Kurs:Zahlentheorie (Osnabrück 2016-2017)/Vorlesung 1
In der Zahlentheorie wollen wir Eigenschaften der ganzen Zahlen verstehen. Dazu ist es sinnvoll, nicht nur selbst zu betrachten, sondern auch davon abgeleitete Objekte, wie Restklassenringe (Modulare Arithmetik), Ringe der ganzen Zahlen in Körpererweiterungen von , wie etwa den Ring der Gaussschen Zahlen, Lokalisierungen und Komplettierungen wie die -adischen Zahlen. Die grundlegende Gemeinsamkeit dieser Objekte ist, dass es sich um kommutative Ringe handelt. Deshalb werden wir von Anfang an die benötigten Begriffe auf der Ringebene entwickeln.
Betrachten wir die Frage, welche natürlichen Zahlen die Summe von zwei Quadratzahlen sind. Anders formuliert, für welche hat die Gleichung
Lösungen mit ganzen Zahlen ? Es ist
Erkennt man hier schon eine Struktur? Es ist in der Zahlentheorie üblich, solche Fragen erstmal für Primzahlen zu verstehen, und die Ergebnisse dann auf zusammengesetzte Zahlen zu übertragen. Von den Primzahlen sind keine Summe von zwei Quadraten, während und es sind. Es fällt auf, dass die erste Reihe alle den Rest bei Division durch haben, und die zweite Reihe (von abgesehen) den Rest . Hier zeigt sich bereits, dass es sinnvoll ist, zu anderen Ringen überzugehen, um Fragen über natürliche oder ganze Zahlen zu beantworten. Die Restabbildung zur Division mit Rest durch ist ein Ringhomomorphismus
Dabei ist in die Addition und die Multiplikation modulo erklärt, also etwa . Die Abbildung respektiert also die Addition und die Multiplikation. Wenn nun die Gleichung
in eine Lösung besitzt, so liefert das sofort auch eine Lösung modulo , nämlich
bzw.
oder
Nun sind aber in die Quadrate einfach
und
und damit sind und Summen von zwei Quadraten in , aber nicht . Es bestätigt sich also bereits die obige Beobachtung, dass natürliche Zahlen (nicht nur Primzahlen), die den Rest modulo haben, nicht die Summe von zwei Quadraten sein können.
Für Primzahlen mit dem Rest modulo liefert die Betrachtung im Restklassenring natürlich nur, dass eine notwendige Bedingung erfüllt ist, woraus sich natürlich noch lange nicht auf eine Darstellung als Summe von zwei Quadraten schließen lässt. Die Zahl zeigt auch, dass eine Zahl, die modulo den Rest besitzt, nicht notwendig selbst die Summe von zwei Quadraten ist. Wir werden aber im Verlauf der Vorlesung sehen, dass es für Primzahlen mit dieser Restbedingung gilt. Dafür werden wir in einem weiteren Ring arbeiten, nämlich im Ring der Gaußschen Zahlen
(einem Unterring der komplexen Zahlen). Dort können wir
schreiben, wodurch die Frage, ob eine Zahl Summe von zwei Quadraten ist, mit der Frage der multiplikativen Zerlegung von natürlichen Zahlen in diesem neuen Ring in Zusammenhang gebracht wird.
Die Frage nach den Summen von zwei Quadraten werden wir abschließend in Satz 9.10 beantworten.
Wir erinnern kurz an die Definition eines Ringes und eines kommutativen Ringes.
Ein Ring ist eine Menge mit zwei Verknüpfungen und und mit zwei ausgezeichneten Elementen und derart, dass folgende Bedingungen erfüllt sind:
- ist eine abelsche Gruppe.
- ist ein Monoid.
- Es gelten die Distributivgesetze, also und für alle .
Ein Ring heißt kommutativ, wenn die Multiplikation kommutativ ist.
Das wichtigste Beispiel für uns ist der (kommutative) Ring der ganzen Zahlen . Wir werden aber noch viele weitere Ringe kennenlernen, die zahlentheoretisch relevant sind. Wir verwenden wie üblich die Konvention, dass die Multiplikation stärker bindet als die Addition und schreiben in der Regel anstatt .
Oben hatten wir im Zusammenhang mit der Abbildung den Begriff Ringhomomorphismus erwähnt, den wir hier kurz anführen.
- Teilbarkeitsbegriffe
Es sei ein kommutativer Ring, und Elemente in . Man sagt, dass das Element teilt (oder dass von geteilt wird, oder dass ein Vielfaches von ist), wenn es ein derart gibt, dass ist. Man schreibt dafür auch .
In einem kommutativen Ring gelten folgende Teilbarkeitsbeziehungen.
- Für jedes Element gilt und .
- Für jedes Element gilt .
- Gilt und , so gilt auch .
- Gilt und , so gilt auch .
- Gilt , so gilt auch für jedes .
- Gilt und , so gilt auch für beliebige Elemente .
Beweis
Ein Element in einem kommutativen Ring heißt Einheit, wenn es ein Element mit gibt.
Eine Einheit ist also ein Element, das die teilt. Das Element mit der Eigenschaft ist dabei eindeutig bestimmt. Hat nämlich auch die Eigenschaft , so ist
Das im Falle der Existenz eindeutig bestimmte mit nennt man das (multiplikativ) Inverse zu und bezeichnet es mit . Die Menge aller Einheiten in einem kommutativen Ring bilden eine kommutative Gruppe (bezüglich der Multiplikation mit als neutralem Element), die man die Einheitengruppe von nennt. Sie wird mit bezeichnet.
In den Ringen, die uns bisher begegnet sind, sind die Einheitengruppen einfach zu bestimmen. Es ist und . Im Ring der Gaußschen Zahlen gibt es vier Einheiten: , siehe die nächste Vorlesung.
Zwei Elemente und eines kommutativen Ringes heißen assoziiert, wenn es eine Einheit derart gibt, dass ist.
Die Assoziiertheit ist eine Äquivalenzrelation. Siehe Aufgabe 1.7.
Das folgende Lemma besagt, dass es für die Teilbarkeitsrelation nicht auf Einheiten und Assoziiertheit ankommt.
In einem kommutativen Ring gelten folgende Teilbarkeitsbeziehungen.
- ist eine Einheit, die zu sich selbst invers ist.
- Jede Einheit teilt jedes Element.
- Sind und assoziiert, so gilt genau dann, wenn .
- Teilt eine Einheit, so ist selbst eine Einheit.
Beweis
Für Teilbarkeitsuntersuchungen sind die beiden folgenden Begriffe fundamental. Unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn ein Hauptidealbereich vorliegt, sind sie äquivalent.
Eine Nichteinheit in einem kommutativen Ring heißt irreduzibel (oder unzerlegbar), wenn eine Faktorisierung nur dann möglich ist, wenn einer der Faktoren eine Einheit ist.
Eine Nichteinheit in einem kommutativen Ring heißt prim (oder ein Primelement), wenn folgendes gilt: Teilt ein Produkt mit , so teilt einen der Faktoren.
Eine Einheit ist also nach Definition nie ein Primelement. Dies ist eine Verallgemeinerung des Standpunktes, dass keine Primzahl ist. Dabei ist die nicht deshalb keine Primzahl, weil sie „zu schlecht“ ist, sondern weil sie „zu gut“ ist.
- Integritätsbereiche
Vor dem nächsten Lemma erinnern wir an den Begriff des Integritätsbereiches. Häufig wird die Teilbarkeitstheorie nur für Integritätsbereiche entwickelt.
Ein kommutativer, nullteilerfreier, von verschiedener Ring heißt Integritätsbereich.
Ein Nullteiler ist ein Element mit der Eigenschaft, dass es ein von verschiedenes Element mit gibt. Die Null ist in einem vom Nullring verschieden Ring stets ein Nullteiler. Nullteilerfrei bedeutet, dass die der einzige Nullteiler ist bzw. dass alle von verschiedenen Elemente keine Nullteiler oder Nichtnullteiler sind. Nullteilerfrei kann man auch so formulieren, dass aus einer Gleichung folgt, dass oder ist.
Ein kommutativer Ring heißt Körper, wenn ist und wenn jedes von verschiedene Element ein multiplikatives Inverses besitzt.
In einem Körper sind also alle von verschiedenen Elemente Einheiten (und insbesondere Nichtnullteiler). Körper sind also insbesondere Integritätsbereiche. In einem Körper ist die Teilbarkeitsbeziehung uninteressant, da jedes von verschiedene Element jedes andere Element teilt.
In einem Integritätsbereich ist ein Primelement stets irreduzibel.
Angenommen, wir haben eine Zerlegung . Wegen der Primeigenschaft teilt einen Faktor, sagen wir . Dann ist bzw. . Da kein Nullteiler ist, folgt , sodass also eine Einheit ist.
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