Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2019-2020)/Teil I/Vorlesung 15/latex

\setcounter{section}{15}


\epigraph { Das Leben ist schön. Von einfach war nie die Rede. } { }






\zwischenueberschrift{Höhere Ableitungen}

Die Ableitung $f'$ einer \zusatzklammer {in jedem Punkt} {} {} differenzierbaren Funktion nennt man häufig auch die \stichwort {erste Ableitung} {} von $f$. Unter der nullten Ableitung versteht man die Funktion selbst. Höhere Ableitungen werden rekursiv definiert.


\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ I }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Intervall}{}{} und sei \maabbdisp {f} {I } { \R } {} eine \definitionsverweis {Funktion}{}{.} Die Funktion $f$ heißt $n$-mal \definitionswort {differenzierbar}{,} wenn sie
\mathl{(n-1)}{-}mal differenzierbar ist und die
\mathl{(n-1)}{-}te Ableitung, also
\mathl{f^{(n-1)}}{,} \definitionsverweis {differenzierbar}{}{} ist. Die Ableitung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f^{(n)} (x) }
{ \defeq} {(f^{(n-1)})' (x) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} nennt man dann die $n$-te \definitionswort {Ableitung}{} von $f$.

}

Die zweite Ableitung schreibt man auch als
\mathl{f^{\prime \prime}}{,} die dritte Ableitung als
\mathl{f^{\prime \prime \prime}}{.} Wenn eine Funktion $n$-mal differenzierbar ist, so sagt man auch, dass die Ableitungen bis zur $n$-ten \stichwort {Ordnung} {} existieren. Eine Funktion $f$ heißt \stichwort {unendlich oft differenzierbar} {,} wenn sie $n$-mal differenzierbar für jedes $n$ ist.

Eine differenzierbare Funktion ist nach Korollar 14.6 stetig, allerdings muss die Ableitung keineswegs stetig sein. Daher ist der folgende Begriff nicht überflüssig.


\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{I }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Intervall}{}{} und \maabbdisp {f} {I} {\R } {} eine \definitionsverweis {Funktion}{}{.} Man sagt, dass $f$ \definitionswort {stetig differenzierbar}{} ist, wenn $f$ \definitionsverweis {differenzierbar}{}{} ist und die \definitionsverweis {Ableitung}{}{} $f'$ \definitionsverweis {stetig}{}{} ist.

}

Eine Funktion heißt $n$-mal stetig differenzierbar, wenn sie $n$-mal differenzierbar ist und die $n$-te Ableitung stetig ist.






\zwischenueberschrift{Extrema von Funktionen}

Wir untersuchen jetzt mit Mitteln der Differentialrechnung, wann eine differenzierbare Funktion \maabbdisp {f} {I} {\R } {,} wobei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{I }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Intervall ist, \zusatzklammer {lokale} {} {} Extrema besitzt und wie ihr Wachstumsverhalten aussieht.





\inputfaktbeweis
{Reelle Funktion/Offenes Intervall/Lokales Extremum/Differenzierbar/Ableitung null/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei \maabbdisp {f} {{]a,b[} } {\R } {} eine \definitionsverweis {Funktion}{}{,}}
\faktvoraussetzung {die in
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{ {]a,b[} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {lokales Extremum}{}{} besitze und dort \definitionsverweis {differenzierbar}{}{} sei.}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(c) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir können annehmen, dass $f$ ein lokales Maximum in $c$ besitzt. Es gibt also ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \epsilon }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f(x) }
{ \leq }{f(c) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{ [c - \epsilon, c + \epsilon] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es sei
\mathl{{ \left( s_n \right) }_{n \in \N }}{} eine Folge mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c- \epsilon }
{ \leq }{s_n }
{ < }{ c }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die gegen $c$ \zusatzklammer {\anfuehrung{von unten}{}} {} {} konvergiere. Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s_n- c }
{ < }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f(s_n) -f(c) }
{ \leq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und somit ist der Differenzenquotient
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{ f (s_n )-f (c) }{ s_n -c } }
{ \geq} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} was sich dann nach Lemma 7.11 auf den Limes, also den Differentialquotienten, überträgt. Also ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(c) }
{ \geq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Für eine Folge
\mathl{{ \left( t_n \right) }_{n \in \N }}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c + \epsilon }
{ \geq }{ t_n }
{ > }{ c }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt andererseits
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{ f (t_n )-f (c) }{ t_n -c } }
{ \leq} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daher ist auch
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(c) }
{ \leq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und somit ist insgesamt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(c) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}







\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {X_Cubed.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { X Cubed.svg } {} {Pieter Kuiper} {Commons} {PD} {}

Man beachte, dass das Verschwinden der Ableitung nur ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für die Existenz eines Extremums ist. Das einfachste Beispiel für dieses Phänomen ist die Funktion \maabbele {} { \R } {\R } {x} {x^3 } {,} die streng wachsend ist, deren Ableitung aber im Nullpunkt verschwindet.






\zwischenueberschrift{Der Mittelwertsatz der Differentialrechnung}

Der folgende Satz heißt \stichwort {Satz von Rolle} {.}




\inputfaktbeweis
{Reelle Funktion/Satz von Rolle/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ < }{b }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und sei \maabbdisp {f} {[a,b]} {\R } {} eine \definitionsverweis {stetige}{}{,} auf
\mathl{]a,b[}{} \definitionsverweis {differenzierbare Funktion}{}{}}
\faktvoraussetzung {mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f(a) }
{ = }{f(b) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{ {]a,b[} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{f'(c) }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wenn $f$ konstant ist, so ist die Aussage richtig. Es sei also $f$ nicht konstant. Dann gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{{]a,b[} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f(x) }
{ \neq }{ f(a) }
{ = }{ f(b) }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Sagen wir, dass
\mathl{f(x)}{} größer als dieser Wert ist. Aufgrund von Satz 11.13 gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{ [a,b] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} wo die Funktion ihr \definitionsverweis {Maximum}{}{} annimmt, und dieser Punkt kann kein Randpunkt sein. Für dieses $c$ ist dann
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(c) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nach Satz 15.3.

}







\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Mvt2_italian.svg} }
\end{center}
\bildtext {Der Mittelwertsatz der Differentialrechnung besagt anschaulich gesprochen, dass es zu einer Sekante eine parallele Tangente gibt.} }

\bildlizenz { Mvt2 italian.svg } {} {4C} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}


Der folgende Satz, der direkt aus dem Satz von Rolle folgt, heißt \stichwort {Mittelwertsatz der Differentialrechnung} {.}




\inputfaktbeweis
{Reelle Funktion/Differentialrechnung/Mittelwertsatz/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ < }{b }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und sei \maabbdisp {f} {[a,b]} {\R } {} eine \definitionsverweis {stetige}{}{,} auf
\mathl{]a,b[}{} \definitionsverweis {differenzierbare Funktion}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{{]a,b[} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f'(c) }
{ =} { { \frac{ f(b)-f(a) }{ b-a } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Wir betrachten die Hilfsfunktion \maabbeledisp {g} {[a,b]} {\R } {x} {g(x) \defeq f(x)- { \frac{ f(b) -f(a) }{ b-a } } (x-a) } {.} Diese Funktion ist ebenfalls \definitionsverweis {stetig}{}{} und in
\mathl{]a,b[}{} \definitionsverweis {differenzierbar}{}{.} Ferner ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{g(a) }
{ = }{f(a) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{g(b) }
{ =} {f(b) -(f(b)-f(a)) }
{ =} {f(a) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daher erfüllt $g$ die Voraussetzungen von Satz 15.4 und somit gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{ {]a,b[} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{g'(c) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Aufgrund der Ableitungsregeln gilt also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ f'(c) }
{ =} { { \frac{ f(b) -f(a) }{ b-a } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

}





\inputfaktbeweis
{Reelle Funktion/Ableitung null/Konstant/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei \maabbdisp {f} {{ ]a,b[}} {\R } {} eine \definitionsverweis {differenzierbare Funktion}{}{}}
\faktvoraussetzung {mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f'(x) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ {]a,b[} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $f$ konstant.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

 Wenn $f$ nicht konstant ist, so gibt es
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ < }{x' }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f(x) }
{ \neq }{ f(x') }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann gibt es aufgrund von Satz 15.5 ein
\mathbed {c} {}
{x <c < x'} {}
{} {} {} {,} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(c) }
{ = }{ \frac{f(x') - f(x)}{x'-x} }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} ein Widerspruch zur Voraussetzung.

}





\inputfaktbeweis
{Reelle Funktion/Ableitung/Monotonieverhalten/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{I }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {offenes Intervall}{}{} und \maabbdisp {f} {I} {\R } {} eine \definitionsverweis {differenzierbare Funktion}{}{.}}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungdrei{Die Funktion $f$ ist genau dann auf $I$ \definitionsverweis {wachsend}{}{} \zusatzklammer {bzw. fallend} {} {,} wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(x) }
{ \geq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {bzw.
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{f'(x) }
{ \leq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. }{Wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(x) }
{ \geq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist und $f'$ nur endlich viele \definitionsverweis {Nullstellen}{}{} besitzt, so ist $f$ \definitionsverweis {streng wachsend}{}{.} }{Wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(x) }
{ \leq }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist und $f'$ nur endlich viele \definitionsverweis {Nullstellen}{}{} besitzt, so ist $f$ \definitionsverweis {streng fallend}{}{.}}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

(1). Es genügt, die Aussagen für wachsende Funktionen zu beweisen. \teilbeweis {}{}{}
{Wenn $f$ wachsend ist, und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist, so gilt für den \definitionsverweis {Differenzenquotienten}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{f(x+h) -f(x) }{h} }
{ \geq} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für jedes $h$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x+h }
{ \in }{I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Diese Abschätzung gilt dann auch für den Grenzwert für
\mathl{h \rightarrow 0}{,} und dieser ist
\mathl{f'(x)}{.}}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Es sei umgekehrt die Ableitung $\geq 0$.    Nehmen wir an, dass es zwei Punkte
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ < }{x' }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} in $I$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f(x) }
{ > }{f(x') }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt. Aufgrund des Mittelwertsatzes gibt es dann ein $c$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ < }{c }
{ < }{x' }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{f'(c) }
{ =} {\frac{f(x') - f(x)}{x'-x} }
{ <} {0 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} im Widerspruch zur Voraussetzung.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{(2). Es sei nun
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f'(x) }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit nur endlich vielen Ausnahmen.  Angenommen es wäre
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f(x) }
{ = }{f(x') }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für zwei Punkte
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ < }{x' }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Da $f$ nach dem ersten Teil wachsend ist, ist $f$ auf dem Intervall
\mathl{[x,x']}{} konstant. Somit ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f' }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf diesem gesamten Intervall, ein Widerspruch dazu, dass $f'$ nur endlich viele Nullstellen besitzt.}
{}

}


\inputfaktbeweis
{Polynomfunktion/Funktionsverlauf aus Differenzierbarkeit/Fakt}
{Korollar}
{}
{

Eine reelle \definitionsverweis {Polynomfunktion}{}{} \maabbdisp {f} {\R} {\R } {} vom \definitionsverweis {Grad}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ d }
{ \geq }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} besitzt maximal
\mathl{d-1}{} \definitionsverweis {lokale Extrema}{}{,} und die reellen Zahlen lassen sich in maximal $d$ Intervalle unterteilen, auf denen abwechselnd $f$ \definitionsverweis {streng wachsend}{}{} oder \definitionsverweis {streng fallend}{}{} ist.

}
{ Siehe Aufgabe 15.13. }







\zwischenueberschrift{Der zweite Mittelwertsatz und die Regel von l'Hospital}

Die folgende Aussage heißt auch \stichwort {zweiter Mittelwertsatz} {.}




\inputfaktbeweis
{Differentialrechnung/Mittelwertsatz/Quotientenversion/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{b }
{ > }{a }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und seien \maabbdisp {f,g} {[a,b]} {\R } {} \definitionsverweis {stetige}{}{,} auf
\mathl{]a,b[}{} \definitionsverweis {differenzierbare Funktionen}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ g'(x) }
{ \neq} {0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{{]a,b[} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g(b) }
{ \neq }{ g(a) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und es gibt ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{{]a,b[} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{f(b)-f(a)}{g(b)-g(a)} }
{ =} {\frac{f'(c)}{g'(c)} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Aussage
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{g(a) }
{ \neq} {g(b) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} folgt aus Satz 15.4. Wir betrachten die Hilfsfunktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h(x) }
{ \defeq} { f(x)- { \frac{ f(b)-f(a) }{ g(b)-g(a) } } g(x) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Es ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ h(a) }
{ =} { f(a)- { \frac{ f(b)-f(a) }{ g(b)-g(a) } } g(a) }
{ =} { { \frac{ f(a) g(b) - f(a)g(a) -f(b)g(a)+f(a)g(a) }{ g(b)-g(a) } } }
{ =} { { \frac{ f(a) g(b)-f(b)g(a) }{ g(b)-g(a) } } }
{ =} { { \frac{ f(b)g(b) - f(b) g(a)-f(b)g(b)+f(a)g(b) }{ g(b)-g(a) } } }
} {
\vergleichskettefortsetzungalign
{ =} {f(b) - { \frac{ f(b)-f(a) }{ g(b)-g(a) } } g(b) }
{ =} {h(b) }
{ } {}
{ } {}
} {}{.} Also ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{h(a) }
{ = }{h(b) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und Satz 15.4 liefert die Existenz eines
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{{]a,b[} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{h'(c) }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Umstellen ergibt die Behauptung.

}







\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Guillaume_de_lHopital.jpg} }
\end{center}
\bildtext { L’Hospital (1661-1704)} }

\bildlizenz { Guillaume de l'Hôpital.jpg } {} {Bemoeial} {Commons} {PD} {}

Zur Berechnung von Grenzwerten einer Funktion, die als Quotient gegeben ist, ist die folgende \stichwort {Regel von l'Hospital} {} hilfreich.




\inputfaktbeweis
{Hospital/Differenzierbar im Innern/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{I }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {offenes Intervall}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a }
{ \in }{ I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt. Es seien \maabbdisp {f,g} {I} {\R } {} \definitionsverweis {stetige Funktionen}{}{,}}
\faktvoraussetzung {die auf
\mathl{I \setminus \{ a \}}{} \definitionsverweis {differenzierbar}{}{} seien mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f( a ) }
{ = }{ g( a ) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g'(x) }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \neq }{a }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es sei vorausgesetzt, dass der \definitionsverweis {Grenzwert}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{w }
{ \defeq} { \operatorname{lim}_{ x \in I \setminus \{ a \} , \, x \rightarrow a } \, \frac{f'(x)}{g'(x)} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} existiert.}
\faktfolgerung {Dann existiert auch der Grenzwert
\mathdisp {\operatorname{lim}_{ x \in I \setminus \{ a \} , \, x \rightarrow a } \, \frac{f(x)}{g(x)}} { , }
und sein Wert ist ebenfalls $w$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Da $g'$ im Intervall keine Nullstelle besitzt und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{g(a) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist, besitzt auch $g$ nach Satz 15.4 außer $a$ keine Nullstelle. Es sei
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} eine \definitionsverweis {Folge}{}{} in
\mathl{I \setminus \{ a \}}{,} die gegen $a$ \definitionsverweis {konvergiert}{}{.} Zu jedem $x_n$ gibt es nach Satz 15.9, angewandt auf \mathkor {} {I_n \defeq [x_n, a ]} {bzw.} {[ a ,x_n]} {,} ein $c_n$ \zusatzklammer {im Innern\zusatzfussnote {Unter dem \definitionswort {Innern}{} eines \definitionsverweis {reellen Intervalls}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ I }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} versteht man das Intervall ohne die Intervallgrenzen.} {} {} von $I_n$} {} {} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \frac{f(x_n)-f( a )}{g(x_n)-g( a ) } }
{ =} {\frac{f'(c_n)}{g'(c_n)} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Die Folge
\mathl{{ \left( c_n \right) }_{n \in \N }}{} konvergiert ebenfalls gegen $a$, sodass nach Voraussetzung die rechte Seite gegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \frac{f'( a )}{g'( a )} }
{ = }{ w }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} konvergiert. Daher konvergiert auch die linke Seite gegen $w$, und wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f( a ) }
{ = }{g( a ) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} bedeutet das, dass
\mathl{\frac{f(x_n)}{g(x_n)}}{} gegen $w$ konvergiert.

}





\inputbeispiel{}
{

Die \definitionsverweis {Polynome}{}{}
\mathdisp {3x^2-5x-2 \text{ und } x^3-4x^2+x+6} { }
haben beide für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ = }{2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {Nullstelle}{}{.} Es ist also nicht von vornherein klar, ob der Limes
\mathdisp {\operatorname{lim}_{ x \rightarrow 2 } \, \frac{ 3x^2-5x-2}{x^3-4x^2+x+6}} { }
existiert und welchen Wert er besitzt. Aufgrund der Regel von l'Hospital kann man den Grenzwert über die Ableitungen bestimmen, und das ergibt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{lim}_{ x \rightarrow 2 } \, \frac{ 3x^2-5x-2}{x^3-4x^2+x+6} }
{ =} { \operatorname{lim}_{ x \rightarrow 2 } \, \frac{ 6x-5}{3x^2-8x+1} }
{ =} { \frac{7}{-3} }
{ =} { - \frac{7}{3} }
{ } { }
} {}{}{.}


}