Kurs:Funktionalanalysis/Skalarproduktnorm

Einführung Bearbeiten

Eine Skalarproduktnorm, Innenproduktnorm oder Hilbertnorm ist in der Mathematik eine von einem Skalarprodukt induzierte (abgeleitete) Norm. In einem endlichdimensionalen reellen oder komplexen Vektorraum mit dem Standardskalarprodukt entspricht die Skalarproduktnorm gerade der euklidischen Norm.

Prähilbertraum und Norm Bearbeiten

Allgemein besitzt jeder Prähilbertraum eine zugeordnete Skalarproduktnorm und ist mit dieser Norm ein normierter Raum. Eine Norm ist dabei genau dann von einem Skalarprodukt induziert, wenn sie die Parallelogrammgleichung erfüllt.

Cauchy-Schwarzsche Ungleichung Bearbeiten

Jede Skalarproduktnorm erfüllt weiterhin die Cauchy-Schwarz-Ungleichung und ist invariant unter unitären Transformationen.

Klassifikation topologischer Räume Bearbeiten

 


Definition: Prähilbertraum Bearbeiten

Ist   ein Vektorraum über den Körper   der reellen oder komplexen Zahlen und   ein Skalarprodukt auf  , dann ist   ein Skalarproduktraum oder Prähilbertraum. Die von diesem Skalarprodukt induzierte Norm ist für einen Vektor   dann definiert als

 ,

also die Wurzel aus dem Skalarprodukt des Vektors mit sich selbst.

Bemerkung: Wohldefiniertheit Bearbeiten

Diese Definition ist wohldefiniert, da das Skalarprodukt eines Vektors mit sich selbst reell und nichtnegativ ist.


Zusammenhang - Topologische Räume Bearbeiten

Diese Norm heißt auch Skalarproduktnorm,[1] Innenproduktnorm[2] oder Hilbertnorm[3] und wird in reellen Skalarprodukträumen gelegentlich als (allgemeine) euklidische Norm bezeichnet.[4][5] Mit der Skalarproduktnorm ist der Vektorraum   ein normierter Raum  . Weiterhin ist   mit der von der Norm induzierten Metrik   ein metrischer Raum   und mit der Normtopologie   ein topologischer Raum  .

Beispiele Bearbeiten

Skalarprodukte können nicht nur auf den grundlegenden endlichdimensionalen Vektorräumen, wie dem   oder   definiert werden. Wichtige Beispiele für Skalarproduktnormen werden nun genannt.

Euklidische Norm Bearbeiten

Die euklidische Norm auf dem euklidischen Raum der endlichdimensionalen Vektoren,

Skalarproduktnorm auf Folgenräumen Bearbeiten

Die 2-Norm auf dem Raum 2 der quadratisch summierbaren Folgen,

L2-Norm auf Vektorräume von Funktionen Bearbeiten

Die L2-Norm auf dem Raum L2 der quadratisch Lebesgue-integrierbaren Funktionen,

Sobolev-Norm Bearbeiten

Die Sobolev-Norm auf dem Sobolev-Raum Hs der Funktionen, deren gemischte schwache Ableitungen bis zum Grad   quadratisch Lebesgue-integrierbar sind,


Frobenius-Norm Bearbeiten

Die Frobenius-Norm auf dem Raum der Matrizen,

Hilbert-Schmidt-Norm Bearbeiten

Die Hilbert-Schmidt-Norm auf dem Raum der Hilbert-Schmidt-Operatoren.

Eigenschaften Bearbeiten

  • Die durch das Skalarprodukt induzierte Abbildung   ist eine Norm.
  • In einem (Prä-)Hilbertraum gilt die Parallelogrammgleichung
  • In einem (Prä-)Hilbertraum gilt der Satz des Pythagoras

Normeigenschaften Bearbeiten

 
Vektoren in der Dreiecksungleichung

Jede Skalarproduktnorm erfüllt die drei Normaxiome

Beweis N1 - Definitheit Bearbeiten

Die Definitheit folgt für   aus der Eindeutigkeit der Nullstelle der Wurzelfunktion über

 ,

Beweis N2 - Absolute Homogenität Bearbeiten

Die absolute Homogenität folgt für   und   unter Ausnutzung der Bilinearität über dem Körper   bzw. Sesquilinearität über   mit

 

Beweis: N3 - Dreiecksungleichung Bearbeiten

Die Dreiecksungleichung (oder Subadditivität) folgt für   über die Cauchy-Schwarz-Ungleichung (siehe den folgenden Abschnitt) aus

Abschätzung der Norm Bearbeiten

 

Bemerkung zur Abschätzung Bearbeiten

Für die Abschätzung wurde ferner verwendet, dass der Realteil   einer komplexen Zahl   durch den Betrag des Realteils nach oben abgeschätzt werden kann.

 

wobei der Realteil und Imaginärteil in der komplexen Zahlebene betragsmäßig den Katheden eines rechtwickligen Dreiecks entspricht und   der Länge der Hypothenuse.

Bemerkung Dreiecksungleichung Bearbeiten

Abschließend wird auf die Ungleichung der nicht-negativen Terme noch die Wurzel angewendet und man erhält mit Cauchy-Schwarz die Gültigkeit der Dreiecksungleichung für die vom Skalarprodukt induzierten Norm.

Aufgabe für Lernende Bearbeiten

 
Satz des Thales
  • Formulieren Sie den Satz des Thales in einer Skalarprodukt-Notation in einem Prähilbertraum und beweisen Sie den Satz. Starten Sie mit einem rechtwickligen Dreieck mit den Katheten   mit   und der Hypotenuse  .
  • Formulieren Sie den Höhensatz in einer Skalarprodukt-Notation in einem Prähilbertraum und beweisen Sie den Satz. Starten Sie mit einem rechtwickligen Dreieck mit den Katheten   mit   und der Hypotenuse  .
    • Tragen Sie die Höhe   und die Hypothenusenabschnitte   ein.
    • Stellen Sie   durch die Vektor  .
    • Welche Eigenschaften der Orthogonalität finden Sie in Ihrer Skizze.
  • Welche Beweise für den Höhensatz in der Ebene kennen Sie? Können diese auf Prähilberträume analog übertragen werden?

Parallelogrammgleichung Bearbeiten

 
Vektoren in der Parallelogrammgleichung

Für eine Skalarproduktnorm gilt zudem die Parallelogrammgleichung

 

für alle Vektoren  .

Satz von Jordan - von Neumann Bearbeiten

Umgekehrt gilt nach dem Satz von Jordan-von Neumann: erfüllt eine Norm   die Parallelogrammgleichung, so ist sie von einem Skalarprodukt induziert. Dieses Resultat erhält man durch eine Polarisationsformel, bei reellen Vektorräumen zum Beispiel durch

 .

Unitäre Invarianz Bearbeiten

Eine Skalarproduktnorm ist weiterhin invariant unter unitären Transformationen. Ist   ein unitärer Operator (im endlichdimensionalen Fall eine unitäre bzw. orthogonale Matrix) von   in einen weiteren Skalarproduktraum   mit zugehöriger Norm, dann gilt

 ,

Beweis für die Norminvaranz Bearbeiten

Die Gleichung   folgt unmittelbar aus der folgenden Gleichungskette:

 

Dabei ist   der zu   adjungierte Operator. Im endlichdimensionalen Fall ist das dann die adjungierte bzw. transponierte Matrix).

Geometrischer Bezug Bearbeiten

Eine Skalarproduktnorm ändert ihren Wert somit unter unitären Transformationen des Vektors nicht. Im reellen, endlichdimensionalen Fall sind solche Transformationen beispielsweise Drehungen des Vektors um den Nullpunkt.

Cauchy-Schwarz-Ungleichung Bearbeiten

Eine Skalarproduktnorm erfüllt für alle Vektoren   die Cauchy-Schwarz-Ungleichung

 ,

wobei Gleichheit genau dann gilt, wenn   und   linear abhängig sind.

Reeler Fall Bearbeiten

Im reellen Fall können die Betragsstriche auch weglassen werden. Aus der Cauchy-Schwarz-Ungleichung folgt dann unmittelbar

 ,

Winkel zwischen Vektoren Bearbeiten

Mit der obigen Ungleichung kann man den Winkel   zwischen zwei reellen Vektoren über

 

definieren. Der Winkel   liegt damit im Intervall  , also zwischen   und  . Für Winkel zwischen komplexen Vektoren gibt es eine Reihe unterschiedlicher Definitionen.[6]

Orthogonalprojektion von Vektoren Bearbeiten

Betrachtet man zwei verschiedene Vektoren  , dann kann man die Orthogonalprojektion   von   auf   durch das Skalarprodukt ausdrücken:

 

Dabei liegt die Projektion von   in dem von   aufgespannten eindimensionalen Unterraum von  

Aufgabe - Strahlensatz Bearbeiten

Betrachten Sie die normierten Vektoren   und   mit   als Vektoren auf dem Einheitskreis und betrachten Sie die

 

Aufgaben - Orthogonalprojektion Bearbeiten

Betrachten Sie zunächst die Orthogonalprojektion von einem Vektor auf einen zweiten Vektor im  .

 
Orthogonalprojektion


Aufgabe 1 - Orthogonalprojektion Bearbeiten

Berechnen Sie die Orthogonalprojektion   eines Vektors   auf einen Vektors   mit Hilfe des Skalarpdoktes U! Betrachten Sie dazu zunächst die Abbildung im   und wählen Sie im einfachen Fall die Vektoren   und  . Berechnen Sie zunächst die Orthogonalprojekt  . Zeigen Sie, dass   und   senkrecht zueinander stehen.

Aufgabe 2 - Orthogonalprojektion Bearbeiten

Übertragen Sie das Vorgehen aus dem   auf die stetigen Funktionen mit kompaktem Träger   nach   und berechnen Sie die Orthogonalprojektion   von   auf   für die beiden Vektoren   mit:

  •  
  •  

Berechnen Sie zunächst die Orthonalprojektion   von   auf   und zeigen Sie, dass   orthogonal orthogonal zu  ! Normalisieren Sie dann die beiden Vektoren   und  , sodass   und   gilt.

Vorbemerkung zu Aufgabe 3 Bearbeiten

Andere Skalarprodukte kann man im reellen Fall durch jede symmetrische und positiv definite Matrix   über

 

erzeugen. Dies ist auch im komplexen Fall durch jede positiv definite hermitesche Matrix   über

 

möglich.

Aufgabe 3 - Skalarprodukt mit vorgegebenen Eigenschaften Bearbeiten

Geben Sie ein Skalarprodukt   auf dem   an, bei dem die Vektoren   und   senkrecht aufeinander stehen - also   gilt. Verwenden Sie zunächst die folgende symmetrische Matrix für das gesuchte Skalarprodukt  :

 

Satz des Pythagoras Bearbeiten

Allgemein werden zwei Vektoren   orthogonal genannt, wenn ihr Skalarprodukt   ist. Für orthogonale Vektoren gilt dann der Satz des Pythagoras für Skalarprodukträume

 .

Erweiterung von Pythagoras Bearbeiten

Der Satz des Pythagoras kann auch auf eine endliche Summe paarweise orthogonaler Vektoren   erweitert werden und es gilt dann

 .

Die entsprechende Erweiterung auf unendlich viele Summanden in einem Hilbertraum ist die Parsevalsche Gleichung (siehe auch Satz des Pythagoras).

Verallgemeinerung Bearbeiten

Verzichtet man auf die positive Definitheit des Skalarprodukts, erhält man die folgende Verallgemeinerung. Jede positiv semidefinite hermitesche Sesquilinearform (im reellen Fall symmetrische Bilinearform)   induziert für   durch

 

eine Halbnorm.

Hausdorff-Eigenschaft - Trennung von Punkten Bearbeiten

Mit dieser Halbnorm ist dann   ein halbnormierter Raum, der aber im Allgemeinen kein metrischer Raum ist. Durch Restklassenbildung lässt sich aus einer Halbnorm aber eine zugehörige Norm ableiten und so erhält man wieder einen normierten Raum und damit auch einen metrischen und einen topologischen Raum.

Beispiel - Kovarianz Bearbeiten

Die Kovarianz ist eine Bilinearform auf dem Raum der Zufallsvariablen mit endlichen zweiten Momenten, und wird zu einem Skalarprodukt auf dem Quotientenraum der Zufallsvariablen, die sich nur durch eine Konstante unterscheiden. Die von diesem Skalarprodukt induzierte Norm ist dann schlicht die Standardabweichung einer Zufallsvariablen.

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Kosmol: Optimierung und Approximation. de Gruyter, 2010, S. 100.
  2. Heuser: Funktionalanalysis: Theorie und Anwendung. 2006, S. 148.
  3. Amann, Escher: Analysis I. 2006, S. 168.
  4. Bronstein et al.: Taschenbuch der Mathematik. 2008, S. 368.
  5. Beutelspacher: Lineare Algebra. 2003, S. 259.
  6. Klaus Scharnhorst: Angles in complex vector spaces. In: Acta Applicandae Math. Band 69, 2001, S. 95–103.

Siehe auch Bearbeiten

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