Angeordneter Körper/Heron-Verfahren/Motivation für Folge/Einführung/Textabschnitt

Die in Beispiel angeführte Dezimalbruchfolge wirkt vertraut, weil die Dezimalziffernentwicklung vertraut ist, und weil das das ist, was der Taschenrechner ausspuckt. Es gibt aber Folgen, die weit schneller die Quadratwurzel berechnen und die auch der Taschenrechner verwendet. Das sogenannte Heron-Verfahren (auch babylonisches Wurzelziehen genannt) ist ein typisches Beispiel dafür, dass Dezimalbruchfolgen im Allgemeinen nicht optimal sind, und es künstlich wäre, sich auf sie zu beschränken.


Wir wollen die Quadratwurzel einer natürlichen Zahl „berechnen“, sagen wir von . Eine solche Zahl mit der Eigenschaft gibt es nicht innerhalb der rationalen Zahlen, wie aus der eindeutigen Primfaktorzerlegung folgt. Wenn ein solches Element ist, so hat auch diese Eigenschaft. Mehr als zwei Lösungen kann es aber nach Aufgabe nicht geben, sodass wir nur nach der positiven Lösung suchen müssen.

Obwohl es innerhalb der rationalen Zahlen keine Lösung für die Gleichung gibt, so gibt es doch beliebig gute Approximationen innerhalb der rationalen Zahlen dafür. Beliebig gut heißt dabei, dass der Fehler (oder die Abweichung) unter jede positive Schranke gedrückt werden kann. Das klassische Verfahren, um eine Quadratwurzel beliebig gut anzunähern, ist das Heron-Verfahren, das man auch babylonisches Wurzelziehen nennt. Dies ist ein iteratives Verfahren, d.h., die nächste Approximation wird aus den vorausgehenden Approximationen berechnet. Beginnen wir mit als erster Näherung. Wegen ist zu groß, d.h. es ist . Aus (mit positiv) folgt zunächst und daraus , d.h. . Man hat also die Abschätzungen

wobei links eine rationale Zahl steht, wenn rechts eine rationale Zahl steht. Eine solche Abschätzung vermittelt offenbar eine quantitative Vorstellung darüber, wo liegt. Die Differenz ist ein Maß für die Güte der Approximation.

Beim Startwert ergibt sich, dass die Quadratwurzel von zwischen und liegt. Man nimmt nun das arithmetische Mittel der beiden Intervallgrenzen, also

Wegen ist dieser Wert wieder zu groß und daher liegt im Intervall . Von diesen Intervallgrenzen nimmt man erneut das arithmetische Mittel und setzt

als nächste Approximation. So fortfahrend erhält man eine immer besser werdende rationale Approximation von .



Wir berechnen eine approximierende Folge zu wie in Beispiel, allerdings mit dem Startwert . Die ersten Folgenglieder sind

Der letzte Wert stimmt schon in acht Nachkommastellen mit dem wahren Wert überein.


Allgemein ergibt sich das folgende Heron-Verfahren.


Es sei ein positives Element in einem angeordneten Körper. Die Heron-Folge zum positiven Startwert ist rekursiv durch

definiert.

Man berechnet also sukzessive das arithmetische Mittel aus und . Das Produkt dieser beiden Zahlen ist , somit ist die eine Zahl größer und die andere Zahl kleiner als . Die Idee des Verfahrens liegt darin, in der Mitte dieser beiden Zahlen eine bessere Approximation zu finden. Die Folgenglieder der Heron-Folge sind offenbar stets positiv. Typischerweise startet man mit einer natürlichen Zahl als Anfangswert, die in der Größenordnung der Quadratwurzel von liegt.

Die Idee, die dem Heron-Verfahren zugrunde liegt, kann man auch so verstehen: Man möchte ein Quadrat mit dem Flächeninhalt , also mit der Seitenlänge konstruieren. Man gibt sich eine approximierende Seitenlänge vor und betrachtet das Rechteck, dessen eine Seitenlänge und dessen Flächeninhalt ist. Dann muss die zweite Seitenlänge gleich sein. Wenn zu groß ist, muss zu klein sein. Für das nächste approximierende Rechteck nimmt man als eine Seitenlänge das arithmetische Mittel aus den beiden Seitenlängen des vorhergehenden Rechtecks.



Es sei ein angeordneter Körper und . Es sei ein positiver Startwert und die zugehörige Heron-Folge. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Für ist

    und

  2. Die Heron-Folge ist ab dem ersten Glied fallend.
  3. Es ist

    für .

  4. Für die Intervalllängen

    gilt die Beziehung

    und bei gilt insbesondere

  1. Es gilt
    Somit ist

    Wegen folgt nach Fakt  (8), dass ist.

  2. Aufgrund von (1) ist

    und aufgrund des strengen Wachstums des Quadrierens im positiven Teil ist

    Nach Aufgabe liegt das arithmetische Mittel stets zwischen den beiden Zahlen, also ist

  3. Dies folgt aus (1) und (2).
  4. Nach der Rechnung in Teil (1) ist

    Bei ist


Das eben beschriebene Verfahren liefert also zu jeder natürlichen Zahl eine Folge, die eine durch eine gewisse algebraische Eigenschaft charakterisierte Zahl beliebig gut approximiert. Bei vielen technischen Anwendungen genügt es, gewisse Zahlen nur hinreichend genau zu kennen, wobei allerdings die benötigte Güte der Approximation von der technischen Zielsetzung abhängt. Es gibt im Allgemeinen keine Güte, die für jede vorstellbare Anwendung ausreicht, so dass es wichtig ist zu wissen, wie man eine gute Approximation durch eine bessere Approximation ersetzen kann und wie viele Schritte man machen muss, um eine gewünschte Approximation zu erreichen. Dies führt zu den Begriffen Folge und Konvergenz.