekehrt. Wenn im Raum irgendeine Ebene gegeben ist, so ist keineswegs klar, was in ihr der Uhrzeigersinn sein soll. Dennoch ist für jede Ebene klar, dass es dort zwei entgegengesetzte Drehrichtungen gibt und wann zwei Drehrichtungen übereinstimmen. Auch dieses Phänomen kann man mit Basen und ihren Übergangsmatrizen erfassen. Der Mittelpunkt der Uhr sei der Nullpunkt der Ebene, den Zeiger fassen wir zu jedem Zeitpunkt als einen Vektor auf. Zu zwei aufeinanderfolgenden Zeitpunkten und nimmt der Zeiger die beiden Vektorpositionen und ein, wobei darauf zu achten ist, dass in der Zeitdifferenz weniger als eine Halbdrehung vollzogen wird. Diese beiden Vektoren und definieren eine Basis der Ebene (nach einer Halbdrehung wäre und die beiden Vektoren wären linear abhängig). Wenn man zum Zeitpunkt den Zeiger oben sein lässt, sie wird die Zeigerbewegung im Uhrzeigersinn durch parametrisiert. Die beiden Vektoren sind dann

Wurde die Uhr von vorne oder von hinten in die schräge Ebene hineingelegt?

Die Übergangsmatrix zwischen der Standardbasis

ist

Die Determinante davon ist , und diese ist im angegebenen Winkelbereich für stets negativ, für aus ist sie positiv. Die Übergangsmatrizen zwischen den Basen

haben eine positive Determinante. In diesem Sinne legt der Uhrzeigersinn zwar keine Basis fest, aber doch eine Klasse von Basen, die untereinander eine Übergangsmatrix mit positiver Determinante haben. Wenn man gegen den Uhrzeigersinn läuft, so gelangt man zu Basen vom Typ

und diese haben zur Standardbasis und untereinander Übergangsmatrizen mit positiver Determinante.

Im Raum gibt es wieder ein vergleichbares Phänomen, wobei hier die menschliche Anatomie hilft. Die rechte und die linke Hand sind spiegelbildlich aufgebaut (die rechte Hand ist diejenige, die vom Herz weiter weg ist als die linke). Wenn man eine Hand nimmt, den Handmittelpunkt als Nullpunkt des Raumes ansetzt und den Daumen, Zeige- und Mittelfinger ausspreizt, sodass Daumen und Zeigefinger eine Pistole bilden und der Mittelfinger nach innen zeigt, so ergibt sich durch diese drei Finger in dieser Reihenfolge im Raum eine Folge von drei Vektoren, die eine Basis bilden (man kann auch die Finger einzeln vom Ansatz zur Spitze als Vektoren auffassen und auf einen gemeinsamen Ursprungspunkt verzichten, das macht keinen Unterschied). Wenn man dies mit der linken und der rechten Hand macht, so kann man zwar Daumen und Zeigefinger parallel aneinander anlegen, aber die Mittelfinger sind dann einander entgegen gesetzt. Die Übergangsmatrix zwischen den beiden Handbasen ist

ihre Determinante ist negativ. Die rechte und die linke Hand repräsentieren wieder unterschiedliche Orientierungen von Raumbasen.

Wir kommen nun zur allgemeinen Definition einer Orientierung. Im Folgenden ist es wichtig, dass man unter einer Basis nicht die Menge der Basisvektoren , sondern das geordnete Tupel der Basisvektoren versteht.


Es sei ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum. Man nennt zwei Basen und orientierungsgleich, wenn die Determinante ihrer Übergangsmatrix positiv ist.

Diese Relation zwischen Basen ist eine Äquivalenzrelation, und zwar eine, bei der es nur zwei Äquivalenzklassen (genannt Orientierungen oder Orientierungsklassen) gibt (außer beim Nullraum).


Es sei ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum. Eine Orientierung auf ist eine Äquivalenzklasse von Basen von unter der Äquivalenzrelation, orientierungsgleich zu sein.

Es ist einfach, zu bestimmen, ob zwei Basen die gleiche oder die entgegengesetzte Orientierung besitzen, es macht aber keinen Sinn, die einzelnen Orientierungen zu benennen.

Viele Objekte aus Natur und Technik machen deutlich, dass es zwei verschiedene Orientierungen gibt. Es ist einfach, bei gleichartigen Objekten wie Federn die mit der gleichen und die mit der entgegengesetzten Orientierung zu erkennen.
Die Benennung der beiden Orientierungen und welchen mathematischen (durch eine Basis repräsentierten) Orientierungen sie entsprechen ist eine Frage der Konvention.


Es sei ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum. Er heißt orientiert, wenn auf ihm eine Orientierung erklärt ist.

Ein Vektorraum wird dadurch orientiert, indem man beispielsweise sagt, dass die Orientierung tragen möge, die durch die Basis repräsentiert wird. Der Standardraum trägt, wenn nichts anderes gesagt wird, die sogenannte Standardorientierung, die durch die Standardbasis repräsentiert wird. Die Standardorientierung von wird durch die und jede positive Zahl repräsentiert, die Standardorientierung des entpricht, wenn man wie üblich den ersten Standardvektor nach rechts und den zweiten Standardvektor dazu senkrecht nach oben zeichnet, der Bewegung gegen den Uhrzeigersinn. Im Raum entspricht die Standardorientierung der rechten Hand, wenn man den Raum mit der ersten Achse nach rechts, der zweiten Achse nach hinten und der dritten Achse nach oben positiv ausrichtet. Die rechte Hand liefert eine menschlich-natürliche Orientierung des Anschauungsraumes und die Standardorientierung liefert eine Orientierung auf dem , beides hat erstmal nichts miteinander zu tun, da es eine Vielzahl an Möglichkeiten gibt, ein Koordinatensystem aufzustellen. Das eben angesprochene Koordinatensystem beruht auf einer Konvention.

Auf einem beliebigen reellen Vektorraum gibt es keine kanonische Möglichkeit, eine Orientierung auszuzeichnen. Es gibt zwar zu jedem reellen endlichdimensionalen Vektorraum eine bijektive lineare Abbildung

und dabei wird die Standardbasis auf eine Basis von abgebildet, allerdings hängen diese Bildbasen und ihre Orientierungsklasse vom gewählten ab. Es ist nicht möglich, auf jedem eine Orientierung in kanonischer Weise festzulegen.

Unter einer Orientierung auf einem reellen affinen Raum versteht man eine Orientierung auf dem zugrunde liegenden reellen Vektorraum.