Kurs:Fundamentalgruppe und Vektorbündel (Osnabrück 2011)/Vorlesung 5/latex

\setcounter{section}{5}

Ein \'{e}tale-trivialisierbares Vektorbündel auf einer projektiven Varietät muss starke Bedingungen erfüllen. Es muss semistabil sein, da ja der Rückzug trivial, also insbesondere semistabil ist, und ein destabilisierendes Unterbündel von $E$ direkt zu einem destabilisierenden Unterbündel des zurückgezogenen Bündels führt. Da sich weiter die \zusatzklammer {numerischen} {} {} Chernklassen bei einem endlichen Morphismus mit dem Grad multiplizieren, müssen diese alle $0$ sein. Diese Eigenschaften gelten auch für Bündel, die durch irgendeine endliche Überdeckung trivialisierbar sind.






\zwischenueberschrift{Frobeniusperiodizität und \'{e}tale Trivialisierbarkeit}

In positiver Charakteristik steht die \'{e}tale Trivialisierbarkeit in Zusammenhang mit der Frage, wie sich das Bündel zu seinen Frobeniusrückzügen verhält. Diese Beobachtung geht einerseits auf Katz und andererseits auf Lange-Stuhler zurück.





\inputfaktbeweis
{Endlicher Körper/Glatte projektive Kurve/Vektorbündel/Etale trivialisierbar und Frobenius Periodizität/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {endlicher Körper}{}{} \zusatzklammer {oder der algebraische Abschluss eines endlichen Körpers} {} {} und sei $X$ eine glatte projektive Kurve über $K$. Es sei $E$ ein Vektorbündel über $X$.}
\faktfolgerung {Dann ist $E$ genau dann \'{e}tale trivialisierbar, wenn es ein $n$ gibt mit
\mathl{F^{n*} E \cong E}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{Es sei zunächst $E$ \'{e}tale trivialisierbar und sei \maabbdisp {\rho} { \pi_1^{\rm \acute{e}t}( X, x) } { \operatorname{GL}_{ r } \! { \left( K \right) } } {} die nach Satz 4.2 zugehörige lineare Darstellung. Da diese Zuordnung funktoriell ist, und da der absolute Frobenius auf der \'{e}talen Fundamentalgruppe die Identität ist, aber die Körperelemente durch ihre $p$-te Potenz interpretiert werden müssen, entspricht der Frobenius-Rückzug des Bündels der Darstellung
\mathl{\rho^{(p)}}{,} bei der sämtliche Matrixeinträge durch ihre $p$-te Potenzen ersetzt werden. Das Bild der Darstellung $\rho$ ist eine endliche Untergruppe der
\mathl{\operatorname{GL}_{ r } \! { \left( K \right) }}{,} sodass es einen endlichen Körper
\mathl{{\mathbb F}_{p^e}}{} gibt, in dem sämtliche Einträge der beteiligten Matrizen liegen. Daher stimmen diese Matrizen mit ihren komponentenweise genommenen $p^e$-ten Potenzen überein und daher ist der $e$-te Frobenius-Rückzug des Bündels isomorph zum Ausgangsbündel.}
{}

\teilbeweis {}{}{}
{Es sei umgekehrt
\mathl{F^{e*}E \cong E}{.} Das Vektorbündel $E$ wird durch einen Kozykel \zusatzklammer {ein Verklebedatum} {} {} beschrieben, also eine offene Überdeckung
\mathl{X= \bigcup_{i \in I} U_i}{} und invertierbare Übergangsmatritzen
\mathl{T_{ij} \in \operatorname{GL}_{ r } \! { \left( A_{ij} \right) }}{} mit
\mathl{A_{ij} = \Gamma(U_i \cap U_j, {\mathcal O}_X)}{,} die für drei Indizes verträglich sein müssen. Der $e$-te Frobenius-Rückzug wird durch die Übergangsmatrizen
\mathl{T_{ij}^{(q)}}{} beschrieben, wobei komponentenweise potenziert wird. Die Isomorphie bedeutet, dass es \zusatzklammer {auf einer eventuell verfeinerten offenen affinen Überdeckung} {} {} invertierbare Matrizen
\mathl{M_i \in \operatorname{GL}_{ r } \! { \left( A_i \right) }}{} \zusatzklammer {mit \mathlk{A_i = \Gamma(U_i, {\mathcal O}_X)}{}} {} {} gibt, die die Beziehung \zusatzklammer {das ist die Korandbedingung} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{M_i T_{ij} M_j^{-1} }
{ =} { T_{ij}^{(q)} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} erfüllen. Wir betrachten zu jedem
\mathl{i \in I}{} die zu $A_i$ und $M_i$ in Lemma 4.9 mit Hilfe von Variablentupeln
\mathl{X^{(i)} = X_{ r s }^{(i)}}{} konstruierten \'{e}talen endlichen $A_i$-Algebren $B_i$. Es seien \maabbdisp {} {V_i} {U_i } {} die zugehörigen Überlagerungen. Diese verkleben mittels der Identifizierungen
\mathl{X_{ r s }^{(i)} = T_{ij} X_{ r s }^{(j)}}{} \zusatzklammer {auf $U_i \cap U_j$} {} {} zu einer endlichen \'{e}talen Überlagerung \maabb {\varphi} {Y} {X } {.} Nach Konstruktion hat man die invertierbaren Variablenmatrizen
\mathl{X^{(i)} \in \Gamma(V_i, {\mathcal O}_Y)}{} zur Verfügung und für den zurückgezogenen Kozykel
\mathl{T_{ij}}{} gilt
\mathl{T_{ij} = X^{(i)} \circ (X^{(j)})^{-1}}{.} Der Rückzug des Bündels $E$ nach $Y$ wird durch diesen Kozykel beschrieben und ist daher trivial.}
{}

}





\inputfaktbeweis
{Kommutativer Ring/Positive Charakteristik/X^(p) +XM/Etale Überlagerung/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {Körper}{}{} der \definitionsverweis {positiven Charakteristik}{}{} $p$, sei $A$ eine kommutative $K$-\definitionsverweis {Algebra}{}{} und sei
\mathl{M \in \operatorname{GL}_{ r } \! { \left( A \right) }}{} eine invertierbare
\mathl{r \times r}{-}Matrix mit Einträgen aus $A$. Es sei
\mathl{X=(X_{ s t })_{1 \leq s, t \leq r }}{} eine Variablenmatrix und
\mathdisp {B=A[X, (\det X)^{-1} ]/(X^{(q)} - M X)} { , }
wobei
\mathbed {q=p^e} {}
{e \geq 1} {}
{} {} {} {,} eine Primzahlpotenz und
\mathl{X^{(q)}=(X^q_{ s t })_{1 \leq s, t \leq r }}{} ist.}
\faktfolgerung {Dann ist $B$ eine endliche \'{e}tale $A$-Algebra.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die definierende Matrixgleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{X^{(q)} }
{ =} {MX }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bedeutet
\mathdisp {X_{ s t }^q = \sum_{ k =1}^{ r } m_{s k } X_{ k t}} { . }
Ferner ergibt sich aus der Vertauschbarkeit des Frobeniushomomorphismus mit der Determinante und aus dem Determinantenmultiplikationssatz die Beziehung
\mathdisp {(\det X )^q = \det M \cdot \det X} { }
bzw.
\mathdisp {((\det X)^{-1} )^q = (\det M)^{-1} \cdot (\det X )^{-1}} { . }
Daher kann man die Potenzen
\mathl{X_{ s t }^{ n }}{} und
\mathl{((\det X)^{-1} )^{ n }}{} für
\mathl{n \geq q}{} durch $A$-Linearkombinationen von kleineren Potenzen ausdrücken, sodass $B$ ein endliches $A$-Modul-Erzeugendensystem besitzt. \teilbeweis {}{}{}
{Die Matrixgleichung zeigt ebenfalls, dass die $A$-Algebra
\mathl{\tilde{B} = A [X]/(X^{(q)} - M X)}{} \zusatzklammer {also ohne die Determinante} {} {} \definitionsverweis {frei}{}{} über $A$ ist und damit auch \definitionsverweis {flach}{}{.} Die Flachheit bleibt erhalten, wenn man die Determinante als Nenner aufnimmt.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Zum Beweis, dass eine \'{e}tale Abbildung vorliegt, müssen wir zeigen, dass
\mathl{dX_{ \ell t } =0}{} ist für alle Paare
\mathl{( \ell, t)}{.} Aufgrund der beschreibenden Gleichungen und wegen
\mathl{q=0}{} in $A$ ist
\mathdisp {\sum_{ k = 1}^{ r } m_{s k} dX_{ k t } =0} { }
für alle
\mathl{( s, t )}{.} Es sei
\mathl{C=( c_{ \ell s})}{} die inverse Matrix zu $M$. Dann gilt
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{0 }
{ =} { \sum_{ s = 1}^{ r } c_{ \ell s } ( \sum_{ k = 1}^{ r } m_{ s k } dX_{ k t } ) }
{ =} { \sum_{ k, s } c_{ \ell s } m_{ s k } dX_{ k t } }
{ =} { \sum_{ k = 1}^{ r } ( \sum_{ s = 1}^{ r } c_{ \ell s } m_{ s k } ) dX_{ k t } }
{ =} { dX_{ \ell t } }
} {} {}{,} da bei
\mathl{k \neq \ell}{} die innere Summe gleich $0$ und bei
\mathl{k = \ell}{} die innere Summe gleich $1$ ist.}
{}

}


Es sei \maabbdisp {F} {X} {X } {} der absolute Frobeniusmorphismus. Wenn das Bündel $E$ durch die \'{e}tale Überlagerung \maabb {} {Y} {X } {} trivialisiert, so gilt dies natürlich auch für die Frobeniusrückzüge
\mathl{F^{e*} (E)}{.} Daher sind diese Rückzüge ebenfalls semistabil und erfüllen somit die folgende Definition.


\inputdefinition
{}
{

Ein Vektorbündel $E$ auf einer glatten projektiven Varietät $X$ \zusatzklammer {mit einer Polarisierung ${\mathcal O}_X(1)$, die den Grad festlegt} {} {} heißt \definitionswort {stark semistabil}{,} wenn sämtliche Frobenius-Rückzüge
\mathl{F^{e*}(E)}{} semistabil sind.

}





\inputfaktbeweis
{Endlicher Körper/Glatte projektive Kurve/Stark semistabil/Grad 0/Endlich trivalisierbar/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {endlicher Körper}{}{} \zusatzklammer {oder der algebraische Abschluss eines endlichen Körpers} {} {} und sei $X$ eine glatte projektive Kurve über $K$. Es sei $E$ ein Vektorbündel vom Grad $0$ über $X$.}
\faktuebergang {Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Das Bündel $E$ ist endlich trivialisierbar, d.h. es gibt einen endlichen surjektiven Morphismus \maabbdisp {\varphi} {Y} {X } {} \zusatzklammer {$Y$ ebenfalls eine glatte projektive Kurve} {} {} mit
\mathl{\varphi^*E}{} trivial. }{$E$ ist stark semistabil. }{Es gibt
\mathl{n>m}{} mit
\mathl{F^{n*}E \cong F^{m*}E}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

$(1) \Rightarrow (2)$. Da
\mathl{\varphi^*E}{} trivial ist, gilt dies auch für
\mathl{F^{e *} (\varphi^*E)= \varphi^* ( F^{e *} E)}{.} Daraus folgt, dass die
\mathl{F^{e *}E}{} semistabil sind.
$(2) \Rightarrow (3)$. Das Bündel $E$ ist über einem endlichen Körper definiert. Es gibt aber überhaupt nur endlich viele Isomorphieklassen von semistabilen Vektorbündel vom Grad $0$, die über diesem Körper definiert sind. Daher muss es in der Familie
\mathbed {F^{e*} E} {}
{e \in \N} {}
{} {} {} {,} eine Wiederholung geben.
$(3) \Rightarrow (1)$. Wir schreiben die Voraussetzung als
\mathl{F^{(n-m)*} ( F^{m*} E) \cong F^{m*} E}{.} Aufgrund von Satz 4.8 gibt es eine \'{e}tale Trivialisierung \maabb {\varphi} {Y} {X } {} von $E$. Somit ist
\mathl{\varphi \circ F^m}{} ein endlicher Morphismus, der $E$ trivialisiert.

}

Der Unterschied zwischen der \'{e}talen Fundamentalgruppe und Noris Fundamentalgruppe entspricht zu einem großen Teil der Existenz von Frobeniustrivialisierbaren, aber nicht trivialen Vektorbündeln.




\inputbeispiel{}
{

Es sei
\mathl{d \geq 2}{} und sei $K$ ein Körper der Charakteristik $p$, die die Kongruenzbedingung
\mathl{p = -1 \,\operatorname{mod} \, 2d}{} erfüllt. Dann ist auf der Fermat-Kurve
\mathdisp {X= {\rm Proj}\, K[U,V,W]/(U^{2d} +V^{2d}-W^{2d})} { }
das Syzygienbündel
\mathl{{\rm Syz}(U^2,V^2,W^2)(3)}{} zu seinem ersten Frobenius-Rückzug, also zu
\mathl{F^*( {\rm Syz}(U^2,V^2,W^2)(3) )= {\rm Syz}(U^{2p},V^{2p},W^{2p})(3p)}{} isomorph \zusatzklammer {aber selbst nicht trivial} {} {.} Daher ist es nach Satz 4.8 auch \'{e}tale trivialisierbar. Es gibt auch unendlich viele Charakteristiken, für die das entsprechende Bündel nicht stark semistabil und nicht \'{e}tale trivialisierbar ist. Daher ist das Bündel auch in Charakteristik $0$ nicht \'{e}tale trivialisierbar.


}

Pdf-Version