Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Teil II/Vorlesung 49/kontrolle



Orientierungen auf reellen Vektorräumen

Es seien und zwei zweidimensionale reelle Vektorräume mit den Basen bzw. . Es sei eine lineare Abbildung

gegeben mit und . Die Matrix, die diese lineare Abbildung beschreibt, ergibt sich, indem man die Koordinaten des Bildvektors des -ten Basisvektors als -te Spalte schreibt. Bei der gegebenen Nummerierung ergibt sich also die Matrix

und ihre Determinante ist . Wenn man hingegen die Reihenfolge von und vertauscht (also mit der Basis und arbeitet), so ist die beschreibende Matrix

mit der Determinante . Abhängig von der gewählten Basis kann also die Determinante mal positiv, mal negativ sein (bei einem Endomorphismus kann das nicht passieren, wenn man vorne und hinten stets die gleiche Basis nimmt).

Im Folgenden ist es wichtig, dass man unter einer Basis nicht die Menge der Basisvektoren , sondern das geordnete Tupel der Basisvektoren versteht.


Es sei ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum. Man nennt zwei Basen und orientierungsgleich, wenn die Determinante ihrer Übergangsmatrix positiv ist.

Diese Relation zwischen Basen ist eine Äquivalenzrelation, und zwar eine, bei der es nur zwei Äquivalenzklassen (genannt Orientierungen oder Orientierungsklassen) gibt (außer beim Nullraum).


Es sei ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum. Eine Orientierung auf ist eine Äquivalenzklasse von Basen von unter der Äquivalenzrelation, orientierungsgleich zu sein.[1]

Es ist einfach, zu bestimmen, ob zwei Basen die gleiche oder die entgegengesetzte Orientierung besitzen, es macht aber keinen Sinn, die einzelnen Orientierungen zu benennen.

Viele Objekte aus Natur und Technik machen deutlich, dass es zwei verschiedene Orientierungen gibt. Es ist einfach, bei gleichartigen Objekten wie Federn die mit der gleichen und die mit der entgegengesetzten Orientierung zu erkennen.
Die Benennung der beiden Orientierungen und welchen mathematischen (durch eine Basis repräsentierten) Orientierungen sie entsprechen ist eine Frage der Konvention.

Es sei ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum. Er heißt orientiert, wenn auf ihm eine Orientierung erklärt ist.

Ein Vektorraum wird dadurch orientiert, indem man beispielsweise sagt, dass die Orientierung tragen möge, die durch die Basis repräsentiert wird. Der Standardraum trägt, wenn nichts anderes gesagt wird, die sogenannte Standardorientierung, die durch die Standardbasis repräsentiert wird.


Es seien und zwei endlichdimensionale orientierte reelle Vektorräume. Eine bijektive lineare Abbildung

heißt orientierungstreu, wenn für jede Basis , die die Orientierung auf repräsentiert, die Bildvektoren die Orientierung auf repräsentieren.

Es genügt, diese Eigenschaft für eine einzige, die Orientierung repräsentierende Basis nachzuweisen, siehe Aufgabe 49.9.

Bei einem eindimensionalen reellen Vektorraum (einer Geraden) ist eine Orientierung einfach durch einen einzigen Vektor gegeben, d.h. es wird einfach eine der beiden „Halbgeraden“ als positiv ausgezeichnet. Dies ist wiederum äquivalent zu einer Identifizierung von mit , der mit der Standardorientierung versehen ist, bei der positiv ist.



Symmetrien

Es sei eine Teilmenge in einem euklidischen Vektorraum. Eine eigentliche Isometrie

mit heißt eigentliche Symmetrie oder Bewegung von .

Wir besprechen als Beispiel die Symmetrien an einem Würfel.


Wir betrachten einen Würfel mit der Seitenlänge und dem Nullpunkt als Mittelpunkt. Die Eckpunkte sind also

Wir fragen uns, welche Möglichkeiten es gibt, den Würfel in sich selbst zu überführen. Dabei soll der Würfel nicht in irgendeiner Form deformiert werden, es ist nur erlaubt, ihn als Ganzes zu bewegen, und zwar soll die Bewegung wirklich physikalisch durchführbar sein. Man spricht auch von einer (eigentlichen) Bewegung des Würfels. Bei einer solchen Bewegung verändert der Würfelmittelpunkt seine Lage nicht, und es werden Seiten auf Seiten, Kanten auf Kanten und Ecken auf Ecken abgebildet. Ebenso werden Seitenmittelpunkte auf Seitenmittelpunkte abgebildet, und gegenüberliegende Seitenmittelpunkte werden auf gegenüberliegende Seitenmittelpunkte abgebildet. Die Seitenmittelpunkte sind die sechs Punkte

Wenn der Punkt auf den Seitenmittelpunkt abgebildet wird, so wird auf den gegenüberliegenden Punkt, also , abgebildet. Hierbei ist jede Vorgabe von erlaubt, doch dadurch ist die Bewegung noch nicht eindeutig bestimmt. Für den Seitenmittelpunkt gibt es dann noch vier mögliche Bildpunkte (nur und sind ausgeschlossen), da man den Würfel um die durch gegebene Achse um ein Vielfaches von Grad drehen kann. Diese Drehungen entsprechen genau den Möglichkeiten, den Punkt auf einen der vier verbliebenen Seitenmittelpunkte abzubilden. Durch die Wahl des zweiten Seitenmittelpunktes ist die Bewegung dann eindeutig festgelegt. Ist das völlig klar?

Um sich das klar zu machen, sind folgende Beobachtungen sinnvoll.

  1. Bewegungen lassen sich hintereinander ausführen, d.h. wenn man zwei Würfelbewegungen und hat, so ist auch die Hintereinanderausführung , die zuerst und dann durchführt, sinnvoll definiert.
  2. Die identische Bewegung, die nichts bewegt, ist eine Bewegung. Wenn man zu einer beliebigen Bewegung die identische Bewegung davor oder danach durchführt, so ändert das die Bewegung nicht.
  3. Zu einer Bewegung gibt es die entgegengesetzte Bewegung (oder „Rückwärtsbewegung“) , die die Eigenschaft besitzt, dass die Hintereinanderausführungen und einfach die Identität sind.

Mit diesen Beobachtungen kann man sich das oben erwähnte Prinzip folgendermaßen klar machen: angenommen, es gibt zwei Bewegungen und , die beide auf und auf abbilden. Es sei die umgekehrte Bewegung zu . Dann betrachtet man die Gesamtbewegung

Diese Bewegung hat die Eigenschaft, dass auf und dass auf abgebildet wird, da ja den Punkt auf schickt und den Punkt auf zurückschickt (und entsprechend für ). hat also die Eigenschaft, dass sowohl als auch auf sich selbst abgebildet werden, d.h., es handelt sich um Fixpunkte der Bewegung. Dann ist aber bereits die gesamte -Ebene fix. Die einzige physikalisch durchführbare Bewegung des Würfels, die diese Ebene unbewegt lässt, ist aber die identische Bewegung. Daher ist und damit . Man beachte, dass die Spiegelung an der -Ebene die Punkte und vertauscht, doch ist dies eine sogenannte uneigentliche Bewegung, da sie nicht physikalisch durchführbar ist.


Damit ergibt sich, dass es für den Basisvektor sechs mögliche Bildvektoren gibt, für den zweiten Basisvektor noch jeweils vier und dass dadurch die Abbildung eindeutig festgelegt ist. Insgesamt gibt es also Transformationen des Würfels. Am einfachsten beschreibt man die Bewegungen durch eine -Matrix, wobei in den Spalten die Bildvektoren der Basisvektoren stehen. Wenn der erste Basisvektor festgehalten wird, so sind die vier möglichen Bewegungen durch die Matrizen

gegeben. Dies sieht man so: wenn eine Seitenmitte auf sich selbst abgebildet wird, so gilt das auch für die gegenüberliegende Seitenmitte und dann wird die dadurch definierte Achse nicht bewegt. Eine Bewegung, die eine solche Seitenmittelpunktachse fest hält, muss eine Drehung um diese Achse sein, und zwar eine um ein Vielfaches von Grad. Eine solche Drehung ist eine Bewegung in der Ebene (nämlich in der zur festen Achse senkrechten Ebene), und diese Beobachtung führt zu den angegebenen Matrizen.

Eine wichtige Eigenschaft dieser Bewegungen ist, dass es sich um Drehungen des Raumes um eine fixierte Achse handelt. Diese Eigenschaft zeichnet Raumbewegungen sogar aus, wie wir später noch sehen werden. Da die eben besprochenen Drehungen Vielfache einer Vierteldrehung sind, folgt, dass wenn man sie jeweils viermal hintereinander durchführt, dann wieder die Identität vorliegt. Bei der Halbdrehung führt natürlich schon die zweifache Ausführung zur Identität. Dies wird später mit dem Begriff der Ordnung einer Bewegung (eines Gruppenelementes) präzisiert.

Wir betrachten nun im Würfelbeispiel die Raumdiagonale , die durch und durch geht. Auch um diese Achse kann man den Würfel drehen, und zwar um Vielfache von Grad. Man mache sich hierzu klar, wie der Würfel aussieht, wenn diese Achse zu einem Punkt im Gesichtsfeld wird. Die Dritteldrehung, die auf schickt, muss auf schicken. Die beiden Dritteldrehungen um diese Raumdiagonale sind daher in Matrixdarstellung durch

gegeben (die natürlich invers zueinander sind). Die Bewegungen am Würfel kann man dadurch verstehen, indem man untersucht, was eine Bewegung mit den Seitenmittelpunkten macht, wie sie also diese sechs Punkte ineinander überführt, welche sie fest lässt, etc. Eine Bewegung bestimmt dabei stets eine Bijektion dieser Punktmenge in sich selbst. Eine solche Bijektion nennt man auch eine Permutation. Es gibt aber auch andere charakteristische Punkte bzw. allgemeiner geometrische Teilobjekte des Würfels, die bei einer Würfelbewegung ineinander überführt werden, z.B. die Menge der Eckpunkte, die Menge der Kantenmittelpunkte, die Menge der Kanten, die Menge der Seiten, die Menge aller Raumdiagonalen, etc. Jede Bewegung hat auf diesen Objekten eine für sie charakteristische (Aus-)wirkung. Die mathematische Präzisierung dieser Beobachtung führt zum Begriff der Gruppenwirkung und des Gruppenhomomorphismus. Wenn man die Bezeichnung der Ecken vom obigen Bild übernimmt, so haben die oben an zweiter Stelle angeführte Vierteldrehung und die erste Dritteldrehung folgende Wirkung auf den Eckpunkten.


Vierteldrehung um Seitenmittelachse.

Punkt
Bildpunkt


Dritteldrehung um Raumdiagonale

Punkt
Bildpunkt

Wenn man eine Drehachse für eine Raumbewegung gefunden hat, so ist die Bewegung dadurch charakterisiert, wie sie auf der zur Achse senkrechten Ebene wirkt. Von daher ist es zuerst wichtig, die Bewegungen der Ebene mit einem fixierten Punkt zu verstehen.


Wir betrachten den Einheitskreis

Dieser wird bekanntlich durch die trigonometrischen Funktionen parametrisiert. Diese ordnen einem Winkel (bezüglich der -Achse, gegen den Uhrzeigersinn) den zugehörigen Punkt

auf dem Kreisbogen zu. Eine gleichmäßige Unterteilung des Intervalls in gleichgroße Stücke, die durch die Grenzen

gegeben sind, führt zu einer gleichmäßigen Unterteilung des Kreises mit den Eckpunkten

Diese Punkte sind die Eckpunkte eines regelmäßigen -Ecks. Das regelmäßige „Zweieck“ besitzt die Ecken und , das regelmäßige (gleichseitige) Dreieck besitzt die Ecken

das regelmäßige Viereck (Quadrat) besitzt die Ecken

usw. Wir fassen ein solches reguläres -Eck als ein in sich starres Gebilde auf und interessieren uns dafür, wie man es in sich selbst überführen kann. Der Nullpunkt ist der Mittelpunkt (Schwerpunkt) des -Eckes, und bleibt bei einer Bewegung des -Eckes auf sich selbst unverändert. Da eine solche Bewegung die Längen nicht ändert, muss der Punkt auf einen der Eckpunkte abgebildet werden, da nur diese Punkte des -Eckes vom Nullpunkt den Abstand eins besitzen. Da eine Bewegung auch die Winkel nicht verändert, muss der Nachbarpunkt auf einen Nachbarpunkt des Bildpunktes von abgebildet werden. Bei einer eigentlichen (physikalisch in der Ebene!) durchführbaren Bewegung bleibt auch die Reihenfolge (die „Orientierung“) der Ecken erhalten, sodass die einzigen eigentlichen Bewegungen eines regulären -Eckes die Drehungen um ein Vielfaches von sind.

Wenn man auch noch uneigentliche Bewegungen zulässt, so gibt es noch die Spiegelungen an einer Achse, und zwar geht bei gerade die Achse durch zwei gegenüberliegende Eckpunkte oder zwei gegenüberliegende Seitenmittelpunkte, und bei ungerade durch einen Eckpunkt und einen gegenüberliegenden Seitenmittelpunkt.

Es sei fixiert, und setze und sei die Drehung des -Eckes um gegen den Uhrzeigersinn. Dann kann man jede Drehung am -Eck schreiben als mit einem eindeutig bestimmten zwischen und . Dabei ist die Nulldrehung (die identische Bewegung), bei der nichts bewegt wird. Wenn man -mal ausführt, so hat man physikalisch gesehen eine volle Umdrehung durchgeführt. Vom Ergebnis her stimmt das aber mit der Nulldrehung überein. Allgemeiner gilt, dass wenn man -mal ausführt, dass dann das Endergebnis (also die effektive Bewegung) nur vom Rest abhängt. Die inverse Bewegung zu ist , also -mal wieder zurück, oder gleichbedeutend .

Es sei nun eine bestimmte Drehung am -Eck, also mit einem eindeutig bestimmten , . Dann kann man sich überlegen, welche Drehungen sich als Hintereinanderausführung von schreiben lassen, also zur Menge

gehören. Da die Menge der Drehungen endlich ist, muss es eine Wiederholung geben. Wie sieht diese aus, wann durchlaufen die Hintereinanderausführungen von sämtliche Drehungen am -Eck? Dafür gibt es recht einfache Antworten im Rahmen der elementaren Gruppentheorie.




Fußnoten
  1. Bei einem -dimensionalen Vektorraum, also dem Nullraum, gibt es nur die leere Basis. Es ist aber dennoch sinnvoll, von zwei Orientierungen auf dem Nullraum zu sprechen, die wir durch und repräsentieren.