Kurs:Funktionentheorie (Osnabrück 2023-2024)/Vorlesung 17/latex

\setcounter{section}{17}






\zwischenueberschrift{Singularitäten}




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabbdisp {f} {U \setminus \{a\} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.} Dann sagt man, dass $f$ eine \definitionswort {isolierte Singularität}{} im Punkt $a$ besitzt.

}

In dieser Situation gibt es nach Korollar 16.13 stets eine \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{,} die das Verhalten der Funktion um den Punkt $a$ beschreibt.




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabbdisp {f} {U \setminus \{a\} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.} Man sagt, dass $f$ im Punkt $a$ eine \definitionswort {hebbare}{} \definitionsverweis {Singularität}{}{} besitzt, wenn es eine holomorphe Funktion $\tilde{f}$ auf $U$ gibt, die $f$ fortsetzt.

}

In dieser Situation besitzt die Funktion $f$ im Punkt $a$ einen wohlbestimmten Wert, nämlich den Wert
\mathl{\tilde{f}(a)}{} der holomorphen Fortsetzung $\tilde{f}$. Statt von einer isolierten Singularität spricht man auch von einer Undefiniertheitsstelle oder \zusatzklammer {im nicht hebbaren Fall} {} {} von einer Unstetigkeitsstelle.





\inputfaktbeweis
{Offene Menge/Punkt/Holomorphe Funktion/Hebbare Singularität/Charakterisierung/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabbdisp {f} {U \setminus \{a\} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktuebergang {Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{$f$ besitzt in $a$ eine \definitionsverweis {hebbare Singularität}{}{.} }{$\betrag { f }$ ist in einer offenen Umgebung von $a$ \definitionsverweis {beschränkt}{}{.} }{In der \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{} zu $f$ in $a$ sind alle Koeffizienten zu negativen Indizes gleich $0$. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Äquivalenz von (1) und (2) folgt direkt aus Satz 14.5. Die Äquivalenz von (1) und (3) ist klar, da eine Potenzreihe das gleiche ist wie eine Laurent-Reihe, deren Koeffizienten zu negativen Indizes gleich $0$ sind.

}





\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabbdisp {f} {U \setminus \{a\} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.} Man sagt, dass $f$ im Punkt $a$ einen \definitionswort {Pol}{} besitzt, wenn $f$ keine \definitionsverweis {hebbare Singularität}{}{} ist, und es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \in }{ \N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart gibt, dass
\mathl{(z-a)^n f}{} zu einer holomorphen Funktion auf $U$ fortsetzbar ist.

}

Die folgende Charakterisierung verwendet bereits den Begriff meromorph.




\inputfaktbeweis
{Offene Menge/Punkt/Holomorphe Funktion/Isolierte Singularität/Pol/Charakterisierung/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt und \maabbdisp {f} {U \setminus \{a\} } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{.}}
\faktuebergang {Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungvier{$f$ besitzt in $a$ einen \definitionsverweis {Pol}{}{.} }{$\betrag { f(z) }$ divergiert für $z \rightarrow a$ bestimmt gegen $\infty$. }{In der \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{} zu $f$ in $a$ sind alle Koeffizienten zu Indizes unterhalb eines bestimmten Index gleich $0$, und mindestens ein Koeffizient zu einem negativen Index ist nicht gleich $0$. }{$f$ ist in $a$ \definitionsverweis {meromorph}{}{,} aber nicht holomorph. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei (1) erfüllt, d.h. dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { { \frac{ g(z) }{ (z-a)^n } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einer holomorphen Funktion $g$ auf $U$ und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \in }{ \N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann divergiert $\betrag { f(z) }$ für $z \rightarrow a$ gegen $\infty$, da ja der Zähler konvergiert und der Nenner dieses Verhalten besitzt. Dies ergibt (2). Von (2) nach (1). Wir betrachten die Funktion ${ \frac{ 1 }{ f } }$ auf einer offenen Kreisscheibe von $a$, worauf $f$ keine Nullstelle besitzt. Dies ist eine holomorphe Funktion auf der punktierten Kreisscheibe, deshalb gibt es eine beschreibende Laurent-Reihe,
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ f(z) } } }
{ =} { \sum_{ k \in \Z} d_k (z-a)^k }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Die Voraussetzung bedeutet, dass ${ \frac{ 1 }{ f(z) } }$ für $z \rightarrow a$ gegen $0$ konvergiert. Daher ist nach Satz 14.5 ${ \frac{ 1 }{ f } }$ eine holomorphe Funktion, d.h.
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ f(z) } } }
{ =} { \sum_{ k \in \N} d_k (z-a)^k }
{ =} { (z-a)^m g(z) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit einer holomorphen Funktion $g(z)$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g(a) }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ m }
{ \geq }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Durch invertieren folgt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { (z-a)^{-m} { \frac{ 1 }{ g } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei der rechte Faktor auf einer offenen Umgebung von $a$ definiert und holomorph ist.

Von (1) nach (3). Aus der Darstellung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { { \frac{ g(z) }{ (z-a)^n } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} aus (1) in Verbindung mit der Potenzreihenentwicklung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ g(z) }
{ =} { \sum_{k = 0}^\infty b_k (z-a)^k }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ergibt sich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { \sum_{k = 0}^\infty b_k (z-a)^{k-n} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Unterhalb von Index $-n$ sind alle Koeffizienten gleich $0$, und einer der Koeffizienten zu einem negativen Index muss $\neq 0$ sein, sonst wäre $f$ holomorph. Dies ergibt (3). Von (3) nach (1) ist klar, da man ja eine Laurent-Darstellung der Form
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f(z) }
{ =} { \sum_{k = -n}^\infty c_k (z-a)^k }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mathl{(z-a)^n}{} multiplizieren kann, um eine holomorphe Funktion in $a$ zu erreichen.

Die Äquivalenz von (2) und (4) ergibt sich unmittelbar aus der Definition für meromorph.

}






\zwischenueberschrift{Meromorphe Funktionen}




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine offene Teilmenge. Eine \definitionswort {meromorphe Funktion}{} auf $U$ ist gegeben durch eine \definitionsverweis {diskrete Menge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{D }
{ \subseteq }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und eine \definitionsverweis {holomorphe Funktion}{}{} \maabbdisp {f} {U \setminus D} { {\mathbb C} } {} derart, dass für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ \in }{D }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} der \definitionsverweis {Limes}{}{}
\mathl{\operatorname{lim}_{ z \rightarrow w } \, f(z )}{} in ${\mathbb C}$ existiert oder gleich $\infty$ ist.

}

Mit der Formulierung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{lim}_{ z \rightarrow w } \, f(z) }
{ =} { \infty }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} meint man, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{lim}_{ z \rightarrow w } \, \betrag { f(z) } }
{ =} {+ \infty }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt, und damit meint man, dass es zu jedem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ B }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ R }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart gibt, dass für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ z }
{ \in }{ U { \left( w,R \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { f(z) } }
{ \geq} { B }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt. Dies ist äquivalent dazu, dass für jede Folge $z_n$, die gegen $w$ \definitionsverweis {konvergiert}{}{,} die Bildfolge
\mathl{\betrag { f(z_n) }}{} bestimmt gegen $+ \infty$ \definitionsverweis {divergiert}{}{.} Typische Beispiele für dieses Verhalten sind die inversen Potenzfunktionen
\mathl{{ \frac{ 1 }{ z^n } }}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \geq }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

Man identifiziert meormorphe Funktionen \mathkor {} {f} {und} {g} {} auf $U$, wenn es eine diskrete Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ D }
{ \subseteq }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart gibt, dass beide Funktionen auf
\mathl{U \setminus D}{} holomorph sind und dort übereinstimmen. Für jede meromorphe Funktion $f$ gibt es eine kleines diskrete Menge derart, dass $f$ außerhalb davon definiert ist, siehe Aufgabe 17.7. Meromorphe Funktionen \mathkor {} {f} {und} {g} {} werden miteinander addiert bzw. multipliziert, indem man zu einer Menge
\mathl{U \setminus D}{} übergeht, auf der beide holomorph sind, und dort die Operationen ausführt.





\inputfaktbeweis
{Komplexe Zahlen/Gebiet/Holomorphe Funktionen/Quotient/Meromorphe Funktionen/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Gebiet}{}{} und es seien \maabb {f,g} {U} { {\mathbb C} } {} \definitionsverweis {holomorphe Funktionen}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $f/g$ eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{} auf $U$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nach Satz 14.6 ist die Nullstellenmenge von $g$ diskret. Außerhalb der Nullstellenmenge ist $f/g$ eine holomorphe Funktion. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g(P) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ V }
{ \subseteq }{U }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine offene Umgebung, auf der $g$ außer $P$ keine Nullstelle besitzt und auf der $g$ durch eine Potenzreihe beschreibbar ist. Die beschreibende Potenzreihe hat die Gestalt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{n = 0}^\infty c_n (z-P)^n }
{ =} { (z-P)^k { \left( \sum_{m = 0}^\infty c_{k+m} (z-P)^m \right) } }
{ =} { (z-P)^k h(z) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k }
{ \geq }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c_{k} }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Hierbei ist $h$ eine holomorphe Funktion mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ h(P) }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} also ist auch ${ \frac{ 1 }{ h } }$ holomorph in einer offenen Umgebung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ W }
{ \subseteq }{ V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} von $P$. Auf
\mathl{W \setminus \{P\}}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ f }{ g } } }
{ =} { { \frac{ f }{ (z-P)^k h } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ (z-P)^k } } \cdot { \frac{ f }{ h } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei ${ \frac{ f }{ h } }$ einen wohldefinierten Limes für
\mathl{z \rightarrow P}{} besitzt. Es geht also nur noch um das Limesverhalten von
\mathl{\betrag { { \frac{ 1 }{ w^k } } }}{} für $w \rightarrow 0$. Dieser Limes ist aber $\infty$.

}


Insbesondere sind rationale Funktionen meromorphe Funktionen auf ${\mathbb C}$. Die Funktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ e^z } } }
{ =} { e^{-z} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist holomorph, aber nicht rational, die Funktion
\mathl{{ \frac{ 1 }{ \sin z } }}{} ist meromorph, aber nicht holomorph und auch nicht rational. Es ist eine nichttriviale Aussage, dass man jede meromorphe Funktion als einen Quotienten von zwei holomorphen Funktionen auf $U$ schreiben kann.

Die folgende Aussage heißt \stichwort {Identitätssatz für meromorphe Funktionen} {.}

\inputfaktbeweis
{Komplexe Zahlen/Gebiet/Meromorphe Funktionen/Identitätssatz/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Gebiet}{}{} und es seien \maabb {f,g} {U} { {\mathbb C} } {} \definitionsverweis {meromorphe Funktionen}{}{} auf $U$. Es sei $D$ die Menge der Polstellen von $f$ oder von $g$.}
\faktvoraussetzung {Die Übereinstimmungsmenge
\mathl{{ \left\{ z \in U \setminus D \mid f(z) = g(z) \right\} }}{} habe einen \definitionsverweis {Häufungspunkt}{}{} in $U$.}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ = }{ g }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 17.21. }





\inputfaktbeweis
{Komplexe Zahlen/Gebiet/Meromorphe Funktionen/Körper/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ G }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Gebiet}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist die Menge der \definitionsverweis {meromorphen Funktionen}{}{} auf $G$ mit den natürlichen Verknüpfungen ein \definitionsverweis {Körper}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es ist klar, dass ein \definitionsverweis {kommutativer Ring}{}{} vorliegt. Es sei $f$ eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{} $\neq 0$ auf $G$, die auf $G \setminus D$ holomorph sei. Nach Satz 14.6 ist die Nullstellenmenge $E$ von $f$ innerhalb von $G \setminus D$ diskret. Somit ist $f^{-1}$ auf
\mathl{G \setminus { \left( D \cup E \right) }}{} nach Lemma 1.7 holomorph und aus den Nullstellen von $f$ werden Polstellen und umgekehrt.

}






\zwischenueberschrift{Laurent-Entwicklung einer meromorphen Funktion}




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Gebiet}{}{} und \maabb {f} {U } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{} $\neq 0$. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Man nennt die \definitionsverweis {Laurent-Entwicklung}{}{} der auf einer offenen Kreisscheibenumgebung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U { \left( P,r \right) } \setminus \{P\} }
{ \subseteq }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definierten \definitionsverweis {holomorphen Funktion}{}{} $f$ in $P$ die \definitionswort {Laurent-Entwicklung}{} von $f$ in $P$.

}





\inputfaktbeweis
{Meromorphe Funktion/C/Punkt/Laurent-Entwicklung/Negativ endlich/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Gebiet}{}{,} \maabb {f} {U } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{} $\neq 0$ und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann besitzt die \definitionsverweis {Laurent-Reihe}{}{} zu $f$ in $P$ die Form
\mathl{\sum_{ n = k}^\infty c_n (z-P)^n}{} mit einem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k }
{ \in }{ \Z }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt aus Lemma 17.5.

}


Dieser Sachverhalt ermöglicht die folgende Definition.


\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Gebiet}{}{} und \maabb {f} {U } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{} $\neq 0$. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und sei
\mathl{\sum_{n \in \Z} c_n (z-P)^n}{} die \definitionsverweis {Laurent-Entwicklung}{}{} von $f$ in $P$. Dann nennt man das minimale $k$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c_k }
{ \neq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die \definitionswort {Ordnung}{} von $f$ in $P$. Sie wird mit
\mathl{\operatorname{ord}_{ P } { \left( f \right) }}{} bezeichnet.

}






\inputbemerkung
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Gebiet}{}{,} \maabb {f} {U } { {\mathbb C} } {} eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{} $\neq 0$ und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Die \definitionsverweis {Ordnung}{}{} von $f$ in $P$ ist eine ganze Zahl, man spricht auch von der \stichwort {Nullstellenordnung} {,} wobei diese Bezeichnung insbesondere bei positiver Ordnung verwendet wird. Die Ordnung ist $\geq 0$ genau dann, wenn $f$ holomorph in $P$ ist. Anderfalls ist die Ordnung negativ und es liegt ein \definitionsverweis {Pol}{}{} vor. In diesem Fall nennt man das Negative der \zusatzklammer {negativen} {} {} Ordnung die \stichwort {Polordnung} {} von $f$ in $P$, diese ist also positiv. Wenn man von einem Pol der Ordnung $5$ spricht, so meint man, dass ein Pol der Polordnung $5$ vorliegt, die Ordnung ist also $-5$.

}




\inputbeispiel{}
{

Der Tangens
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \tan z }
{ =} { { \frac{ \sin z }{ \cos z } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist nach Lemma 17.7 eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{} auf ${\mathbb C}$. Die Nullstellen des Kosinus sind
\mathl{{ \frac{ \pi }{ 2 } } + \Z \pi}{,} da der Sinus in diesen Punkten keine Nullstelle besitzt, hat der Tangens in diesen Punkten einen \definitionsverweis {Pol}{}{.} Da die Nullstellenordnung des Kosinus in den Nullstellen gleich $1$ ist, ist die Polstellenordnung des Tangens gleich $1$, der Tangens besitzt also in diesen Punkten die Ordnung $-1$. In den Punkten
\mathl{\Z \pi}{,} den Nullstellen des Sinus, besitzt der Tangens die Ordnung $1$, in allen weiteren Punkten die Ordnung $0$.


}

Die Konzepte \definitionsverweis {Hauptteil}{}{} und \definitionsverweis {Nebenteil}{}{} einer Laurent-Reihe sind insbesondere für meromorphe Funktionen relevant.


\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine offene Teilmenge und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Zu einer \definitionsverweis {meromorphen Funktion}{}{} auf $U$ mit der \definitionsverweis {Laurent-Entwicklung}{}{}
\mathl{\sum_{n \in \Z } c_n (z-P)^n}{} nennt man
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \sum_{n \in \Z_-} c_n (z-P)^n }
{ = }{ \sum_{n = k}^{-1} c_n (z-P)^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} den \definitionswort {Hauptteil}{} der Funktion in $P$.

}

Der Hauptteil einer meromorphen Funktion in einem Punkt $P$ ist insbesondere ein Laurent-Polynom.




\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine offene Teilmenge und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Zu einer \definitionsverweis {meromorphen Funktion}{}{} auf $U$ mit der \definitionsverweis {Laurent-Entwicklung}{}{}
\mathl{\sum_{ n \in \Z} c_n (z-P)^n}{} nennt man
\mathl{\sum_{n \in \N } c_n (z-P)^n}{} den \definitionswort {Nebenteil}{} der Funktion in $P$.

}