Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 10/latex

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\zwischenueberschrift{Prägarben}

Zu einer \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{} $X$ und einer offenen Teilmenge $U$ bezeichnen wir die Menge der auf $U$ definierten \definitionsverweis {holomorphen Funktionen}{}{} mit
\mathl{\Gamma (U, {\mathcal O}_X )}{,} dies ist eine im Allgemeinen ziemlich komplizierte \zusatzklammer {man denke an
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ X }
{ = }{ U }
{ = }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {} ${\mathbb C}$-\definitionsverweis {Algebra}{}{,} wobei die komplexen Zahlen selbst als konstante holomorphe Funktionen zu interpretieren sind. In Lemma 3.9 haben wir wichtige Eigenschaften festgehalten, die das Verhalten dieser Algebren betreffen, wenn man die offenen Teilmengen variiert. Insbesondere ist zu offenen Teilmengen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \subseteq }{ U }
{ \subseteq }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Restriktionsabbildung \maabbeledisp {} { \Gamma (U, {\mathcal O}_X ) } { \Gamma (V, {\mathcal O}_X ) } {f} { f {{|}}_V } {,} ein ${\mathbb C}$-\definitionsverweis {Algebrahomomorphismus}{}{.} Zu einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} kann man sich fragen, welche holomorphen Funktionen in einer offenen Umgebung von $x$ definiert sind. Da es Kartenumgebungen gibt und unter einer Kartenabbildung sich die holomorphen Funktionen auf dem Kartengebiet und die holomorphen Funktionen auf dem Kartenbild \zusatzklammer {typischerweie eine offene Kreisscheibe um $0$} {} {} entsprechen, kann diese Frage nach ${\mathbb C}$ übersetzt werden und ergibt für jeden Punkt den Ring der konvergenten Potenzreihen als Antwort. Hier wiederholt sich auf der Ebene der holomorphen Funktionen das Prinzip, dass riemannsche Flächen lokal \anfuehrung{einfach}{} \zusatzklammer {was hier lediglich heißt, dass sie mit Mitteln der Funktionentheorie behandelt werden können} {} {} und global kompliziert sind. Die beim Zusammenkleben von offenen Mengen und bei der Beziehung zwischen lokalen und globalen Fragen auftretenden Gesetzmäßigkeiten werden durch das abstrakte Konzept einer Garbe erfasst, sie gelten in sehr unterschiedlichen Bereichen der Mathematik, insbesondere in der Topologie, komplexen Analysis und algebraischen Geometrie.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $X$ ein \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{.} Unter einer \definitionswort {Prägarbe}{} ${ \mathcal F }$ auf $X$ versteht man eine Zuordnung, die jeder \definitionsverweis {offenen Menge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Menge ${ \mathcal F } { \left( U \right) }$ und zu je zwei offenen Mengen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {Abbildung}{}{} \maabbdisp {\rho_{V,U}} { { \mathcal F } { \left( V \right) } } { { \mathcal F } { \left( U \right) } } {} zuordnet, wobei diese Zuordnung die beiden folgenden Bedingungen erfüllen muss. \aufzaehlungzwei {Zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ = }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \rho_{U,U} }
{ =} { \operatorname{Id}_{ { \mathcal F } { \left( U \right) } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} } {Zu offenen Mengen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq} {V }
{ \subseteq} {W }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist stets
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \rho_{W,U} }
{ =} { \rho_{V,U} \circ \rho_{W,V} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} }

}

Die Abbildungen $\rho_{V,U}$ heißen dabei \stichwort {Restriktionsabbildungen} {.} Die Mengen ${ \mathcal F } { \left( U \right) }$ nennt man auch die Auswertung der Prägarbe an der offenen Menge $U$. Statt ${ \mathcal F } { \left( U \right) }$ schreib mat auch
\mathl{\Gamma { \left( U, { \mathcal F } \right) }}{.}

Grundbeispiele für Prägarben \zusatzklammer {und Garben} {} {} sind die folgenden Konstruktionen.


\inputbeispiel{}
{

Es seien \mathkor {} {X} {und} {Z} {} \definitionsverweis {topologische Räume}{}{.} Jeder offenen Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} kann man die Menge der auf $U$ definierten \definitionsverweis {stetigen Abbildungen}{}{} nach $Z$ zuordnen, also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ C^0 (U,Z) }
{ =} { { \left\{ \varphi:U \rightarrow Z \mid \varphi \text{ stetig} \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Da man eine stetige Abbildung \maabb {\varphi} {U} { Z } {} auf jede \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einschränken kann und da man zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ \subseteq }{W }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Einschränkung von $W$ auf $U$ in einem Schritt oder in zwei Schritten machen kann, erhält man eine \definitionsverweis {Prägarbe}{}{.}


}

Ein Spezialfall hiervon wird im folgenden Beispiel formuliert, in dem eine zusätzliche Struktur, nämlich ein \stichwort {beringter Raum} {} vorliegt.


\inputbeispiel{}
{

Es sei $X$ ein \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{.} Jeder offenen Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} kann man die Menge der auf $U$ definierten reellwertigen stetigen Funktionen zuordnen, also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \mathcal C } { \left( U \right) } }
{ =} { C^0 (U,\R) }
{ =} { { \left\{ f:U \rightarrow \R \mid f \text{ stetig} \right\} } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Da man eine stetige Funktion \maabb {f} {U} { \R } {} auf jede \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einschränken kann, erhält man eine \definitionsverweis {Prägarbe}{}{.}


}

Ebenso kann man die stetigen ${\mathbb C}$-wertigen Funktionen oder auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit die differenzierbaren Funktionen oder auf einer komplexen Mannigfaltigkeit die holomorphen Funktionen betrachten.




\inputbeispiel{}
{

Auf einem \definitionsverweis {topologischen Raum}{}{} $X$ und zu einer fixierten Menge $M$ ist die Zuordnung, die jeder \definitionsverweis {offenen Menge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Menge $M$ und jeder Inklusion die Identität auf $M$ zuordnet, eine \definitionsverweis {Prägarbe}{}{,} die die \stichwort {konstante Prägarbe} {} heißt.


}

Dies ist die einzige Prägarbe, der wir begegnen, die keine Garbe ist.


\inputbeispiel{}
{

Es seien \mathkor {} {X} {und} {Y} {} \definitionsverweis {topologische Räume}{}{} und es sei \maabbdisp {p} {Y} {X } {} eine fixierte \definitionsverweis {stetige Abbildung}{}{.} Diese Situation induziert für jede offene Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine stetige Abbildung \maabbdisp {} {Y {{|}}_U = p^{-1}(U) } { U } {.} Somit kann man zu $U$ die Menge der auf $U$ definierten \definitionsverweis {stetigen Schnitte}{}{} zu \maabb {} { p^{-1}(U) } {U } {} zuordnen, also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ S (U,Y) }
{ =} { { \left\{ s:U \rightarrow p^{-1}(U) \mid s \text{ stetiger Schnitt zu } p \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Da man einen stetigen Schnitt auf jede \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einschränken kann, wobei der Bildbereich entsprechend auf
\mathl{p^{-1}(V)}{} eingeschränkt wird, erhält man eine \definitionsverweis {Prägarbe}{}{.}


}

Aufgrund dieses wichtigen Beispiels nennt man ein Element
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s }
{ \in }{ { \mathcal F } { \left( U \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auch einen \stichwort {Schnitt} {} der Prägarbe ${ \mathcal F }$ über $U$. Für die Einschränkung eines Schnittes auf eine kleinere offene Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \subseteq }{U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} schreibt man auch suggestiver
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ s {{|}}_V }
{ =} { \rho_{U,V} (s) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}




\inputbeispiel{}
{

Zu einer \definitionsverweis {holomorphen}{}{} \definitionsverweis {Überlagerung}{}{} \maabb {p} {Y} {X } {} von \definitionsverweis {riemannschen Flächen}{}{} \mathkor {} {Y} {und} {X} {} und eine \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {offene Menge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} über der die Überlagerung trivialisiert mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ p^{-1} (U) }
{ \cong }{ U \times F }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und einem \definitionsverweis {diskreten Raum}{}{} $F$, ist ein \definitionsverweis {stetiger Schnitt}{}{} einfach gegeben durch die Wahl eines Elementes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ w }
{ \in }{ F }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} da unter diesen Bedingungen der Schnitt ganz in einer Kopie von $U$ in $Y$ landet und daher die Umkehrabbildung zur durch $p$ induzierten Homöomorphie ist. Insbesondere stimmt die Prägarbe der stetigen Schnitte mit der Prägarbe der holomorphen Schnitte überein. Bei einer nichtidentischen Überlagerung von zusammenhängenden Flächen gibt es keinen globalen Schnitt.

Bei einer \definitionsverweis {endlichen}{}{} holomorphen Abbildung \maabb {p} { Y } { X } {} und einer offenen Umgebung eines Punktes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} des \definitionsverweis {Verzweigungsbildes}{}{} und einer hinreichend kleinen offenen Umgebung gibt es Schnitte in diejenigen Scheibenumgebungen der Urbilder, auf denen keine Verzweigung stattfindet, aber nicht in die anderen.


}




\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {Prägarbe}{}{} ${ \mathcal F }$ auf einem \definitionsverweis {topologischen Raum}{}{} $X$ heißt eine Prägarbe ${ \mathcal G }$ eine \definitionswort {Unterprägarbe}{} von ${ \mathcal F }$, wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal G } { \left( U \right) } }
{ \subseteq }{{ \mathcal F } { \left( U \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für jede \definitionsverweis {offene Teilmenge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist.

}

Da holomorphe Funktionen auf einer riemannschen Fläche insbesondere stetig sind, bildet die Prägarbe der holomorphen Funktionen eine Untergarbe der Prägarbe der beliebig oft reell-differenzierbaren ${\mathbb C}$-wertigen Funktionen.






\zwischenueberschrift{Prägarben mit Strukturen}

Die Prägarbe der holomorphen Funktionen auf einer \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{} $X$ ergibt für jede offene Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nicht nur eine Menge, sondern einen \definitionsverweis {kommutativen Ring}{}{,} da man ja holomorphe Funktionen, die auf der gleichen Menge definiert sind, miteinander addieren und multiplizieren kann \zusatzklammer {siehe Lemma 3.4 und Lemma 3.9  (2)} {} {.} Diese Eigenschaft wird durch die folgende Begriffe erfasst.




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionsverweis {Prägarbe}{}{} ${ \mathcal F }$ auf einem \definitionsverweis {topologischen Raum}{}{} $X$ heißt \definitionswort {Prägarbe von Gruppen}{,} wenn zu jeder \definitionsverweis {offenen Menge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Menge ${ \mathcal F } { \left( U \right) }$ eine \definitionsverweis {Gruppe}{}{} und zu jeder Inklusion
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Restriktionsabbildung \maabbdisp {\rho_{V,U}} { { \mathcal F } { \left( V \right) } } { { \mathcal F } { \left( U \right) } } {} ein \definitionsverweis {Gruppenhomomorphismus}{}{} ist.

}




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionsverweis {Prägarbe}{}{} ${ \mathcal F }$ auf einem \definitionsverweis {topologischen Raum}{}{} $X$ heißt \definitionswort {Prägarbe von kommutativen Ringen}{,} wenn zu jeder \definitionsverweis {offenen Menge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Menge ${ \mathcal F } { \left( U \right) }$ ein \definitionsverweis {kommutativer Ring}{}{} und zu jeder Inklusion
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Restriktionsabbildung \maabbdisp {\rho_{V,U}} { { \mathcal F } { \left( V \right) } } { { \mathcal F } { \left( U \right) } } {} ein \definitionsverweis {Ringhomomorphismus}{}{} ist.

}




\inputbeispiel{}
{

Zu einem \definitionsverweis {topologischen Raum}{}{} $X$ ist die Mengen der stetigen Abbildungen von $X$ in eine \definitionsverweis {topologische Gruppe}{}{} $G$ mit der natürlichen Verknüpfung selbst eine Gruppe. Die Einschränkung auf eine offene Teilmenge von $X$ ist dabei ein \definitionsverweis {Gruppenhomomorphismus}{}{.} Daher ist die Zuordnung
\mathdisp {U \mapsto C^0(U,G)} { }
eine \definitionsverweis {Prägarbe von Gruppen}{}{} auf $X$.


}






\zwischenueberschrift{Halme von Prägarben}

Eine grundlegende Idee von Prägarben und Garben ist, lokale und globale Eigenschaften von geometrischen Objekten sinnvoll zu trennen und ihr Wechselspiel zu verstehen. Eine lokale Eigenschaft ist beispielsweise eine, die auf \anfuehrung{kleinen}{} offenen Mengen gilt. Oft möchte man aber kleine offene Mengen durch noch kleinere offene Mengen ersetzen, insbesondere, um das Verhalten in einer beliebig kleinen Umgebung eines Punktes verstehen zu können. Dafür führen wir die folgenden Konzepte ein.




\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {Prägarbe}{}{} ${ \mathcal F }$ auf einem \definitionsverweis {topologischen Raum}{}{} $X$ und einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nennt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \mathcal F }_P }
{ \defeq} { \operatorname{colim}\,_{P \in U } \Gamma { \left( U, { \mathcal F } \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} den \definitionswort {Halm}{} der Prägarbe im Punkt $P$.

}

Der Kolimes bedeutet hier einfach
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{colim}\,_{P \in U } \Gamma { \left( U, { \mathcal F } \right) } }
{ =} { \biguplus_{P \in U} \Gamma { \left( U, { \mathcal F } \right) } / \sim }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dabei ist $\sim$ auf der disjunkten Vereinigung aller Schnitte zu irgendwelchen offenen Umgebungen von $P$ diejenige Äquivalenzrelation, bei der \mathkor {} {(U,s)} {und} {(V,t)} {} zueinander in Relation stehen, wenn es eine offene Umgebung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ W }
{ \subseteq }{ U \cap V }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart gibt, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ s {{|}}_W }
{ =} { t {{|}}_V }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist.

Insbesondere gibt es zu jedem Schnitt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s }
{ \in }{ { \mathcal F } (U) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und jedem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein eindeutig definiertes Element
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s_P }
{ \in }{ { \mathcal F }_P }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} das der \stichwort {Keim} {} von $s$ im Punkt $P$ heißt. Die Abbildung \maabbeledisp {} { { \mathcal F } (U) } { { \mathcal F }_P } {s} {s_P } {,} heißt \stichwort {Restriktionsabbildung} {} und wird mit
\mathl{\rho_{U,P}}{} bezeichnet. Zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{P }
{ \in }{V }
{ \subseteq }{U }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} kommutiert das Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix} { \mathcal F } (U) & \stackrel{ \rho_{U,V} }{\longrightarrow} & { \mathcal F } (V) & \\ & \!\!\! \!\! \rho_{U,P} \searrow & \downarrow \rho_{V,P} \!\!\! \!\! & \\ & & { \mathcal F }_P & \!\!\!\!\! \!\!\! . \\ \end{matrix}} { }

Wenn ${ \mathcal F }$ eine Prägarbe von Gruppen oder von Ringen ist, so übertragen sich diese Strukturen auf die Halme, diese sind also wieder Gruppen bzw. Ringe. Für die Garbe der holomorphen Funktionen auf einer riemannschen Fläche kann man die Halme einfach bestimmen.




\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Holomorphe Funktionen/Prägarbe/Halm/Konvergente Potenzreihen/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Zu einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf einer \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{} $X$ ist der \definitionsverweis {Halm}{}{}
\mathl{{\mathcal O}_{X,P}}{} der Strukturgarbe ${\mathcal O}_X$ der \definitionsverweis {holomorphen Funktionen}{}{}}
\faktfolgerung {\definitionsverweis {isomorph}{}{} zum Ring der \definitionsverweis {konvergenten Potenzreihen}{}{} in einer Variablen.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es ein \definitionsverweis {Kartengebiet}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und eine Kartenabbildung \maabb {\alpha} {U} {V } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \subseteq }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Diese induziert für jede offene Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U' }
{ \subseteq }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einen ${\mathbb C}$-\definitionsverweis {Algebraisomorphismus}{}{} \maabbeledisp {} {\Gamma { \left( \alpha(U'), {\mathcal O}_{ {\mathbb C} } \right) } } {\Gamma { \left( U', {\mathcal O}_{ X } \right) } } { h} { h \circ \alpha } {,} und diese kommutieren mit den Restriktionsabbildungen. Somit erhält man auch einen Isomorphismus zwischen dem Halm von ${\mathcal O}_{ X }$ in $P$ und dem Halm von ${\mathcal O}_{ {\mathbb C} }$ in $\alpha( P)$. Eine holomorphe Funktion, die in einer offenen Umgebung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ Q }
{ \in} { V }
{ \subseteq} { {\mathbb C} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definiert ist, besitzt eine Potenzreihenentwicklung im Punkt $Q$ mit einem positiven Konvergenzradius. Umgekehrt definiert eine konvergente Potenzreihe innerhalb des Konvergenzradius eine holomorphe Funktion. Diese Korrespondenz ist bijektiv.

}






\zwischenueberschrift{Homomorphismen von Prägarben}




\inputdefinition
{}
{

Es seien \mathkor {} {{ \mathcal F }} {und} {{ \mathcal G }} {} \definitionsverweis {Prägarben}{}{} auf einem topologischen Raum $X$. Ein \definitionswort {Morphismus von Prägarben}{} \maabbdisp {\varphi} { { \mathcal F } } { { \mathcal G } } {} ist eine Familie von Abbildungen \maabbdisp {\varphi_U} { { \mathcal F } (U) } { { \mathcal G } (U) } {} für jede offene Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart, dass zu jeder offenen Inklusion
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} das Diagramm
\mathdisp {\begin{matrix}

 { \mathcal F  } (U)  & \stackrel{ \varphi_U }{\longrightarrow} &  { \mathcal G  }(U)  &  \\ \!\!\!\!\! \rho_{U,V} \downarrow & & \downarrow \rho_{U,V} \!\!\!\!\!  & \\  { \mathcal F  } (V)  & \stackrel{ \varphi_V }{\longrightarrow} &  { \mathcal G  }(V)
& \!\!\!\!\!   \\ \end{matrix}} {  }

kommutiert.

}




\inputdefinition
{}
{

Ein \definitionsverweis {Morphismus von Prägarben}{}{} \maabb {\varphi} { { \mathcal F } } {{ \mathcal G } } {} auf $X$ heißt \definitionswort {Isomorphismus}{,} wenn für jede offene Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \subseteq }{X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Bijektion \maabb {} { { \mathcal F } { \left( U \right) } } { { \mathcal G } { \left( U \right) } } {} vorliegt.

}


\inputfaktbeweis
{Prägarbe/Homomorphismus/Verknüpfung/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ ein \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{} und seien
\mathl{{ \mathcal F } , { \mathcal G } , { \mathcal H }}{} \definitionsverweis {Prägarben}{}{} auf $X$.}
\faktfolgerung {Dann gelten folgende Aussagen. \aufzaehlungdrei{Die Identität \maabbdisp {} { { \mathcal F }} { { \mathcal F } } {} ist ein \definitionsverweis {Morphismus von Prägarben}{}{.} }{Wenn \maabb {\varphi} { { \mathcal F } } { { \mathcal G } } {} und \maabb {\psi} { { \mathcal G }} { { \mathcal H } } {} Morphismen von Prägarben sind, so ist auch die Verknüpfung
\mathl{\psi \circ \varphi}{} ein Morphismus von Prägarben. }{Zu einer \definitionsverweis {Unterprägarbe}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal F } }
{ \subseteq }{ { \mathcal G } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist die natürliche Inklusion ein Morphismus von Prägraben. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 10.8. }





\inputfaktbeweis
{Prägarbe/Homomorphismus/Halm/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Ein \definitionsverweis {Morphismus von Prägarben}{}{} \maabbdisp {\varphi} { { \mathcal F } } { { \mathcal G } } {} auf einem \definitionsverweis {topologischen Raum}{}{} $X$}
\faktfolgerung {definiert für jeden Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Abbildung \maabbdisp {\varphi_P} { { \mathcal F }_P } { { \mathcal G }_P } {} zwischen den \definitionsverweis {Halmen}{}{,} die mit den \definitionsverweis {Restriktionsabbildungen}{}{} verträglich sind.}
\faktzusatz {Das heißt, dass zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ U }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Diagramme
\mathdisp {\begin{matrix}

{ \mathcal F  } (U)  & \stackrel{ \varphi_U }{\longrightarrow} &   { \mathcal G  } (U) &  \\ \!\!\!\!\! \rho_{U,P} \downarrow & & \downarrow \rho_{U,P} \!\!\!\!\!  & \\  { \mathcal F  }_P  & \stackrel{ \varphi_P }{\longrightarrow} &  { \mathcal G  }_P
& \!\!\!\!\!   \\ \end{matrix}} {  }

kommutativ sind.}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s }
{ \in }{ { \mathcal F }_P }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Das bedeutet, dass es eine offene Umgebung
\mathbed {U} {}
{P \in U \subseteq X} {}
{} {} {} {,} und ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s }
{ \in }{ { \mathcal F } { \left( U \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \rho_{U,P} (s) }
{ = }{ s_P }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt. Wir setzen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \varphi_P(s) }
{ \defeq} { \rho_{U,P} (\varphi_U (s)) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} an und müssen zeigen, dass dies wohldefiniert, also unabhängig vom gewählten Repräsentanten $s$ \zusatzklammer {und $U$} {} {} ist. Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ t }
{ \in }{ { \mathcal F } { \left( V \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein weiterer Repräsentant. Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s_P }
{ = }{ t_P }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es eine offene Umgebung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ P }
{ \in} {W }
{ \subseteq} { U \cap V }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ s {{|}}_W }
{ = }{ t {{|}}_W }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Somit ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \varphi_U(s) {{|}}_W }
{ =} { \varphi_W { \left( s {{|}}_W \right) } }
{ =} { \varphi_W { \left( t {{|}}_W \right) } }
{ =} { \varphi_V(t) {{|}}_W }
{ } { }
} {}{}{} und somit ist erst recht
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \rho_{U,P} (\varphi_U (s)) }
{ =} { \rho_{V,P} (\varphi_V (t)) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

}






\inputbemerkung
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {holomorphen Abbildung}{}{} \maabb {\varphi} { X } { Y } {} zwischen den \definitionsverweis {riemannschen Flächen}{}{} \mathkor {} {X} {und} {Y} {} und einer \definitionsverweis {offenen Menge}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \subseteq }{ Y }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} erhält man einen ${\mathbb C}$-\definitionsverweis {Algebrahomomorphismus}{}{} \maabbeledisp {} { \Gamma (V, {\mathcal O}_Y ) } { \Gamma ( \varphi^{-1} (V), {\mathcal O}_X ) } {h} { h \circ \varphi } {.} Diese Familie von Abbildungen kommutieren mit den Restriktionen, man kann sie aber nicht unmittelbar als ein \definitionsverweis {Morphismus von Prägarben}{}{} auffassen, da die Prägarben auf unterschiedlichen Räumen leben. Es gibt mehrere Möglichkeiten, dies zu beheben. Man kann die Prägarbe ${\mathcal O}_{ X }$ nach $Y$ transportieren, indem man die \definitionsverweis {vorgeschobene Prägarbe}{}{} $\varphi_* {\mathcal O}_{ X }$ einführt, die durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \Gamma { \left( V, \varphi_* {\mathcal O}_{ X } \right) } }
{ \defeq} { \Gamma ( \varphi^{-1} (V), {\mathcal O}_X ) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} festgelegt ist. Die eben beschriebenen Ringhomomorphismen ergeben dann direkt einen Prägarbenmorphismus \maabbdisp {} { {\mathcal O}_{ Y } } { \varphi_* {\mathcal O}_{ X } } {} von Prägarben von kommutativen Ringen auf $Y$.

Zu einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Q }
{ \in }{ Y }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} erhält man einen Ringhomomorphismus der Halme \maabbdisp {} { { \left( {\mathcal O}_{ Y } \right) }_Q } { { \left( \varphi_* {\mathcal O}_{ X } \right) }_Q } {,} wobei rechts der Kolimes über alle gemeinsamen offenen Umgebungen der Urbildpunkte von $Q$ steht. Für einen einzelnen Urbildpunkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ P }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt es Ringhomomorphismen \maabbdisp {} { { \left( \varphi_* {\mathcal O}_{ X } \right) }_Q } { { \left( {\mathcal O}_{ X } \right) }_P } {} und \maabbdisp {} { { \left( {\mathcal O}_{ Y } \right) }_Q } { { \left( {\mathcal O}_{ X } \right) }_P } {.} Letztere Abbildung ist eine Abbildung zwischen \definitionsverweis {diskreten Bewertungsringen}{}{,} die im Wesentlichen über Satz 2.1 festgelegt ist, siehe auch Aufgabe 10.9.

}