Kurs:Diskrete Mathematik (Osnabrück 2020)/Vorlesung 2/kontrolle
- Abbildungen zwischen endlichen Mengen
In der letzten Vorlesung haben wir zwei wichtige Prinzipien der elementaren Kombinatorik kennengelernt, nämlich das Additivitätsprinzip für disjunkte Mengen (Lemma 1.6) und das Multiplikativitätsprinzip für Produktmengen (Lemma 1.7). Hier werden wir entsprechende Überlegungen für Abbildungen zwischen endlichen Mengen anstellen.
In der folgenden Aussage bezeichnen wir zu einer Abbildung
zu die Menge
als Urbildmenge zu . Man spricht auch von der Faser zu .
Da jedes Element auf genau ein Element aus abgebildet wird, liegt eine disjunkte Vereinigung
vor. Nach Lemma 1.6 ist daher die Gesamtanzahl der Menge gleich der Summe der Anzahlen der disjunkten Teilmengen.
Es seien und endliche Mengen mit bzw. Elementen.
Dann gibt es Abbildungen von nach .
Ohne Einschränkung sei
Es gibt eine natürliche bijektive Abbildung
was darauf beruht, dass eine Abbildung und eine vollständige Wertetabelle äquivalente Objekte sind. Daher folgt die Aussage aus Lemma 1.7 bzw. dessen Verallgemeinerung auf eine mehrfache Produktmenge, siehe Aufgabe 1.20.
Solche Aussagen werden in der Kombinatorik gerne mit einem Kugel- und Urnenmodell ausgedrückt. In diesem Fall sagt, man dass es Möglichkeiten gibt, unterscheidbare Kugeln auf unterscheidbare Urnen ohne weitere Bedingung zu verteilen. Abbildungen entsprechen dabei immer dem beidseitig unterscheidbaren Fall, einfach deshalb, weil in einer Menge die Elemente unterscheidbar sind.
- Die Fakultät
Bei einem Tanzkurs mit Damen und Herren gilt heute beim Schneewalzer Damenwahl, wobei die Damen in der Reihenfolge ihrer Sitzordnung wählen dürfen. Die erste Dame hat Wahlmöglichkeiten, die zweite Möglichkeiten, die dritte Möglichkeiten, u.s.w., die vorletze Dame hat noch zwei Möglichkeiten und für die letzte Dame verbleibt eine Möglichkeit.[1]
Zu einer natürlichen Zahl nennt man die Zahl
die Fakultät von (sprich Fakultät).
Es ist . Man setzt . Für kleine erhält man die folgende Wertetabelle.
Es seien und endliche Mengen, die beide Elemente besitzen.
Dann gibt es bijektive Abbildungen von nach .
Wir führen Induktion über , wobei der Fall klar ist. Die Aussage sei nun für schon bewiesen und es liegen zwei -elementige Mengen und vor. Es sei ein fixiertes Element. Dann gibt es für die Werte genau Möglichkeiten, nämlich die Anzahl der Menge . Wenn dies festgelegt ist, so entsprechen die bijektiven Abbildungen von nach mit
den bijektiven Abbildungen von nach . Nach Induktionsvoraussetzung gibt es solche bijektiven Abbildungen. Daher ist die Anzahl der bijektiven Abbildungen zwischen und gleich
Gleichbedeutend damit ist, dass es Möglichkeiten gibt, Objekte auf Plätze zu verteilen, oder Möglichkeiten, unterscheidbare Kugeln auf unterscheidbare Urnen so zu verteilen, dass keine Urne leer bleibt, oder Möglichkeiten, eine Menge von Objekten abzuzählen
(durchzunummerieren).
Auf einer endlichen Menge mit Elementen
gibt es bijektive Abbildungen von nach .
Dies ist ein Spezialfall von Satz 2.4.
Bijektive Abbildungen einer Menge in sich bekommen einen eigenen Namen.
Eine Permutation auf einer Menge ist eine bijektive Abbildung
Wir möchten eine vollständige Liste von allen bijektiven Abbildungen von der Menge in die Menge in der Form von Wertetabellen angeben. Wegen
gibt es sechs solche Abbildungen. Es gibt keine natürliche Reihenfolge dieser Abbildungen, dennoch kann man hier mehr oder weniger systematisch vorgehen. Beispielsweise kann man den Wert an der Stelle zuerst festlegen und dann die möglichen Kombinationen für und durchgehen. Dies führt auf die folgenden Wertetabellen.
Es seien und endliche Mengen mit bzw. Elementen mit .
Dann gibt es injektive Abbildungen von nach .
Beweis
Die Bestimmung der Anzahl von surjektiven Abbildungen ist deutlich schwieriger, wir werden in der 13. Vorlesung darauf zurückkommen.
- Die Potenzmenge
Zu einer Menge nennt man die Menge aller Teilmengen von die Potenzmenge von . Sie wird mit
bezeichnet.
Wenn die Menge der Leute im Kurs sind, so kann man als die Menge aller Parties auffassen, die diese Leute feiern können, wenn man eine Party mit der Menge der anwesenden Leute identifiziert.
Es sei eine endliche Menge mit Elementen.
Dann besitzt die Potenzmenge genau Elemente.
Beweis
- Die Binomialkoeffizienten
Wir bezeichnen mit die Menge der -elementigen Teilmengen von . Im Folgenden interessieren wir uns für deren Anzahl.
Die Anzahl der -elementigen Teilmengen in einer -elementigen Menge ist
Es sei eine -elementige Menge und eine -elementige Teilmenge. Wir betrachten die Menge aller bijektiven Abbildungen
die zusätzlich auf und (deshalb) auf abbilden. Nach Lemma 2.3 und nach Lemma 1.7 gibt es solche Abbildungen. Insgesamt gibt es bijektive Abbildungen von nach . Daher ist
Insbesondere ist ein Teiler von und es ist
die Anzahl der -elementigen Teilmengen von .
Der Satz beinhaltet, dass ein Teiler von ist und somit ist der Bruch eine natürliche Zahl. Diese bekommt einen eigenen Namen und ein eigenes Symbol.
Es seien und natürliche Zahlen mit . Dann nennt man
den Binomialkoeffizienten „ über “.
Für die Binomialkoeffizienten gilt die Regel
wie unmittelbar aus der Definition folgt. Dies kann man sich auch mit Hilfe von Satz 2.5 klar machen. Die Komplementabbildung
auf einer -elementigen Menge ist bijektiv und bildet -elementige Teilmengen auf -elementige Teilmengen ab.
Den Binomialkoeffizienten kann man auch als
schreiben, da die Faktoren aus auch in vorkommen und daher kürzbar sind. In dieser Darstellung stehen im Zähler und im Nenner gleich viele Faktoren. Gelegentlich ist es sinnvoll, auch negative oder zuzulassen und in diesen Fällen die Binomialkoeffizienten gleich zu setzen. Dies passt zur Interpretation in Satz 2.5.
In der vierelementigen Menge gibt es
zweielementige Teilmengen. Diese sind
In einer -elementigen Menge gibt es genau
-elementige Teilmengen. Es gibt also so viele mögliche Zahlenkombinationen beim Lotto „Sechs aus 49 “. Der Kehrwert von dieser Zahl ist die Wahrscheinlichkeit, beim Lotto sechs Richtige zu haben. Es werden dabei die Teilmengen gezählt, nicht die möglichen Ziehreihenfolgen. Die Anzahl der möglichen Ziehreihenfolgen ist
zu jeder sechselementigen Teilmenge gibt es mögliche Ziehreihenfolgen die auf diese Teilmenge führen.
Wir geben noch einen zweiten Beweis für diese Aussage, der sich an der inhaltlichen Beschreibung der Binomialkoeffizienten als Teilmengenanzahl orientiert.
Es sei eine -elementige Menge und ein fixiertes Element. Nach Satz 2.5 ist die Anzahl der -elementigen Teilmengen von gleich . Eine solche Teilmenge enthält entweder oder aber nicht. Im ersten Fall entspricht dann eine solche Teilmenge einer -elementigen Teilmenge von , das ergibt den Summanden . Im zweiten Fall entspricht eine solche Teilmenge einer -elementigen Teilmenge von , das ergibt den Summanden .
- Fußnoten
- ↑ Man könnte sich daran stören, dass man von Möglichkeiten spricht, obwohl nur eine Möglichkeit da ist, also keine echte Wahlmöglichkeit besteht. Mathematisch ist das aber die einzig sinnvolle Interpretation; eine Möglichkeit als keine Möglichkeit zu zählen würde alles durcheinander bringen.