Wikipedia:Babel
de Diese Person spricht Deutsch als Muttersprache.
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IPK im SS 14

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Name Studiengang vhb Wiki Thema Forschungsland Homepage Video abgeschlossen
Kursleiterin Eva Sondershaus, M.A. Eva Sondershaus
Annica Antoni BA, DaF/DaZ Annica Antoni
Saskia Walter BA, DaF/DaZ Saskia Walter
Oxana Schuster LA GS DaF/DaZ Oxana Schuster
Clara Leps BA, DaF/DaZ Clara Leps
Mona Wieland BA DaZ/DaF Mona Wieland
Tobias Mayer BA DaF/DaZ Tobias Mayer
Horn Patricia BA DaF/DaZ Patricia Horn
Anne-Sophie Schuster BA DaF/DaZ Anne-Sophie Schuster
Marishal Tucker LA HS DaF/DaZ Marishal Tucker
B. Kracker BA DaZ/DaF B. Kracker
Zhao Jing BA DaF/DaZ Zhao Jing
Kathrin Weigt LA GS DaF/DaZ Kathrin Weigt
Isabelle Gluchowski LA GS DaF/DaZ Isabelle Gluchowski
Elisabeth Henning LA GS, Erw., DaF/DaZ Elisabeth Henning
Nakhjavan-Hammada Narjes BA DaF/DaZ, Philosophie Narjes Hammada
Clara Plamper BA DAF/DAZ Clara Plamper
Julia Hoffmann BA DaF/DaZ Julia Hoffmann
Julia Wendling LA GS DaF/DaZ Julia Wendling
Susanne Hammer LA GS, DaF/DaZ Susanne Hammer
Eva Bayr LA GS, DaF/DaZ Eva Bayr
Magdalena Spachmann BA Iberoromanistik, DaF/DaZ Lena Spachmann
Zübeyde Özcetin BA DaF/DaZ Zübeyde Özcetin
Jan Meyer BA DaF/DaZ, Iberoromanistik Jan Meyer
Lidia Selis BA Italo-Romanistik, BA DaF/DaZ Lidia Selis
Jolanda Palanga BA Italo-Romanistik, BA DaF/DaZ Jolanda Palanga


Von der Idee zur Hypothese

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Viele Menschen scheinen die Ansicht zu teilen, dass im Zeitalter von Internet, Fernsehen und Computerspielen, Literatur, vor allem bei der jüngeren Generation, immer mehr in den Hintergrund zu rücken droht. Doch was ist dran an dieser Vermutung und betrifft sie nur uns Deutsche oder handelt es sich hier um ein globales Phänomen? Da Gesellschaften sich aufgrund abweichender ökonomischer und kultureller Hintergründe unterschiedlich entwickeln, wäre es interessant, diesen vermeintlichen Trend am Beispiel zweier verschiedener Nationalkulturen zu untersuchen. Die Auswahl der zu untersuchenden Kulturgruppen geht auf persönliches Interesse, resultierend aus persönlicher Erfahrung zurück: Während meiner Aufenthalte in Argentinien drängte sich mir der Eindruck auf, dass sich junge Menschen dort intensiv mit Literatur bzw. mit Kultur im Allgemeinen beschäftigen - Einen Eindruck den ich in Deutschland nicht hatte. Also kam ich schnell zu dem Schluss, dass sich junge Menschen in Argentinien einfach stärker für Literatur interessieren als gleichaltrige Deutsche.

Diese These, welche eigentlich nicht über ein subjektives Vorurteil hinausreicht, ist aufgrund verschiedener Faktoren äußerst problematisch: Zuallererst lässt sie offen, was genau mit Literatur eigentlich gemeint ist. Die Literaturwissenschaft unterscheidet zunächst zwischen einem extensiven und einem intensiven Literaturbegriff (vgl. Gröne, S.2). Ersterer bezieht sich auf sämtliche geschriebene Sprache und ist für die Untersuchung aufgrund seiner Allgemeinheit ungeeignet. Im folgenden werde ich also einen intensiven, einschränkenden Literaturbegriff gebrauchen: Belletristik, die „schöne“, unterhaltende Literatur, in Abrgrenzung zur Sachliteratur und rein informativen Texten. Zum anderen ist eine Eingrenzung des Personenkreises notwendig für den die Aussage gelten soll. Hier werde ich mich auf in Universitätsstädten lebende, argentinische und deutsche junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren beziehen.

Die dieser Untersuchung zugrunde liegende Hypothese lautet also:

In Universitätsstädten lebende, argentinische junge Erwachsene zwischen 20 und 30 Jahren interessieren sich stärker für Belletristik als deutsche.

Herangehensweise

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Da verschiedene Menschen mit dem Begriff Interesse verschiedene Vorstellungen verknüpfen und ich diese Ambiguität als Chance für den Informationsgehalt des Projektes sehe, eignen sich vorgegebene Antwortmöglichkeiten im Rahmen eines Fragebogens nur unzureichend für die Untersuchung des o.g. Themas. Um dennoch eine Grundstruktur bei der Informationsgewinnung mit Hilfe von Probanden sicherzustellen, soll dies durch ein Leitfadeninterview geschehen. Dass bei dieser Form von Informationsgewinnung deutlich weniger Probanden erforderlich sind als bei quantitativen Methoden, trägt außerdem erheblich zur Durchführbarkeit des Projektes bei.

Aufbau des Leitfadens

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Interesse ist der zentrale Faktor in dieser Untersuchung. Doch was ist eigentlich Interesse? Das Stangl-Lexikon versteht unter Interesse „[...] die kognitive Anteilnahme respektive die Aufmerksamkeit, die eine Person an einer Sache [...] nimmt.“ Dies wird noch ergänzt durch: „Je größer diese Anteilnahme ist, desto stärker ist das Interesse […] für diese Sache. Auch die Vorlieben oder die Hobbys einer Person werden als Interessen bezeichnet.“

Es lässt sich also feststellen, dass zumindest zwischen den Aspekten kognitive Anteilnahme sowie Vorlieben und Hobbys, also eher einer aktiven Umsetzung der kognitiven Anteilnahme unterschieden werden muss. Der Proband soll also zum einen nach seiner kognitiven Anteilnahme, im Folgenden zur Vereinfachung mit „Interesse“ bezeichnet, und zum anderen nach der praktischen Umsetzung seines Interesses befragt werden.

Da sich beide Kategorien stark auf den Probanden beziehen, soll das Leitfadeninterview noch um eine dritte Kategorie ergänzt werden, die Aufschluss über das Literaturinteresse im Umfeld des Befragten gibt. Im Folgenden soll diese Kategorie als „Prägung und Erziehung“ aufgeführt werden.

Das Leitfadeninterview gliedert sich also in die drei genannten Kategorien, welchen jeweils vier bis sechs Fragen zugeordnet werden. Da bei dieser Untersuchung Menschen verschiedener Muttersprache befragt wurden, wurden die Fragen für die argentinischen Probanden ins argentinische Spanisch übersetzt und sind hier der Vollständigkeit halber mit aufgeführt:


Interesse

  1. Erregt ein Buchladen ihre Aufmerksamkeit? Caminando por la calle, una libreria te llama la atención?
  2. Registrieren Sie wie viele Bücher andere Leute haben? Notás la cantidad de libros que una persona posee al ir a su casa?
  3. Haben Sie Lieblingsautoren? Tenés escritores favoritos?
  4. Sind Sie über Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt informiert? Estás informado sobre novedades en el mercado literario?


Umsetzung des Interesses

  1. Geben Sie viel Geld für Bücher aus? Gastás mucho dinero en libros?
  2. Was lesen Sie? Qué leés?
  3. Wie häufig lesen Sie? Cuán frecuentemente leés?
  4. Treffen Sie sich mit anderen zum Austausch über Literatur? Te encontrás con otras personas para intercambiar opiniones sobre literatura?
  5. Schenken Sie anderen Menschen Bücher? Les regalás libros a otras personas?


Prägung/Erziehung

  1. Hat man Ihnen in ihrer Kindheit vorgelesen? Te leyeron libros en tu infancia?
  2. Haben Sie in ihrer Kindheit Bücher als Geschenk erhalten? Recibiste libros como regalo en tu infancia?
  3. Beschäftigen sich ihre Familie und Freunde mit Literatur? Tu familia y amigos ocupan su tiempo con literatura?
  4. Haben Lehrer in ihrer Schulzeit Exkursionen (in Bibliotheken) gemacht? Hacían tus profesores en la escuela excursiones con fines literarios?
  5. Wurden im Schulunterricht wichtige Werke der Literatur besprochen? Hablaban en clase de obras literarias importantes?
  6. Halten Sie Literatur für einen wichtigen Bestandteil ihrer Kultur? Tomás la literatura como un componente importante de tu cultura?

Ländervergleich

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Im Folgenden finden sich einige, für die Untersuchung möglicherweise relevante Hintergrundinformationen zu beiden Ländern.

Argentinien Deutschland
Alphabetenrate 97,6% 99%
Große Autoren Borges, Cortázar, Bioy-Casares, ... Brecht, Schiller, Goethe, Hesse, ...
BIP / Kopf 6.609 US$ 29.464 US$
MwSt. auf Bücher keine 7%
Buchpreis (durchschnittl.) ~15 US$ (2011) ~24 US$ (2007)
Internetnutzer 23,6% 75,6%

Quelle: Frankfurter Buchmesse


Interviews

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Es folgen nun für die Untersuchung besonders relevante Ausschnitte der Interviews, welche allesamt per Skype durchgeführt und anschließend transkribiert wurden. Die vollständigen Transkriptionen befinden sich im Anhang, am Ende dieser Seite.

Proband "G" (deutsch, weiblich)

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Prägung/ Erziehung

I: Hat man dir in deiner Kindheit oft vorgelesen?
G: Ja, richtig viel […] war halt ein Ritual. Auch in der Freizeit viel vorgelesen.

I: Beschäftigt sich deine Familie mit Literatur?
G: [...] also vielleicht nicht die literarischen Standards, […] aber es wird viel gelesen in meiner Familie

G: Wir waren viel im Theater, […] was mich dann auch in der Freizeit dazu gebracht hat so Dramen […] zu lesen.

I: Wurden im Unterricht wichtige Werke der Literatur besprochen?
G: Ja, also es ist ja Teil der Abschlussprüfung.

Interesse

G: Ich gehe total gern in Buchläden und stöber' ein Bisschen rum …

I: Bist du über Neuerscheinungen informiert?
G: Ja, schon ziemlich […] meine beste Freundin, die so ein Kindle-Gerät hat und sich da ständig Sachen runterlädt und mir Buchtips auch schickt.

Umsetzung des Interesses

I: Gibst du viel Geld für Bücher aus?
G: Seit dem Studium eigentlich weniger, weil ich mir ja oft auch studienbezogene Bücher auch kaufe für Hausarbeiten [...]

I: Was liest du?
G: Leider [lese ich] zur Zeit viel zu viel fürs Studium, also viel zu viel irgendwelche Fachliteratur […] und leider viel zu wenig Spaßliteratur […] kommen ein Bisschen zu kurz.

I: Wie oft liest du?
G: Also fürs Studium jeden Tag und zum Spaß meistens zum einschlafen […] aber vom Umfang her meistens nicht viel weil ich einfach zu müde bin.

G gibt an, dass Literatur einen wichtigen Bestandteil ihres häuslichen und schulischen Enkulturationsprozesses darstellte und sich die Beschäftigung mit Literatur dank letzterem auch auf ihr Freizeitverhalten auswirkte. Darüber hinaus äußert sie ein grundsätzliches Interesse an Literatur und gibt an über aktuelle Trends informiert zu sein. Im Gegensatz dazu bringt sie aber zum Ausdruck, dass sie ihr Interesse kaum praktisch umsetzt. Sie führt dies auf die durch ihr Studium enstehende Zeitknappheit und Erschöpfung zurück und äußert Bedauern darüber.

Proband "A" (deutsch, männlich)

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Prägung/ Erziehung

A: Mir selbst wurde vorgelesen, und dann natürlich auch bei meinen Schwestern

I: Hast du in deiner Kindheit Bücher geschenkt bekommen?
A: Ja auch. Eigentlich auch regelmäßig.

A: Meine Eltern sehr. So drei von Vieren lesen viel und eine garnicht. Bei Freunden ist es gemischt.

I: Wurden im Unterricht wichtige Werke der Literatur besprochen?
A: Na klar, also insbesondere im Leistungskurs hast du dann natürlich die ganze große deutsche Literatur

A: [Literatur als prägendes Kulturelement] nimmt natürlich von Generation zu Generation ab [...]

Interesse

A: Es ist schon so, dass ich häufig dann so gucke was so in den Bestsellerlisten steht

A: […] vor allen Dingen irgendwie so in ein Einkaufscenter gehst, bleib ich da [im Buchladen] schon immer mal so ein Bisschen hängen.

Umsetzung des Interesses

I: Was liest du?
A: Sachbücher in erster Linie“ „Reiseführer natürlich“ „Satirisch geschriebene Bücher

A: Ich les' jetzt nicht regelmäßig“ „Hauptsächlich dann am Wochenende oder im Urlaub.

A: Ich geh doch nicht in Raucherclubs um über Bücher zu philosophieren.

A äußert, dass Literatur ein wichtiger Bestandteil seines häuslichen, als auch schulischen Enkulturationsprozess war, sieht aber eine Tendenz zum Verlust an Wichtigkeit als prägendes Kulturelement. Er bringt ebenfalls ein grundsätzliches Interesse an Literatur zum Ausdruck und informiert sich über Neuigkeiten auf dem Buchmarkt. Ähnlich wie G setzt er sein Interesse nur sporadisch aktiv um, wobei der Belletristik eine untergeordnete Rolle zukommt.

Proband "N" (argentinisch, männlich)

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Prägung/ Erziehung

I: Hat man dir als Kind vorgelesen?
N: No tengo el recuerdo que fuera algo cotidiano

I: Beschäftigen sich deine Freunde mit Literatur?
N: Mis amigos leen bastante […] novelas, creo N: [La literatura] no fue algo que me llamó particularmente la atención hasta mi temprana adolescencia, que tuve la ambición de leer mucho [...]

I: Hältst du Literatur für einen wichtigen Bestandteil deiner Kultur?
N: En Argentina particularmente hay escritores reconocidos a nivel mundial […] creo que siempre tuvo un papel importantísimo dentro de la cultura. Mucho más que otras artes como la pintura, por ejemplo

Interesse

I: Bist du über Neuigkeiten auf dem Buchmarkt informiert?
N: No, para nada.

I: Registrierst du wie viele Bücher andere Leute haben?
N: No es algo en que me fijo particularmente

Erregt ein Buchladen deine Aufmerksamkeit
N: Depende del día.

I: Hast du Lieblingsautoren?
N: Hermann Hesse […] Me sentí muy identificado con su polaridad.

Umsetzung des Interesses

N: Ahora estoy leyendo casi todos los días - Leeré una hora por día

I: Schenkst du anderen Menschen Bücher?
N: Por lo general libros que transmitan un mensaje que a mi me hayan llegado de alguna forma reveladora. Es común en Argentina.

N: […] los libros representan también la posibilidad de inspirarme a la hora de escribir letras para canciones

N gibt an, zuhause kaum und in der Schule nur sporadisch mit Kultur in Kontakt gekommen zu sein. Für ihn stellte der Freundeskreis die Verbindung zur Literatur her. Außerdem hält er Literatur für einen sehr wichtigen Bestandteil seiner Kultur im Gegensatz zu anderen Künsten. Er äußert kein explizites Interesse an Literatur, identifiziert sich aber mit ihr beziehungsweise ihrem Verfasser. Trotzdem gibt er an häufig zu lesen und schreibt darüber hinaus selbst Texte. Eine aktive Umsetzung des Interesses ist also gegeben.

Proband "L" (argentinisch, weiblich)

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Prägung/ Erziehung

I: Hat man dir in deiner Kindheit vorgelesen?
L: Sí, todos los días de mi infancia

I: Beschäftigen sich deine Familie und Freunde mit Literatur?
L: La mayoría [de los amigos] sí.“ „No tengo muchos referentes lectores en mi familia la verdad

I: Haben Lehrer in deiner Schulzeit literaturbezogenene Exkursionen gemacht?
L: No, de ningún tipo

Hältst du Literatur für einen wichtigen Bestandteil deiner Kultur?
L: Si absolutamente […] la lectura además de ser una forma de entender y comprender cosas y generar cultura, creo que incentiva mucho [...]

Interesse

I: Registrierst du wie viele Bücher andere Leute haben?
L: Sí, es una de las primeras cosas que miro. Me siento muy conectada con las personas lectoras.“ „Creo que tiene que ver con una cuestión de interés.

I: Erregt ein Buchladen deine Aufmerksamkeit?
L: Sí, sí, sí, totalmente! Si la librería es muy linda, o veo que es nueva o tiene cosas nuevas, sí entro.

L: Sí […] Eduardo Galeano, Hermann Hesse […] Confusio, Bukowski, Edgar Allan Poe […] Lao Tsé.

Umsetzung des Interesses

I: Gibst du viel Geld für Bücher aus?
L: No, más bien intento intercambiar libros [...] en las gratiferias, que son las ferias en las cuales uno intercambia libros. Así consigo bastantes libros I: Wie häufig liest du?
L: De lo que yo estudio en particular […] casi constantemente y después […] casi todos los días. De 7 días leeré 4, 5 días.

I: Schenkst du anderen Menschen Bücher?
L: Sí, en general le regalo a gente que es lectora. Es una cuestión […] económicamente complicada, los libros acá son muy caros

L hält Literatur für einen wichtigen Bestandteil ihres häuslichen Enkulturationsprozesses und gibt an, dass Literatur im Freundeskreis sehr präsent sei. Darüber hinaus sieht sie Literatur als einen wichtiges Element ihrer Kultur an. Sie bringt ihr Interesse an Belletristik unter Nennung verschiedener Autoren explizit zum Ausdruck und setzt dieses aktiv um, sieht sich dabei aber ökonomisch eingeschränkt.

Auswertung

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Beobachtete Tendenzen

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Auch wenn die Aussagen der einzelnen Untersuchungsteilnehmer innerhalb ihrer Kulturgruppe in vielerlei Hinsicht von einander abweichen, lassen sich doch einige Übereinstimmungen finden und zu Tendenzen formulieren.

Die deutschen Probanden gaben an, dass Literatur sowohl in ihrem jeweiligen häuslichen als auch schulischem Kontext eine große Rolle einnimmt bzw. eingenommen hat. Auch äußern sie explizit ein grundsätzliches Interesse, allerdings setzen beide dieses Interesse nicht oder nur bedingt in die Praxis um. Eine aktive Beschäftigung mit Literatur ist also kaum gegeben. Einer der Probanden brachte außerdem zum Ausdruck, dass er die Popularität von Literatur in seiner Herkunftskultur als rückläufig ansieht.

Die Befragung der argentinischen Untersuchungsteilnehmer ergab, dass Literatur in deren familiären und schulischen Enkulturationsprozess nur bedingt eine Rolle spielte und der Freundeskreis eher den „literarischen Bezugspunkt“ darstellt. Die explizite Äußerung von Interesse weicht bei den Probanden von einander ab, beide beschäftigen sich jedoch aktiv mit Literatur. Besonders deutlich äußern sie, dass sie Literatur für einen elementaren Bestandteil ihrer Kultur halten.

In Anbetracht dieser Ergebnisse, kann die Hypothese „In Universitätsstädten lebende, argentinische junge Erwachsene zw. 20 und 30 Jahren, interessieren sich stärker für Belletristik als deutsche“ also dann als bestätigt gelten, wenn man sich mit Interesse nicht nur auf die theoretische Anteilnahme am Thema beschränkt, sondern diese um eine aktive Komponente erweitert.

Weitere Faktoren

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Der Vorteil offener Interviews besteht vor allem darin, dass der Proband nicht bloß auf vorgefertigte Antwortmöglichkeiten zurückgreift, sondern auch eigene Gedanken zum Thema einstreut, welche vom Untersuchenden in seiner Vorbereitung nicht bedacht wurden. Im Folgenden möchte ich zwei für das Leseverhalten der jeweiligen Kulturen relevante Faktoren näher beleuchten. Auch wenn diese Untersuchung nicht den Anspruch hat, das "Warum" der vorgelegten Ergebnisse zu ergründen, können die folgenden Punkte dennoch Anhaltspunkte für eine weitere Vertiefung des Themas sein.

Wirtschaftlicher Faktor

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Wenn man die Werte aus der zuvor aufgeführten Tabelle betrachtet, fällt auf, dass sich Deutschland und Argentinien auf ökonomischer Ebene von einander Unterscheiden. Das als Wohlstandsindikator zu verstehende Bruttoinlandsprodukt pro Kopf beträgt in Argentinien nur etwas mehr als ein Viertel des in Deutschland ermittelten Wertes und impliziert eine deutlich geringere Kaufkraft. Der durchschnittliche Buchpreis ist in Argentinien aber nur um etwa vierzig Prozent niedriger, was die Anschaffung eines Buches, im Verhältnis zu ihren Mitteln stehend und trotz einer nicht vorhandenen Mehrwertsteuer auf Bücher, für die Argentinier deutlich teurer macht, was sich auch in den Aussagen der Probanden widerspiegelt:

L: „ ... el tema del país es que los libros suelen ser caros.“
A: „Wenn ich ein Buch sehe und mir das Buch gefällt, da guck ich dann eigentlich nicht, ob ich jetzt die zehn Euro mehr oder weniger in der Tasche habe.“

Die argentinische Gruppe gibt an, dass teure Bücher ein Hindernis beim Kauf darstellen. Im Gegensatz dazu äußert ein deutscher Proband, dass der finanzielle Aspekt beim Buchkauf für ihn kaum eine Rolle spielt. Somit müsste man davon ausgehen, dass der Literaturkonsum der Argentinier im Widerspruch zu den vorangegangenen Untersuchungsergebnissen aufgrund ökonomischer Faktoren deutlich niedriger ausfällt. Da dies nicht so ist, muss es also andere Beschaffungskanäle geben:

N: „Pido muchos libros prestados“
L: „[...] en las gratiferias, que son las ferias en las cuales uno intercambia libros.“ „Así consigo bastantes libros“

Als Ausgleich für das ökonomische Defizit, geben die Argentinier an, Bücher zu leihen, oder diese gebraucht auf „Gratis-Märkten“ zu tauschen. Der Ökonomische Faktor scheint also keinen Einfluss auf die aktive Umsetzung des Interesses an Literatur zu haben.

Technologischer Faktor

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Die Aussagen der Untersuchungsteilnehmer lassen auch auf einen technologischen Einflussfaktor schließen. Betrachtet man erneut die Tabelle fällt auf, dass in Deutschland ein dreimal so großer Anteil der Bevölkerung Zugang zum Internet hat, was für eine ausgeprägtere Technologisierung des Landes spricht. Die Wichtigkeit dieses Faktors spiegelt sich auch in den Aussagen der deutschen Untersuchungsgruppe wider:

G: „[...] meine beste Freundin die so ein Kindle-Gerät hat und sich da ständig Sachen runterlädt und mir Buchtips auch schickt.“
A: „Das nimmt natürlich von Generation zu Generation vor allem deswegen ab, weil es 'ne größere Vielfalt an Medien gibt.“ „[...] ist das natürlich in der Tat so dass, insbesondere Fernsehen das ablöst.“ „Das Beispiel wäre dann TV-Total, das ungefähr jeder, zu meiner Jugendzeit geguckt hat, was dann eher ein prägendes Kulturelement ist [...] als irgendwelche Bücher.“

Hier zeigt sich, dass eine fortschreitende Technologisierung auf der einen Seite durch das Medium Ebook einen leichteren Zugang zu Literatur ermöglicht, da diese oftmals günstiger sind und schnell aus dem Internet heruntergeladen werden können. Auf der anderen Seite verdrängt die Technologie in Form des Fernsehens aber offenbar Literatur als „prägendes Literaturelement“. Technologie wirkt sich also ambivalent auf das Leseverhalten der Menschen aus.

Problematik der "sozialen Erwünschtheit"

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Da weder der ökonomische, noch der technologische Faktor die Untersuchungsergebnisse untermauern, soll noch ein dritter Faktor mit ins Spiel gebracht werden - Die Problematik der sozialen Erwünschtheit. Als Modellgerüst soll im Folgenden die anschauliche Definition Andreas Diekmanns dienen:

Fast alle sozialen Aktivitäten und Eigenschaften werden Bewertungen unterzogen. Je nach Schicht oder sozialer Klassenzugehörigkeit , Bildungsgrad und weiteren Merkmalen werden die Bewertungen individuell variieren. Bezeichnen wir die Lage des subjektiv wahrgenommenen Maximums einer positiven Bewertung von Handlungen, Meinungen oder anderen Eigenschaften als Ort sozialer Erwünschtheit. Je weiter nun der tatsächliche Variablenwert von diesem Ort abweicht, desto unangenehmer wird die Angabe der entsprechenden Antwortkategorie (=wahrer Variablenwert) empfunden. Gemäß der Theorie rationalen Befragtenverhaltens ist die Angabe des wahren Werts in diesem Fall mit Kosten verbunden. Sind die Kosten relativ hoch, dann ist mit einer Verzerrung durch den Effekt sozialer Erwünschtheit zu rechnen. (Diekmann, S. 447f.)

Da sich im Rahmen dieser Untersuchung der Einfluss sozialer Erwünschtheit beim Antwortverhalten kaum nachweisen lässt, und auch kein konkreter Hinweis vorliegt, soll rein hypothetisch an Hand der Aussagen von Proband G, in Bezugnahme auf o.g. Definition, auf ihn eingegangen werden.

G gibt an, dass Literatur ein elementarer Bestandteil ihres Enkulturationsprozesses war:

G: „Ja, richtig viel [...] war halt ein Ritual. Auch in der Freizeit viel vorgelesen.“

I: Hast du in deiner Kindheit oft Bücher geschenkt bekommen?

G: „Ja viele, weil ich hab als Kind nicht so gern gelesen.“

Diese Aussagen lassen den Schluss zu, dass man ihr (obwohl es nicht ihren eigenen Neigungen entsprach) den Wert vermittelte lesen sei gut oder "erwünscht". Wir haben hier also einen "Ort der sozialen Erwünschtheit". Die kaum vorhandene Umsetzung des interesses würde aber im Widerspruch zu dem zuvor erlernten Wert stehen und einen niedrigen "wahren Variablenwert" anzeigen. Dennoch äußert sie explizit Interesse an Literatur, möglicherweise um den "relativ hohen Kosten" in Form einer negativen Bewertung durch den Interviewer oder sich selbst zu entgehen. Wäre dies alles der Fall, hätte man es hier mit einer Verzerrung durch den Effekt sozialer Erwünschtheit zu tun.

Ausgangspunkt dieser Untersuchung war die Vermutung, dass argentinische junge Erwachsene ein ausgeprägteres Literaturinteresse haben als ihre deutschen Altersgenossen. Im Verlauf des Projektes wurde festgestellt, dass sich Interesse in eine aktive und eine passive Komponente aufteilen lässt. Im Hinblick auf diesen Bilateralismus zeigten beide Untersuchungsgruppen deutliche Profile: Die deutsche Gruppe gab an, dass Literatur ein wichtiger Bestandteil ihres häuslichen und schulischen Enkulturationsprozesses war und äußerten explizit Interesse an Literatur, allerdings setzten sie dieses Interesse kaum praktisch um. Bei der argentinischen Gruppe wurde Gegenteiliges geäußert: Die ersten beiden Punkte wurden nur bedingt erfüllt, jedoch gaben beide Probanden an, ein sehr aktives Leseverhalten zu haben. Versteht man unter Interesse also nicht bloß die kognitive Anteilnahme an einer Sache, sondern auch eine aktive Umsetzung ebendieser, sehe ich die Hypothese als bestätigt.

Im Verlauf der Interviews wurde deutlich, dass verschiedene Faktoren im Zusammenhang mit Literaturinteresse stehen: Zunächst wurde die ökonomische Situation beider Länder betrachtet, die den Argentiniern durch verhältnismäßig hohe Buchpreise eigentlich den Zugang zu Literatur hätte erschweren müssen, jedoch wurde dieser Nachteil durch Ausleihe und Tausch von Gebrauchtbüchern ausgeglichen und es konnte kein eindeutiger Einfluss auf die Untersuchungsergebnisse nachgewiesen werden. Auch wurde technologischer Fortschritt als Einflussfaktor von den Probanden als relevant erachtet. Hier zeigte sich ein ambivalenter Einfluss: Zum einen kann Technologie in Form von Ebooks den Zugang zu Literatur erleichtern, zum anderen können moderne Medien wie das Fernsehen die Literatur als "prägendes Kulturelement" ablösen. Da im Hinblick auf Technologie keine klare Tendenz zu erkennen ist, ob diese sich positiv oder negativ auf das Literaturinteresse der Menschen auswirkt, bietet sich eine tieferegehende Untersuchung im Rahmen eines separaten Projektes an.

Da sowohl der ökonomische als auch der technologische Faktor keinen Erklärungsansatz für die Untersuchungsergebnisse bereitstellen konnten, wurde noch die Problematik der sozialen Erwünschtheit als mögliche Ursache für den Widerspruch zwischen geäußertem Interesse aber mangelnder Umsetzung in der deutschen Untersuchungsgruppe aufgeführt. Da Literatur im Enkulturationsprozess der deutschen Probanden explizit als wichtig hervorgehoben wurde und angenommen werden kann, dass somit eine Wertvermittlung stattgefunden hat, besteht zumindest die Möglichkeit, dass die Probanden ihre Antworten beschönigen, um nicht im Widerspruch zu diesen Werten zu stehen. Diese These wurde in exemplarischer Form auf die Untersuchung angewandt und bietet Potenzial für eine Erklärung der beobachteten Widersprüche, müsste jedoch im Rahmen eines separaten Projektes vertieft werden.

http://www.buchmesse.de/images/fbm/dokumente-ua-pdfs/2013/buchmarkt_deutschland_2013_42645.pdf zuletzt aufgerufen am 29.8.2014
http://www.buchmesse.de/pdf/buchmesse/buchmarkt_argentinien_dt.pdf zuletzt aufgerufen am 29.8.2014
http://lexikon.stangl.eu/526/interesse/ zuletzt aufgerufen am 29.8.2014
Diekmann A. (2012): Empirische Sozialforschung, Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg
Gröne M.,von Kulessa R., Reiser F. (2012): Spanische Literaturwissenschaft, Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen

--Meyerjan (Diskussion) 12:55, 31. Aug. 2014 (CEST)

Anhang (Vollständige Interviews)

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