Kurs:Analysis (Osnabrück 2013-2015)/Teil I/Vorlesung 6/kontrolle
- Rechenregeln für Folgen
Es sei ein angeordneter Körper und es seien und konvergente Folgen in . Dann gelten folgende Aussagen.
- Die Folge ist konvergent und es gilt
- Die Folge ist konvergent und es gilt
- Für
gilt
- Es sei
und
für alle
.
Dann ist ebenfalls konvergent mit
- Es sei
und
für alle
.
Dann ist ebenfalls konvergent mit
(2). Sei vorgegeben. Die konvergente Folge ist nach Lemma 5.8 insbesondere beschränkt und daher existiert ein mit für alle . Sei und . Wir setzen . Aufgrund der Konvergenz gibt es natürliche Zahlen und mit
Diese Abschätzungen gelten dann auch für alle . Für diese Zahlen gilt daher
(4). Da der Limes der Folge nicht ist, gilt für die Bedingung und damit
Es sei vorgegeben. Wegen der Konvergenz von gibt es ein mit
Dann gilt für alle die Abschätzung
Daraus folgt insbesondere, dass wenn eine Folge konvergiert, dann der Grenzwert ebenfalls zu dem abgeschlossenen Intervall gehören muss.
Die folgende Aussage nennt man das Quetschkriterium.
Es sei ein angeordneter Körper und es seien und drei Folgen in . Es gelte
und und konvergieren beide gegen den gleichen Grenzwert .
Dann konvergiert auch gegen diesen Grenzwert .
Beweis
Es sei ein angeordneter Körper und sei eine Folge in . Dann heißt die Folge wachsend, wenn ist für alle , und streng wachsend, wenn ist für alle . Die Folge heißt fallend, wenn ist für alle und streng fallend, wenn ist für alle .
Als gemeinsamen Begriff für waschsende oder fallende Folgen verwendet man die Bezeichnung monotone Folgen.
Man stelle sich nun eine wachsende Folge vor, die aber dennoch (nach oben) beschränkt ist. Muss eine solche Folge konvergieren? Das hängt vom angeordneten Körper ab! Innerhalb der rationalen Zahlen sind beispielsweise die mit dem Heronverfahren konstruierten Folgen fallend (wenn man mit einem zu großen Startwert anfängt) und auch beschränkt (durch jede rationale Zahl, deren Quadrat kleiner als ist), sie besitzen aber im Allgemeinen keinen Limes in . Die reellen Zahlen , denen wir uns jetzt zuwenden, sind gerade dadurch ausgezeichnet, dass darin jede wachsende (fallende), nach oben (unten) beschränkte Folge einen Grenzwert besitzt.
- Cauchy-Folgen
Ein Problem des Konvergenzbegriffes ist, dass zur Formulierung der Grenzwert verwendet wird, den man unter Umständen noch gar nicht kennt. Wenn man beispielsweise die durch das babylonische Wurzelziehen konstruierte Folge (sagen wir zur Berechnung von ) mit einem rationalen Startwert betrachtet, so ist dies eine Folge aus rationalen Zahlen. Wenn wir diese Folge in einem beliebigen angeordneten Körper betrachten, in dem existiert, so ist die Folge konvergent. Innerhalb der rationalen Zahlen ist sie aber definitiv nicht konvergent. Es ist wünschenswert, allein innerhalb der rationalen Zahlen den Sachverhalt formulieren zu können, dass die Folgenglieder beliebig nahe zusammenrücken, auch wenn man nicht sagen kann, dass die Folgenglieder einem Grenzwert beliebig nahe zustreben. Dazu dient der Begriff der Cauchy-Folge.
Es sei ein angeordneter Körper. Eine Folge in heißt Cauchy-Folge, wenn folgende Bedingung erfüllt ist.
Zu jedem , , gibt es ein derart, dass für alle die Abschätzung
gilt.
Es sei ein angeordneter Körper. Dann ist eine Folge genau dann eine Cauchy-Folge, wenn folgende Bedingung gilt: Zu jedem gibt es ein derart, dass für alle die Abschätzung gilt.
Eine
Cauchy-Folge
erfüllt auch die angegebene Bedingung, da man ja
setzen kann.
Für die Umkehrung sei
vorgegeben. Die Bedingung der Aussage gilt insbesondere für , d.h. es gibt ein derart, dass für jedes
die Abschätzung
gilt. Damit gilt aufgrund der Dreiecksungleichung für beliebige die Abschätzung
sodass eine Cauchy-Folge vorliegt.
Es sei ein angeordneter Körper. Dann ist jede konvergente Folge
eine Cauchy-Folge.
Es sei die konvergente Folge mit Grenzwert . Sei gegeben. Wir wenden die Konvergenzeigenschaft auf an. Daher gibt es ein mit
Für beliebige gilt dann aufgrund der Dreiecksungleichung
Es sei ein archimedisch angeordneter Körper. Es sei eine wachsende, nach oben beschränkte Folge.
Dann ist eine Cauchy-Folge.
Es sei eine obere Schranke, also für alle Folgenglieder . Wir nehmen an, dass keine Cauchy-Folge ist, und verwenden die Charakterisierung aus Lemma 6.6. Somit gibt es ein derart, dass es für jedes ein mit gibt (wir können die Betragstriche wegen der Monotonie weglassen). Wir können daher induktiv eine wachsende Folge von natürlichen Zahlen definieren durch ,
etc. Andererseits gibt es aufgrund des Archimedesaxioms ein mit . Die Summe der ersten Differenzen der Teilfolge , , ergibt
Dies impliziert im Widerspruch zur Voraussetzung, dass eine obere Schranke der Folge ist.
- Der Körper der reellen Zahlen
Ein angeordneter Körper heißt vollständig oder vollständig angeordnet, wenn jede Cauchy-Folge in konvergiert (also in einen Grenzwert besitzt).
Einen archimedisch angeordneten vollständigen Körper nennt man Körper der reellen Zahlen. Er wird mit bezeichnet.
Die reellen Zahlen sind also ein vollständig und archimedisch angeordneter Körper. Diese Eigenschaften legen die reellen Zahlen eindeutig fest, d.h. wenn es zwei Modelle und gibt, die beide für sich genommen vollständig und archimedisch angeordnete Körper sind, so kann man eine bijektive Abbildung von nach angeben, der alle mathematischen Strukturen erhält (sowas nennt man einen Isomorphismus).
Die Existenz der reellen Zahlen ist nicht trivial. Vom naiven Standpunkt her kann man die Vorstellung einer „kontinuierlichen Zahlengerade“ zugrunde legen, und dies als Existenznachweis akzeptieren. In einer strengeren mengentheoretischen Begründung der Existenz geht man von aus und konstruiert die reellen Zahlen als die Menge der Dedekindschen Schnitte oder die Menge der Cauchy-Folgen in mit einer geeigneten Identifizierung. Darauf werden wir hier verzichten.
Statt von einem vollständig und archimedisch angeordneten Körper werden wir von nun an von den reellen Zahlen sprechen. Als Beweismittel sind aber lediglich die genannten Axiome erlaubt.