Kurs:Elemente der Algebra (Osnabrück 2015)/Vorlesung 25/kontrolle
Unter den drei klassischen Problemen der antiken Mathematik versteht man
- die Quadratur des Kreises,
- die Dreiteilung des Winkels,
- die Würfelverdoppelung.
Dabei sollen diese Konstruktionen ausschließlich mit Zirkel und Lineal durchgeführt werden, wobei dies natürlich präzisiert werden muss. Nach langen vergeblichen Versuchen, solche Konstruktionen zu finden, ergab sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts die Erkenntnis, dass es keine solche Konstruktionen geben kann. Dies erfordert natürlich, dass man eine Übersicht über alle möglichen Konstruktionen erhalten kann.
- Konstruktionen mit Zirkel und Lineal
Unter der Ebene verstehen wir im Folgenden die Anschauungsebene, die wir später mit identifizieren. Zunächst sind die Konstruktionen „koordinatenfrei“. An elementargeometrischen Objekten verwenden wir Punkte, Geraden und Kreise. An elementargeometrischen Gesetzmäßigkeiten verwenden wir, dass zwei verschiedene Punkte eine eindeutige Gerade definieren, dass zwei Geraden entweder identisch sind oder parallel und schnittpunktfrei oder genau einen Schnittpunkt haben, u.s.w.
Es sei eine Teilmenge der Ebene . Eine Gerade heißt aus elementar konstruierbar, wenn es zwei Punkte , , derart gibt, dass die Verbindungsgerade von und gleich ist. Ein Kreis heißt aus elementar konstruierbar, wenn es zwei Punkte , , derart gibt, dass der Kreis mit dem Mittelpunkt und durch den Punkt gleich ist.
Man kann also an zwei Punkte aus der vorgegebenen Menge das Lineal anlegen und die dadurch definierte Gerade zeichnen, und man darf die Nadelspitze des Zirkels in einen Punkt der Menge stechen und die Stiftspitze des Zirkels an einen weiteren Punkt der Menge anlegen und den Kreis ziehen.
Wenn ein Koordinatensystem vorliegt, und zwei Punkte und gegeben sind, so ist die Gleichung der Verbindungsgeraden der beiden Punkte bekanntlich
Wenn zwei Punkte und gegeben sind, so besitzt der Kreis mit dem Mittelpunkt durch den Punkt die Kreisgleichung
Es sei eine Teilmenge der Ebene . Dann heißt ein Punkt aus in einem Schritt konstruierbar, wenn eine der folgenden Möglichkeiten zutrifft.
- Es gibt zwei aus elementar konstruierbare Geraden und mit .
- Es gibt eine aus elementar konstruierbare Gerade und einen aus elementar konstruierbaren Kreis derart, dass ein Schnittpunkt von und ist.
- Es gibt zwei aus elementar konstruierbare Kreise und derart, dass ein Schnittpunkt der beiden Kreise ist.
Es sei eine Teilmenge der Ebene . Dann heißt ein Punkt aus konstruierbar (oder mit Zirkel und Lineal konstruierbar), wenn es eine Folge von Punkten
gibt derart, dass jeweils aus in einem Schritt konstruierbar ist.
Eine Zahl heißt konstruierbar oder konstruierbare Zahl, wenn sie aus der Startmenge mit Zirkel und Lineal konstruierbar ist.
Bemerkung
Man startet also mit zwei beliebig vorgegebenen Punkten, die man und nennt und die dann die arithmetische Funktion übernehmen, die mit diesen Symbolen verbunden wird. Als erstes kann man die Gerade durch und ziehen, und diese Gerade wird mit den reellen Zahlen identifiziert. Wir werden gleich sehen, dass man eine zu senkrechte Gerade durch konstruieren kann, mit deren Hilfe ein kartesisches Koordinatensystem entsteht und mit dem wir die Ebene mit den komplexen Zahlen identifizieren können.
In den folgenden Konstruktionen verwenden wir einige Begrifflichkeiten aus der euklidischen Geometrie, wie Winkel, senkrecht, parallel, Strecke und elementare Grundtatsachen wie die Strahlensätze, Symmetriesätze und den Satz des Pythagoras.
In der Ebene lassen sich folgende Konstruktionen mit Zirkel und Lineal durchführen.
- Zu einer Geraden und zwei Punkten kann man die zu senkrechte Gerade zeichnen, die die Strecke zwischen und halbiert.
- Zu einer Geraden und einem Punkt kann man die zu senkrechte Gerade durch zeichnen.
- Zu einer Geraden und einem Punkt kann man die zu senkrechte Gerade durch zeichnen.
- Zu einer gegebenen Geraden und einem gegebenen Punkt kann man die Gerade durch zeichnen, die zu parallel ist.
- Wir zeichnen die beiden Kreise und mit dem Mittelpunkt durch und umgekehrt. Die beiden Schnittpunkte von und seien und . Deren Verbindungsgerade steht senkrecht auf und halbiert die Strecke zwischen und .
- Man zeichnet einen Kreis mit als Mittelpunkt und einem beliebigen Radius (dazu braucht man neben noch einen weiteren Punkt). Es seien und die beiden Schnittpunkte der Gerade mit . Für diese beiden Punkte führen wir die in (1) beschriebene Konstruktion durch. Diese Halbierungsgerade läuft dann durch und steht senkrecht auf .
- Wenn auf der Geraden liegt, sind wir schon fertig mit der Konstruktion in (2). Andernfalls zeichnen wir einen Kreis mit als Mittelpunkt mit einem hinreichend großen Radius derart, dass sich zwei Schnittpunkte und mit der Geraden ergeben (dafür braucht man, dass mindestens ein weiterer Punkt zur Verfügung steht). Dann führt wieder die erste Konstruktion zum Ziel.
- Dafür führt man zuerst die Konstruktion der Senkrechten durch wie in (3) beschrieben durch. Mit und führt man dann die Konstruktion (2) durch.
- Arithmetische Eigenschaften von konstruierbaren Zahlen
Sei ein Punkt in der Ebene.
Dann ist genau dann konstruierbar, wenn die beiden Koordinaten und konstruierbar sind.
Zunächst einmal kann man aufgrund der vorgegebenen Punkte die -Achse und dann wegen Lemma 25.6 die dazu senkrechte Achse durch , also die -Achse, konstruieren. Es steht also das Achsenkreuz zur Verfügung. Wenn nun gegeben ist, so kann man aufgrund von Lemma 25.6 (4) die zu den Achsen parallelen Geraden zeichnen und erhält somit die Koordinatenwerte. Den -Wert kann man dann noch mit einem Kreis mit dem Nullpunkt als Mittelpunkt auf die -Achse transportieren. Wenn umgekehrt die beiden Koordinaten gegeben sind, so kann man durch diese die senkrechten Geraden zeichnen. Deren Schnittpunkt ist der gesuchte Punkt.
Es sei eine mit und markierte Gerade, die wir mit den reellen Zahlen identifizieren. Es seien zwei Punkte gegeben. Dann gelten folgende Aussagen
- Die Summe ist (mit Zirkel und Lineal) konstruierbar.
- Das Produkt ist konstruierbar.
- Bei ist der Quotient konstruierbar.
(1) Wir verwenden eine zu senkrechte Gerade durch und darauf einen Punkt
.
Dazu nehmen wir die zu senkrechte Gerade durch , die also parallel zu ist. Wir zeichnen die Gerade , die parallel zu ist und durch verläuft. Der Schnittpunkt von
und
markieren wir als , sodass der Abstand von zu gleich ist. Jetzt zeichnen wir die Gerade durch
und
und dazu die parallele Gerade durch . Der Schnittpunkt von
mit
ist
,
da ein Parallelogramm bilden.
Zum Beweis von (2) und (3) verwenden wir wieder die zu senkrechte Gerade . Wir schlagen Kreise mit dem Nullpunkt als Mittelpunkt durch
, und
und markieren die entsprechenden Punkte auf als
, und .
Dabei wählt man als einen der beiden Schnittpunkte und
und
müssen dann auf den entsprechenden Halbgeraden sein. Um das Produkt zu erhalten, zeichnet man die Gerade durch
und und dazu die parallele Gerade durch . Diese Gerade schneidet in genau einem Punkt . Für diesen Punkt gilt nach dem Strahlensatz das Steckenverhältnis
Also ist
.
Um den Quotienten bei
zu erhalten, zeichnet man die Gerade durch
und
und dazu parallel die Gerade durch . Der Schnittpunkt von mit sei . Aufgrund des Strahlensatzes gilt die Beziehung
Die Menge der konstruierbaren Zahlen ist ein Unterkörper von .
Die und die sind als Ausgangsmenge automatisch darin enthalten. Zu einem Punkt gehört auch der „gegenüberliegende“ Punkt dazu, da man ihn konstruieren kann, indem man die Gerade durch und und den Kreis mit Mittelpunkt und Radius zeichnet; der zweite Schnittpunkt von diesem Kreis und dieser Geraden ist . Die Menge der konstruierbaren Zahlen ist also unter der Bildung des Negativen abgeschlossen.
Aufgrund von Lemma 25.7 kann man sich beim Nachweis der Körpereigenschaften darauf beschränken, dass die reellen konstruierbaren Zahlen einen Körper bilden. Dies folgt aber aus Lemma 25.8.