Kurs:Analysis (Osnabrück 2013-2015)/Teil I/Vorlesung 8/latex

\setcounter{section}{8}






\zwischenueberschrift{Die komplexen Zahlen}

In dieser Vorlesung führen wir aufbauend auf die reellen Zahlen die komplexen Zahlen ein. Damit haben wir alle für die Anfängervorlesungen relevanten Zahlbereiche zur Verfügung. Die Konstruktion der reellen Zahlen aus den rationalen Zahlen ist einigermaßen kompliziert, obwohl die reellen Zahlen scheinbar vertraut sind. Dagegen ist die Einführung der komplexen Zahlen einfach, obwohl sie zunächst nicht vertraut aussehen.




\inputdefinition
{}
{

Die Menge $\R^2$ mit \mathkor {} {0 \defeq (0,0)} {und} {1 \defeq (1,0)} {,} mit der komponentenweisen Addition und der durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ (a,b) \cdot (c,d) }
{ \defeq} { (ac-bd, ad+bc) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definierten Multiplikation nennt man \definitionswort {Körper der komplexen Zahlen}{.} Er wird mit
\mathdisp {{\mathbb C}} { }
bezeichnet.

}

Die Addition ist also einfach die vektorielle Addition im $\R^2$, während die Multiplikation eine neuartige Verknüpfung ist, die zwar numerisch einfach durchführbar ist, an die man sich aber dennoch gewöhnen muss. Wir werden in Korollar 21.8 noch eine geometrische Interpretation für die komplexe Multiplikation kennenlernen.


\inputfaktbeweis
{Komplexe Zahlen/Körper/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Die \definitionsverweis {komplexen Zahlen}{}{}}
\faktfolgerung {bilden einen \definitionsverweis {Körper}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 8.3. }


Wir lösen uns von der Paarschreibweise und schreiben
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a+b { \mathrm i} }
{ \defeq} { (a,b) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Insbesondere ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathrm i} }
{ = }{ (0,1) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} diese Zahl heißt \stichwort {imaginäre Einheit} {.} Diese Zahl hat die wichtige Eigenschaft
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \mathrm i}^2 }
{ =} { -1 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Aus dieser Eigenschaft ergeben sich sämtliche algebraischen Eigenschaften der komplexen Zahlen durch die Körpergesetze. So kann man sich auch die obige Multiplikationsregel merken, es ist ja
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ (a+b { \mathrm i} )(c+d { \mathrm i} ) }
{ =} { ac+ad { \mathrm i} +b { \mathrm i} c+b { \mathrm i} d { \mathrm i} }
{ =} { ac+bd { \mathrm i}^2 +(ad+bc) { \mathrm i} }
{ =} { ac-bd +(ad+bc) { \mathrm i} }
{ } { }
} {}{}{.} Wir fassen eine reelle Zahl $a$ als die komplexe Zahl
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a+0 { \mathrm i} }
{ = }{ (a,0) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf. In diesem Sinne ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\R }
{ \subset }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es ist gleichgültig, ob man zwei reelle Zahlen als reelle Zahlen oder als komplexe Zahlen addiert oder multipliziert.




\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {komplexen Zahl}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{z }
{ =} { a+b { \mathrm i} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} heißt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Re} \, { \left( z \right) } }
{ =} { a }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} der \definitionswort {Realteil}{} von $z$ und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Im} \, { \left( z \right) } }
{ =} { b }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} heißt der \definitionswort {Imaginärteil}{} von $z$.

}

Man sollte sich allerdings die Menge der komplexen Zahlen nicht als etwas vorstellen, was weniger real als andere Zahlensysteme ist. Die Konstruktion der komplexen Zahlen aus den reellen Zahlen ist bei Weitem einfacher als die Konstruktion der reellen Zahlen aus den rationalen Zahlen. Allerdings war es historisch ein langer Prozess, bis die komplexen Zahlen als Zahlen anerkannt wurden; das Irreale daran ist, dass sie einen Körper bilden, der nicht angeordnet werden kann, und dass es sich daher scheinbar um keine Größen handelt, mit denen man sinnvollerweise etwas messen kann.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Complex_number_illustration.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Complex number illustration.svg } {} {Wolfkeeper} {en. Wikipedia} {CC-by-sa 3.0} {}

Man kann sich die komplexen Zahlen als die Punkte in einer Ebene vorstellen; für die additive Struktur gilt ja einfach
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathbb C} }
{ = }{ \R^2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} In diesem Zusammenhang spricht man von der \stichwort {Gaussschen Zahlenebene} {.} Die horizontale Achse nennt man dann die \stichwort {reelle Achse} {} und die vertikale Achse die \stichwort {imaginäre Achse} {.}

\inputfaktbeweis
{Komplexe Zahlen/Real und Imaginärteil/Eigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {}
\faktvoraussetzung {\definitionsverweis {Real}{}{-} und \definitionsverweis {Imaginärteil}{}{} von \definitionsverweis {komplexen Zahlen}{}{} erfüllen folgende Eigenschaften \zusatzklammer {für \mathkork {} {z} {und} {w} {} aus ${\mathbb C}$} {} {.}}
\faktfolgerung {\aufzaehlungfuenf{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z }
{ = }{ \operatorname{Re} \, { \left( z \right) } + \operatorname{Im} \, { \left( z \right) } { \mathrm i} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{Re} \, { \left( z+w \right) } }
{ = }{ \operatorname{Re} \, { \left( z \right) } + \operatorname{Re} \, { \left( w \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{Im} \, { \left( z+w \right) } }
{ = }{ \operatorname{Im} \, { \left( z \right) } + \operatorname{Im} \, { \left( w \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{r }
{ \in }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mathdisp {\operatorname{Re} \, { \left( rz \right) } =r \operatorname{Re} \, { \left( z \right) } \text{ und } \operatorname{Im} \, { \left( rz \right) } =r \operatorname{Im} \, { \left( z \right) }} { . }
}{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z }
{ = }{ \operatorname{Re} \, { \left( z \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} genau dann, wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ \in }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist, und dies ist genau dann der Fall, wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{Im} \, { \left( z \right) } }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 8.9. }





\inputdefinition
{}
{

Die \definitionsverweis {Abbildung}{}{} \maabbeledisp {} {{\mathbb C}} {{\mathbb C} } {z = a+b { \mathrm i} } { \overline{ z } \defeq a-b { \mathrm i} } {,} heißt \definitionswort {komplexe Konjugation}{.}

}

Zu $z$ heißt $\overline{ z }$ die \stichwort {konjugiert-komplexe Zahl} {} von $z$. Geometrisch betrachtet ist die komplexe Konjugation zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einfach die Achsenspiegelung an der reellen Achse.


\inputfaktbeweis
{Komplexe Konjugation/Rechenregeln/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Für die \definitionsverweis {komplexe Konjugation}{}{} gelten die folgenden Rechenregeln \zusatzklammer {für beliebige
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{z,w }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {.}}
\faktfolgerung {\aufzaehlungsechs{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \overline{ z+w } }
{ = }{ \overline{ z } + \overline{ w } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \overline{ -z } }
{ = }{ - \overline{ z } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \overline{ z \cdot w } }
{ = }{ \overline{ z } \cdot \overline{ w } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \overline{ 1/z } }
{ = }{ 1/\overline{ z } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \overline{ \overline{ z } } }
{ = }{ z }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \overline{ z } }
{ = }{ z }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} genau dann, wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ \in }{\R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 8.22. }


\inputfaktbeweis
{Komplexe Zahlen/Konjugation/Realteil Imaginärteil/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {}
\faktvoraussetzung {Für eine \definitionsverweis {komplexe Zahl}{}{} $z$ gelten die folgenden Beziehungen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \overline{ z } }
{ = }{ \operatorname{Re} \, { \left( z \right) } - \operatorname{Im} \, { \left( z \right) } { \mathrm i} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{Re} \, { \left( z \right) } }
{ = }{ \frac{z+ \overline{ z } }{2} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{Im} \, { \left( z \right) } }
{ = }{ \frac{z - \overline{ z } }{2 { \mathrm i} } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe *****. }


Das Quadrat $d^2$ einer reellen Zahl ist stets nichtnegativ, und die Summe von zwei nichtnegativen reellen Zahlen ist wieder nichtnegativ. Zu einer nichtnegativen reellen Zahl $c$ gibt es eine eindeutige nichtnegative \stichwort {Quadratwurzel} {} $\sqrt{c}$, siehe Aufgabe 6.9. Daher liefert folgende Definition eine wohldefinierte nichtnegative reelle Zahl.




\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {komplexen Zahl}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{z }
{ =} {a+b { \mathrm i} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist der \definitionswort {Betrag}{} durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ =} { \sqrt{a^2+b^2} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definiert.

}

Der Betrag einer komplexen Zahl $z$ ist aufgrund des \stichwort {Satzes des Pythagoras} {} der Abstand von $z$ zum Nullpunkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ = }{ (0,0) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Insgesamt ist der Betrag eine Abbildung \maabbeledisp {} {{\mathbb C}} {\R_{\geq 0} } {z} { \betrag { z } } {.}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Eulers_formula.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Euler's formula.svg } {} {Wereon} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}

Die Menge aller komplexen Zahlen mit einem bestimmten Betrag bilden einen Kreis mit dem Nullpunkt als Mittelpunkt und mit dem Betrag als Radius. Insbesondere bilden alle komplexen Zahlen mit dem Betrag $1$ den \stichwort {komplexen Einheitskreis} {.} {Die Zahlen auf dem komplexen Einheitskreis stehen durch die \stichwort {eulersche Formel} {} in Beziehung zur komplexen Exponentialfunktion und zu den trigonometrischen Funktionen, siehe Satz 15.10 und Satz 21.5. Es sei hier erwähnt, dass das Produkt von zwei komplexen Zahlen auf dem Einheitskreis sich ergibt, indem man die zugehörigen Winkel, gemessen von der positiven reellen Achse aus gegen den Uhrzeigersinn, addiert.} {} {}





\inputfaktbeweis
{Komplexe Zahlen/Rechenregeln für Betrag/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {}
\faktvoraussetzung {Für den \definitionsverweis {Betrag}{}{} von \definitionsverweis {komplexen Zahlen}{}{} gelten folgende Eigenschaften.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungacht{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ = }{ \sqrt{ z \ \overline{ z } } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Für reelles $z$ stimmen reeller und komplexer Betrag überein. }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} genau dann, wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z } }
{ = }{ \betrag { \overline{ z } } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { zw } }
{ = }{ \betrag { z } \cdot \betrag { w } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { 1/z } }
{ = }{ 1/\betrag { z } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { \operatorname{Re} \, { \left( z \right) } }, \betrag { \operatorname{Im} \, { \left( z \right) } } }
{ \leq }{ \betrag { z } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { z+w } }
{ \leq }{ \betrag { z } + \betrag { w } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {Dreiecksungleichung} {} {.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir zeigen die Dreiecksungleichung, für die anderen Aussagen siehe Aufgabe 8.11. Zunächst gilt nach (7) für jede komplexe Zahl $u$ die Abschätzung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \operatorname{Re} \, { \left( u \right) } }
{ \leq }{ \betrag { u } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Daher ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Re} \, { \left( z \overline{ w } \right) } }
{ \leq} { \betrag { z } \betrag { w } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} und somit ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \betrag { z+w } ^2 }
{ =} { (z+w)( \overline{ z } + \overline{ w } ) }
{ =} { z \overline{ z } + z \overline{ w } + w \overline{ z } + w \overline{ w } }
{ =} { \betrag { z }^2 + 2 \operatorname{Re} \, { \left( z \overline{ w } \right) } + \betrag { w } ^2 }
{ \leq} { \betrag { z }^2 + 2 \betrag { z } \betrag { w } + \betrag { w } ^2 }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { ( \betrag { z } + \betrag { w } )^2 }
{ } {}
{ } {}
{ } {}
} {}{.} Durch Wurzelziehen ergibt sich die gewünschte Abschätzung.

}

Mit dem Betrag kann man auch die offenen und die abgeschlossenen Kreisscheiben zu einem Mittelpunkt
\mathl{P \in {\mathbb C}}{} und einem Radius
\mathl{b \in \R_+}{} definieren. Man nennt
\mathdisp {B \left( P,b \right) ={ \left\{ z \in {\mathbb C} \mid \betrag { z-P } \leq b \right\} }} { }
die \stichwort {abgeschlossene Kreisscheibe} {} und
\mathdisp {U { \left( P,b \right) } ={ \left\{ z \in {\mathbb C} \mid \betrag { z-P } < b \right\} }} { }
die \stichwort {offene Kreisscheibe} {.}






\zwischenueberschrift{Folgen von komplexen Zahlen}

Mit Hilfe des Betrages kann man für zwei komplexe Zahlen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z_1,z_2 }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} den Abstand durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ d(z_1,z_2) }
{ \defeq} { \betrag { z_1-z_2 } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} erklären. Dieser ist eine nichtnegative reelle Zahl. Mit diesem Abstandsbegriff lässt sich der Konvergenzbegriff für Folgen reeller Zahlen unmittelbar auf Folgen komplexer Zahlen verallgemeinern. Eine Folge komplexer Zahlen $z_n$ setzt sich aus zwei reellen Folgen zusammen: Jedes $z_n$ kann man als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ z_n }
{ =} { x_n + { \mathrm i} y_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} schreiben, wobei eben $x_n$ der Realteil und $y_n$ der Imaginärteil von $z_n$ ist. Dabei gilt die Beziehung, dass die komplexe Folge $z_n$ genau dann konvergiert, wenn die beiden reellen Folgen \mathkor {} {x_n} {und} {y_n} {} in $\R$ konvergieren. Für den Grenzwert gilt dabei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lim_{n \rightarrow \infty} z_n }
{ =} { \lim_{n \rightarrow \infty} x_n + { \mathrm i} \lim_{n \rightarrow \infty} y_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} siehe Aufgabe 8.12.

Mit dieser Beziehung kann man viele Gesetzmäßigkeiten für komplexe Folgen direkt aus der entsprechenden reellen Situation erhalten. Wir erwähnen explizit die folgenden Rechenregeln.

\inputfaktbeweis
{Komplexe Zahlen/Konvergente Folgen/Rechenregeln/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es seien \mathkor {} {{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }} {und} {{ \left( y_n \right) }_{n \in \N }} {} \definitionsverweis {konvergente Folgen}{}{} in ${\mathbb C}$.}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungfuenf{Die Folge
\mathl{{ \left( x_n+y_n \right) }_{ n \in \N }}{} ist konvergent und es gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lim_{n \rightarrow \infty} (x_n+y_n) }
{ =} { ( \lim_{n \rightarrow \infty} x_n) + ( \lim_{n \rightarrow \infty} y_n) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Die Folge
\mathl{{ \left( x_n \cdot y_n \right) }_{ n \in \N }}{} ist konvergent und es gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lim_{n \rightarrow \infty} (x_n \cdot y_n) }
{ =} { ( \lim_{n \rightarrow \infty} x_n) \cdot ( \lim_{n \rightarrow \infty} y_n) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lim_{n \rightarrow \infty} cx_n }
{ =} { c ( \lim_{n \rightarrow \infty} x_n) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lim_{n \rightarrow \infty} x_n }
{ = }{ x }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x_n }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann ist
\mathl{{ \left( \frac{1}{x_n} \right) }_{ n \in \N }}{} ebenfalls konvergent mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lim_{n \rightarrow \infty} { \frac{ 1 }{ x_n } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ x } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lim_{n \rightarrow \infty} x_n }
{ = }{ x }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x_n }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann ist
\mathl{{ \left( { \frac{ y_n }{ x_n } } \right) }_{ n \in \N }}{} ebenfalls konvergent mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lim_{n \rightarrow \infty} { \frac{ y_n }{ x_n } } }
{ =} { { \frac{ \lim_{n \rightarrow \infty} y_n }{ x } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 8.13. }






\zwischenueberschrift{Quadratwurzeln von komplexen Zahlen}

Die imaginäre Einheit ${ \mathrm i}$ hat die wichtige Eigenschaft
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathrm i}^2 }
{ = }{ -1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Das Negative von ${ \mathrm i}$ besitzt die gleiche Eigenschaft, nämlich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ (-{ \mathrm i} )^2 }
{ =} { (-1)^2 { \mathrm i}^2 }
{ =} { -1 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Damit gibt es zu jeder negativen reellen Zahl $-c$ \zusatzklammer {mit $c$ positiv} {} {} in ${\mathbb C}$ die beiden Quadratwurzeln \mathkor {} {\sqrt{c} { \mathrm i}} {und} {- \sqrt{c} { \mathrm i}} {.} Im folgenden Beispiel zeigen wir, dass nicht nur jede reelle Zahl in ${\mathbb C}$ eine Quadratwurzel besitzt, sondern überhaupt jede komplexe Zahl.




\inputbeispiel{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z }
{ = }{ a+b { \mathrm i} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {komplexe Zahl}{}{.} Dann hat die komplexe Zahl
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ u }
{ =} { \frac{1}{ \sqrt{2} } { \left( \sigma \sqrt{ \betrag { z } +a } + { \mathrm i} \sqrt{ \betrag { z }-a } \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit dem Vorzeichen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sigma }
{ =} { \begin{cases} 1, \text{ falls } b \geq 0 \, , \\ -1 \text{ falls } b < 0 \, , \end{cases} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} die Eigenschaft
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ u^2 }
{ =} { z }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Insbesondere besitzt also $z$ zwei Quadratwurzeln, nämlich \mathkor {} {u} {und} {-u} {,} die bei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zusammenfallen.

Wir zeigen dies für den Fall
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{b }
{ \geq} {0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dann ist
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ u^2 }
{ =} { { \left( \frac{1}{\sqrt{2} } { \left( \sqrt{ \betrag { z } +a } + { \mathrm i} \sqrt{ \betrag { z } - a } \right) } \right) }^2 }
{ =} { \frac{1}{2} { \left( \betrag { z } + a - { \left( \betrag { z }-a \right) } + 2 { \mathrm i} \sqrt{ { \left( \betrag { z } +a \right) } { \left( \betrag { z }-a \right) } } \right) } }
{ =} { \frac{1}{2} { \left( 2a + 2 { \mathrm i} \sqrt{ \betrag { z }^2 - a^2 } \right) } }
{ =} { \frac{1}{2} { \left( 2a + 2 { \mathrm i} \sqrt{ b^2 } \right) } }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { \frac{1}{2} { \left( 2a + 2 { \mathrm i} b \right) } }
{ =} { a+b { \mathrm i} }
{ } {}
{ } {}
} {}{.}


}

Daraus ergibt sich, dass innerhalb von ${\mathbb C}$ jede \stichwort {quadratische Gleichung} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ az^2+bz+c }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mathl{a,b,c \in {\mathbb C}, \, a \neq 0}{,} mindestens eine komplexe Lösung besitzt, siehe Aufgabe 8.17.

Ein wichtiger Satz, der sogenannte \stichwort {Fundamentalsatz der Algebra} {} besagt, dass überhaupt jede polynomiale Gleichung
\mathdisp {a_nz^n+a_{n-1}z^{n-1} + \cdots + a_2z^2+a_1z+a_0 =0} { }
mit
\mathl{a_0,a_1 , \ldots , a_n \in {\mathbb C}}{} und mit \mathkor {} {n \geq 1} {und} {a_n \neq 0} {} mindestens eine Lösung in ${\mathbb C}$ besitzt. D.h., dass jedes nichtkonstante Polynom über den komplexen Zahlen eine Nullstelle besitzt. Diesen Satz können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beweisen.