Dreiecke/Kongruenzen/Einführung in Invariantentheorie/Beispiel

Wir betrachten Dreiecke im . Die Ebene sei mit dem Standardskalarprodukt versehen, sodass wir Längen, Winkel und Flächeninhalte zur Verfügung haben. Eine affine Isometrie (oder eine Kongruenz) der Ebene ist eine Abbildung

der Form

wobei eine lineare Isometrie ist, also durch eine orthogonale Matrix beschrieben wird, und wobei ein (Verschiebungs)-Vektor ist. In Koordinaten liegt also die Abbildung

vor. Orthogonal bedeutet, dass die Spaltenvektoren eine Orthonormalbasis bilden. Im zweidimensionalen bedeutet dies, dass entweder eine Drehmatrix

oder eine gespiegelte Drehmatrix (oder uneigentliche Drehmatrix)

ist. Zu den ebenen Kongruenzen gehören insbesondere Verschiebungen, Achsenspiegelungen, Punktspiegelungen und Drehungen, die auch aus der Schule bekannt sind. Diese Abbildungen erhalten allesamt das Skalarprodukt, Längen, Winkel (aber ohne die Orientierung) und Flächeninhalte.

Unter einem Dreieck in der Ebene verstehen wir einfach ein Tupel aus drei Punkten der Ebene, also ein geordnetes Tripel mit . Die Dreieckspunkte sind also geordnet und wir erlauben auch degenerierte (oder ausgeartete) Dreiecke, beispielsweise können die Punkte kolinear sein oder auch zusammenfallen. Eine Kongruenz überführt ein Dreieck in ein neues Dreieck, und zwar ist das Bilddreieck durch

definiert. Zwei Dreiecke  und heißen geordnet kongruent, wenn es eine Kongruenz gibt, die das eine Dreieck in das andere überführt (bei einer nicht geordneten Kongruenz kann man noch die Nummerierung der Punkte ändern). Die (geordnete) Kongruenz von Dreiecken ist eine Äquivalenzrelation. Unter einer Kongruenz bleiben diejenigen Größen eines Dreiecks erhalten, die generell unter einer Kongruenz erhalten bleiben, also der Flächeninhalt, die Länge der Seiten, und daraus abgeleitete Größen wie der Umfang des Dreiecks, die Länge der kleinsten Seite, usw., dagegen werden andere Größen des Dreiecks verändert, seine Lage im Raum, die Koordinaten seiner Punkte.

Da ein Dreieck durch die Koordinaten seiner Eckpunkte vollständig beschrieben wird, müssen alle dem Dreieck zugeordneten Größen als eine Funktion der sechs Koordinaten ausdrückbar sein. Eine Größe ist also einfach eine zunächst beliebige Funktion

(man kann auch andere Wertebereiche zulassen). Man sagt, dass eine solche Funktion nur von der Kongruenzklasse abhängt oder invariant unter der Kongruenz ist, wenn für jedes Dreieck und jede Kongruenz die Gleichheit

gilt. Eine solche invariante Funktion nennt man auch eine innere Größe des Dreiecks, da sie nicht von der Lage des Dreiecks in der Ebene abhängt (wobei man sowohl die invariante Funktion als auch den Wert einer solchen an einem bestimmten Dreieck als innere Größe bezeichnet).

Der Flächeninhalt (vergleiche Aufgabe; man verschiebe den Eckpunkt des Dreiecks in den Nullpunkt und betrachte dann die daran anliegenden Seiten als Vektoren) des Dreiecks wird durch

gegeben. Aufgrund der inhaltlichen Interpretation als Flächeninhalt eines Dreiecks muss es sich um eine innere Größe handeln. Dies lässt sich aber auch rechnerisch überprüfen. Um den Rechenaufwand zu minimieren, sind folgende einfache Vorüberlegungen sinnvoll:

    • Wenn eine Funktion invariant ist, so ist auch jede Funktion invariant, die nur von dieser Funktion abhängt; wenn also der Ausdruck

    unter einer bestimmten Kongruenz invariant ist, so ist insbesondere auch der Betrag davon unter dieser Kongruenz invariant.

    • Da man jede Kongruenz als

    Hintereinanderschaltung von besonders einfachen Kongruenzen schreiben kann, nämlich von Verschiebungen, Drehungen und eventuell einer Spiegelung an der -Achse, genügt es, die Invarianz unter diesen erzeugenden Kongruenzen zu zeigen.

    Betrachten wir also diese speziellen Kongruenzen. Bei einer Verschiebung um den Vektor ist

    Für eine Drehung um den Winkel und einen Vektor und die zugehörige Verschiebung gilt . Da wir die Invarianz unter einer Verschiebung schon bewiesen haben, können wir annehmen, dass der dritte Eckpunkt der Nullpunkt ist, dass also ist. Damit ist aufgrund des Determinantenmultiplikationssatzes

    Für die Spiegelung ist schließlich

    Die Funktion ist also nicht invariant unter der Spiegelung, wohl aber ihr Betrag oder das Quadrat davon (letzteres gilt über jedem Körper). Die Funktion (oder oder ) enthält auch die Information, ob das Dreieck ausgeartet ist oder nicht, nämlich genau dann, wenn den Wert annimmt.

    Betrachten wir die Seitenlängen. Da wir mit geordneten Dreiecken arbeiten, sind (für ) die Seitenlängen

    invariant unter Kongruenzen (sie sind nicht invariant unter Umnummerierungen, da diese ja beispielsweise in überführen). Der Ausdruck , also der Umfang, ist invariant unter den Kongruenzen, aber auch unter Umnummerierungen.

    Die Invarianz der Seitenlängen ist ein Spezialfall der Invarianz der Skalarprodukte. Isometrien erhalten das Skalarprodukt, dies ist ihre definierende Eigenschaft. Zu (und die dritte Zahl aus ) sei

    Das ist also das Skalarprodukt der beiden vektoriellen Seiten, die am Eckpunkt anliegen. Diese Funktionen sind invariant unter geordneten Kongruenzen. Die Invarianz der Winkel (an einer bestimmten Ecke) zwischen zwei Dreiecksseiten folgt direkt aus der Invarianz der Skalarprodukte der zwei Seiten.

    Es gibt eine Reihe von elementargeometrischen Sätzen, die besagen, dass ein Dreieck bis auf Kongruenz durch die Angabe gewisser Größen bestimmt ist, z.B. durch die Angabe der drei Seitenlängen oder die Angabe eines Winkels und der Längen der beiden anliegenden Seiten. Betrachten wir die drei Längen als Abbildung (die wir die Längenabbildung nennen)

    Zwei Dreiecke sind genau dann kongruent, wenn ihre Werte unter der Abbildung übereinstimmen. Die Faser der Abbildung über einem Längentupel besteht aus allen geordneten Dreiecken, deren Seitenlängen gleich sind. Die Abbildung ist nicht surjektiv, da das Längentupel eines Dreiecks in liegt und die Dreiecksungleichung (und Permutationen davon) erfüllen muss (über einem algebraisch abgeschlossenen Körper ist die Abbildung aber surjektiv). Wenn irgendeine invariante Funktion ist, so ist diese auf den Kongruenzklassen, also den Fasern von , konstant, und somit gibt es eine eindeutig bestimmte Funktion mit . In einem gewissen Sinn beschreiben die sämtliche invarianten Funktionen.