Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil II/Vorlesung 42/latex
\setcounter{section}{42}
\zwischenueberschrift{Normale Endomorphismen}
Nach Satz 34.2 besitzt eine Isometrie über ${\mathbb C}$ eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren und nach Satz 41.11 besitzt eine selbstadjungierte Abbildung \zusatzklammer {über $\R$ oder ${\mathbb C}$} {} {} ebenfalls eine Orthonormalbasis aus Eigenvektoren. Wir suchen nach einer Verallgemeinerung dieser beiden Aussagen über ${\mathbb C}$. Das Ergebnis ist der \stichwort {Spektralsatz für normale Endomorphismen} {,} siehe Satz 42.9. Da es sich dabei um eine äquivalente Formulierung für die Existenz einer Orthonormalbasis aus Eigenvektoren handelt, ist eine weitere Verallgemeinerung nicht möglich.
\inputdefinition
{}
{
\definitionsverweis {Lineare Abbildungen}{}{}
\maabbdisp {\varphi, \psi} {V} {V
} {}
auf einem
$K$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{}
heißen
\definitionswort {vertauschbar}{,}
wenn
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \psi \circ \varphi
}
{ =} { \varphi \circ \psi
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
gilt.
}
\inputdefinition
{}
{
Es sei $V$ ein
\definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{}
${\mathbb K}$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{}
mit
\definitionsverweis {Skalarprodukt}{}{}
\mathl{\left\langle - , - \right\rangle}{.} Ein
\definitionsverweis {Endomorphismus}{}{}
\maabbdisp {\varphi} {V} {V
} {}
heißt
\definitionswort {normal}{,}
wenn $\varphi$ und der
\definitionsverweis {adjungierte Endomorphismus}{}{}
$\hat{ \varphi }$
\definitionsverweis {vertauschbar}{}{}
sind.
}
Es muss also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \varphi \circ \hat{ \varphi }
}
{ =} { \hat{ \varphi } \circ \varphi
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
gelten. Ein selbstadjungierter Endomorphismus ist trivialerweise normal. Bei einer Isometrie $\varphi$ ist der adjungierte Endomorphismus nach
Beispiel 41.2
gleich $\varphi^{-1}$, und somit ist eine Isometrie ebenfalls normal. Wenn der Endomorphismus $\varphi$ bezüglich einer Orthonormalbasis durch die Matrix $M$ gegeben ist, so lautet die Normalitätsbedingung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ M { \overline{ M } ^{ \text{tr} } }
}
{ =} { { \overline{ M } ^{ \text{tr} } } M
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
\inputbeispiel{}
{
In der zweidimensionalen Situation lautet die Normalitätsbedingung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \begin{pmatrix} a & b \\ c & d \end{pmatrix} \begin{pmatrix} \overline{ a } & \overline{ c } \\ \overline{ b } & \overline{ d } \end{pmatrix}
}
{ =} { \begin{pmatrix} \overline{ a } & \overline{ c } \\ \overline{ b } & \overline{ d } \end{pmatrix} \begin{pmatrix} a & b \\ c & d \end{pmatrix}
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{,}
was für die Einträge übersetzt zu den beiden Bedingungen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{b \overline{ b }
}
{ =} { c \overline{ c }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a \overline{ c } +b \overline{ d }
}
{ =} { \overline{ a } b + \overline{ c } d
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
führt. Neben
\definitionsverweis {Diagonalmatrizen}{}{}
und
\definitionsverweis {Drehmatrizen}{}{}
haben beispielsweise reelle Matrizen der Form
\mathdisp {\begin{pmatrix} a & b \\ -b & a \end{pmatrix}} { }
diese Eigenschaft.
}
\inputbeispiel{}
{
Die
\definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{}
\maabbdisp {\varphi} { {\mathbb K}^n } { {\mathbb K}^n
} {}
besitze eine
\definitionsverweis {Orthonormalbasis}{}{}
\zusatzklammer {bezüglich des
\definitionsverweis {Standardskalarproduktes}{}{}} {} {}
\mathl{u_1 , \ldots , u_n}{}
aus
\definitionsverweis {Eigenvektoren}{}{,}
d.h. die beschreibende Matrix besitzt die Diagonalgestalt
\mathdisp {\begin{pmatrix} \lambda_1 & 0 & \cdots & \cdots & 0 \\ 0 & \lambda_2 & 0 & \cdots & 0 \\ \vdots & \ddots & \ddots & \ddots & \vdots \\ 0 & \cdots & 0 & \lambda_{ n-1} & 0 \\ 0 & \cdots & \cdots & 0 & \lambda_{ n } \end{pmatrix}} { . }
Dann wird der
\definitionsverweis {adjungierte Endomorphismus}{}{}
nach
Beispiel 41.4
durch die komplex-konjugierte Matrix
\mathdisp {\begin{pmatrix} \overline{ \lambda } _1 & 0 & \cdots & \cdots & 0 \\ 0 & \overline{ \lambda } _2 & 0 & \cdots & 0 \\ \vdots & \ddots & \ddots & \ddots & \vdots \\ 0 & \cdots & 0 & \overline{ \lambda } _{ n-1} & 0 \\ 0 & \cdots & \cdots & 0 & \overline{ \lambda } _{ n } \end{pmatrix}} { }
beschrieben. Diese beiden Matrizen sind offenbar
\definitionsverweis {vertauschbar}{}{,}
d.h. es liegt ein
\definitionsverweis {normaler Endomorphismus}{}{}
vor.
}
Die dritte Eigenschaft des folgenden Lemmas erklärt die Bezeichnung \anfuehrung{normal}{.}
\inputfaktbeweis
{Vektorraum/K/Endlichdimensional/Normaler Endomorphismus/Charakterisierung mit Norm/Fakt}
{Lemma}
{}
{
\faktsituation {Es sei $V$ ein
\definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{}
${\mathbb K}$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{}
mit
\definitionsverweis {Skalarprodukt}{}{}
\mathl{\left\langle - , - \right\rangle}{} und sei
\maabbdisp {\varphi} {V} {V
} {}
ein
\definitionsverweis {Endomorphismus}{}{.}}
\faktuebergang {Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{$\varphi$ ist
\definitionsverweis {normal}{}{.}
}{Für alle
\mathl{v,w \in V}{} gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \left\langle \hat{ \varphi } (v) , \hat{ \varphi } (w) \right\rangle
}
{ =} { \left\langle \varphi (v) , \varphi (w) \right\rangle
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
}{Für alle
\mathl{v \in V}{} gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Vert { \hat{ \varphi } (v) } \Vert
}
{ =} { \Vert {\varphi (v) } \Vert
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Es ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \left\langle \varphi (v) , \varphi (w) \right\rangle
}
{ =} { \left\langle v , \hat{ \varphi } ( \varphi (w) ) \right\rangle
}
{ =} { \left\langle v , ( \hat{ \varphi } \circ \varphi ) (w) ) \right\rangle
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
und unter Verwendung von
Lemma 41.7 (3)
ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \left\langle \hat{ \varphi } (v) , \hat{ \varphi } (w) \right\rangle
}
{ =} { \left\langle v , \varphi( \hat{ \varphi } (w)) \right\rangle
}
{ =} { \left\langle v , ( \varphi \circ \hat{ \varphi } ) (w) ) \right\rangle
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
Wenn $\varphi$ und $\hat{ \varphi }$ vertauschen, so gilt also auch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \left\langle \hat{ \varphi } (v) , \hat{ \varphi } (w) \right\rangle
}
{ =} { \left\langle \varphi (v) , \varphi (w) \right\rangle
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
für beliebige
\mathl{v,w \in V}{.} Wenn dies umgekehrt gilt, so ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \left\langle v , ( \hat{ \varphi } \circ \varphi ) (w) ) \right\rangle
}
{ =} { \left\langle v , ( \varphi \circ \hat{ \varphi } ) (w) ) \right\rangle
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
für alle
\mathl{v \in V}{} und daher sind die Endomorphismen vertauschbar. Daher sind (1) und (2) äquivalent. Von (2) nach (3) ist eine Einschränkung. Umgekehrt kann man aus (3) auch (2) gewinnen, da man das Skalarprodukt
gemäß der Polarisationsformel
aus der Norm erhalten kann.
\inputfaktbeweis
{Vektorraum/K/Endlichdimensional/Endomorphismus/Invariante Unterräume/Orthogonales Komplement/Fakt}
{Lemma}
{}
{
\faktsituation {Es sei $V$ ein
\definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{}
${\mathbb K}$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{}
mit
\definitionsverweis {Skalarprodukt}{}{}
\mathl{\left\langle - , - \right\rangle}{} und sei
\maabbdisp {\varphi} {V} {V
} {}
ein
\definitionsverweis {Endomorphismus}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist ein
\definitionsverweis {Untervektorraum}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U
}
{ \subseteq }{V
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
genau dann
$\varphi$-\definitionsverweis {invariant}{}{,}
wenn das
\definitionsverweis {orthogonale Komplement}{}{}
\mathl{U^{ { \perp } }}{} invariant unter $\hat{ \varphi }$ ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Es sei $U$ invariant unter $\varphi$. Es sei
\mathl{u \in U}{} und
\mathl{v \in U^{ { \perp } }}{.} Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \left\langle u , \hat{ \varphi } (v) \right\rangle
}
{ =} { \left\langle \varphi(u ) , v \right\rangle
}
{ =} { 0
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
Die Umkehrung ergibt sich daraus, dass die Situation wegen
Korollar 32.13 (3)
und
Lemma 41.7 (3)
symmetrisch ist.
{Vektorraum/K/Endlichdimensional/Normaler Endomorphismus/Kern/Fakt}
{Lemma}
{}
{
\faktsituation {Es sei $V$ ein
\definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{}
${\mathbb K}$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{}
mit
\definitionsverweis {Skalarprodukt}{}{}
\mathl{\left\langle - , - \right\rangle}{} und sei
\maabbdisp {\varphi} {V} {V
} {}
ein
\definitionsverweis {normaler Endomorphismus}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{kern} \varphi
}
{ =} { \operatorname{kern} \hat{ \varphi }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
{ Siehe Aufgabe 42.6. }
\inputfaktbeweis
{Vektorraum/K/Endlichdimensional/Normaler Endomorphismus/Eigenwerte/Fakt}
{Lemma}
{}
{
\faktsituation {Es sei $V$ ein
\definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{}
${\mathbb K}$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{}
mit
\definitionsverweis {Skalarprodukt}{}{}
\mathl{\left\langle - , - \right\rangle}{} und sei
\maabbdisp {\varphi} {V} {V
} {}
ein
\definitionsverweis {normaler Endomorphismus}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {
\mathl{\lambda \in {\mathbb K}}{} ist ein
\definitionsverweis {Eigenwert}{}{}
von $\varphi$ genau dann, wenn
\mathl{\overline{ \lambda }}{} ein Eigenwert von $\hat{ \varphi }$ ist.
} {Ein Vektor
\mathl{v \in V}{} ist ein
\definitionsverweis {Eigenvektor}{}{}
zum Eigenwert $\lambda$ genau dann, wenn $v$ ein Eigenvektor zu
\mathl{\hat{ \varphi }}{} zum Eigenwert
\mathl{\overline{ \lambda }}{} ist.
}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\psi
}
{ \defeq} { \varphi - \lambda
\operatorname{Id}_{ V }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{,}
dessen Kern der
\definitionsverweis {Eigenraum}{}{}
von $\varphi$ zum Eigenwert $\lambda$ ist. Der
\definitionsverweis {adjungierte Endomorphismus}{}{}
zu $\psi$ ist unter Verwendung von
Lemma 41.7
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \hat{ \psi }
}
{ =} { \hat{ \varphi } - { \left( \lambda
\operatorname{Id}_{ V } \right) }^{\hat{} }
}
{ =} { \hat{ \varphi } - \overline{ \lambda } { \left(
\operatorname{Id}_{ V } \right) }^{\hat{} }
}
{ =} { \hat{ \varphi } - \overline{ \lambda }
\operatorname{Id}_{ V }
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
Nach
Aufgabe 42.22
ist auch $\psi$ normal und nach
Lemma 42.7
ist somit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Eig}_{ \lambda } { \left( \varphi \right) }
}
{ =} { \operatorname{kern} { \left( \varphi - \lambda
\operatorname{Id}_{ V } \right) }
}
{ =} { \operatorname{kern} { \left( \hat{ \varphi } - \overline{ \lambda }
\operatorname{Id}_{ V } \right) }
}
{ =} { \operatorname{Eig}_{ \overline{ \lambda } } { \left( \hat{ \varphi } \right) }
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
\inputfaktbeweis
{Vektorraum/C/Endlichdimensional/Normaler Endomorphismus/Spektralsatz/Fakt}
{Satz}
{}
{
\faktsituation {Es sei $V$ ein
\definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{}
komplexer
\definitionsverweis {Vektorraum}{}{}
mit
\definitionsverweis {Skalarprodukt}{}{}
\mathl{\left\langle - , - \right\rangle}{} und sei
\maabbdisp {\varphi} {V} {V
} {}
ein
\definitionsverweis {Endomorphismus}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $\varphi$ genau dann
\definitionsverweis {normal}{}{,}
wenn es eine
\definitionsverweis {Orthonormalbasis}{}{}
aus
\definitionsverweis {Eigenvektoren}{}{}
zu $\varphi$ gibt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Es sei zunächst
\mathl{u_1 , \ldots , u_n}{} eine
\definitionsverweis {Orthonormalbasis}{}{}
von $V$, wobei die $u_i$ Eigenvektoren zu $\varphi$ seien. Die beschreibende Matrix $M$ ist dann eine Diagonalmatrix, deren Diagonaleinträge die Eigenwerte sind. Nach
Lemma 41.6
wird der
\definitionsverweis {adjungierte Endomorphismus}{}{}
durch die konjugiert-transponierte Matrix beschrieben. Daher ist diese ebenfalls eine Diagonalmatrix und damit mit $M$
\definitionsverweis {vertauschbar}{}{.}
Also ist $\varphi$ normal.
Die Umkehrung beweisen wir durch Induktion über die Dimension von $V$. Es sei also $\varphi$ normal. Der eindimensionale Fall ist klar. Aufgrund
des Fundamentalsatzes der Algebra
gibt es einen
\definitionsverweis {Eigenvektor}{}{}
\mathl{v \in V}{} von $\varphi$, den wir als normiert annehmen können. Nach
Lemma 42.8 (2)
ist $v$ auch ein Eigenvektor zu $\hat{ \varphi }$. Daraus folgt mit
Lemma 42.6,
dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{W
}
{ = }{ {\mathbb C} v^{ { \perp } }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
invariant unter $\varphi$ ist. Die Einschränkung von $\varphi$ auf $W$ ist wieder normal und die Induktionsvoraussetzung liefert die Behauptung.
Die vorstehende Aussage ist im Reellen nicht richtig, wie jede Drehung \zusatzklammer {mit Ausnahme der Identität und der Halbdrehung} {} {} zeigt.
\zwischenueberschrift{Hauptachsentransformation}
Wir wenden nun die Ergebnisse der letzten Vorlesung auf hermitesche Formen an. Man spricht von \stichwort {Hauptachsentransformation} {,} wobei sich dieser Begriff wohl erst in der nächsten Vorlesung klärt. Da wir im Komplexen arbeiten, erwähnen wir kurz, dass sich die Begriffe positiv definit, negativ definit und Typ, die wir für eine reell-symmetrische Bilinearform definiert haben, direkt auf komplex-hermitesche Sesquilinearformen übertragen. Auch der Sylvestersche Trägheitssatz gilt mit dem gleichen Beweis entsprechend, ebenso das Minorenkriterium.
\inputfakt{Sesquilinearform/Hermitesch/Typ/Trägheitssatz/Fakt}{Satz}{}
{
\faktsituation {Es sei $V$ ein
\definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{}
\definitionsverweis {komplexer Vektorraum}{}{}
mit einer
\definitionsverweis {hermiteschen}{}{}
\definitionsverweis {Sesquilinearform}{}{}
\mathl{\left\langle - , - \right\rangle}{} vom
\definitionsverweis {Typ}{}{}
\mathl{(p,q)}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist die
\definitionsverweis {Gramsche Matrix}{}{}
von
\mathl{\left\langle - , - \right\rangle}{} bezüglich einer jeden
\definitionsverweis {Orthogonalbasis}{}{}
eine
\definitionsverweis {Diagonalmatrix}{}{}
mit $p$ positiven reellen und $q$ negativen reellen Einträgen.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
} Daraus folgt auch unmittelbar, dass wenn man mit einer reell-symmetrischen Bilinearform auf dem $\R^n$ startet und diese als hermitesche Sesquilinearform auf dem ${\mathbb C}^n$ auffasst, der reelle Typ mit dem komplexen Typ übereinstimmt. Der große Vorteil der komplexen Situation ist, dass der Fundamentalsatz der Algebra zur Verfügung steht, was die Existenz von Eigenwerten sichert. Selbst wenn man wie in Lemma 41.10 weiß, dass alle Eigenwerte reell sind, so wird deren Existenz erst über die komplexen Zahlen gesichert.
\inputfaktbeweis
{Hermitesche Form/Typ über selbstadjungierten Endomorphismus/Fakt}
{Satz}
{}
{
\faktsituation {Es sei $V$ ein
\definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{}
${\mathbb K}$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{}
mit
\definitionsverweis {Skalarprodukt}{}{}
und es sei $\Psi$ eine
\definitionsverweis {hermitesche Form}{}{}
auf $V$, die dem
\definitionsverweis {selbstadjungierten Endomorphismus}{}{}
\maabbdisp {\varphi} {V} {V
} {}
im Sinne von
Lemma 41.12
entspricht. Es sei
\mathl{(p,q)}{} der
\definitionsverweis {Typ}{}{}
von $\Psi$.}
\faktfolgerung {Dann ist $p$ die Anzahl der
\definitionsverweis {positiven}{}{} \definitionsverweis {Eigenwerte}{}{}
und $q$ die Anzahl der negativen Eigenwerte von $\varphi$, wobei man diese Anzahl mit der
\zusatzklammer {\definitionsverweis {algebraischen}{}{}
oder
\definitionsverweis {geometrischen}{}{}} {} {}
Vielfachheit nehmen muss.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Nach
Lemma 41.10
zerfällt das
\definitionsverweis {charakteristische Polynom}{}{}
von $\varphi$ in reelle Linearfaktoren. Es seien
\mathl{\lambda_1 , \ldots , \lambda_r}{} die positiven Nullstellen und
\mathl{\lambda_{r+1} , \ldots , \lambda_s}{} die negativen Nullstellen. Nach
Satz 41.11
liegt eine direkte, bezüglich des Skalarproduktes orthogonale Summenzerlegung
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{V
}
{ =} { \operatorname{Eig}_{ \lambda_1 } { \left( \varphi \right) } \oplus \cdots \oplus \operatorname{Eig}_{ \lambda_r } { \left( \varphi \right) } \oplus \operatorname{Eig}_{ \lambda_{r+1} } { \left( \varphi \right) } \oplus \cdots \oplus \operatorname{Eig}_{ \lambda_s } { \left( \varphi \right) } \oplus \operatorname{Eig}_{ 0 } { \left( \varphi \right) }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
vor
\zusatzklammer {wobei
\mathl{\operatorname{Eig}_{ 0 } { \left( \varphi \right) }}{} der Nullraum sein kann} {} {.}
Für Vektoren
\mathkor {} {v_i} {und} {v_j} {}
aus verschiedenen Eigenräumen ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi(v_i,v_j)
}
{ =} { \left\langle \varphi(v_i) , v_j \right\rangle
}
{ =} { \left\langle \lambda_i v_i , v_j \right\rangle
}
{ =} { \lambda_i \left\langle v_i , v_j \right\rangle
}
{ =} { 0
}
}
{}{}{,}
sodass die Eigenräume auch bezüglich der Form $\Psi$ orthogonal sind. Für
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{v
}
{ =} {v_1 + \cdots + v_r
}
{ \neq} {0
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v_i
}
{ \in }{ \operatorname{Eig}_{ \lambda_i } { \left( \varphi \right) }
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \Psi (v,v)
}
{ =} { \Psi ( v_1 , v_1 ) + \cdots + \Psi (v_r, v_r )
}
{ =} { \Psi_\varphi ( v_1 , v_1 ) + \cdots + \Psi_\varphi (v_r, v_r )
}
{ =} { \left\langle \varphi(v_1) , v_1 \right\rangle + \cdots + \left\langle \varphi(v_r) , v_r \right\rangle
}
{ =} { \left\langle \lambda_1 v_1 , v_1 \right\rangle + \cdots + \left\langle \lambda_r v_r , v_r \right\rangle
}
}
{
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} { \lambda_1\left\langle v_1 , v_1 \right\rangle + \cdots + \lambda_r \left\langle v_r , v_r \right\rangle
}
{ >} { 0
}
{ } {}
{ } {}
}
{}{.}
Auf diesem Unterraum ist also die eingeschränkte Form
\definitionsverweis {positiv definit}{}{,}
sodass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{p
}
{ \geq} { \sum_{i = 1}^r \dim_{ K } { \left( \operatorname{Eig}_{ \lambda_i } { \left( \varphi \right) } \right) }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
ist. Wäre $p$ echt größer als diese Dimension, so würde es einen $p$-dimensionalen Untervektorraum
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{W
}
{ \subseteq }{V
}
{ }{
}
{ }{
}
{ }{
}
}
{}{}{}
derart geben, dass die Einschränkung von $\Psi$ darauf positiv definit ist und so, dass nach
Korollar 9.8
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{W \cap { \left( \operatorname{Eig}_{ \lambda_{r+1} } { \left( \varphi \right) } \oplus \cdots \oplus \operatorname{Eig}_{ \lambda_s } { \left( \varphi \right) } \oplus \operatorname{Eig}_{ 0 } { \left( \varphi \right) } \right) }
}
{ \neq} { 0
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
ist. Dies ergibt direkt einen Widerspruch, da auf dem rechten Raum die Form $\Psi$ negativ semidefinit ist. Also ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{p
}
{ =} { \sum_{i = 1}^r \dim_{ K } { \left( \operatorname{Eig}_{ \lambda_i } { \left( \varphi \right) } \right) }
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{.}
Die Argumentation für $q$ verläuft gleich.
Wir können nun den Beweis
zum Eigenwertkriterium
für den Typ einer reell-symmetrischen Bilinearform nachtragen. Dieser ergibt sich unmittelbar aus
Satz 42.11.
Der folgende Satz heißt \stichwort {Satz über die Hauptachsentransformation} {.}
\inputfaktbeweis
{Hauptachsentransformation/Hermitesch/Orthonormalsystem/Fakt}
{Satz}
{}
{
\faktsituation {Es sei $V$ ein
\definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{}
${\mathbb K}$-\definitionsverweis {Vektorraum}{}{}
mit
\definitionsverweis {Skalarprodukt}{}{}
und es sei $\Psi$ eine
\definitionsverweis {hermitesche Form}{}{}
auf $V$.}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine
\definitionsverweis {Orthonormalbasis}{}{}
von $V$
\zusatzklammer {bezüglich des Skalarproduktes} {} {,}
die eine
\definitionsverweis {Orthogonalbasis}{}{}
bezüglich $\Psi$ ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}
}
{
Nach
Lemma 41.12 (2)
und
Lemma 41.12 (4)
ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\Psi
}
{ =} { \Psi_\varphi
}
{ } {
}
{ } {
}
{ } {
}
}
{}{}{}
für einen
\definitionsverweis {selbstadjungierten Endomorphismus}{}{}
\maabbdisp {\varphi} {V} {V
} {.}
Nach
Satz 41.11
gibt es eine
\definitionsverweis {Orthonormalbasis}{}{}
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} aus
\definitionsverweis {Eigenvektoren}{}{}
zu $\varphi$ mit den Eigenwerten $\lambda_i$. Für diese Basis gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Psi (v_i,v_j)
}
{ =} { \Psi_\varphi (v_i,v_j)
}
{ =} { \left\langle \varphi (v_i) , v_j \right\rangle
}
{ =} { \left\langle \lambda_i v_i , v_j \right\rangle
}
{ =} { \lambda_i \left\langle v_i , v_j \right\rangle
}
}
{}{}{.}
Daher liegt auch eine Orthogonalbasis bezüglich $\Psi$ vor.
In diesem Zusammenhang heißen die Eigengeraden von $\varphi$ auch \stichwort {Hauptachsen} {} von $\Psi_\varphi$ und die Eigenwerte auch \stichwort {Hauptwerte} {.}