Kurs:Stochastik/Normalverteilung

Einführung Bearbeiten

Die Normal- oder Gauß-Verteilung (nach Carl Friedrich Gauß) ist in der Stochastik ein wichtiger Typ stetiger Wahrscheinlichkeitsverteilungen. Ihre Wahrscheinlichkeitsdichte wird auch Gauß-Funktion, Gaußsche Normalverteilung, Gaußsche Verteilungskurve, Gauß-Kurve, Gaußsche Glockenkurve, Gaußsche Glockenfunktion, Gauß-Glocke oder schlicht Glockenkurve genannt.

Bedeutung der Normalverteilung Bearbeiten

Die besondere Bedeutung der Normalverteilung beruht unter anderem auf dem zentralen Grenzwertsatz, dem zufolge Verteilungen, die durch additive Überlagerung einer großen Zahl von unabhängigen Einflüssen entstehen, unter schwachen Voraussetzungen annähernd normalverteilt sind.

Normalverteilte Abweichung vom Erwartungswert Bearbeiten

Die Abweichungen der Messwerte vieler natur-, wirtschafts- und ingenieurwissenschaftlicher Vorgänge vom Erwartungswert lassen sich durch die Normalverteilung (bei biologischen Prozessen oft logarithmische Normalverteilung) entweder exakt oder zumindest in sehr guter Näherung beschreiben (vor allem Prozesse, die in mehreren Faktoren unabhängig voneinander in verschiedene Richtungen wirken).

Beispiele für die Beschreibung zufälliger Vorgänge Bearbeiten

Zufallsvariablen mit Normalverteilung benutzt man zur Beschreibung zufälliger Vorgänge wie:

Versicherungsmathematik - Schadensdaten Bearbeiten

In der Versicherungsmathematik ist die Normalverteilung geeignet zur Modellierung von Schadensdaten im Bereich mittlerer Schadenshöhen.

Standardabweichung Bearbeiten

Die Standardabweichung   beschreibt die Breite der Normalverteilung. Die Halbwertsbreite einer Normalverteilung ist das ungefähr  -Fache (genau  ) der Standardabweichung.

Verteilung der Messwerte auf Intervalle Bearbeiten

Die Verteilung der Messwerte auf Intervalle kann man unter zwei verschiedenen Bezüge zwischen Standardabweichung und prozentualem Anteil der Messwerte angeben:

  • ausgehend von Vielfachen  , Standardabweichung   den prozentualen Anteil angeben, den das Intervall  
  • ausgehend von einem prozentualem Anteil der Messwerte, die in einem Intervall   sind, das zugehörigen   angeben.
Vielfachen Standardabweichung Bearbeiten

Bezogen auf den Verteilungsparameter der Standardabweichung   gilt näherungsweise:

  • Im Intervall der Abweichung   vom Erwartungswert sind 68,27 % aller Messwerte zu finden,
  • Im Intervall der Abweichung   vom Erwartungswert sind 95,45 % aller Messwerte zu finden,
  • Im Intervall der Abweichung   vom Erwartungswert sind 99,73 % aller Messwerte zu finden.
Prozentualer Anteil der Messdaten Bearbeiten

Und ebenso lassen sich umgekehrt für gegebene Wahrscheinlichkeiten die maximalen Abweichungen vom Erwartungswert finden:

  • 50 % aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens   vom Erwartungswert,
  • 90 % aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens   vom Erwartungswert,
  • 95 % aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens   vom Erwartungswert,
  • 99 % aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens   vom Erwartungswert.

Interpretation Erwartungswert und Standardabweichung Bearbeiten

Somit kann neben dem Erwartungswert  , der als Schwerpunkt der Verteilung interpretiert werden kann, auch der Standardabweichung eine einfache Bedeutung im Hinblick auf die Größenordnungen der auftretenden Wahrscheinlichkeiten bzw. Häufigkeiten zugeordnet werden.

Definition - Normalverteilung Bearbeiten

Eine stetige Zufallsvariable   hat eine (Gauß- oder) Normalverteilung mit Erwartungswert   und Varianz   ( ), oft geschrieben als  , wenn   die folgende Wahrscheinlichkeitsdichte hat:[1][2]

 
 

Glockenkurve Bearbeiten

Der Graph dieser Dichtefunktion hat eine „glockenförmige Gestalt“ und ist symmetrisch mit dem Parameter   als Symmetriezentrum, der auch den w:de:ErwartungswertErwartungswert und den Median der Verteilung darstellt. Die Varianz von   ist der Parameter  . Weiterhin hat die Wahrscheinlichkeitsdichte Wendepunkte bei  .

Numerische Berechnung von Wahrscheinlichkeiten Bearbeiten

Die Funktionswert der Verteilungsfunktion über die Dichtefunktion kann numerisch berechnen.

Standardnormalverteilungstabelle Bearbeiten

Die Wahrscheinlichkeiten können mithilfe einer Standardnormalverteilungstabelle berechnet werden, die eine Standardform verwendet. Um das zu sehen, benutzt man die Tatsache, dass eine lineare Funktion einer normalverteilten Zufallsvariablen selbst wieder normalverteilt ist.

Lineare Transformation normalverteilter Zufallsvariablen Bearbeiten

Konkret heißt das, wenn   und  , wobei   und   Konstanten sind mit  , dann gilt  . Als Folgerung daraus ergibt sich die Zufallsvariable[3]

 

die auch standardnormalverteilte Zufallsvariable   genannt wird.

Definition - Standardnormalverteilung Bearbeiten

Die Standardnormalverteilung ist also die Normalverteilung mit Parametern   und  . Die Dichtefunktion der Standardnormalverteilung ist gegeben durch

 

Ihr Verlauf ist nachfolgend graphisch dargestellt.

Graph der Dichtefunktion Bearbeiten

 

Mehrdimensionale Normalverteilung Bearbeiten

Die mehrdimensionale Verallgemeinerung ist im Artikel mehrdimensionale Normalverteilung zu finden.

 
mehrdimensionale (multivariate) Normalverteilung

Definition - Verteilungsfunktion Bearbeiten

Bei intergrablen Wahrscheinlichkeitsdichten   ist die eindimensionale Verteilungsfunktion wie folgt definiert:

 

Graph der Verteilungsfunktion Bearbeiten

 

Eigenschaften Bearbeiten

Verteilungsfunktion Bearbeiten

Die Verteilungsfunktion der Normalverteilung ist durch

 

gegeben. Wenn man durch die Substitution   statt   eine neue Integrationsvariable   einführt, ergibt sich

 

Dabei ist   die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung

 

Symmetrie Bearbeiten

Der Graph der Wahrscheinlichkeitsdichte   ist eine Gaußsche Glockenkurve, deren Höhe und Breite von   abhängt. Sie ist achsensymmetrisch zur Geraden mit der Gleichung   und somit eine symmetrische Wahrscheinlichkeitsverteilung um ihren Erwartungswert. Der Graph der Verteilungsfunktion   ist punktsymmetrisch zum Punkt   Für   gilt insbesondere   und   für alle  .

Maximalwert und Wendepunkte der Dichtefunktion Bearbeiten

Mit Hilfe der ersten und zweiten Ableitung lassen sich der Maximalwert und die Wendepunkte bestimmen. Die erste Ableitung ist

 

Das Maximum der Dichtefunktion der Normalverteilung liegt demnach bei   und beträgt dort  .

Die zweite Ableitung lautet

 

Somit liegen die Wendestellen der Dichtefunktion bei  . Die Dichtefunktion hat dort den Wert  .

Normierung (1) Bearbeiten

Wichtig ist, dass die gesamte Fläche unter der Kurve gleich  , also gleich der Wahrscheinlichkeit des sicheren Ereignisses, ist. Somit folgt, dass, wenn zwei Gaußsche Glockenkurven dasselbe  , aber unterschiedliches   haben, die Kurve mit dem größeren   breiter und niedriger ist (da ja beide zugehörigen Flächen jeweils den Wert   haben und nur die Standardabweichung größer ist). Zwei Glockenkurven mit gleichem   aber unterschiedlichem   haben kongruente Graphen, die um die Differenz der  -Werte parallel zur  -Achse gegeneinander verschoben sind.

Normierung (2) Bearbeiten

Jede Normalverteilung ist tatsächlich normiert, denn mit Hilfe der linearen Substitution   erhalten wir

 

Für die Normiertheit des letzteren Integrals siehe Fehlerintegral.


Berechnung Bearbeiten

Da sich   nicht auf eine elementare Stammfunktion zurückführen lässt, wurde für die Berechnung früher meist auf Tabellen zurückgegriffen (siehe Standardnormalverteilungstabelle). Heutzutage sind in statistischen Programmiersprachen wie zum Beispiel R Funktionen verfügbar, die auch die Transformation auf beliebige   und   beherrschen.

Erwartungswert Bearbeiten

Der Erwartungswert der Standardnormalverteilung ist  . Es sei  , so gilt

 

da der Integrand integrierbar und punktsymmetrisch ist.


Ist nun  , so gilt   ist standardnormalverteilt, und somit

 

Varianz und weitere Streumaße Bearbeiten

Die Varianz der  -normalverteilten Zufallsvariablen entspricht dem Parameter  

 

Ein elementarer Beweis wird Poisson zugeschrieben.

Standardabweichung der Normalverteilung Bearbeiten

Eindimensionale Normalverteilungen werden durch Angabe von Erwartungswert   und Varianz   vollständig beschrieben. Ist also   eine  - -verteilte Zufallsvariable – in Symbolen   –, so ist ihre Standardabweichung einfach  .

Streuintervalle (1) Bearbeiten

 

Die Abbildung zeigt Intervalle um   bei der Normalverteilung.
Aus der Standardnormalverteilungstabelle ist ersichtlich, dass für normalverteilte Zufallsvariablen jeweils ungefähr

68,3 % der Realisierungen im Intervall  ,
95,4 % im Intervall   und
99,7 % im Intervall   liegen.

Streuintervalle (2) Bearbeiten

Da in der Praxis viele Zufallsvariablen annähernd normalverteilt sind, werden diese Werte aus der Normalverteilung oft als Faustformel benutzt. So wird beispielsweise   oft als die halbe Breite des Intervalls angenommen, das die mittleren zwei Drittel der Werte in einer Stichprobe umfasst, siehe Quantil.

Streuintervalle (3) Bearbeiten

 

Die Abbildung zeigt eine Normalverteilung (a) und eine kontaminierte Normalverteilung (b).

Streuintervalle (4) Bearbeiten

Diese Praxis ist aber nicht empfehlenswert, denn sie kann zu sehr großen Fehlern führen. Zum Beispiel ist die Verteilung   optisch kaum von der Normalverteilung zu unterscheiden (siehe Bild), aber bei ihr liegen im Intervall   92,5 % der Werte, wobei   die Standardabweichung von   bezeichnet. Solche kontaminierten Normalverteilungen sind in der Praxis sehr häufig; das genannte Beispiel beschreibt die Situation, wenn zehn Präzisionsmaschinen etwas herstellen, aber eine davon schlecht justiert ist und mit zehnmal so hohen Abweichungen wie die anderen neun produziert.

Streuintervalle (5) Bearbeiten

Werte außerhalb der zwei- bis dreifachen Standardabweichung werden oft als Ausreißer behandelt. Ausreißer können ein Hinweis auf grobe Fehler der Datenerfassung sein. Andererseits liegt bei einer Normalverteilung im Durchschnitt ca. jeder 20. Messwert außerhalb der zweifachen Standardabweichung und ca. jeder 500. Messwert außerhalb der dreifachen Standardabweichung.

Da der Anteil der Werte außerhalb der sechsfachen Standardabweichung mit ca. 2 ppb verschwindend klein wird, gilt ein solches Intervall als gutes Maß für eine nahezu vollständige Abdeckung aller Werte.

Streuintervalle (6) Bearbeiten

Das wird im Qualitätsmanagement durch die Methode Six Sigma genutzt, indem die Prozessanforderungen Toleranzgrenzen von mindestens   vorschreiben. Allerdings geht man dort von einer langfristigen Erwartungswertverschiebung um 1,5 Standardabweichungen aus, sodass der zulässige Fehleranteil auf 3,4 ppm steigt. Dieser Fehleranteil entspricht einer viereinhalbfachen Standardabweichung ( ). Ein weiteres Problem der  -Methode ist, dass die  -Punkte praktisch nicht bestimmbar sind. Bei unbekannter Verteilung (d. h., wenn es sich nicht ganz sicher um eine Normalverteilung handelt) grenzen zum Beispiel die Extremwerte von 1.400.000.000 Messungen ein 75-%-Konfidenzintervall für die  -Punkte ein.[4]

Streuintervalle (7) Bearbeiten

 

Die Abildung zeigt die Abhängigkeit der Wahrscheinlichkeit (Prozent innerhalb) von der Größe des Streuintervalls  .

Streuintervalle (8) Bearbeiten

 

Die Abbildung zeigt die Abhängigkeit der Streuintervallgrenze von der eingeschlossenen Wahrscheinlichkeit  .

Streuintervalle (9) Bearbeiten

Die Wahrscheinlichkeiten   für bestimmte Streuintervalle   können berechnet werden als

 ,

wobei   die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung ist.

Umgekehrt können für gegebenes   durch

 

die Grenzen des zugehörigen Streuintervalls   mit Wahrscheinlichkeit   berechnet werden.


Ein Beispiel (mit Schwankungsbreite) (1) Bearbeiten

Die Körpergröße des Menschen ist näherungsweise normalverteilt. Bei einer Stichprobe von 1.284 Mädchen und 1.063 Jungen zwischen 14 und 18 Jahren wurde bei den Mädchen eine durchschnittliche Körpergröße von 166,3 cm (Standardabweichung 6,39 cm) und bei den Jungen eine durchschnittliche Körpergröße von 176,8 cm (Standardabweichung 7,46 cm) gemessen.[5]

Ein Beispiel (mit Schwankungsbreite) (2) Bearbeiten

Demnach lässt obige Schwankungsbreite erwarten, dass 68,3 % der Mädchen eine Körpergröße im Bereich 166,3 cm ± 6,39 cm und 95,4 % im Bereich 166,3 cm ± 12,78 cm haben,

  • 16 % [ ≈ (100 % − 68,3 %)/2 ] der Mädchen kleiner als 160 cm (und 16 % entsprechend größer als 173 cm) sind und
  • 2,5 % [ ≈ (100 % − 95,4 %)/2 ] der Mädchen kleiner als 154 cm (und 2,5 % entsprechend größer als 179 cm) sind.

Ein Beispiel (mit Schwankungsbreite) (3) Bearbeiten

Für die Jungen lässt sich erwarten, dass 68 % eine Körpergröße im Bereich 176,8 cm ± 7,46 cm und 95 % im Bereich 176,8 cm ± 14,92 cm haben,

  • 16 % der Jungen kleiner als 169 cm (und 16 % größer als 184 cm) und
  • 2,5 % der Jungen kleiner als 162 cm (und 2,5 % größer als 192 cm) sind.

Charakteristische Funktion Bearbeiten

Die charakteristische Funktion für eine standardnormalverteilte Zufallsvariable   ist

 

Für eine Zufallsvariable   erhält man daraus mit  :

 
 

Invarianz gegenüber Faltung (1) Bearbeiten

Die Normalverteilung ist invariant gegenüber der Faltung, d. h., die Summe unabhängiger normalverteilter Zufallsvariablen ist wieder normalverteilt (siehe dazu auch unter stabile Verteilungen bzw. unter unendliche teilbare Verteilungen). Eine veranschaulichende Formulierung dieses Sachverhaltes lautet: Die Faltung einer Gaußkurve der Halbwertsbreite   mit einer Gaußkurve der Halbwertsbreite   ergibt wieder eine Gaußkurve mit der Halbwertsbreite

 

Invarianz gegenüber Faltung (2) Bearbeiten

Sind also   zwei unabhängige Zufallsvariablen mit

 

so ist deren Summe ebenfalls normalverteilt:

 

Das kann beispielsweise mit Hilfe von charakteristischen Funktionen gezeigt werden, indem man verwendet, dass die charakteristische Funktion der Summe das Produkt der charakteristischen Funktionen der Summanden ist (vgl. Faltungssatz der Fouriertransformation).

Invarianz gegenüber Faltung (3) Bearbeiten

Gegeben seien allgemeiner   unabhängige und normalverteilte Zufallsvariablen  .
Dann ist deren Summe wieder normalverteilt

 

und das arithmetische Mittel ebenfalls

 

Nach dem Satz von Cramér gilt sogar die Umkehrung.

Beziehungen zu anderen Verteilungsfunktionen Bearbeiten

Transformation zur Standardnormalverteilung (1) Bearbeiten

Eine Normalverteilung mit beliebigen   und   und der Verteilungsfunktion   hat, wie oben erwähnt, die nachfolgende Beziehung zur  -Verteilung:

 

Darin ist   die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung.

Transformation zur Standardnormalverteilung (2) Bearbeiten

Wenn  , dann führt die Z-Transformation

 

zu einer standardnormalverteilten Zufallsvariablen  , denn

 

Geometrisch betrachtet entspricht die durchgeführte Substitution einer flächentreuen Transformation der Glockenkurve von   zur Glockenkurve von  .

Approximation der Binomialverteilung durch die Normalverteilung (1) Bearbeiten

Die Normalverteilung kann zur Approximation der Binomialverteilung verwendet werden, wenn der Stichprobenumfang hinreichend groß und in der Grundgesamtheit der Anteil der gesuchten Eigenschaft weder zu groß noch zu klein ist (Satz von Moivre-Laplace, zentraler Grenzwertsatz, zur experimentellen Bestätigung siehe auch unter Galtonbrett).

Approximation der Binomialverteilung durch die Normalverteilung (2) Bearbeiten

Ist ein Bernoulli-Versuch mit   voneinander unabhängigen Stufen (bzw. Zufallsexperimenten) mit einer Erfolgswahrscheinlichkeit   gegeben, so lässt sich die Wahrscheinlichkeit für   Erfolge allgemein berechnen mittels

 

Diese Binomialverteilung kann durch eine Normalverteilung approximiert werden, wenn   hinreichend groß und   weder zu groß noch zu klein ist. Als Faustregel dafür gilt  . Für den Erwartungswert   und die Standardabweichung   gilt dann:

Approximation der Binomialverteilung durch die Normalverteilung (3) Bearbeiten

  und  .

Damit gilt für die Standardabweichung  . Falls diese Bedingung nicht erfüllt sein sollte, ist die Ungenauigkeit der Näherung immer noch vertretbar, wenn gilt:   und zugleich  .

Approximation der Binomialverteilung durch die Normalverteilung (4) Bearbeiten

Folgende Näherung ist dann brauchbar:

 
 

Approximation der Binomialverteilung durch die Normalverteilung (5) Bearbeiten

Bei der Normalverteilung wird die untere Grenze um 0,5 verkleinert und die obere Grenze um 0,5 vergrößert, um eine bessere Approximation gewährleisten zu können. Dies nennt man auch „Stetigkeitskorrektur“. Nur wenn   einen sehr hohen Wert besitzt, kann auf sie verzichtet werden.

Da die Binomialverteilung diskret ist, muss auf einige Punkte geachtet werden:

Approximation der Binomialverteilung durch die Normalverteilung (6) Bearbeiten

  • Der Unterschied zwischen   oder   (sowie zwischen größer und größer gleich) muss beachtet werden (was ja bei der Normalverteilung nicht der Fall ist). Deshalb muss bei   die nächstkleinere natürliche Zahl gewählt werden, d. h.
  bzw.  ,
damit mit der Normalverteilung weitergerechnet werden kann.
Zum Beispiel:  

Approximation der Binomialverteilung durch die Normalverteilung (7) Bearbeiten

Außerdem ist

  •  
  •  
  •   (unbedingt mit Stetigkeitskorrektur)

und lässt sich somit durch die oben angegebene Formel berechnen.

Der große Vorteil der Approximation liegt darin, dass sehr viele Stufen einer Binomialverteilung sehr schnell und einfach bestimmt werden können.

Beziehung zur logarithmischen Normalverteilung Bearbeiten

Ist die Zufallsvariable   normalverteilt mit  , dann ist die Zufallsvariable   logarithmisch-normalverteilt, also  .

Die Entstehung einer logarithmischen Normalverteilung ist auf multiplikatives, die einer Normalverteilung auf additives Zusammenwirken vieler Zufallsvariablen zurückführen.

Rechnen mit der Standardnormalverteilung (1) Bearbeiten

Bei Aufgabenstellungen, bei denen die Wahrscheinlichkeit für  - -normalverteilte Zufallsvariablen durch die Standardnormalverteilung ermittelt werden soll, ist es nicht nötig, die oben angegebene Transformation jedes Mal durchzurechnen. Stattdessen wird einfach die Transformation

 

verwendet, um eine  -verteilte Zufallsvariable   zu erzeugen.

Rechnen mit der Standardnormalverteilung (2) Bearbeiten

Die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis, dass z. B.   im Intervall   liegt, ist durch folgende Umrechnung gleich einer Wahrscheinlichkeit der Standardnormalverteilung:

 .

Grundlegende Fragestellungen (1) Bearbeiten

Allgemein gibt die Verteilungsfunktion die Fläche unter der Glockenkurve bis zum Wert   an, d. h., es wird das bestimmte Integral von   bis   berechnet. Dies entspricht in Aufgabenstellungen einer gesuchten Wahrscheinlichkeit, bei der die Zufallsvariable   kleiner oder nicht größer als eine bestimmte Zahl   ist. Wegen der Stetigkeit der Normalverteilung macht es keinen Unterschied, ob nun   oder   verlangt ist, weil z. B.

  und somit  .

Analoges gilt für „größer“ und „nicht kleiner“.

Grundlegende Fragestellungen (2) Bearbeiten

Dadurch, dass   nur kleiner oder größer als eine Grenze sein (oder innerhalb oder außerhalb zweier Grenzen liegen) kann, ergeben sich für Aufgaben bei Wahrscheinlichkeitsberechnungen zu Normalverteilungen zwei grundlegende Fragestellungen:

  • Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Zufallsexperiment die standardnormalverteilte Zufallsvariable   höchstens den Wert   annimmt?
  •  

In der Schulmathematik wird für diese Aussage gelegentlich auch die Bezeichnung linker Spitz verwendet, da die Fläche unter der Gaußkurve von links bis zur Grenze verläuft. Für   sind auch negative Werte erlaubt.

Grundlegende Fragestellungen (3) Bearbeiten

Allerdings haben viele Tabellen der Standardnormalverteilung nur positive Einträge – wegen der Symmetrie der Kurve und der Negativitätsregel

 
des „linken Spitzes“ stellt dies aber keine Einschränkung dar.

Grundlegende Fragestellungen (4) Bearbeiten

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Zufallsexperiment die standardnormalverteilte Zufallsvariable   mindestens den Wert   annimmt?

 

Hier wird gelegentlich die Bezeichnung rechter Spitz verwendet, mit

 

gibt es auch hier eine Negativitätsregel.
Da jede Zufallsvariable   mit der allgemeinen Normalverteilung sich in die Zufallsvariable   mit der Standardnormalverteilung umwandeln lässt, gelten die Fragestellungen für beide Größen gleichbedeutend.

Streubereich und Antistreubereich (1) Bearbeiten

Häufig ist die Wahrscheinlichkeit für einen Streubereich von Interesse, d. h. die Wahrscheinlichkeit, dass die standardnormalverteilte Zufallsvariable   Werte zwischen   und   annimmt:

 

Beim Sonderfall des symmetrischen Streubereiches ( , mit  ) gilt:

 

Streubereich und Antistreubereich (2) Bearbeiten

Für den entsprechenden Antistreubereich ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, dass die standardnormalverteilte Zufallsvariable   Werte außerhalb des Bereichs zwischen   und   annimmt, zu:

 

Somit folgt bei einem symmetrischen Antistreubereich

 

Streubereiche am Beispiel der Qualitätssicherung (1) Bearbeiten

Besondere Bedeutung haben beide Streubereiche z. B. bei der Qualitätssicherung von technischen oder wirtschaftlichen Produktionsprozessen. Hier gibt es einzuhaltende Toleranzgrenzen   und  , wobei es meist einen größten noch akzeptablen Abstand   vom Erwartungswert   (= dem optimalen Sollwert) gibt. Die Standardabweichung   kann hingegen empirisch aus dem Produktionsprozess gewonnen werden.

Wurde   als einzuhaltendes Toleranzintervall angegeben, so liegt (je nach Fragestellung) ein symmetrischer Streu- oder Antistreubereich vor.

Streubereiche am Beispiel der Qualitätssicherung (2) Bearbeiten

Im Falle des Streubereiches gilt:

 

Der Antistreubereich ergibt sich dann aus  

Streubereiche am Beispiel der Qualitätssicherung (3) Bearbeiten

Wenn kein Streubereich berechnet wurde durch  

Das Ergebnis   ist also die Wahrscheinlichkeit für verkaufbare Produkte, während   die Wahrscheinlichkeit für Ausschuss bedeutet, wobei beides von den Vorgaben von  ,   und   abhängig ist.

Ist bekannt, dass die maximale Abweichung   symmetrisch um den Erwartungswert liegt, so sind auch Fragestellungen möglich, bei denen die Wahrscheinlichkeit vorgegeben und eine der anderen Größen zu berechnen ist.

Testen auf Normalverteilung (1) Bearbeiten

 

Die Abbildung zeigt die Quantile einer Normalverteilung und einer Chi-Quadrat-Verteilung.

Testen auf Normalverteilung (2) Bearbeiten

 

Eine χ²-verteilte Zufallsvariable mit 5 Freiheitsgraden wird auf Normalverteilung getestet. Für jeden Stichprobenumfang werden 10.000 Stichproben simuliert und anschließend jeweils 5 Anpassungstests zu einem Niveau von 5 % durchgeführt.

Testen auf Normalverteilung (3) Bearbeiten

Überprüfungen auf Normalverteilungen sind möglich mittels:

Testen auf Normalverteilung (4) Bearbeiten

Die Tests haben unterschiedliche Eigenschaften hinsichtlich der Art der Abweichungen von der Normalverteilung, die sie erkennen. So erkennt der Kolmogorov-Smirnov-Test Abweichungen in der Mitte der Verteilung eher als Abweichungen an den Rändern, während der Jarque-Bera-Test ziemlich sensibel auf stark abweichende Einzelwerte an den Rändern („heavy tails“) reagiert.

Testen auf Normalverteilung (5) Bearbeiten

Beim Lilliefors-Test muss im Gegensatz zum Kolmogorov-Smirnov-Test nicht standardisiert werden, d. h.,   und   der angenommenen Normalverteilung dürfen unbekannt sein.

Mit Hilfe von Quantil-Quantil-Plots (auch Normal-Quantil-Plots oder kurz Q-Q-Plots) ist eine einfache grafische Überprüfung auf Normalverteilung möglich.
Mit der Maximum-Likelihood-Methode können die Parameter   und   der Normalverteilung geschätzt und die empirischen Daten mit der angepassten Normalverteilung grafisch verglichen werden.

Parameterschätzung, Konfidenzintervalle und Tests (1) Bearbeiten

Viele der statistischen Fragestellungen, in denen die Normalverteilung vorkommt, sind gut untersucht. Wichtigster Fall ist das sog. Normalverteilungsmodell, in dem man von der Durchführung von   unabhängigen und normalverteilten Versuchen ausgeht. Es existieren drei Fälle:

  • der Erwartungswert ist unbekannt und die Varianz bekannt
  • die Varianz ist unbekannt und der Erwartungswert ist bekannt
  • Erwartungswert und Varianz sind unbekannt.

Parameterschätzung, Konfidenzintervalle und Tests (2) Bearbeiten

Je nachdem, welcher dieser Fälle auftritt, ergeben sich verschiedene Schätzfunktionen, Konfidenzbereiche oder Tests. Diese sind detailliert im Hauptartikel Normalverteilungsmodell zusammengefasst.

Dabei kommt den folgenden Schätzfunktionen eine besondere Bedeutung zu:

Parameterschätzung, Konfidenzintervalle und Tests (3) Bearbeiten

Das Stichprobenmittel

 

ist ein erwartungstreuer Schätzer für den unbekannten Erwartungswert sowohl für den Fall einer bekannten als auch einer unbekannten Varianz. Er ist sogar der beste erwartungstreue Schätzer, d. h. der Schätzer mit der kleinsten Varianz. Sowohl die Maximum-Likelihood-Methode als auch die Momentenmethode liefern das Stichprobenmittel als Schätzfunktion.

Parameterschätzung, Konfidenzintervalle und Tests (4) Bearbeiten

Die unkorrigierte Stichprobenvarianz

 

ist ein erwartungstreuer Schätzer für die unbekannte Varianz bei gegebenem Erwartungswert  . Auch sie kann sowohl aus der Maximum-Likelihood-Methode als auch aus der Momentenmethode gewonnen werden.

Parameterschätzung, Konfidenzintervalle und Tests (5) Bearbeiten

Die korrigierte Stichprobenvarianz

 

ist ein erwartungstreuer Schätzer für die unbekannte Varianz bei unbekanntem Erwartungswert.

Erzeugung normalverteilter Zufallszahlen Bearbeiten

Alle folgenden Verfahren erzeugen standardnormalverteilte Zufallszahlen. Durch lineare Transformation lassen sich hieraus beliebige normalverteilte Zufallszahlen erzeugen: Ist die Zufallsvariable  -verteilt, so ist   schließlich  -verteilt.

Box-Muller-Methode Bearbeiten

Nach der Box-Muller-Methode lassen sich zwei unabhängige, standardnormalverteilte Zufallsvariablen   und   aus zwei unabhängigen, gleichverteilten Zufallsvariablen  , sogenannten Standardzufallszahlen, simulieren:

 

und

 

Polar-Methode Bearbeiten

Die Polar-Methode von George Marsaglia ist auf einem Computer noch schneller, da sie keine Auswertungen von trigonometrischen Funktionen benötigt:

  • Erzeuge zwei voneinander unabhängige, im Intervall   gleichverteilte Zufallszahlen   und  
  • Berechne  . Falls   oder  , gehe zurück zu Schritt 1.
  • Berechne  .
  •   für   liefert zwei voneinander unabhängige, standardnormalverteilte Zufallszahlen   und  .

Zwölferregel (1) Bearbeiten

Der zentrale Grenzwertsatz besagt, dass sich unter bestimmten Voraussetzungen die Verteilung der Summe unabhängig, identisch verteilter Zufallszahlen einer Normalverteilung nähert.

Ein Spezialfall ist die Zwölferregel, die sich auf die Summe von zwölf Zufallszahlen aus einer Gleichverteilung auf dem Intervall [0,1] beschränkt und bereits zu passablen Verteilungen führt.

Zwölferregel (2) Bearbeiten

Allerdings ist die geforderte Unabhängigkeit der zwölf Zufallsvariablen   bei den immer noch häufig verwendeten Linearen Kongruenzgeneratoren (LKG) nicht garantiert. Im Gegenteil wird vom Spektraltest für LKG meist nur die Unabhängigkeit von maximal vier bis sieben der   garantiert. Für numerische Simulationen ist die Zwölferregel daher sehr bedenklich und sollte, wenn überhaupt, dann ausschließlich mit aufwändigeren, aber besseren Pseudo-Zufallsgeneratoren wie z. B. dem Mersenne-Twister (Standard in Python, GNU R) oder WELL genutzt werden. Andere, sogar leichter zu programmierende Verfahren, sind daher i. d. R. der Zwölferregel vorzuziehen.

Verwerfungsmethode Bearbeiten

Normalverteilungen lassen sich mit der Verwerfungsmethode (siehe dort) simulieren.

Anwendungen außerhalb der Wahrscheinlichkeitsrechnung Bearbeiten

Die Normalverteilung lässt sich auch zur Beschreibung nicht direkt stochastischer Sachverhalte verwenden, etwa in der Physik für das Amplitudenprofil der Gauß-Strahlen und andere Verteilungsprofile.

Zudem findet sie Verwendung in der Gabor-Transformation.

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Stephen M. Stigler: The history of statistics: the measurement of uncertainty before 1900. Belknap Series. Harvard University Press, 1986. ISBN 9780674403413.

Weblinks Bearbeiten

  Commons: Normalverteilung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

   Wikibooks: Anschauliche Darstellung der Normalverteilung – Lern- und Lehrmaterialien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Bei   handelt es sich um die Exponentialfunktion mit der Basis  
  2. George G. Judge, R. Carter Hill, W. Griffiths, Helmut Lütkepohl, T. C. Lee: Introduction to the Theory and Practice of Econometrics. 1988, S. 47.
  3. George G. Judge, R. Carter Hill, W. Griffiths, Helmut Lütkepohl, T. C. Lee: Introduction to the Theory and Practice of Econometrics. 1988, S. 48.
  4. H. Schmid, A. Huber: Measuring a Small Number of Samples and the 3σ Fallacy. (PDF) In: IEEE Solid-State Circuits Magazine. Bd. 6, Nr. 2, 2014, S. 52–58, doi:10.1109/MSSC.2014.2313714.
  5. Mareke Arends: Epidemiologie bulimischer Symptomatik unter 10-Klässlern in der Stadt Halle. Dissertation. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, 2005, Tabelle 9, S. 30.


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