Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2022-2023)/Teil II/Vorlesung 48/latex

\setcounter{section}{48}






\zwischenueberschrift{Intervallschachtelungen}

Eine weitere Möglichkeit, reelle Zahlen zu beschreiben, einzuführen, zu approximieren und rechnerisch zu handhaben, wird durch Intervallschachtelungen gegeben.




\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Illustration nested intervals.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Illustration nested intervals.svg } {} {Stephan Kulla} {Commons} {CC-by sa 3.0} {}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {angeordneter Körper}{}{.} Eine Folge von abgeschlossenen \definitionsverweis {Intervallen}{}{}
\mathdisp {I_n =[a_n ,b_n], \, n \in \N} { , }
in $K$ heißt eine \definitionswort {Intervallschachtelung}{,} wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ I_{n+1} }
{ \subseteq }{ I_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{\N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist und wenn die Folge der Intervalllängen, also
\mathdisp {{ \left( b_n-a_n \right) }_{ n \in \N }} { , }
gegen $0$ \definitionsverweis {konvergiert}{}{.}

}

Die Intervalllängen müssen also insbesondere eine fallende Nullfolge bilden. Es wird nicht eine bestimmte Geschwindigkeit dieser Konvergenz verlangt. Die \stichwort {Intervallhalbierung} {} ist eine spezielle Intervallschachtelung, bei der man zusätzlich verlangt, dass das folgende Intervall jeweils die untere oder die obere Hälfte des Vorgängerintervalls ist. Zu einer \definitionsverweis {Dezimalbruchfolge}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_n }
{ =} { { \frac{ a_n }{ 10^ n } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gehört die Intervallschachtelung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ I_n }
{ =} { [ { \frac{ a_n }{ 10^n } } , { \frac{ a_n+1 }{ 10^n } } ] }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Hier ist $x_n$ der untere Rand des Intervalls $I_n$ und es gilt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x_{n+1} }
{ \in }{ I_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {und wobei zusätzlich ausgeschlossen ist, dass $x_{n+1}$ der rechte Rand von $I_n$ ist} {} {.} Die Intervalllängen sind hier
\mathl{{ \frac{ 1 }{ 10^n } }}{.}

Die Vollständigkeit der reellen Zahlen wirkt sich auf Intervallschachtelungen folgendermaßen aus.




\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Intervallschachtelung/Punkt/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mathbed {I_n} {}
{n \in \N} {}
{} {} {} {,} eine \definitionsverweis {Intervallschachtelung}{}{} in $\R$.}
\faktfolgerung {Dann besteht der Durchschnitt
\mathdisp {\bigcap_{n \in \N} I_n} { }
aus genau einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {Eine reelle Intervallschachtelung bestimmt also genau eine reelle Zahl.}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x_n }
{ \in }{ I_n }
{ = }{ [a_n,b_n] }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} beliebig gewählt. Wir behaupten, dass dies eine \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{} ist. Zu gegebenem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} sei $n_0$ derart, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{b_{n_0}- a_{n_0} }
{ \leq} {\epsilon }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ \geq }{n }
{ \geq }{n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist dann
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_m-x_n } }
{ \leq} {b_n-a_n }
{ \leq} {\epsilon }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} da ja
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x_m,x_n }
{ \in }{ I_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Es sei $x$ der Limes dieser Cauchy-Folge. Wäre
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \notin }{I_m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für ein $m$, so wäre
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x }
{ <} {a_m }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} \zusatzklammer {oder \mathlk{x > b_m}{}} {} {,} doch wegen der Konvergenz der Folge gegen $x$ würden dann auch die Folgenglieder für $n$ hinreichend groß echt unterhalb von $a_m$ und damit von $a_n$ liegen, im Widerspruch zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x_n }
{ \in }{ I_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Also ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{\bigcap_{n \in \N} I_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Würden zwei Zahlen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ < }{y }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} zum Durchschnitt aller Intervalle gehören, so wäre
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y-x }
{ \leq} { b_n-a_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle $n$ im Widerspruch dazu, dass die Intervalllängen gegen $0$ konvergieren.

}


Der Beweis zeigt, dass jede Folge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x_n }
{ \in }{ I_n }
{ = }{ [a_n,b_n] }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gegen die gleiche durch die Intervallschachtelung definierte Zahl konvergiert. Dies gilt insbesondere für die Folge der unteren und die Folge der oberen Intervallgrenzen.






\zwischenueberschrift{Dedekindsche Schnitte}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Dedekind.jpeg} }
\end{center}
\bildtext {Richard Dedekind (1831-1916)} }

\bildlizenz { Dedekind.jpeg } {unbekannt} {Jean-Luc W} {Commons} {PD} {http://dbeveridge.web.wesleyan.edu/wescourses/2001f/chem160}




\inputdefinition
{}
{

Unter einem \definitionswort {Dedekindschen Schnitt}{} versteht man ein Paar
\mathl{(A,B)}{} bestehend aus Teilmengen der rationalen Zahlen, die folgende Eigenschaften erfüllen. \aufzaehlungvier{$A$ und $B$ sind nicht leer. }{
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{A \uplus B }
{ =} {\Q }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} d.h. es liegt eine Zerlegung der Menge aller rationalen Zahlen in zwei Teilmengen vor. }{Für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ A }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ y }
{ \in }{ B }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ < }{y }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }{Zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ A }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x' }
{ \in }{ A }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x' }
{ > }{x }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }

}






\inputbemerkung
{}
{

Die Mengen \mathkor {} {A} {bzw.} {B} {} heißen auch die Untermenge bzw. Obermenge des \definitionsverweis {Dedekindschen Schnittes}{}{.} Sie legen sich wegen der Bedingung (2) gegenseitig fest. Jede reelle Zahl
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {und auch jedes Element in einem \definitionsverweis {angeordneten Körper}{}{}} {} {} definiert einen Dedekindschen Schnitt, indem man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{A }
{ \defeq} { { \left\{ q \in \Q \mid q < z \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{B }
{ \defeq} { { \left\{ q \in \Q \mid q \geq z \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} setzt. Die Eigenschaften sind erfüllt, wie eine direkte Überprüfung zeigt. Man spricht von einem \stichwort {Punktschnitt} {.} Ob ein Dedekindscher Schnitt ein Punktschnitt ist, hängt wesentlich vom Körper ab. Der durch $\sqrt{5}$ definierte Dedekindsche Schnitt ist in $\R$ ein Punktschnitt, in $\Q$ aber nicht.

}

Die Vollständigkeit der reellen Zahlen hat folgende Auswirkungen auf die Dedekindschen Schnitte.




\inputfaktbeweis
{Dedekindscher Schnitt/Reeller Punktschnitt/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {In den \definitionsverweis {reellen Zahlen}{}{} ist jeder \definitionsverweis {Dedekindsche Schnitt}{}{}
\mathl{(A,B)}{}}
\faktfolgerung {ein Punktschnitt, d.h. es gibt ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ A }
{ =} { { \left\{ q \in \Q \mid q < x \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es seien \mathkor {} {a \in A} {und} {b \in B} {.} Wir definieren rekursiv eine \definitionsverweis {Intervallschachtelung}{}{}
\mathl{[a_n,b_n]}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a_n }
{ \in }{ A }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ b_n }
{ \in }{ B }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wir setzen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a_0 }
{ \defeq }{a }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{b_0 }
{ \defeq }{b }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wenn $a_n$ und $b_n$ schon definiert sind, so setzen wir
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{a_{n+1} }
{ =} { \begin{cases} { \frac{ a_n +b_n }{ 2 } } , \text{ falls } { \frac{ a_n +b_n }{ 2 } } \in A \, , \\ a_n \text{ sonst} \, , \end{cases} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{b_{n+1} }
{ =} { \begin{cases} b_n , \text{ falls } { \frac{ a_n +b_n }{ 2 } } \in A\, , \\ { \frac{ a_n +b_n }{ 2 } } \text{ sonst} \, . \end{cases} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} Damit ist stets
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a_n }
{ \in }{ A }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ b_n }
{ \in }{ B }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und insbesondere
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a_n }
{ < }{ b_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die Folgen sind wachsend bzw. fallend und die Intervalllänge wird in jedem Schritt halbiert. Somit liegt eine Intervallschachtelung vor. Nach Satz 48.2 gibt es genau eine reelle Zahl $x$, die in allen Intervallen
\mathl{[a_n,b_n]}{} liegt. Wir behaupten, dass dieses $x$ der trennende Punkt ist, d.h. wir müssen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{A }
{ =} { { \left\{ q \in \Q \mid q< x \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} zeigen. Es sei zunächst
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{q }
{ \in }{A }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{q }
{ < }{b_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für jedes $n$ und somit ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{q }
{ \leq }{ \lim_{n \rightarrow \infty} b_n }
{ = }{ x }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Da $A$ mit $q$ auch noch größere Elemente enthält, sagen wir
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{q }
{ < }{q' }
{ \in }{A }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} gilt sogar
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{q }
{ < }{q' }
{ \leq }{x }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wenn dagegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{q }
{ \notin }{ A }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ q }
{ \in }{ B }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist, so zeigt die gleiche Argumentation mit vertauschten Rollen die Beziehung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{q }
{ \geq }{x }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}







\inputbemerkung
{}
{

Mit den \definitionsverweis {Dedekindschen Schnitten}{}{} kann man, wie mit \definitionsverweis {Cauchy-Folgen}{}{,} die reellen Zahlen konstruieren; Bei diesem Zugang definiert man direkt die reellen Zahlen als die Menge aller Dedekindschen Schnitte. Man muss dann natürlich auf der Ebene der Schnitte eine Addition, eine Multiplikation und eine Ordnungsrelation einführen und die gewünschten Eigenschaften nachweisen, siehe Aufgabe 48.13, Aufgabe 48.14, Aufgabe 48.15, Aufgabe 48.16. Dies ist ein gangbarer Weg. Der Vorteil liegt darin, dass es direkt eine Korrespondenz zwischen Dedekindschen Schnitten und den reellen Zahlen gibt, man muss nicht verschiedene Darstellungen \zusatzklammer {mit Hilfe einer Äquivalenzrelation} {} {} identifizieren. Der Nachteil ist, das Dedekindsche Schnitte abgesehen von dieser Konstruktion keine wichtige Rolle in der Mathematik spielen, während Folgen und Intervallschachtelungen überall in der Mathematik begegnen. Auch der rechnerisch-approximative Aspekt ist bei Dedekindschen Schnitten nicht wirklich vorhanden.

}






\zwischenueberschrift{Existenz der Wurzeln}

Die Vollständigkeit der reellen Zahlen sichert auch die Existenz einer eindeutig bestimmten Wurzel für eine nichtnegative reelle Zahl. Für Quadratwurzeln folgt dies auch aus Lemma 45.5  (1).





\inputfaktbeweis
{Reelle positive Zahl/Wurzeln/Eindeutige Existenz/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {}
\faktvoraussetzung {Zu jeder nichtnegativen \definitionsverweis {reellen Zahl}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{\R_{\geq 0} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und jedem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{k }
{ \in }{ \N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}}
\faktfolgerung {gibt es eine eindeutige nichtnegative reelle Zahl $x$ mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x^k }
{ =} {c }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir betrachten den Dedekindschen Schnitt
\mathl{(A,B)}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{A }
{ =} { { \left\{ q \in \Q_{\geq 0} \mid q^k < c \right\} } \cup \Q_{-} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{B }
{ =} { { \left\{ q \in \Q_{\geq 0} \mid q^k \geq c \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Die Eigenschaften eines Dedekindschen Schnittes beruhen hierbei darauf, dass $\geq$ eine totale Ordnung ist, auf dem Archimedes-Axiom, auf Lemma 19.13  (8) und auf dem binomischen Lehrsatz, siehe Aufgabe 48.18. Nach Satz 48.5 gibt es somit ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{A }
{ =} { { \left\{ q \in \Q \mid q <x \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wir behaupten
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x^k }
{ =} { c }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dies ergibt sich, da die beiden Annahmen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x^k }
{ < }{c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} bzw.
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x^k }
{ > }{c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} jeweils zu einem Widerspruch führen.

}





\inputdefinition
{}
{

Zu einer nichtnegativen \definitionsverweis {reellen Zahl}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{ \R_{\geq 0} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{k }
{ \in }{\N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} bezeichnet man mit
\mathl{\sqrt[k]{c}}{} diejenige nichtnegative reelle Zahl, deren $k$-te \definitionsverweis {Potenz}{}{} gleich $c$ ist.

}

Statt $\sqrt[k]{c}$ schreibt man auch $c^{ { \frac{ 1 }{ k } } }$. Auf der eindeutigen Existenz von Wurzeln aus positiven reellen Zahlen beruht auch das \stichwort {Potenzprinzip} {,} mit dem man in der Regel die Gleichheit von Wurzelausdrücken begründet: Zwei positive Zahlen stimmen bereits dann überein, wenn eine gewisse gleichnamige Potenz von ihnen übereinstimmt. Dieses Prinzip findet im Beweis der nächsten Aussage Verwendung.





\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Wurzeln/Algebraische Eigenschaften/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es seien
\mathl{a,b}{} positive reelle Zahlen und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m,n }
{ \in }{ \N_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten die folgenden Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\sqrt[m] { \sqrt[n] {b} } }
{ =} { \sqrt[mn]{b} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sqrt[m]{ab} }
{ =} { \sqrt[m]{a} \sqrt[m]{b} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }{Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sqrt[m]{b^{-1} } }
{ =} { { \left( \sqrt[m]{b} \right) }^{-1} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wegen der Eindeutigkeit der Wurzeln stimmen zwei positive reellen Zahlen überein, sobald eine gewisse Potenz davon übereinstimmt. Damit kann man die Aussagen auf die Potenzgesetze mit ganzzahligen Exponenten zurückführen. \aufzaehlungdrei{Es ist unter Verwendung von Lemma 23.12  (4)
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( \sqrt[m]{ \sqrt[n] {b} } \right) }^{mn} }
{ =} { { \left( { \left( \sqrt[m]{\sqrt[n] {b} } \right) }^{m} \right) }^n }
{ =} { { \left( \sqrt[n] {b} \right) }^n }
{ =} { b }
{ } { }
} {}{}{,} was auch herauskommt, wenn man von der rechten Seite die $mn$-te Potenz nimmt. }{Nach Lemma 23.12  (5) ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( \sqrt[m]{a} \sqrt[m]{b} \right) }^m }
{ =} { { \left( \sqrt[m]{a} \right) }^m { \left( \sqrt[m]{b} \right) }^m }
{ =} { ab }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} was auch links herauskommt. }{Dies folgt aus Teil (2) mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ = }{b^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }

}





\inputdefinition
{}
{

Zu zwei nichtnegativen \definitionsverweis {reellen Zahlen}{}{} \mathkor {} {x} {und} {y} {} heißt
\mathdisp {\sqrt{ x \cdot y}} { }
das \definitionswort {geometrische Mittel}{.}

}






\zwischenueberschrift{Die eulersche Zahl e}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Intervallschachtelung_e.gif} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Intervallschachtelung e.gif } {} {Caldrac} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}

Wir besprechen eine Beschreibung der sogenannten \stichwort {eulerschen Zahl} {} $e$.




\inputfaktbeweis
{Intervallschachtelung/Eulersche Zahl/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {}
\faktfolgerung {Die Intervalle
\mathbed {I_n=[a_n,b_n]} {}
{n \geq 1} {}
{} {} {} {,} mit den Grenzen
\mathdisp {a_n= { \left( 1+ \frac{1}{n} \right) }^n \text{ und } b_n = { \left( 1+ \frac{1}{n} \right) }^{n+1}} { }
definieren eine \definitionsverweis {Intervallschachtelung}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ 1 + { \frac{ 1 }{ n } } }
{ > }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist klar, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a_n }
{ <} { a_n { \left( 1+ { \frac{ 1 }{ n } } \right) } }
{ =} { b_n }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist, sodass also wirklich Intervalle vorliegen.}
{} \teilbeweis {Um zu zeigen, dass die Intervalle ineinander liegen, zeigen wir, dass die unteren Grenzen wachsend und die oberen Grenzen fallend sind.\leerzeichen{}}{}{}
{Wir betrachten zuerst
\mathl{{ \left( a_n \right) }_{n \in \N }}{.} Aufgrund der Bernoulli-Ungleichung gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( 1- \frac{1}{n^2} \right) }^n }
{ \geq} {1- n \frac{1}{n^2} }
{ =} {1- \frac{1}{n} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dies schreiben wir als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\frac{n-1}{n} }
{ \leq} { { \left( \frac{n^2-1}{n^2} \right) }^n }
{ =} { { \left( \frac{n+1}{n} \cdot \frac{n-1}{n} \right) }^n }
{ =} { { \left( \frac{n+1}{n} \right) }^n { \left( \frac{n-1}{n} \right) }^n }
{ } { }
} {}{}{.} Daraus ergibt sich durch beidseitige Multiplikation mit
\mathl{{ \left( \frac{ n}{n-1} \right) }^n}{} \zusatzklammer {es sei
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ n }
{ \geq }{ 2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {.} {} die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{a_{n-1} }
{ =} { { \left( \frac{n}{n-1} \right) }^{n-1} }
{ \leq} { { \left( \frac{n+1}{n} \right) }^n }
{ =} {a_n }
{ } { }
} {}{}{.}

Für die oberen Intervallgrenzen $b_n$ ergibt die Bernoullische Ungleichung die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{{ \left( 1+ \frac{1}{n^2-1} \right) }^n }
{ \geq} {1+ \frac{n}{n^2-1} }
{ \geq} {1+ \frac{1}{n} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daraus folgt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{1+ \frac{1}{n} }
{ \leq} { { \left( \frac{n^2}{n^2-1} \right) }^n }
{ =} { { \left( \frac{n}{n-1} \cdot \frac{n}{n+1} \right) }^n }
{ =} { { \left( \frac{n}{n-1}\right)^n \left( \frac{n}{n+1} \right) }^{n} }
{ } { }
} {}{}{.} Durch beidseitige Multiplikation mit
\mathl{{ \left( \frac{n+1}{n} \right) }^n}{} ergibt sich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{b_n }
{ =} { { \left( \frac{n+1}{n} \right) }^{n+1} }
{ \leq} { { \left( \frac{n}{n-1} \right) }^{n} }
{ =} { b_{n-1} }
{ } { }
} {}{}{.}}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Wir betrachten schließlich die Intervalllängen. Diese sind
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{b_n-a_n }
{ =} { a_n { \left( 1+ { \frac{ 1 }{ n } } \right) } -a_n }
{ =} { a_n { \frac{ 1 }{ n } } }
{ \leq} { { \frac{ b_1 }{ n } } }
{ } { }
} {}{}{} und konvergieren somit gegen $0$.}
{}  Also liegt insgesamt eine Intervallschachtelung vor.

}







\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Leonhard_Euler_by_Handmann_.png} }
\end{center}
\bildtext {Leonhard Euler (1707-1783)} }

\bildlizenz { Leonhard Euler by Handmann .png } {Emanuel Handmann} {QWerk} {Commons} {PD} {http://www.euler-2007.ch/doc/Bild0015.pdf}

Durch diese \definitionsverweis {Intervallschachtelung}{}{} ist aufgrund von Satz 48.2 eindeutig eine reelle Zahl bestimmt.




\inputdefinition
{}
{

Die reelle Zahl
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{e }
{ \defeq} { \lim_{n \rightarrow \infty} { \left( 1+ { \frac{ 1 }{ n } } \right) }^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} heißt \definitionswort {Eulersche Zahl}{.}

}

Ihr numerischer Wert ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{e }
{ =} {2{,}718281828459 { \ldots } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}






\inputbemerkung
{}
{

Eine wichtige alternative Möglichkeit, die \definitionsverweis {eulersche Zahl}{}{} festzulegen, ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{e }
{ \defeq} { \sum_{k = 0}^\infty { \frac{ 1 }{ k! } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} d.h. die Zahl
\mathdisp {\lim_{n \rightarrow \infty} { \left( 1+ { \frac{ 1 }{ n } } \right) }^n} { }
stimmt mit der Zahl
\mathdisp {1+1+ { \frac{ 1 }{ 2 } } + { \frac{ 1 }{ 6 } } + { \frac{ 1 }{ 24 } } + { \frac{ 1 }{ 120 } } + { \frac{ 1 }{ 720 } } + \ldots} { }
überein. Es ist nicht so einfach, die Übereinstimmung dieser beiden Definitionen zu zeigen. Die Konvergenz in der Reihenentwicklung ist deutlich schneller.

}