Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2018-2019)/Teil II/Vorlesung 45/latex

\setcounter{section}{45}






\zwischenueberschrift{Cauchy-Folgen}

Ein Problem des Konvergenzbegriffes ist, dass zur Formulierung der Grenzwert verwendet wird, den man unter Umständen noch gar nicht kennt. Wenn man beispielsweise die durch das babylonische Wurzelziehen konstruierte Folge
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} \zusatzklammer {sagen wir zur Berechnung von $\sqrt{5}$} {} {} mit einem rationalen Startwert betrachtet, so ist dies eine Folge aus rationalen Zahlen. Wenn wir diese Folge in $\R$ betrachten, wo $\sqrt{5}$ existiert, so ist die Folge konvergent. Innerhalb der rationalen Zahlen ist sie aber definitiv nicht konvergent. Es ist wünschenswert, allein innerhalb der rationalen Zahlen den Sachverhalt formulieren zu können, dass die Folgenglieder beliebig nahe zusammenrücken, auch wenn man nicht sagen kann, dass die Folgenglieder einem Grenzwert beliebig nahe zustreben. Dazu dient der Begriff der Cauchy-Folge.

Wir werden in der nächsten Vorlesung die reellen Zahlen mit Hilfe der rationalen Cauchy-Folgen konstruieren.




\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Augustin_Louis_Cauchy.JPG} }
\end{center}
\bildtext {Augustin Louis Cauchy (1789-1857)} }

\bildlizenz { Augustin Louis Cauchy.JPG } {} {Anarkman} {Commons} {PD} {}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {angeordneter Körper}{}{.} Eine \definitionsverweis {Folge}{}{}
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} in $K$ heißt \definitionswort {Cauchy-Folge}{,} wenn folgende Bedingung erfüllt ist.

Zu jedem
\mathbed {\epsilon \in K} {}
{\epsilon >0} {}
{} {} {} {,} gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n_0 }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n,m }
{ \geq }{ n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_n-x_m } }
{ \leq} {\epsilon }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.

}

Es werden also die Abstände von Folgenglieder untereinander verglichen, diese Schwankungen müssen beliebig klein werden. Grob gesprochen kann man sagen, dass eine Cauchy-Folge alle Eigenschaften einer konvergenten Folge besitzt bis auf die Konvergenz, bis auf die Existenz eines Grenzwertes. Eine nichtkonvergente Cauchy-Folge entdeckt eine \anfuehrung{Lücke}{.} Beim Übergang von $\Q$ nach $\R$ schließt man diese Lücken, indem man \zusatzklammer {Äquivalenzklassen von} {} {} Cauchy-Folgen hinzunimmt.





\inputfaktbeweis
{Angeordneter Körper/Konvergente Folge ist Cauchy-Folge/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {angeordneter Körper}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Dann ist jede \definitionsverweis {konvergente Folge}{}{}}
\faktfolgerung {eine \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} die konvergente Folge mit Grenzwert $x$. Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gegeben. Wir wenden die Konvergenzeigenschaft auf
\mathl{\epsilon/2}{} an. Daher gibt es ein $n_0$ mit
\mathdisp {\betrag { x_n-x } \leq \epsilon/2 \text { für alle } n \geq n_0} { . }
Für beliebige
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n,m }
{ \geq }{ n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt dann aufgrund der Dreiecksungleichung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_n-x_m } }
{ \leq} { \betrag { x_n-x } + \betrag { x-x_m } }
{ \leq} { \epsilon/2 + \epsilon/2 }
{ =} { \epsilon }
{ } {}
} {}{}{.}  Also liegt eine Cauchy-Folge vor.

}





\inputfaktbeweis
{Angeordneter Körper/Cauchyfolge/Charakterisierung mit n0 und n/Fakt}
{Lemma}
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {angeordneter Körper}{}{.} Dann ist eine \definitionsverweis {Folge}{}{}
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} genau dann eine \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{,} wenn folgende Bedingung gilt: Zu jedem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n_0 }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ \geq }{n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abschätzung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \betrag { x_m-x_{n_0} } }
{ \leq }{ \epsilon }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt.

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{Eine \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{} erfüllt auch die angegebene Bedingung, da man ja
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n_0 }
{ = }{n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} setzen kann.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Für die Umkehrung sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vorgegeben. Die Bedingung der Aussage gilt insbesondere für
\mathl{\epsilon/2}{,} d.h. es gibt ein $n_0$ derart, dass für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ \geq }{n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_m-x_{n_0} } }
{ \leq} { { \frac{ \epsilon }{ 2 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt. Damit gilt aufgrund der Dreiecksungleichung für beliebige
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m,n }
{ \geq }{ n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_m-x_{n} } }
{ \leq} { \betrag { x_m-x_{n_0} } + \betrag { x_{n_0}-x_n } }
{ \leq} { { \frac{ \epsilon }{ 2 } } + { \frac{ \epsilon }{ 2 } } }
{ =} { \epsilon }
{ } {}
} {}{}{,} sodass eine Cauchy-Folge vorliegt.}
{}

}





\inputfaktbeweis
{Dezimalbruchfolge/Cauchy-Folge/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Eine \definitionsverweis {Dezimalbruchfolge}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_n }
{ =} { { \frac{ a_n }{ 10^n } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{}}
\faktvoraussetzung {in einem \definitionsverweis {archimedisch angeordneten Körper}{}{} $K$}
\faktfolgerung {ist eine \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wegen der definierenden Eigenschaft für eine Dezimalbruchfolge
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ a_n }{ 10^n } } }
{ \leq} { { \frac{ a_{n+1} }{ 10^{n+1} } } }
{ <} { { \frac{ a_n+1 }{ 10^n } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_{n+1} }
{ <} { x_n + { \frac{ 1 }{ 10^n } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} bzw.
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_{n+1}-x_n }
{ <} { { \frac{ 1 }{ 10^n } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Somit gilt für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ > }{n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abschätzung
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ x_m-x_n }
{ =} { { \left( x_{m+1}-x_m \right) } + { \left( x_m -x_{m-1} \right) } + \cdots + { \left( x_{n+2}-x_{n+1} \right) } + { \left( x_{n+1}-x_n \right) } }
{ \leq} { { \frac{ 1 }{ 10^m } } + { \frac{ 1 }{ 10^{m-1} } } + \cdots + { \frac{ 1 }{ 10^{n+1} } } + { \frac{ 1 }{ 10^n } } }
{ =} { { \left( { \frac{ 1 }{ 10^{m-n} } } + { \frac{ 1 }{ 10^{m-n-1} } } + \cdots + { \frac{ 1 }{ 10 } } + 1 \right) } { \frac{ 1 }{ 10^n } } }
{ \leq} { 2 \cdot { \frac{ 1 }{ 10^n } } }
} {} {}{,} wobei wir im letzten Schritt die endliche geometrische Reihe benutzt haben. Dieser Ausdruck wird in einem archimedisch angeordneten Körper beliebig klein.

}

Dies bedeutet insbesondere, dass jede \anfuehrung{Kommazahl}{,} also jede \anfuehrung{unendliche Ziffernfolge}{,} eine Cauchy-Folge ist.





\inputfaktbeweis
{Angeordneter Körper/Heron-Verfahren/Folge/Cauchy-Folge und Konvergenz/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {archimedisch angeordneter Körper}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c }
{ \in }{ K_+ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es sei $x_0$ ein positiver Startwert und
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} die zugehörige \definitionsverweis {Heron-Folge}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Die Heron-Folge ist eine \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{.} }{Wenn es in $K$ ein positives Element $x$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x^2 }
{ = }{c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt, so \definitionsverweis {konvergiert}{}{} die Folge gegen dieses Element. }{Wenn die Folge in $K$ gegen ein Element $x$ konvergiert, so ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x^2 }
{ = }{c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\aufzaehlungdrei{Zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ \geq }{n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist nach Satz 43.7  (3)
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x_m }
{ \in }{ [ { \frac{ c }{ x_n } } , x_n] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und somit ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_n-x_m } }
{ \leq} { \betrag { x_n - { \frac{ c }{ x_n } } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Diese Intervalllängen bilden nach Satz 43.7  (4) eine \definitionsverweis {Nullfolge}{}{.} }{Nach Satz 43.7  (1) ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ c }{ x_n } } }
{ \leq} { \sqrt{c} }
{ \leq} { x_n }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Somit ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{0 }
{ \leq} { \betrag { x_n- \sqrt{c} } }
{ \leq} { \betrag { x_n - { \frac{ c }{ x_n } } } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und rechts steht wieder die Nullfolge. Die Aussage folgt daher aus dem Quetschkriterium. }{Nach Satz 43.7 kann der Grenzwert nicht $0$ sein. Nach Lemma 44.12  (5) konvergiert daher
\mathl{{ \frac{ c }{ x_n } }}{} gegen ${ \frac{ c }{ x } }$ und somit konvergiert nach Lemma 44.12  (1)
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_{n+1} }
{ =} { { \frac{ x_n + { \frac{ c }{ x_n } } }{ 2 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} \zusatzklammer {Betrachten der beiden Seiten} {} {} gegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x }
{ =} { { \frac{ x + { \frac{ c }{ x } } }{ 2 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daraus ergibt sich
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x^2 }
{ = }{c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} }

}





\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {angeordneter Körper}{}{} und sei
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} eine \definitionsverweis {Folge}{}{} in $K$. Zu jeder \definitionsverweis {streng wachsenden}{}{} \definitionsverweis {Abbildung}{}{} \maabbele {} {\N} {\N } {i} {n_i } {,} heißt die Folge
\mathdisp {i \mapsto x_{n_i}} { }
eine \definitionswort {Teilfolge}{} der Folge.

}

Bei einer Teilfolge wählt man einfach gewisse Folgenglieder aus und überspringt andere.

Eine Dezimalbruchfolge ist nach Lemma 45.4 eine Cauchy-Folge. Sie ist auch eine wachsende Folge, die nach oben beschränkt ist. Solche Folgen sind stets Cauchy-Folgen. Insbesondere ergibt sich Lemma 45.4 erneut aus dem folgenden Lemma.




\inputfaktbeweis
{Archimedisch angeordneter Körper/Beschränkte monoton wachsende Folge/Ist Cauchyfolge/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {archimedisch angeordneter Körper}{}{.}}
\faktvoraussetzung {Es sei
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} eine \definitionsverweis {wachsende}{}{,} \definitionsverweis {nach oben beschränkte}{}{} Folge.}
\faktfolgerung {Dann ist
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} eine \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{b }
{ \in }{K }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {obere Schranke}{}{,} also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x_n }
{ \leq }{b }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle Folgenglieder $x_n$.  Wir nehmen an, dass
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} keine Cauchy-Folge ist, und verwenden die Charakterisierung aus Lemma 45.3. Somit gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass es für jedes $n_0$ ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ > }{ n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x_m-x_{n_0} }
{ \geq }{ \epsilon }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt \zusatzklammer {wir können die Betragstriche wegen der Monotonie weglassen} {} {.} Wir können daher induktiv eine wachsende Folge von natürlichen Zahlen definieren durch
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n_0 }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,}
\mathdisp {n_1 > n_0 \text{ so, dass } x_{n_1} - x_{n_0} \geq \epsilon} { , }

\mathdisp {n_2 > n_1 \text{ so, dass } x_{n_2} - x_{n_1} \geq \epsilon} { , }
etc. Andererseits gibt es aufgrund des \definitionsverweis {Archimedes\-axioms}{}{} ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{k }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k \epsilon }
{ > }{ b-x_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Die Summe der ersten $k$ Differenzen der \definitionsverweis {Teilfolge}{}{}
\mathbed {x_{n_j}} {}
{j \in \N} {}
{} {} {} {,} ergibt
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ x_{n_k}-x_0 }
{ =} { (x_{n_k} - x_{n_{k-1} }) + (x_{n_{k-1} } - x_{n_{k-2} }) + \cdots + (x_{n_{2} } - x_{n_{1} }) +(x_{n_{1} } - x_{n_{0} }) }
{ \geq} { k \epsilon }
{ >} { b-x_0 }
{ } {}
} {} {}{.}   Dies impliziert
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x_{n_k} }
{ > }{ b }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} im Widerspruch zur Voraussetzung, dass $b$ eine obere Schranke der Folge ist.

}


\inputfaktbeweis
{Angeordneter Körper/Cauchy-Folge/Beschränkt/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {}
\faktvoraussetzung {Eine \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{} in einem \definitionsverweis {angeordneten Körper}{}{} $K$}
\faktfolgerung {ist \definitionsverweis {beschränkt}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 45.11. }





\inputfaktbeweis
{Angeordneter Körper/Cauchy-Folge/Addition und Multiplikation/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {angeordneter Körper}{}{.} Es seien
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} und
\mathl{{ \left( y_n \right) }_{n \in \N }}{} \definitionsverweis {Cauchy-Folgen}{}{} in $K$.}
\faktfolgerung {Dann sind auch die Summe und das Produkt der beiden Folgen wieder eine Cauchy-Folge.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Zum Beweis der Summeneigenschaft sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vorgegeben. Aufgrund der Cauchy-Eigenschaft gibt es natürliche Zahlen \mathkor {} {N_1} {und} {N_2} {} mit
\mathdisp {\betrag { x_m -x_n } \leq \frac{\epsilon}{2} \text { für } m,n \geq N_1 \text{ und } \betrag { y_m -y_n } \leq \frac{\epsilon}{2} \text { für } m, n \geq N_2} { . }
Diese Abschätzungen gelten dann auch für
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{m,n }
{ \geq} {N }
{ \defeq} { \max\{N_1,N_2\} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Für diese Indizes gilt somit
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \betrag { x_m +y_m -(x_n+ y_n) } }
{ =} { \betrag { x_m-x_n+ y_m-y_n } }
{ \leq} { \betrag { x_m-x_n } + \betrag { y_m-y_n } }
{ \leq} { \frac{ \epsilon}{2} + \frac{ \epsilon}{2} }
{ =} {\epsilon }
} {} {}{.}

Zum Beweis der Produkteigenschaft sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vorgegeben. Die beiden Cauchy-Folgen sind nach Lemma 45.8 insbesondere \definitionsverweis {beschränkt}{}{} und daher existiert ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{D }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_n } ,\betrag { y_n } }
{ \leq} {D }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Aufgrund der Cauchy-Eigenschaft gibt es natürliche Zahlen \mathkor {} {N_1} {und} {N_2} {} mit
\mathdisp {\betrag { x_m -x_n } \leq \frac{\epsilon}{2D} \text { für } m,n \geq N_1 \text{ und } \betrag { y_m -y_n } \leq \frac{\epsilon}{2D} \text { für } m,n \geq N_2} { . }
Diese Abschätzungen gelten dann auch für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ m,n }
{ \geq }{ N }
{ \defeq }{ \max\{N_1,N_2\} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Für diese Indizes gilt daher
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \betrag { x_my_m -x_ny_n } }
{ =} { \betrag { x_my_m-x_my_n+x_m y_n-x_ny_n } }
{ \leq} {\betrag { x_my_m-x_my_n } + \betrag { x_my_n-x_ny_n } }
{ =} { \betrag { x_m } \betrag { y_m-y_n } + \betrag { y_n } \betrag { x_m-x_n } }
{ \leq} {D { \frac{ \epsilon }{ 2D } } + D { \frac{ \epsilon }{ 2D } } }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} {\epsilon }
{ } {}
{ } {}
{ } {}
} {}{.}

}


Wenn eine Folge in $K$ konvergiert, so ist der Grenzwert $0$ oder positiv oder negativ. Wenn der Grenzwert positiv ist, so können zwar am Anfang der Folge auch negative Folgeglieder auftreten, ab einem bestimmten $n_0$ müssen aber alle Folgenglieder positiv sein, und zwar mindestens so groß wie die Hälfte des Grenzwertes. Eine entsprechende Einteilung gilt auch für Cauchy-Folgen, wie das folgende Lemma zeigt, das grundlegend für die \zusatzklammer {später einzuführende} {} {} Ordnung auf den reellen Zahlen ist.




\inputfaktbeweis
{Angeordneter Körper/Keine Nullfolge/Abschätzung/Alternative/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $K$ ein \definitionsverweis {angeordneter Körper}{}{} und es sei
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} eine \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{} in $K$.}
\faktuebergang {Dann gibt es die drei folgenden Alternativen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Die Folge ist eine \definitionsverweis {Nullfolge}{}{.} }{Es gibt eine positive Zahl $\delta$ derart, dass ab einem gewissen $n_0$ die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_n }
{ \geq} { \delta }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \geq }{n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt. }{Es gibt eine positive Zahl $\delta$ derart, dass ab einem gewissen $n_0$ die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_n }
{ \leq} { - \delta }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \geq }{n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei die Folge keine Nullfolge. Dann gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass es unendlich viele Folgenglieder mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_n } }
{ >} {\epsilon }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gibt. Dann gibt es auch unendlich viele Folgenglieder mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_n }
{ >} {\epsilon }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} oder mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_n }
{ <} { -\epsilon }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Nehmen wir das erste an. Wegen der Cauchy-Eigenschaft für
\mathl{{ \frac{ \epsilon }{ 2 } }}{} gibt es ein $n_0$ derart, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_m-x_n } }
{ \leq} { { \frac{ \epsilon }{ 2 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m,n }
{ \geq }{n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt. Wenn man die beiden Aussagen verbindet, so gilt für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m }
{ \geq }{n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und einem $x_n$ mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_n }
{ >} { \epsilon }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} unter Verwendung von Lemma 24.7  (8) die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_m }
{ =} { x_n + x_m -x_n }
{ \geq} { x_n - \betrag { x_m -x_n } }
{ \geq} {\epsilon- { \frac{ \epsilon }{ 2 } } }
{ =} { { \frac{ \epsilon }{ 2 } } }
} {}{}{.} Dieses wählen wir als $\delta$.

}





\inputfaktbeweis
{Angeordneter Körper/Cauchy-Folge/Positiv/Inverse Folge/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} eine \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{} in einem \definitionsverweis {angeordneten Körper}{}{} mit der Eigenschaft, dass es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und ein $n_0$ derart gibt, dass für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \geq }{n_0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_n }
{ \geq} {a }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.}
\faktfolgerung {Dann ist auch die durch \zusatzklammer {für $n$ hinreichend groß} {} {}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{y_n }
{ =} { { \left( x_n \right) }^{-1} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gegebene inverse Folge eine Cauchy-Folge.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ > }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vorgegeben. Wegen der Cauchy-Eigenschaft von
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} gibt es ein $n_1$ mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \betrag { x_m-x_n } }
{ \leq} { \epsilon a^2 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m,n }
{ \geq }{n_1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann gilt für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{m,n }
{ \geq }{ N }
{ \defeq }{ \operatorname{max} \{n_0, n_1\} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Abschätzung
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \betrag { y_m-y_n } }
{ =} { \betrag { { \frac{ 1 }{ x_m } } - { \frac{ 1 }{ x_n } } } }
{ =} { \betrag { { \frac{ x_n -x_m }{ x_m x_n } } } }
{ =} { { \frac{ 1 }{ \betrag { x_m } \cdot \betrag { x_n } } } \betrag { x_m-x_n } }
{ \leq} { { \frac{ 1 }{ a^2 } } \cdot \epsilon a^2 }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { \epsilon }
{ } {}
{ } {}
{ } {}
} {}{.}

}






\zwischenueberschrift{Das Vollständigkeitsaxiom}




\inputdefinition
{}
{

Ein \definitionsverweis {angeordneter Körper}{}{} $K$ heißt \definitionswort {vollständig}{} oder \definitionswort {vollständig angeordnet}{,} wenn jede \definitionsverweis {Cauchy-Folge}{}{} in $K$ \definitionsverweis {konvergiert}{}{} \zusatzklammer {also in $K$ einen Grenzwert besitzt} {} {.}

}




\inputaxiom
{}
{

Die reellen Zahlen $\R$ sind ein \definitionsverweis {vollständiger}{}{} \definitionsverweis {archimedisch angeordneter Körper}{}{.}

}

Damit haben wir alle Axiome der reellen Zahlen zusammengetragen: die Körperaxiome, die Anordnungsaxiome und das Vollständigkeitsaxiom. Alle weiteren Eigenschaften werden wir daraus ableiten. Diese Eigenschaften legen die reellen Zahlen eindeutig fest, d.h. wenn es zwei Modelle $\R_1$ und $\R_2$ gibt, die beide für sich genommen diese Axiome erfüllen, so kann man eine bijektive Abbildung von $\R_1$ nach $\R_2$ angeben, die alle mathematischen Strukturen erhält \zusatzklammer {sowas nennt man einen \anfuehrung{Isomorphismus}{}, siehe Satz 47.1} {} {.}

Die Existenz der reellen Zahlen ist nicht trivial. Vom naiven Standpunkt her kann man die Vorstellung einer \anfuehrung{kontinuierlichen lückenfreien Zahlengerade}{} zugrunde legen, und dies als Existenznachweis akzeptieren. In einer strengeren mengentheoretischen Begründung der Existenz geht man von $\Q$ aus und konstruiert die reellen Zahlen als die Menge der Cauchy-Folgen in $\Q$ mit einer geeigneten Identifizierung. Dies werden wir in der nächsten Vorlesung durchführen.