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Einleitung

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Im Rahmen des Seminars „Im Zeitalter der Globalisierung“ sollten sich die Studenten mit einer von ihnen selbst gewählten These ein Semester lang auseinander setzten und diese wissenschaftlich belegen beziehungsweise widerlegen. In diesem folgenden Wikiversityartikel soll erforscht werden, ob Kinder im Jugendalter eine Identitätskrise erleiden, wenn sie in einer bestimmten Zeitspanne ihr Heimatland verlassen und nach Deutschland immigrieren. Dabei soll vor allem Bezug zu dem amerikanischen Psychoanalytiker Erik H. Erikson genommen werden, der in seinem Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung das Alter eines Menschen in bestimmte Stufen einteilt. Außerdem scheint es ebenfalls interessant auf welche Art und Weise eine Akkulturation stattfindet, welche Faktoren begünstigend wirken und welche eher ein gewisses Abgrenzungsverhalten hervorrufen. Diese Fragestellung ist insofern diskussionswürdig, da in der heutigen Zeit angenommen werden kann, dass das Lebensumfeld im Laufe eines Lebens mindestens einmal gewechselt wird. Kinder, für die eine feste Umgebung wie auch Bezugspersonen notwendig sind, können meist nicht mitentscheiden, wenn die Familie den Lebensort wechselt. So ist es ebenfalls nicht selten, dass dieser Umzug auch Landesgrenzen überschreitet. Verbunden ist damit oft eine neue Kultur, fremde Menschen und eine insgesamt ungewohnte Umgebung. So soll im Folgenden erörtert werden ob Kinder, die sich in der, nach Erikson, fünften Altersstufe befinden im Bezug auf ihre Identität eine Krise erleiden.

Fragestellung

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Kinder, die im Jugendalter ihr Herkunftsland verlassen und nach Deutschland immigrieren erleiden eine Identitätskrise.

Ausblick auf die Arbeit

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Zentrum dieser Arbeit ist die Verbindung von Theorie der Entwicklung einer Identität nach Erikson und der Akkulturationstheorie nach Berry. Um damit auf Unterschiede bezüglich der Identitätsbildung nach dem Einreisealter von Migranten zu schließen sind diese zwei Theorieansätze miteinander zuverknüpfen. Dies erscheint als sehr gewinnbringend, da sich die Aussagen der beiden Theorien gut ergänzen und für eine wichtige Auswertungsmöglichkeit der folgenden Interviews bieten. Diese Interviews sollen helfen eine Theorie- und Praxisverknüpfung herzustellen. Bei der Findung der Fragen für die Interviews, der Durchführung und Auswertung dienen die genannten Theorien als Orientierung. Mit dem Hintergrund und einem Interesse gegenüber der Migrationsbewegungen, die sich seit Jahren beobachten lassen und die von den Betroffenen viel verlangen, wie eine Anpassung oder gar eine Übernahme von Sprache und Kultur ist dieses Thema aktuell und einer Auseinandersetzung würdig. Daraus ergibt sich die Frage danach, ob betrefflich des Alters Unterschiede vorliegen sich in einem neuen Land zurechtzufinden. Weiterführend ist fragwürdig, ob sich die sensible Phase nach Erikson für die Identitätsentwicklung, die primär im Jugendalter ausgebildet wird, besonders schwierig gestaltet, wenn zusätzlich eine solch große Veränderung, wie die Migration in ein neues Land stattfindet. Um diesem Gesichtspunkt den Grund zu gehen, wird in einem ersten Schritt eine Begriffsklärung der Identität vorgenommen, in der größtenteils der Bezug zu den Erkenntnissen Eriksons gezogen wird. Im Anschluss werden die acht Stadien nach Erikson erläutert. Wobei auf das 5. Stadium ausführlicher eingegangen wird. Auch das Akkulturationsmodell nach Berry soll hier einen großen Teil der theoretischen Basis einnehmen. Nach den Einflüssen, die Auswirkungen auf eine Identitätskrise haben können, werden die durchgeführten Interviews aufgeführt und Ergebnisse dazu präsentiert. Im Folgenden werden diese auch ausgewertet, um zu einer Schlussfolgerung für die Fragestellung zu gelangen. Zu guter Letzt werden noch Vorschläge für die Abwendung einer Identitätskrise gemacht, um dann diese Seminararbeit mit einem Fazit abzuschließen.

Entstehen einer Identitätskrise bei Migranten im Jugendalter

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Theoretischer Hintergrund

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Begriffsklärung der Identität

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Der Begriff der Identität wird heutzutage alltäglich gebraucht, aber eine genaue Definition lässt sich nicht so leicht finden. Allgemein formuliert bezeichnet Identität „die einzigartige Kombination von persönlichen, unverwechselbaren Daten des Individuums“ (Oerter Montada 2008, S. 303). Fast man den Begriff der Identität enger, ist damit auch das Bild eingeschlossen, dass andere von dieser einzigartigen Persönlichkeitsstruktur haben. Da sich nun unsere Fragestellung auf die Jugendphase bezieht ist in diesem Zusammenhang nötig auf einen dritten Faktor eizugehen und zwar auf das eigene Verständnis für die Individualität, sozusagen auf die Selbsterkenntnis, d.h. auf das was und wer man sein möchte und was und wer man tatsächlich ist. (vgl. Oerter Montada 2008, S. 303)


Erikson beschreibt in seinem Buch „Jugend und Krise“ sein Verständnis von Identität folgendermaßen:

„Ich habe mir diese Frage mehr als einmal gestellt, während ich das wieder las, was ich über die Identität geschrieben habe und ich beeile mich zu erklären, dass ich in diesem Buch keine eindeutige Erklärung dafür geben werde. Je mehr man über diesen Gegenstand schreibt, desto mehr wird das Wort zu einem Ausdruck für etwas, das ebenso unergründlich wie allgemeingegenwärtig ist. Man kann ihn nur untersuchen, indem man eine Unentbehrlichkeit in verschiedenen Zusammenhängen feststellt.“ (Erikson 1970, S.7)


Auch Erikson nennt keine genaue Definition er schreibt aber, dass zwischen Ich-Entwicklung und Identitätsentwicklung eine sehr enge Verknüpfung besteht. Wobei das „Ich“ Einstellungen, Motive und Bewältigungsleistungen beinhaltet. Um eine Ich-Identität herauszubilden muss Selbstkonsistenz aufgebaut werden. Es müssen also Fragen danach, wer man ist und worin sich die eigene Individualität auszeichnet, beantwortet werden. Die Beantwortung dieser Frage wird auf dem Hintergrund von bereits Vergangenem, einer eigenen Einschätzung, gesellschaftlicher Einflüsse und gleichzeitig der an die Person gerichteten Erwartungen erreicht. Dieser Prozess führt zu einer neuen Ganzheit, d.h. die Lebenserfahrungen, die bisher gemacht und gesammelt wurden werden nun zu einem Gefühl der Einheit zusammengeführt. Diese Unverwechselbarkeit der eigenen Persönlichkeit muss Zeit, Situation und über soziale Kontexte hinweg konstant sein um als Selbstkonsistent verstanden zu werden. Über acht Stadien erstreckt sich nach Erikson ein solcher Prozess, auf den im Weiteren eingegangen wird, wobei der Psychoanalytiker als sensible Phase das 5. Stadium ansieht, auf dem auch unsere Fragestellung abzielt und somit schwerpunktsetzend ist. (vgl. Oerter Montada 2008, S. 277ff)

Acht Entwicklungsstadien nach Erikson

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Der Mitte der 60 Jahre in Deutschland bekannt gewordene Psychoanalytiker und Psychiater Erik Homburger Erikson (1902-1994) erstellte ein Stufenmodell, dass sich mit der psychosozialen Entwicklung auseinandersetzt. Dabei sieht er diese als lebenslangen Prozess an, indem sich Identität aufbauend auf Krisenbewältigungen herauskristallisiert. Auch wird sein Modell epigenetisches Diagramm genannt, weil nach ihm Entwicklung einem Grundplan folgt, also Phasen aufweist, die nacheinander ablaufen und miteinander verbunden sind. Diese einzelnen Phasen sind aufeinander aufbauend. An dieser Stelle ist es wichtig zu klären, was Krise für Erikson bedeutet. Und zwar versteht er unter diesem Begriff keine Störung in der Entwicklung, sondern das Finden einer Lösung für in jedem Stadium auftretende Frage, die es zu klären gibt. (vgl. Gudjons 2012, S. 120f) Im Weiteren wird, in Betracht auf die Fragestellung, das 5. Stadium nach Erikson und das Erringen von Identität, was das Zentrum seines Phasenmodells darstellt, genauer eingegangen, alle anderen Stadien werden zum Verständnis auch kurz erläutert.


In seinem Modell beschreibt Erikson acht Lebenskrisen, die bewältigt werden müssen:


1. Stadium - Säuglingsalter: Ur-Vertrauen vs. Ur-Misstrauen

Im ersten Stadium der menschlichen Entwicklung bilden sich Ur-Erfahrungen heraus, die durch Kontakt zu ersten Bezugspersonen entstehen. Erfahrungen mit Verlässlichkeit und Konstanz auf der einen Seite oder Erfahrungen mit Unzuverlässlichkeit und mangelnder Konstanz auf der anderen Seiten entscheiden über Einstellungen zu sich selbst und zur Umwelt und über die Entstehung eines Ur-Vertrauens bzw. eines Ur-Misstrauens. (vgl. Gudjons 2012, S. 121f)


2. Stadium - Kleinkindalter: Autonomie vs. Scham und Zweifel

In dieser Lebensphase erprobt das Kind Verhaltensweisen des „Festhalten“ und „Loslassens“. In Bezug darauf kann sich zwanghaftes Verhalten, wie Pedanterie oder Geiz herausbilden. Im Gegensatz dazu entwickelt sich in einer positiven Bewältigung Autonomie und Stolz als positives Gefühl heraus. Einschränkungen und Dressur des Kindes führen dazu, dass eigene Bedürfnisse und Wünsche nicht richtig, vertretbar und angemessen sind. Was sich beim Kind durch solche Erfahrungen etabliert sind Scham und Zweifel. (Gudjons 2012, S. 122)


3. Stadium - Spielalter: Initiative vs. Schuldgefühl

Auf diesem Entwicklungsstand eröffnen sich dem Kind neue Bewegungsmöglichkeiten, die Sprache verbessert sich und auch die Vorstellungskraft erweitert sich auf dieser Altersstufe. Bei der Bewältigung der Krise kommt es zu einer „ungebrochene Initiative als Grundlage eines hochgespannten und doch realistischen Strebens nach Leistung und Unabhängigkeit“ (Erikson 1966/2000: 88f, zit.n. Gudjons 2012: 122). Nichtbewältigung bedeutet auf dieser Entwicklungsstufe, dass das Kind das Gefühl und die Überzeugung entwickelt es selbst sei schlecht oder seine Triebe, Bedürfnisse und Wünsche weisen einen schlechten Charakter auf. (Gudjons 2012, S. 122)


4. Stadium - Schulalter: Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl

Auf diese Altersstufe ist das Kind nun schulreif, es entsteht bei den Kindern der Wunsch auch nützlich zu sein, etwas selbst machen zu können, mitmachen und teilnehmen zu können und in dem was es macht auch gut zu sein. Und dieses Gefühl nennt man den „Werksinn“, bei dem sich Kinder Lob und Wertschätzung erarbeiten können. Der Gegenpol und die Nichtbewältigung dieser Stufe bestehen im Aufkommen eines Gefühls von Unzulänglichkeit und Minderwertigkeit. Vom Kind oder seiner Umwelt ausgehender Überschätzung kann zu einem Gefühl des Missglückens führen und Unterschätzung zum Minderwertigkeitsgefühl. (Gudjons 2012, S. 122f)


5. Stadium - Adoleszenz: Identität vs. Identitätsdiffusion und Ablehnung


„Mit der Aufnahme guter Beziehungen zur Welt des Schaffens und zu denjenigen, die diese neuen Fertigkeiten lehren und teilen, endet die eigentliche Kindheit. Jetzt beginnt die Jugendzeit. Aber in der Pubertät werden alle Identifizierungen und alle Sicherungen, auf die man sich früher verlassen konnte, erneut in Frage gestellt und zwar wegen des raschen Körperwachstums, das sich nur mit dem in der frühen Kindheit vergleichen lässt und dem sich jetzt die gänzlich neue Eigenschaft der physischen Geschlechtsreife zugesellt.“ (Erikson 1973, S. 106)


Im Jugendalter und der damit verbundenen körperlichen Veränderungen steht das Individuum vor der Bewältigung der Überführung der Ich-Werte in eine Ich-Identität und der Entwicklung eines Selbstbildes. Fragen danach, wer man ist, müssen nun beantwortet werden. Bei einer Bewältigung dieser entstehenden Krise gelangt das Individuum zu einer Identität, bei Nichtbewältigung zu einer Identitätsdiffusion. Dabei ist wichtig zu nennen, dass Erikson unter Identitätskrise eine normale und unvermeidbare Irritation in der Jugendphase meint. (vgl. Gudjons 2012, S. 123)

Eine Identitätsstörung dagegen nennt er Identitätsdiffusion, also eine krankhafte und schädlich auswirkende Form, die eine Nichtbewältigung dieser Krise bedeutet. Wenn der Jugendliche nicht dazu in der Lage ist, das Ich zur Bildung einer Identität zu überführen, können Spannungen, auf die der Jugendliche trifft, entstehen. Diese können in Bezug auf Kultur, soziale Bindungen oder auch auf die eigenen persönlichen Veränderungen aufkommen. Erikson beschreibt Diffusion als „eine Zersplitterung des Selbst-Bildes (…), ein Verlust der Mitte, ein Gefühl von Verwirrung und in schweren Fällen die Furcht vor völliger Auflösung.“ (Erikson 1973, S. 154). Diese Identitätsdiffusion kann bei Erikson in Form einer Intimitätsproblematik, einer Diffusion der Zeitperspektive, einer Diffusion des Werksinnes oder einer Flucht in eine negative Identität bedeuten und tritt meistens dann auf, wenn der Jugendliche vor einer Ansammlung von nicht bewältigbaren Ereignissen steht. (vgl. Erikson 1973, S. 153ff)


Dies Arten der Identitätsdiffusion nach Erikson soll hier nun ausführlich erklärt werden.


  • Das Intimitäts-Problem

Erikson sieht das Interesse und die Auseinandersetzung mit dem Gegenüber als Belastungsprobe für die Selbst-Abgrenzung. Ohne die es in sozialen Beziehungen, sei es in Freundschafts-, Liebes- oder auch Rivalitätsbeziehungen, zu einem Gefühl des Sich-Auflösens, einem Bedrohungsgefühls kommen kann, was das aus dem Weg gehen von Erlebnissen der Intimität und zur Isolation führt. In Liebesbeziehung wird die Verschmelzung als Identitätsverlust empfunden und hat einen Rückzug aus sozialen Beziehungen zur Folge. Auch eine sexuelle Identität scheint hiervon bedroht, und zu einer Unfähigkeit sich den Gefühlen der Erregung und Zärtlichkeit hinzugeben. Menschen, die scheinbar eine Bedrohung für Betroffene darstellen werden auf Distanz gehalten und in manchen Fällen besteht der Wunsch diesen Schaden zuzufügen. Die auf dieser Phase unvollständige Identität führt dazu Ablehnung anderer zu erzeugen um nicht in die Gefahr zu gelangen sich diesem Bedrohungsgefühl hinzugeben. (vgl. Erikson 1973, S. 156ff)


  • Diffusion der Zeitperspektive

Wenn das Zeiterleben gestört ist, gerät der Betroffene scheinbar in Zeitbedrängnis oder er hat das Gefühl jegliche Zeitdimension verloren zu haben. Indem einem Moment fühlt er sich sehr jung und im nächsten wieder steinalt. Man wird von dem Gedanken geplagt, wichtiges versäumt zu haben und Chancen nicht genutzt zu haben und vom Unglück verfolgt zu werden. Auch kann man sagen, dass die Symptome, die Erikson beschreibt sehr einer depressiven Verstimmung ähneln, beispielsweise fallen den Patienten das Einschlafen und das Aufstehen sehr schwer. Die Betroffenen geben sich selbst auf und äußern Todeswünsche, da sie sich selbst die Rolle des Selbstmörders zuschreiben und nicht in der Lage sind sich einer andern Identität zu öffnen. (vgl. Erikson 1973, S. 159f)


  • Diffusion des Werksinnes

„Patienten mit schwerer Identitätsdiffusion leiden regelmäßig auch an einer akuten Störung ihrer Leistungsfähigkeit, und zwar entweder in der Form, daß sie unfähig sind, sich auf irgendwelche Arbeit zu konzentrieren, oder in Gestalt einer selbstzerstörerischen, auschließlichen Beschäftigung mit irgendwelchen einseitigen Dingen, z.B. exzessivem Lesen.“ (Erikson 1973, S. 161) Der Begriff des Werksinnes spielt bereits in der vorhergehenden Phase dem vierten Stadium bereits eine wichtige Rolle. Hier kann sich das Kind an realen Situationen erproben und sich als nützlich erweisen. Erikson sieht hier eine genderspezifische Unterscheidung. Die nach Erikson benannte Arbeits-Identität folgt ödipaler Konflikte, was zu Geschwisterrivalitäten führen kann. Symptome dieser Diffusion sind Konzentrationsschwierigkeiten, aber auch das Gefühl Wettbewerb als bedrohlich anzusehen. Auch die eigentlichen körperlichen und geistigen Ressourcen, die die Patienten mit sich bringen, können nicht aktiviert werden und können eine Leistungsunfähigkeit nicht verhindern. Häufig kommt es zu Phantasievorstellungen, Angstzuständen und diese können auch in Aggressionen enden. (vgl. Erikson 1973, S. 161ff)


  • Flucht in die negative Identität

Jugendliche widersetzen sich der vom sozialen Umfeld nahegelegten Rollen. Hier kann es zu Abwertung und Distanz gegenüber der eigenen Herkunft kommen, was zum Verlust und zur Leugnung der eigenen Identität führt. Nun bracht der Betroffene eine neue Identität, die er oft in der negativen Identität findet, also genau dieser die von Familie, der Gesellschaft und dem sozialen Umfeld als unerfreulich, abstoßend, schädlich, bedenklich und riskant angesehen wird. Auch übertriebene Erwartungen oder Ideale, die dem Jugendlichen zugewiesen werden, können ein Grund für die Annahme einer negativen Identität sein, die durch Spott und Vergeltung gegenüber denen sein, die die hohen Ideale an den Betroffenen stellen. Das Identitätsgefühl mit dem Nichterwünschten entsteht durch die Unerreichbarkeit des Erwünschten. (Erikson 1973, S. 163ff)


6. Stadium - frühes Erwachsenenalter: Intimität und Solidarität vs. Isolierung

Als Entwicklungsaufgabe steht in diesem Stadium die Entwicklung einer Intimitätsfähigkeit an. Die Fragen danach, ob man Intimität zulassen kann und stabile Beziehungen eingeht oder ob man isoliert bleibt und anderen mit Distanziertheit entgegenkommt, klären sich hier. (vgl. Gudjons 2012, S. 123)


7. Stadium - Erwachsenenalter: Generativität vs. Selbstabsorption/Stagnation

Beim jungen Erwachsenen entsteht ein Interesse daran, sich um künftigen Generationen zu kümmern oder diese zu erziehen oder allgemein zählt hierzu auch, das Unterrichten, soziales Engagement oder schöpferische Selbstverwirklichung. Dies nennt Erikson ein Streben nach Generativität, die dem Negativpol der Selbstabsorption gegenübersteht. Hiermit meint er ein Desinteresse und Ablehnung gegenüber anderen. (vgl. Gudjons 2012, S. 123)


8. Stadium - reifes Erwachsenenalter: Integrität vs. Verzweiflung

Beim reifen Erwachsenen und somit beim letzten Lebensabschnitt sieht der Mensch auf sein Leben zurück und erkennt es entweder als sinnvoll, kann es annehmen und findet zu Integrität. Oder im Gegenteil dazu, kann ein Gefühl der Enttäuschung und Verzweiflung aufkommen, dass zu Überlegungen führt, das Leben wiederholen zu wollen, Fehler auszubessern oder auch die Furcht vor dem Tod. (vgl. Gudjons 2012, S. 123)

Akkulturationsmodell nach Berry

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Nachdem im Vorausgehenden näher auf die einzelnen Alterstufen und deren Schwierigkeiten und Probleme näher eingegangen wurde, soll im Folgenden nun die Akkulturation und die damit implizierten Auswirkungen und Erscheinungen beleuchtet werden. Grundlegend ist, das jeder Akkulturation immer Enkulturation vorausgehen muss. Mit Enkulturation begreift man das natürliche und ungesteuerte Hineinwachsen des Individuums in seine Gesellschaft. Durch Prozesse des sozialen Lernens im Kontext lebenslanger Sozialisation erwirbt das Individuum die für ein Leben in Gesellschaft und Kultur relevanten Werte, Normen, Theorien, Konzepte, Verhaltensregeln, Gewohnheiten, Rituale etc.( vgl.: enkulturation_wS1314.ppt) Im Gegensatz dazu versteht man unter Akkulturation „Phänomene, die entstehen wenn Gruppen von Individuen aus verschiedenen Kulturen in kontinuierlichen Primärkontakt treten. Dies hat nachfolgende Veränderungen der ursprünglichen Kulturmuster in einer oder beiden Gruppen zufolge.“ (Redfield et al. 1936 in:Kalter F.:S. 108) Dabei passiert Akkulturation auf zwei Ebenen. Zum einen auf der des Individuums, auf der Veränderungen nach vorausgegangener Enkulturation durch Kulturkontakt in neuem sozio-kulturellen Kontext erfahren werden. Zum anderen auf der Intermediären und Makroebene. Unter diesen versteht man den sozialen Wandel auf der Ebene gesellschaftlicher Teilgruppen, sowie der Gesamtgesellschaft. Gleichzeitig ensteht eine Wechselwirkung zwischen individuellen und sozialem Wandel. Da sich der Mensch an sich durch Anpassung, aber auch durch Abgrenzung, verändert und damit seine Umwelt beeinflusst und dementsprechend verändert. Daraus ist erschließich, dass es sich bei Akkulturation um ein longitudinales Mehrebenen – Explanandum handelt. Der kanadische Wissenschaftler Berry(1990) hat ein zweidimensionales Akkulturationmodell entworfen, welches vier unterschiedliche Muster von Akkulturationstypen aufzeigt. Bezüglich dessen stellt Berry zwei grundlegende Frage in den Raum . Erstens: „Wird es als wertvoll erachtet, die kulturelle Identität und Charakteristika aufrecht zu erhalten?“ Zweitens:„Wird es als wertvoll erachtet, Beziehungen zu anderen Gruppen zu unterhalten?“ Beantwortet werden diese Fragen mit den Akkulturationsstrategien die entweder eine Aufrechterhaltung der Herkunftskultur und Aufnahme/ Aufrechterhaltung von Beziehungen zu anderen Gruppen begünstigen oder ablehnen. (vgl.:Frank Kalter 2008: S.110f)


Daraus entwirft Berry folgendes Modell


Erhalt der eigenen Kultur
ja nein
Herstellen positiver interkultureller Beziehungen ja Integration Assimilation
nein Separation Marginalität


( Berry, J.W.: Psychology of acculturation. Understanding individuals moving between cultures (1990). In R.W. Bristin (Ed.), Applied cross-cultural psaychology, S.232-235)


Mit Hilfe dieses Modells sind vier Akkulturationsstrategien abzulesen Bei einer erfolgreichen Integration werden Schlüsselcharakteristika des Heimatlandes erhalten. Gleichzeitig werden Aspekte der Aufnahmegesellschaft erlernt und angeeignet. Man spricht auch von einer sogenannten Doppelintegration. Diese Stratrgie wird als die Erfolgreichste angesehen. Unter Assimilation versteht Berry die völlige Aufgabe der Herkunftskultur und dem gegenüber die absolute Übernahme der Kultur von der Mehrheitsbevölkerung. Das Gegenteil dazu zeigt die Separation. Hier wird der Kontakte zur Aufnahmegesellschaft vermieden und dafür alle Charakteristika des Heimatlandes beibehalten. Den negativen Gegenpol zur Integration bildet die Marginalisierung. Beide Kulturen werden hierbei abgelehnt. Es entsteht eine Anomie, ein Nicht-Dazugehören, was eine totale Isolierung zur Folge haben könnte. (vgl.:Frank Kalter 2008: S.111) „Es hat sich gezeigt, dass Akkulturationsstrategien eine substantielle Beziehung zu positiver Adaption haben: Integration ist gewöhnlich am erfolgreichsten; Marginalisierung am wenigstens ; und Assimilation und Separationsstrategien sin intermediär. (Berry 1997: S.24. zit. n. Frank Kalter 2008: S.111)

Einflüsse auf Akkulturation

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Das Erlangen eines bestimmten Akkulturationstypus ist beeinflussbar von verschiedenen Faktoren. Der Wichtigste ist wohl die Sprache. Dabei ist der Erwerb der Sprache an außerethnische Kontakte geknüpft, was eine Abhängigkeit von räumlicher, zeitlicher und sozialer Trennung der Kontexte impliziert. Genauer ist damit gemeint, dass je nach Wohnumgebung, Freundeskreis, Einreisealter, Motivation und Opportinuität auch der Spracheerwerb beschleunigt oder verlangsamt werden kann. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch die Qualität und Quantität der Sprachproduktion von diesen Faktoren abhängt. Ein Kind, das beispielsweise in einem bildungshohem Milieu aufwächst, erfährt eine andere sprachliche Umgangsweise, als ein Kind in einem sozial- und bildungsschwachen Arbeiterviertel. Ein ebenfalls ausschlaggebener Faktor ist das Einreisealter. Je höher das Alter der Migranten, desto länger war der Kontakt mit der L1, aber umso geringer ist die Effizienz im L2 Erwerb. Aber nicht nur für den Spracherwerb kann ein fortgeschrittenes Alter eine Schwierigkeit darstellen. Kinder in jüngeren Jahren begegnen Neuem meist viel offener, und mit mehr Interesse wie auch Neugierde. Die Akkulturation wird jedoch auch von der Eltern-Kind-Beziehung maßgeblich geprägt. Falls eines der Elternteile das Kind als Partnerersatz beziehungsweise Partnerabbild wahrnimmt, kann das Kind nur sehr schwer aus dieser, ihm zugeschriebenen, Rolle ausbrechen. Wenn dann auch noch die Verpflichtung zur Anpassung an ein neues Lebensumfeld erzwungen wird, kann das Kind unter dieser Last von Ansprüchen zusammenbrechen. Ein anderer Druck der Perfektion entsteht, wenn die Eltern ihr Kind als eine Art Idealbild verstehen. Wenn das Kind als Kampfgenosse wahrgenommen wird, mit dem die ständige Auseinandersetzung gesucht wird, wird dem Kind jede Möglichkeit zum Austausch, Verständniss und Gefühl von Ruhe und Geborgenheit genommen. Diese Beziehungstypen treten sehr oft innerhalb von Familien auf. Jedoch sind diese unter dem zusätzlichen Heimatwechsel wohl durchaus prägnanter als sowieso schon. Anschließend ist natürlich ebenfalls der Erziehungsstil für eine erfolgreiche Akkulturation ausschlaggebend. Es ist anzunehmen, dass Kinder, die eine freie und tolerante Erziehung genießen, sich wesentlich leichter in die Aufnahmegesellschaft eingliedern können. Dementprechend haben es diejenigen, die aus einem sehr traditionsbewussten und konservativen Familienbund stammen meist schwerer. (vgl. Baacke: S. 236)


Einen weiteren Einflussfaktor stellt der Kontakt zu Cliquen dar. Eine solche Gruppe zeichnet sich durch gemeinsame Interessen, Probleme, Wünsche und sozialer Schicht aus. Somit ist „persönliches Zusammenpassen, gleicher Geschmack und Bande gegenseitiger Bewunderungund Zuneigung“ wichtiger als sachliche Ziele, diese sind hier nebensächlich. (Ausubel 1968: S.336 in: Baacke S. 239) Im Gegensatz stehen hierzu die Crowds, welche Loyalität und Solidarität fordern und lehren sollen. Sportvereine oder Jugendgruppen sind Beispiele für diese Art von Gemeinschaften. Diese sind allgemein wichtig für Kinder, da sie die Möglichkeit geben mit verschiedenen Menschengruppen in Berührung zu kommen und zur Auseinandersetzung mit denjenigen zwingen. Vorallem für Kinder mit Migrationshintergund stellen sie die wichtige Chance dar, in Kontakt mit Gleichaltrigen zu kommen. Da die meisten in ihrer selbstgewählten Clique nicht selten, wenn nicht ihre eigene Nationalität, dann jedoch, ebenfalls Migranten finden.

Forschungsprojekt

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Interviews

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Leitfragen
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(1) Mit wie vielen Jahren bist du nach Deutschland gekommen?

(2) Würdest du die Zeit, in der du nach Deutschland kamst, als krisenhaft oder schwierig bezeichnen?

(3) Was war für dich fremd oder neu? Oder ist es heute noch? Und was am typisch deutschen fandest du merkwürdig?

(4) Was war für dich das größte Hindernis? Fiel es dir leicht deinen Verpflichtungen gerecht zu werden?

(5) In welche Schule bist du gekommen? Waren vorwiegend Deutsche in deiner Klasse?

(6) Fiel es dir leicht dich sozial einzugliedern, mit wem (Klassengemeinschaft, Vereine)?

(7) Was hast du dafür getan, Anschluss zu finden (z.B. Freunde einladen, Vereinen beitreten, etc.)?

(8) Wie und mit wem hast du deine Freizeit verbracht? Hattest du mehrere Freundeskreise mit unterschiedlichen Werten?

(9) Hast du dich zu dieser Zeit eher zurückgezogen, wenn ja warum und wohin?

(10) Welche Schwierigkeiten kamen auf dich im Sozialen zu? Hast du dich verstanden oder angenommen gefühlt?

(11) Hast du das Gefühl verspürt dich entscheiden bzw. rechtfertigen zu müssen?

(12) War das innerfamiliäre Leben kompatibel mit deinem außerfamiliären Leben?

(13) Hast du dich oft selbst hinterfragt(Ansichten, Lebensweise, Traditionen, Religion)?

(14) Haben sich deine Wertvorstelllungen oder Ansichten verändert??

(15) Würdest du dich selbst als integriert betrachten?

Interview 1
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Interviewpartner Bojan (26 Jahre)


Ich schreibe gerade eine Seminararbeit, bei der wir über Interviews herausfinden wollen, ob es besonders schwierig ist im Jugendalter in ein neues Land, also nach Deutschland zu kommen. Wann sind denn Sie nach Deutschland gekommen?

Ich bin 1998 nach Deutschland gekommen.


Und wie alt waren Sie da?

Da war ich ------- mmh 11,12 rum war ich.


Aus welchem Land sind Sie hierher gekommen?

Aus Serbien.


Aus Serbien. OK.--- mmh. Würden Sie sagen, dass die Zeit in der Sie hiergekommen sind, besonders schwierig oder krisenhaft für Sie war?

Am Anfang, oder?

Ja. Zum Beispiel.

In Bezug auf was schwierig? In Bezug auf die Sprache oder überhaupt?

Sie können gern beides beantworten.

OK also am Anfang, ja wars schon schwierig, weil man hat doch, eh das vermisst, wo man aufgewachsen ist. Und wo man hergekommen ist? Aber ich hab ziemlich schnell Freunde gefunden hier. Und wie gesagt, dann hab ich mich schnell eingelebt. Genau.


Sie sind dann wahrscheinlich noch auf die Grundschule gegangen?

Ehm. Genau.

In Augsburg oder?

Ich war zuerst ein Jahr in Augsburg in der Schule, auf der Volksschule und dann bin ich nach dem einem Jahr, praktisch, da hab ich deutsch gelernt und nach dem einem Jahr bin ich dann auf die Hauptschule. Ich kann mitlerweile die deutsche Sprache auch besser als die serbische Sprache.


War es schwierig deutsch zu lernen?

Bei mir war das so, ich bin halt in den Sportverein gekommen, und da war. Und ich hab ja nur deutsche Freunde gehabt. Und deswegen, sag ich mal, ist es mir auch viel leichter gefallen, viel leichter und bei mir war auch eh immmer so, ich hab eh immer schnell was gelernt. Also von dem her ist es mir net schwer gefallen, dass ich deutsch lern.


Das ist jetzt eine gute Überleitung, weil ich Sie als nächstes fragen wollte, wie Sie Ihre Freizeit verbracht haben, ob sie verschiedene Freundeskreise hatten. Vielleicht auch mit unterschiedlichen Werten?

Also ich hatte nur deutsche Freunde. Und eh, ja Freizeit war halt, immer, ich bin zur Schule gegangen, danach wurden Schulaufgaben gemacht, wurde halt für die Schule gelernt, was ich halt machen musste. und dann hab ich mich immer, meistens sind wir immer Fußballspielen gegangen. Eigentlich hauptsächlich waren wir draußen.


Würden Sie dann sozusagen sagen, dass sie schnell aufgenommen wurden und ehm --- im Sozialen sozusagen keine Schwierigkeiten aufkamen?

nein, es gab keine Schwierigkeiten


Sie haben also sofort Anschluss gefunden?

Ja genau, ich wurde super perfekt aufgenommen, jetzt spiel ich da immer noch Fußball und hab da meine ganzen Freunde.


Hindernisse gab es also keine? Also zum Beispiel die Sprache?

Ähh, am Anfang ja. Aber wie gesagt, mir ist es wirklich leicht gefallen. Also für mich war das eigentlich kein Problem. Ich hätte auch, damals als ich in Welden auf der Hauptschule war, dann da nach der sechsten Klasse, hätte ich auf die Realschule gehen können, aber das hab ich dann nicht gewollt, weil ich eben zuerst auf der Schule in Augsburg war, dann bin ich wieder auf die Schule nach Welden gekommen, habe dort Freunde gefunden und dann habe ich mir gedacht, ach nee jetzt muss ich dann wieder auf ne neue Schule und dann bin ich da geblieben.


Waren dann das eigentlich eine Regelklasse in Augsburg oder so eine Übergangsklasse? Oder warum mussten Sie wechseln?

Nein, nein das war keine Übergangsklasse. Also wie gesagt die Übergangsklasse, also das mit dem Deutsch lernen, wo wir hergezogen sind, da konnte ich noch kein Wort deutsch. Das war dann in Augsburg. Aber das war auch eine normale Volksschule. Bei der war es halt immer so, dass praktisch die Schüler multikulti waren.

Mmh.

Also aber da wurde halt auch nur deutsch unterrichtet. Also das war jetzt nicht so, dass irgendwie in der Muttersprache oder so.


Können Sie sich an etwas erinnern, dass ihnen besonders fremd oder komisch war? Oder wo Sie sagen, dass war irgendwie merkwürdig für sie am Anfang?

Pause. Nein eigentlich nicht. Nee.

Also nichts, was sich irgendwie widersprochen hat, mit dem, was Sie zuvor gekannt oder gewohnt waren?

Nein, nein, gar nichts.


Dann haben sich für Sie wahrscheinlich auch keine Veränderungen was Wertvorstellungen oder Ansichten angeht verändert?

Nein hat sich gar nichts. Also ich hab. Also ich weiß noch von früher, wie ich im Haushalt mithelfen hab müssen und so weiter. Alles. Und des hab ich alles beibehalten. Ja des ist halt, ich hab es so gelernt, dass man halt mithilft, egal was das für Arbeiten sind oder so. Und das ist jetzt auch immer noch so. Und so ist es auch bei anderen Sachen.


Die Frage, ob Sie sich in dieser Zeit zurückgezogen haben, kann ich mir dann eigentlich selber, mit dem was Sie schon alles erzählt haben, selber beantworten. Also wahrscheinlich nicht?

Nein, nein, nein, gar nicht. Null. Ich hab meine Freunde gehabt und bin immer ganz normal, wie eben alle anderen auch.


Haben Sie denn Geschwister? Die zu der Zeit dann in einem anderen Alter waren?

Ich hab eine Schwester, ja die ist zwei Jahre älter.


Gab es da irgendwelche Unterschiede? Oder haben Sie sich beide gleich schnell zurecht gefunden?

Beide, gleich, ja. Die hatte halt ihre Freunde in ihrem Alter und ich hab halt meine Freunde gehabt.


Gibt es manchmal den Wunsch in das Herkunftsland zurück zu gehen?

Nein. Also am Anfang, vielleicht die ersten ein, zwei Jahre, da wars halt wirklich extrem, weil wir immer runter in den Urlaub gefahren sind und dann wieder hochgekommen sind, da war es dann schon extrem. Aber dann mittlerweile hab ich mich dann immer wieder gefreut, wenn ich wieder zurück kann. Ne also wirklich. Ich hab auch erst vor kurzem zu einer Freundin gesagt, ich fühl mich mehr wie ein Deutscher, als wie ein serbischer Staatsbürger. Bei meiner Mutter ist es zum Beispiel nicht so, die spricht zwar auch super deutsch, aber nicht soooo gut. Also bei ihr hört man das schon raus. Die kann sich schon verständigen und versteh alles, aber mit der Aussprache ist es halt.


Das wars dann eigentlich auch schon. Ich will mich ganz ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Dankeschön.

Dann noch viel Erfolg und Glück noch.


Ach ja, vielleicht nur noch. Darf ich fragen, wie alt Sie jetzt sind?

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OK. Dann nochmal danke für Ihre Zeit.

Bitte und schönen Abend noch.

Ebenfalls.

Ciao.

Tschüss.

Interview 2
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Interviewpartnerin Carolina (54 Jahre)


Wann bist du nach Deutschland gekommen?

Am 1. September 1978


Wie alt warst du da?

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Würdest du sagen, dass es besonders schwierig war, als du nach Deutschland gekommen bist? Würdest du diese Zeit als krisenhaft bezeichnen?

Eh, ja, weil ein Jahr danach, war dieses schlimme Schicksal (deutscher Mann ist ein Jahr später verunglückt) für mich. Ich habe kein Deutsch gesprochen. Da stehst du da, alleine, wie ein Kind und das war schwierig.


Wie hast du dich mit deinem Mann verständigt? Konnte er spanisch sprechen?

Ja, sehr gut. Er war acht Jahre auf einem Schiff. Er konnte über sechs Sprachen.


Hast du eine Schule in Deutschland besucht?

Ich war noch nie in einer deutschen Schule. Leider. Noch nie. Und in Chile war das auch so. Da habe ich nur zu Hause geholfen und auf dem Markt verkauft. Wenn zum Beispiel die Zeit für Wassermelonen war, habe ich geholfen die zu verkaufen. Und als ich dann hier war, wollte man Mann eigentlich wieder nach Chile zurück.


Ach OK, ihr wolltet gar nicht für länger hier in Deutschland bleiben?

Nein. Nein. Nein. Ein Grund war dann halt, dass ich schwanger war. Und man Mann hat nach Chile gemusst. Dann konnte er in Hamburg arbeiten auf einem Schiff und hätte dann versucht in Chile Arbeit zu finden.


Was ist dann passiert?

Im Mai wurde unser Sohn geboren, und im Juli habe ich meinen Mann bei einem Autounfall verloren. Und dann war ich nur noch Mama und Hausfrau. 4 Jahre lang.


Was war für dich das größte Hindernis?

Nach dem Unfall meines Mannes bin ich ins Konsulat gegangen, weil ich kein Deutsch konnte. Das Konsulat hat sich um alles gekümmert, weil ich nicht verstanden habe, was da passiert. Dann hat mein Schwager auf Deutsch erklärt, was passiert ist, was ich brauche, Papiere und unterschreiben. Und zum Beispiel hier nicht unterschreiben, das ist sehr gefährlich, weil ich dann sehr schnell Deutschland verlassen muss. Und dass ich Weisenrente und Witwenrente beantragen muss. Und das Konsulat hat mir da sehr geholfen. Mein Schwager hat es auf Deutsch erklärt und die haben es mir dann auf Spanisch erklärt. Als ich dann zurück in Chile war, war das sehr kalt. Es war mir niemand böse oder so. Aber es war kein Kontakt. Ich habe nicht mit ihnen sprechen können, und dann war das sehr kalt. Und dann wurde mein Sohnemann in Chile so krank. Das war zuerst eine Fischallergie, dann eine Sonnenallergie. Dann war er drei Tage lang in einer Klinik. In einem Dunkelraum. Er musste dann auch die Augen aufmachen, weil die waren sehr entzündet. Dann hat mein Papa gesagt, das Beste wäre, wieder nach Hause. Also zurück nach Deutschland.


Was hast du gemacht um Anschluss zu finden? Mit wem hast du deine Freizeit verbracht?

Mit Familie X, Frau X. Die hatte ein bisschen Mitleid. Ich war die erste Ausländerin in dem Dorf. Und ich habe kein Deutsch gesprochen. Mit Hand und Fuß. Und das war dann wie eine Kette, heute bei mir Kaffee und morgen bei dir. Und so ist die Freundschaft mit Familie X entstanden. Der Mann hat ein bisschen italienisch gekonnt und dann auch wieder mit Hand und Fuß. Und bis heute besteht diese Freundschaft. Und eine Schwester von dem Mann war dann auch dabei.


Was war für dich fremd oder neu in Deutschland? Und was am typisch deutschen fandest du merkwürdig? Das Federbett, von Anfang an. Weil in Südamerika ist es sehr warm. Das Federbett, so etwas habe ich noch nie in meinem Leben gesehen. Ich bin im September gekommen und dann habe ich gleich eines bekommen von meiner Schwiegermama. Ich habe nicht schlafen können. Das war alles so komisch.

Das Essen. Knödel. Das habe ich auch noch nie in meinem Leben gesehen. In Chile isst man nur Fisch und Meeresfrüchte. In Chile ist man noch Rindfleisch, aber hier viel Schwein. Ich dachte mir hoppala.


Und hast du dich jetzt mit dem Essen angefreundet?

Ja, aber da habe ich lange gebraucht. Da hatte ich auch Probleme in der Schwangerschaft. Ich war unterernährt. Ich konnte nicht viel essen und die wenigen Vitamine, die ich gehabt habe, hat das Kind genommen. Ich habe nichts gegessen, weil ------ die braune Soße von dem Schweinebraten und Sauerbraten, das war für mich alles ….


Und was die Menschen hier angeht, war da etwas viel anders, etwas merkwürdig?

Ich habe mir gedacht, sie sind alle blond. Der Bruder von meinem Mann war hellblond und ich habe gedacht alle sind so. Hier in Deutschland war der Mann von Frau X der einzige Mann, der wirklich so blond war. Für mich dachte ich die sind alle blond, alle weiß. Das war ja nicht so.


Und was das Verhalten angeht, war da auch etwas merkwürdig?

Nein. Das nicht. Viele waren sehr nett zu mir. Auch wegen meinem Schicksal. Ich habe auch immer noch Freundschaft mit die gleichen Leute. Da hatte ich Glück. Ein Bekannter hat mir später Arbeit gegeben. In seiner Schreinerei muss man kein deutsch sprechen. Da hat er mir gezeigt das das und das und dann habe ich das gemacht und alleine gearbeitet. Höchstens die Wärme von den Leuten. In Südamerika da gibt es gleich Bussi links und Bussi rechts und man wird gedrückt, so wie in Italien. Ja das warme Temperament. Und das war hier nicht. Bis heute. Mein Schwager, an Weihnachten gibt es einen Handdruck. Und wir kennen das nicht.

Wenn ich zu Besuch war bei z.B. Frau X, dann habe ich die Antwort bekommen: „Ja, was machst du da, ich habe nicht mit dir gerechnet.“ Da kriegst du eine kalte Dusche. Und das hab ich viel erlebt. Grad am Samstag bei meiner Freundin, weil am Samstag das war typisch duschen, Schlafanzug und Fernseh schauen. Wenn du da um acht Uhr kommst, ja dann wird kein Besuch mehr erwartet. Dann wollen sie ihre Ruhe. Aber das hab ich nicht gewusst. Jetzt mach ich das nicht mehr. Da hab ich nicht verstanden: „quack, quack, quack“. Und ich hab mir gedacht, was will die mir sagen. Und mit den Jahren, waren wir befreundet und von ihr hab ich viel gelernt. Und sie hat mir gesagt: „Trau du dich ja nicht und komm am Samstagabend.“ Und dann hab ich gewusst das tut man nicht.


Hast du dich zu dieser Zeit eher zurückgezogen?

Das waren die vier Jahre als ich alleine war mit meinem Sohn. Alleine Silvester. Alleine, aber mein Gott, es gibt schlimmere Sachen. Und ich habe Geburtstag am 1. Januar das war auch traurig. In Chile wird man gleich gedrückt und Bussi und gutes neues Jahr und alles Gute und hier hab ich die Hand von allen gekriegt. Von allen. Und das war traurig und geweint habe ich sehr viel. Weil ich war jung und ich wollte nur zurück.


Fühlst du dich hier integriert? Würdest du sagen, das ist jetzt hier deine Heimat?

Ja, ich war zu Besuch in Chile, in den 35 Jahren war ich sechs Mal, aber das war fremd. Im Jahr 2006 waren wir alle, meine ganze Familie mit Kindern. So lange du Geld hast, sind alle bei dir, und jeder will was von dir. Und das ist nicht schön. Du suchst die Liebe und du suchst die Wärme, du suchst die Nähe. Die Leute denken du bist reich und das ist nicht so. Und wenn ich wieder daheim war, habe ich die Koffer hingeschmissen und habe gesagt, Gott sein Dank bin ich wieder daheim.


Fiel es dir schwer hier in Deutschland deinen Verpflichtungen nachzukommen?

Ich habe immer alles alleine geschafft in den ganzen 35 Jahren seit denen ich hier bin. Ich war alleine 4 Jahre mit meinem Sohn. Ich habe gearbeitet zuerst in einer Schreinerei und dann habe ich in der Sparkasse geputzt. Und da brauchst du Vertrauen. Und da habe ich nie etwas genommen. Auch bei anderen Arbeiten. Ich habe das noch nie gemacht.


Hattest du auch Kontakt mit Leuten aus deinem Herkunftsland hier in Deutschland?

Ja da habe ich auch jemanden kennengelernt aus Argentinien, im Konsulat. Auf einem Südamerikanertreffen, das heißt Mensa.


Ach das ist ja super. Gibt es da extra Treffen?

Ja, ja, da gibt es alle Länder aus Chile, aus Cuba, aus Venezuela…


Wo gibt es sowas? In Augsburg oder?

Ne in München. La Mensa, heißt das. Die haben da immer ein Fest gemacht, also z.B. jeder hat gekocht sein typisches Essen. Vor Weihnachten und nach Weihnachten und das hat immer der Pfarrer organisiert. Aber der ist jetzt auch gestorben. Und da habe ich dann den Vater von meinen zwei Mädels kennengelernt. Der hat spanisch gesprochen. Mit ihm war ich 19 Jahre zusammen. Jetzt bin ich wieder 10 Jahre alleine. Aber in dieser Zeit war ich glücklich. War ich sehr glücklich. Ich habe zwei Mädle von ihm.


Vielleicht noch als letzte Frage, haben sich deine Einstellungen oder Wertvorstellungen verändert?

Ja Pünktlichkeit zum Beispiel. Ehrlichkeit. In Chile da hast du gelogen, weil es war alles verboten. Ich war mit meinem Mann weg. Und da habe ich das nicht gesagt. Wir haben immer gesagt, wir gehen da und da hin. Ja, weil wenn ich gesagt hätte ich gehe mit meinem Mann da oder da hin zum Essen oder irgendwo hin, weil mein Mann war 3 Monate unterwegs. Und dann wollten wir uns treffen und dann habe ich gelogen. Und dann habe ich hier gelernt, das will ich nicht, weil das war auch nicht schön. Und das habe ich auch immer von meinen Kindern verlangt. Ehrlich müsst ihr sein.


(gekürzt- Orginallänge 55:48 Minten)

Interview 3
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Interviewpartner Sinan (29 Jahre)


12:10 Johanna Schmitt: Wir wollen untersuchen inwiefern und ob es Konsequenzen hat, wenn Jugendliche ihr Herkunftsland verlassen und nach Deutschland immigrieren. Ich möchte dir dazu einige Fragen stellen. Ist das okay?

12:11 Sinan: Ja es ist ok


12:11 Johanna Schmitt: Super. Wo bist du aufgewachsen und mit wieviel Jahren bist du nach Deutschland gekommen?

12:12 Sinan: Ich bin im bis zu meinem 12ten Lebensjahr im Iran aufgewachsen, danach bin ich nach Deutschland gekommen


12:12 Johanna Schmitt: Und mit wem bist du hergekommen?

12:13 Sinan: Mit meiner Familie, Mutter und 3 Schwestern.


12:14Johanna Schmitt: Ah okay. Als du nach Deutschland gekommen bist, kannst du dich erinnern was besonders fremd bzw. neu für dich war?

12:16 Sinan: So ziemlich alles, die Sprachbarriere war natürlich am schlimmsten


12:17 Johanna Schmitt: Hast du im Iran schon Deutsch gelernt oder konntest du überhaupt kein Deutsch?

12:17 Sinan: Ich konnte überhaupt kein Deutsch.


12:18 Johanna Schmitt: Und deine Familie?

12:19 Sinan: Auch nicht


12:20 Johanna Schmitt: Wie hast du dann hier Deutsch gelernt? Bist du in eine spezielle Klasse gekommen? Eine Übergangsklasse sozusagen?

12:22 Sinan: Ich bin für ein Jahr in die so genannte " Ausländerklasse" gegangen. Wo der Schwerpunkt dann Deutsch war.


12:23 Johanna Schmitt: Hat es dir dort gefallen?

12:25 Sinan: Ja kann man sagen, da waren die Ausländer halt nur unter sich.


12:27Johanna Schmitt: Hast du damals auch schon Fußball im Verein gespielt, bzw. was hast du außerhalb von der Schule so gemacht?

12:30 Sinan: Im Verein habe ich erst ein (Jahr) nachdem ich in Deutschland war angefangen zu spielen. Ich hab nach der Schule aber viel auf dem Bolzplatz Fußball gespielt.


12:31 Johanna Schmitt: Achso… Mit deinen Klassenkameraden oder anderen Freunden?

12:34 Sinan: Bei uns in der Nähe war ein Bolzplatz, wo einfach jeder der da in der Nähe gewohnt hat hingekommen ist.


12:34 Johanna Schmitt: Waren dort auch deutsche Jugendliche?

12:35 Sinan: Ja da waren wir sehr gemischt auch sehr viele deutsche


12:35 Johanna Schmitt: Hast du dich dort angenommen gefühlt?

12:36 Sinan: Ja auf jeden Fall!


12:36 Johanna Schmitt: Dann konntest du ja wahrscheinlich schon ziemlich schnell deutsch oder?

12:37 Sinan: Ja das hat natürlich sehr geholfen.


12:39Johanna Schmitt: Wie war das zu Hause für dich? hast du jemals das Gefühl gehabt das da Werte und Ansichten aufeinanderprallen, für die du dich rechtfertigen musst?

12:41 Sinan: Es gab eigentlich nichts, wenn ich so nachdenke, weil meine Mutter uns da sehr frei erzogen hat.


12:42 Johanna Schmitt: Und du selbst? Hast du dich manchmal hinterfragt oder tust das vielleicht heute noch, was Lebensweise, Traditionen und vielleicht Religion angeht?

12:45 Sinan: Tradition ist für uns Iraner sehr wichtig, es gibt bestimmte Werte die bei uns nicht verloren gehen dürfen. Mit Religion bin ich persönlich sehr tolerant. (…)


12:47 Johanna Schmitt: Was genau verstehst du unter Tradition?

12:50 Sinan: Zum Beispiel gibt’s bei uns bestimmte Feiertage, wir feiern kein Weihnachten, dafür aber am 21. März haben wir unser Neujahr.


12:53 Johanna Schmitt: ah, das wusste ich nicht, interessant. im Alter von zwölf freuen sich hier alle Kinder auf Weihnachten und haben Adventskalender und alles Mögliche. Wie war das für dich? Hast du dich ausgeschlossen gefühlt?

12:56 Sinan: Nein eher nicht weil ich das damals gar nicht so kannte mit Adventskalender. Ich wusste nur dass es zur Weihnachten Geschenke gibt und da wir sowieso nicht gefeiert haben hatte es sich in der Hinsicht für mich erledigt


12:58 Johanna Schmitt: Okay letzte 2 Fragen: 1.: Wie beschreibst du das Gefühl wenn du an den Iran denkst oder zu besuch da bist und das Gefühl wenn du nach Deutschland zurückkommst? und 2.: Würdest du im Rückblick diese Zeit als schwierig oder krisenhaft bezeichnen und wenn ja warum?

13:07 Sinan: Ich bin seit dem ich hier bin nicht mehr nach Iran zurück gekehrt, was ich allerdings in den nächsten Jahre machen möchte, wenn ich zurück denke ist es natürlich sehr schön, weil ich sehr viele Kindheitserinnerungen habe, aber ich bin auch froh hier zu sein, ich fühle mich sehr wohl hier und es fühlt sich schon wie Heimat an hier. Schwierig war die Zeit wo ich kein deutsch konnte, da kommt man sich sehr verloren vor


13:12 Johanna Schmitt: Ja das glaub ich dir! Man ganz schön mutig sein, sich nicht einfach zu verkriechen sondern raus zu gehen... hast bestimmt viel draus gelernt und mitgenommen und profitiert aus dieser zeit, oder?

13:24 Sinan: Ja man lernt halt sich immer durch zusetzen.


13:27 Johanna Schmitt: Nicht die schlechteste Konsequenz! Du widerlegst auf jeden fall unsrer These, dass Jugendliche eine Identitätskrise erleiden wenn sie mit diesem alter ihre Heimat verlassen!! Ich danke dir Sinan!! (…)

Interview 4
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Interviewpartner Iwan (29Jahre) via facebook.com


17:09 Johanna Schmitt: (…) Wir möchten im rahmen unseres Seminares untersuchen ob es eine Identitätskrise auslöst, wenn Kinder im Jugendalter ihre Heimat verlassen. dazu möchte ich dir ein paar fragen stellen, ok?

17:10 Iwan: Ok


17:11 Johanna Schmitt: Super! Wo bist du geboren und mit wieviel Jahren bist du nach Deutschland gekommen?

17:12 Iwan: Geboren in Kasachstan. Mit 14 Jahren nach Deutschland gekommen


17:12 Johanna Schmitt: Mit deiner Familie?

17:13 Iwan: Ja Eltern und Schwester


17:13 Johanna Schmitt: Kannst du dich erinnern was am Anfang besonders fremd und neu für dich war?

17:14 Iwan: Alles war fremd. Menschen, Sprache und überhaupt Landschaft


17:15 Johanna Schmitt: Gibt es vielleicht etwas, das typisch deutsch ist was du besonders merkwürdig fandest bzw. immer noch findest?

17:18 Iwan: Jetzt werde nicht sauer. Arroganz gegen über anderen Menschen. Das erlebt man oft sehr oft.


17:19 Johanna Schmitt: Ich doch nicht du meinst dass sie auf Leute eher herabschauen? Sich für etwas Besseres halten...

17:21 Iwan: Ja. Aber es gibst auch viele gute Dinge die typisch Deutsch sind.


17:22 Johanna Schmitt: Hast du das Gefühl dass besonders du dies oft erlebt hast, weil du nicht von hier kommst?

17:26 Iwan: Ja wenn die Leute hören Accent bei mir dann ändert sich alles, nicht immer. Aber oft. Es kann sein das viele Angst haben. Weil die Russen immer so böse da gestellt werden. Kann man verstehen ich bin keinem böse


17:30 Johanna Schmitt: (…) Würdest du sagen das die Sprache das größte Hindernis für dich war/ist?

17:33 Iwan: (…)Ja Sprache ist ziemlich schwer und vieles kann ich immer noch nicht. Bürokratie bring mich noch um.


17:34 Johanna Schmitt: Du konntest also kein deutsch als du hierher kamst, oder? Wo bist du dann auf die schule hier gekommen?

17:38 Iwan: Ich konnte ein wenig schreiben und lesen. Hauptschule da wurde ich nach 1.5 Jahren so gesagt rausgeschmissen. Dann habe ich 9 Klasse auf eine Berufsschule gemacht. Da habe ich mein Ausbildung gefunden


17:39Johanna Schmitt: Hast du dort schnell Freunde gefunden? Also ich meine am Anfang?

17:40 Iwan: In der Hauptschule?


17:40 Johanna Schmitt: Ja

17:41 Iwan: (…) Ja das habe. Sind immer noch befreundet. Ja alle Russen


17:42 Johanna Schmitt: Und hattest du auch etwas mit Deutschen zu tun?

17:43 Iwan: Ja aber sehr wenig. Keiner wollte mit uns was zu tun haben. Erst im Ausbildung. Hatte ich deutsche Freunde. Was heißt deutsch er war in Deutschland geboren aber ursprünglich Makedonier.


17:46 Johanna Schmitt: Ja das zählt. Und in deiner Freizeit was hast du gemacht? Warst du in einem Verein oder so etwas, oder warst du eher daheim bei deiner Family?

17:49 Iwan: Nein ich habe am Wochenenden in der Disco gearbeitet. Und ich habe auch Eishockey gespielt und ein Fan von einem Eishockey Mannschaft war viel unterwegs. Zu Hause war ich sehr wenig. Und ich habe auch Abendgymnasium besucht nach der Arbeit


17:52 Johanna Schmitt: Hattest du viele verschiedene Freundeskreise, die nichts miteinander zu tun hatten, weil sie sehr unterschiedlich waren?

17:52 Iwan: Ja hab ich immer noch. Nicht viele aber ja.


17:53 Johanna Schmitt: Wow du hast richtig viel gemacht!!

17:54 Iwan: Bin auch schon alt.


17:55 Johanna Schmitt: Hast du dich damals oft selbst gefragt wo du überhaupt hingehörst? ich meine zu welcher Ansicht, Lebensweise Tradition.

18:04 Iwan: Bestimmt nicht nach Kasachstan da waren wir nur Ausländer weil wir deutschen Namen haben. Dann habe ich versucht mit Australien aber da ist es richtig schlimm du bist willkommen als Gast aber wen du da leben als man willst kannst vergessen. Ich weiß nicht wo hin. Ich will nur in Ruhe weiter leben, arbeiten und das ist alles. Wo ist ziemlich egal ich wohne jetzt in Garmisch-Partenkirchen und wenn’s klappt wohne bleibe da für immer.


18:07 Johanna Schmitt: (…)Hast schon oft dein platz geändert..., ist bestimmt nicht immer einfach. Nimmst du das persönlich, also zweifelst du oft an dir? (…)

18:15 Iwan: Nein auf kein Fall zweifele ich an mir. Ich hab's probiert es ging nicht was Solls ich lebe weiter. Das was ich jetzt mache ist viel spanender. Klar ich hätte mehr was für schule machen können aber ich bin zufrieden mit das was ich habe oder ich kann auch weiter machen. Ich blicke nur nach vorne und das, was war, würde auf kein Fall ändern.


18:16 Johanna Schmitt: Gute Einstellung! Hast du mit deiner Familie noch guten Kontakt?

18:18 Iwan: Ja natürlich bin regelmäßig zum Besuch da. Hab sehr gute Familie und sehr gute Freunde die sind alle sehr sehr froh das ich wieder in Deutschland wohne.

18:21 Johanna Schmitt: Okay last Question und dann noch eine weil ich neugierig bin: (…)Würdest du dich als integriert bezeichnen? (…)

18:29 Iwan: Ja würde ich. Neugierige was?


18:30 Johanna Schmitt: Warum bist du von der Schule geflogen?? (…)

18:31 Iwan: Ja ich habe die Lehrerin aus Versehen angespuckt. (…)

18:35 Iwan: Ja so gesehen schon. Ich war früher auch nicht. Ich weiß nicht wie das passiert ist hab sie echt nicht gesehen das war draußen und sie stand hinter mir. Ich früher auch nicht der beste sagen wir mal so. (…) Echt war nicht absichtlich. (…)


18:43 Johanna Schmitt: Na gut Iwan ich dank dir vielmals!!!!

Auswertung

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Bojan Carolina Sinan Iwan
Alter 26 Jahre 54 Jahre 29 Jahre 29 Jahre
Woher? Serbien Chile Iran Kasachstan
Wohin? Augsburg (1.Jahr)

Welden (danach)

Affing Hamburg Iserlohn (Ruhrpott)
Umzug mit 12 Jahren mit 18 Jahren mit 12 Jahren mit 14 Jahren
Mit wem? mit der Familie alleine (Mann kennengelernt) mit der Familie mit der Familie
Was war für dich fremd nichts vieles alles alles
Größtes Hindernis Heimweh Sprache, Schicksal, Einsamkeit Sprache Sprache, russischer Akzent, Vorurteile (Bild vom bösen Russen)
Soziales Leben - Schule Volksschule (danach Hauptschule) keine Übergangsklasse Hauptschule
Soziales Leben - Klassenkameraden multi-kulti - Ausländer Hauptkontakt Russen
Soziales Leben - Freizeit Fußballspielen (Sportverein) um Sohn gekümmert, Freunde getroffen Bolzplatz immer unterwegs, Disco, Eishockey
Soziales Leben - Freundschaften nur deutsche Freunde zwei befreundete Familien gemischter Freundeskreis keine deutschen Freunde
Rückzug nein teilweise nein nein
Vereinbarkeit ja (keine Gegensätze erkennbar) war alleine in Deutschland (ohne Familie) ja (freie, tolerante Erziehung) ja (da er nur russische Freunde hatte)
Beziehung zur Familie ja ja (allerdings durch Entfernung selten Kontakt) ja ja (ständiger Kontakt)
Crash der Traditionen nein (keine Veränderungen erkennbar) nein (aber Veränderung hinsichtlich Pünktlichkeit und Ehrlichkeit) ja (kein Weihnachten) Problem gar nicht aufgetreten, da russische Freundeskreise
Hinterfragung nein nein nein (iranische Tradition und Werte sehr wichtig) nein
Fühlst du dich integriert ja "ich fühl mich wie ein Deutscher" ja ja "ich fühle mich sehr wohl hier und es fühlt sich schon wie Heimat an" nein "ich weiß nicht wo hin"

Im Zuge dieses Forschungsprojektes und nach der Befragung von ausgesuchten Probanten kann folgendes Fazit geschlossen werden: Bei der Auswertung der Interviews können Tendenzen zu den unterschiedliche Akkuturationstypen festgestellt werden. Mit dem Hintergrund des Modells nach Berry kann die Tendenz zur Integration vor allem bei dem Interviewpartner Sinan festgestellt werden, der sich mit beiden Kulturen gleichermaßen auseinandersetzt und identifizieren kann. Ivan dagegen fiel -beziehungsweise fällt- es wesentlich schwerer sich mit einer Kultur, wie auch Gesellschaft, zu identifizieren. Dieser fühlt sich weder in Kasachstan noch in Deutschland akzeptiert und zu Hause. Bei ihm ist eine Art Anomie erkennbar, die eine Erscheinung der Marginalisierung ist. Auch Bojan erkennt nicht beide Kulturen als Teil seiner selbst an, sondern lehnt die Kultur seines Heimatlandes ab und identifiziert sich vollständig mit der der Aufnahmegesellschaft. Hiermit kann eine Art von Assimilation beobachtet werden. Bei der Probantin Carolina ist besonders gut die Dynamik von Akkulturation zu sehen und die permanente Veränderung. Am Anfang kann bei ihr eine Tendenz zur Marginalisierung festgestellt werden, da beide Kulturen anfänglich abgelehnt werden. Jedoch durch Auseinandersetzung und Gewöhnung an das neue Umfeld hat sich diese Anfangstendenz gewandelt, so dass man sie zum jetztigen Zeitpunkt wohl eher als integriert bezeichnen könnte.

Die Einordnung zu einem ausschließlichen Akkulturationstyp ist sehr schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Bei Carolina ist dieses Problem besonders deutlich.

Die Annahme, dass Kinder die im Jugendalter ihr Heimatland verlassen generell eine Identitätskrise erleiden, konnte am Ende des Forschungsprojektes nicht belegt werden. Daher scheint es wichtig die Fragestellung weiter zu differenzierenzieren.

Ausschlaggebende Faktoren, die für eine Vermeidung einer Identitätskrise, wie sie Erikson beschreibt, wichtig sind konnten gut herausgearbeitet werden. So spielt der Erstkontakt im Aufnahmeland für Kinder eine wichtige Rolle für den folgenden Akkulturationsprozess. Denn dieser entwickelt sich meist zum Hauptkontakt. Dazu gehört die Schulart, der Freundeskreis, Vereine und das allgemeine soziale Umfeld. So war die Probandin Carolina anfangs fast völlig isoliert, da ihr jeglicher Erstkontakt genommen wurde. Bei Ivan zeichnete sich der Erstkontakt vor allem zu Russen und anderen Nationalitäten aus. Bei Sinan dagegen kann der Bolzplatz als postive Relativierung zu seiner Schulklasse gesehen werden, denn nur mit den Kontakten in der „Ausländerklasse“ wäre der Kontakt zu deutschen Kindern schwierig gewesen. Hierbei sollten positive Reaktionen der Aufnahmegesellschaft wahrgenommen werden. Die Konfrontation mit Vorurteilen können vor allem Kinder nicht einordnen und bekommen so ein negatives Gefühl gegenüber der Aufnahmegesellschaft vermittelt. Dadurch ist eine Integration erheblich schwieriger. Auch das Erlernen der Sprache und deren Beherrschung ist für die Akkulturation äusserst wichtig. So wird man durch den angemessenen Sprachgebrauch zunehmend nicht mehr als fremd von der Aufnahmegesellschaft betrachtet und akzeptiert. Durch Akzent und unzureichende Beherrschung der Sprache werden oft Vorurteile geschürt und die Toleranzschwelle der Aufnahmegesellschft steigt. Dies ist vor allem bei Ivan deutlich erkennbar. Für Kinder ist es ebenfalls besonders wichtig Möglichkeiten zu haben sich außerhalb von Schule und Familie zu treffen, um in das soziale Leben eingegliedert werden zu können. Hier können besonders leicht Kontakte zu zu gleichaltrigen Einheimischen geknüpft und vertieft werden. So stellen Freizeitmöglichkeiten, wie bei den Probanten Bolzplatz, Diskothek Möglichkeiten dafür dar. Auch das Elterhaus stellt eine wichtige Rolle dar. Nicht nur, dass es einen Rückzugsort anbietet und bekannte Traditionen und Verhaltensweisen ausgelebt werden. Sondern es sollte auch eine tolerante Erziehung gegenüber den neuen Werten und Normen der fremden Umgebung, mit der sich das Kind auseinandersetzt, zeigen . Dies ist vorallem wichtig, wenn zwischen den beiden Kulturen eine große Differenz liegt, so wie beispielsweise bei Sinan aus dem Iran. Erkennbar wurde im Laufe der Auseinandersetzung mit der Thesenstellung auch die Bedeutung des Alters. Im Alter von elf bis zwölf Jahren scheint der Wille sich auf das neue Umfeld einzulassen wesentlich einfacher, als in der rebellischen Phase von vierzehn Jahren, wie es bei Ivan der Fall war.

Abschließend kann gesagt werden, dass die Studie für definitivere Ergebnisse weiter eingegrenzt werden muss. So sollte das Alter weiter eingeschränkt und differenziert beobachtet werden. Dies gilt auch für die Länderunterschiede, was Sprache, Vorurteile und Traditionen einschließen sollte. Da größere Divergenzen für eine erschwerte Anpassung und Eingewöhnung in das neue Land sprechen. Interessant zu beobachten und zu erforschen wäre auch im Hinblick auf die These, ob nicht auch eine Identitätskrise entstehen kann, bzw. nicht auch die gleichen Probleme zutreffen, wenn in dieser bestimmten Altersstufe das Lebensumfeld generell geändert wird. Auch die Gegenüberstellung von Ländern könnte spezielle Probleme ein- oder ausschließen und offensichtlicher machen. Innerfamiliär könnte ebenfalls untersucht werden, ob es auffallende Unterschiede in der Geschwisterfolge mit Blick auf Akkulturation und Altersstufe gibt. Dem liegt die Verfolgung von Unterschieden zwischen Mädchen und Jungen nahe und deren möglicherweise unterschiedlicher Umgangsweise mit Akkulturation und den damit verbundenen Schwierigkeiten.


Literatur

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  • Baacke, Dieter (2005): Die 13- bis 18-Jährigen. Einführung in die Probleme des Jugendalters. Unter Mitarbeit von Ralf Vollbrecht. 9. überarb. Aufl.. Weinheim: Beltz
  • Erikson, Erik H. (1973): Identität und Lebenszyklus, drei Aufsätze. Übers. von Käte Hügel. 25. Aufl.. Frankfurt am Main: Suhrkamp
  • Erikson, Erik H. (1970): Jugend und Krise – Die Psychodynamik im sozialen Wandel. Stuttgart: Ernst Klett Verlag
  • Herbert, Gudjons (2012): Pädagogisches Grundwissen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
  • Kalter, Frank (Hrsg.) (2008): Migration und Integration.in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Sonderheft Nr. 48. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwiss.
  • Oerter, R. & Montada, L. (Hrsg.) (2008). Entwicklungspsychologie (6. vollst. überarbeitete Auflage). Weinheim: Beltz.




IPK im WS 2013/14

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Kursleiterin Eva Sondershaus, M.A. Eva Sondershaus
Spaderna Sabrina LA GS DaF/DaZ Sabrina Spaderna
Peiding Wang BA, DaF/DaZ wangpeiding
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