Kurs:Riemannsche Flächen (Osnabrück 2022)/Vorlesung 27/latex

\setcounter{section}{27}






\zwischenueberschrift{Das Geschlecht}




\inputdefinition
{}
{

Zu einer \definitionsverweis {kompakten}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängenden}{}{} \definitionsverweis {riemannschen Fläche}{}{} $X$ nennt man
\mathl{\dim_{ {\mathbb C} } { \left( H^1(X, {\mathcal O}_{ X }) \right) }}{} das \definitionswort {Geschlecht}{} von $X$.

}

Das Geschlecht ist die wichtigste Invariante einer kompakten riemannschen Fläche. Genauer spricht man vom kohomologischen Geschlecht in Abgrenzung zu den Konzepten differentielles Geschlecht, topologisches Geschlecht und anderen Konzepten. Es ist ein wichtiges Ziel zu zeigen, dass die verschiedenen Konzepte zueinander äquivalent sind.




\inputfaktbeweis
{Projektive Gerade/Riemannsche Fläche/Geschlecht 0/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Die \definitionsverweis {projektive Gerade}{}{}
\mathl{{\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} }}{}}
\faktfolgerung {besitzt das \definitionsverweis {Geschlecht}{}{} $0$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Bei der affinen Standardüberdeckung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{{\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} } }
{ =} { U \cup V }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{U }
{ \cong }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{V }
{ \cong }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ U \cap V }
{ \cong} { {\mathbb C} \setminus \{ 0 \} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wegen Korollar 25.7 und der entsprechenden Aussage für ${\mathbb C} \setminus \{ 0 \}$ können wir Satz 22.4 heranziehen. Eine erste Kohomologieklasse zur Strukturgarbe ${\mathcal O}_{ X }$ wird somit durch eine holomorphe Funktion $h$ auf
\mathl{{\mathbb C} \setminus \{ 0 \}}{} repräsentiert. Die Theorie der \definitionsverweis {Laurent-Entwicklung}{}{} auf einer punktierten Kreisscheibe sichert eine Darstellung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h(z) }
{ =} { \sum_{n = - \infty}^{+ \infty} c_n z^n }
{ =} { h_+ + h_- }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{h_+ }
{ =} { \sum_{n = 0}^{+ \infty} c_n z^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} den Nebenteil und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{h_- }
{ =} { \sum_{n = - \infty }^{-1} c_n z^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} den Hauptteil bezeichnet. Dabei ist $h_+$ eine holomorphe Funktion auf
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ = }{ {\mathbb C} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ = }{w^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist die Funktion
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ h_-(z) }
{ =} { g(w^{-1}) }
{ =} { \sum_{m \in \N_+} c_{-m} w^m }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} holomorph fortsetzbar nach
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{w }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} \zusatzklammer {also für
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{z }
{ = }{ \infty }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {} mit dem Wert $0$. Somit ist $h$ die Differenz von auf $U$ bzw. auf $V$ definierten holomorphen Funktionen, was bedeutet, dass die Kohomologieklassse trivial ist.

}





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Fläche/Geschlecht 0/Projektive Gerade/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{} $X$}
\faktvoraussetzung {mit dem \definitionsverweis {Geschlecht}{}{} $0$}
\faktfolgerung {ist \definitionsverweis {biholomorph}{}{} zur \definitionsverweis {projektiven Geraden}{}{}
\mathl{{\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} }}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nach dem Beweis zu Satz 26.2 gibt es eine meromorphe Funktion auf $X$, die außerhalb eines gewählten Punktes $P$ holomorph ist und dessen Polordnung in $P$ gleich $1$ ist. Diese meromorphe Funktion definiert eine \definitionsverweis {endliche}{}{} holomorphe Abbildung nach ${\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} }$ \zusatzklammer {siehe auch Satz 26.3} {} {} der \definitionsverweis {Blätterzahl}{}{} $1$. Es liegt also eine bijektive Abbildung und damit nach Satz 2.1 auch eine biholomorphe Abbildung vor.

}





\inputbeispiel{}
{

Aus Lemma 27.2 und Lemma 18.12 folgt, dass sich jede \definitionsverweis {Hauptteilverteilung}{}{} auf der \definitionsverweis {projektiven Geraden}{}{} ${\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} }$, also jede Vorgabe von Hauptteilen $H_i$ an endlich vielen Punkten $P_i$ durch eine meromorphe Funktion realisieren lässt, wobei nach Satz 19.19 diese Funktion sogar eine rationale Funktion ist. Diese kann man auch explizit angeben, wobei nur der Fall von einem Punkt zu betrachten ist, da sich der allgemeine Fall durch Addition der rationalen Funktionen ergibt. Besonderes übersichtlich ist die Situation, wenn der Hauptteil im unendlich fernen Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \infty }
{ = }{ (1,0) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} konzentriert ist, sagen wir in der Form
\mathl{\sum_{i = n }^{-1} c_iw^i}{} mit dem lokalen Parameter
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{w }
{ = }{ z^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Diese Funktion ist direkt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i = n }^{-1} c_iw^i }
{ =} { \sum_{i = n }^{-1} c_i z^{-i} }
{ =} { \sum_{j = 1 }^{-n} c_{-j} z^{j} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} d.h. auch, dass sich der Hauptteil sogar mit einem Polynom auf dem Komplement realisieren lässt. Wegen der Homogenität der projektiven Räume gilt das dann für alle Punkte. Wenn der Hauptteil in einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ \in }{ {\mathbb C} }
{ = }{ D_+(z) }
{ \subseteq }{ {\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} } }
{ }{ }
} {}{}{} konzentriert ist und durch
\mathl{\sum_{i = n }^{-1} c_i (z-a)^i}{} repräsentiert ist, so kann man dies direkt als eine rationale Realisierung des Hauptteiles übernehmen, da die
\mathl{(z-a)^i}{} zu $i$ negativ nur in $a$ einen Pol haben. Wenn aber die Hauptverteilung durch eine rationale Funktion oder ein invertiertes Polynom gegeben ist, muss man vorsichtiger sein. Betrachten wir die Hauptverteilung, die im Nullpunkt konzentriert ist und dort durch
\mathl{{ \frac{ 1 }{ z^2-z } }}{} repräsentiert wird. Die rationale Funktion
\mathl{{ \frac{ 1 }{ z^2-z } }}{} ist keine Realisierung auf ${\mathbb P}^{1}_{ {\mathbb C} }$ für diese Hauptteilverteilung, da sie auch in
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ = }{1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} einen Pol besitzt. Zur rechnerischen Bestimmung einer realisierenden rationalen Funktion muss man mit der \definitionsverweis {Partialbruchzerlegung}{}{} arbeiten, siehe Satz 26.3 (Analysis (Osnabrück 2021-2023)). Im vorliegenden Fall schreibt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \frac{ 1 }{ z^2-z } } }
{ =} { - { \frac{ 1 }{ z } } + { \frac{ 1 }{ z -1 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} es ist dann also $- { \frac{ 1 }{ z } }$ eine rationale Realisierung dieser Hauptteilverteilung \zusatzklammer {die beiden Funktionen ${ \frac{ 1 }{ z^2-z } }$ und $- { \frac{ 1 }{ z } }$ unterscheiden sich im Nullpunkt nur um die dort holomorphe bzw. polstellenfreie rationale Funktion
\mathl{{ \frac{ 1 }{ z -1 } }}{,} und bei der Realisierung einer Hauptteilverteilung kommt es nur darauf an} {} {.}


}






\zwischenueberschrift{Decktransformationen und Galoisgruppe}

Es sei \maabb {\pi} {Y} {X } {} eine \definitionsverweis {endliche}{}{} \definitionsverweis {holomorphe Abbildung}{}{} zwischen \definitionsverweis {kompakten}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängenden}{}{} \definitionsverweis {riemannschen Flächen}{}{} der \definitionsverweis {Blätterzahl}{}{} $n$. Nach Satz 26.8 liegt dann zwischen den Körpern der meromorphen Funktionen eine \definitionsverweis {endliche Körpererweiterung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal M } (X) }
{ \subseteq }{{ \mathcal M } (Y) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vom \definitionsverweis {Grad}{}{} $n$ vor. Insbesondere kann man in dieser Situation Konzepte und Ergebnisse der Körper- und Galoistheorie anwenden, die in diesem Kontext ein neuartiges Flair bekommen.





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Flächen/Holomorphe endliche Abbildung/Decktransformationen und Galoisgruppe/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei \maabb {p} {Y} {X } {} eine \definitionsverweis {endliche}{}{} \definitionsverweis {holomorphe Abbildung}{}{} mit der \definitionsverweis {Blätterzahl}{}{} $n$ zwischen den \definitionsverweis {zusammenhängenden}{}{} \definitionsverweis {riemannschen Flächen}{}{} \mathkor {} {Y} {und} {X} {} mit der zugehörigen \definitionsverweis {endlichen Körpererweiterung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal M } { \left( X \right) } }
{ \subseteq }{ { \mathcal M } { \left( Y \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann gibt es einen natürlichen \definitionsverweis {Gruppenisomorphismus}{}{} \maabbdisp {} { \operatorname{Deck} { \left( Y {{|}} X \right) } } { \operatorname{Gal}\, ( { \mathcal M } { \left( Y \right) } {{|}} { \mathcal M } { \left( X \right) } ) } {,}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Für eine Decktransformation \maabbdisp {\varphi} {Y} {Y } {} und eine meromorphe Funktion
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ \in }{ { \mathcal M } { \left( Y \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist auch $f \circ \varphi$ wieder meromorph, wobei meromorphe Funktionen auf $X$ in sich selbst überführt werden. Daher erhält man eine natürliche Abbildung \maabbdisp {} { \operatorname{Deck} { \left( Y {{|}} X \right) } } { \operatorname{Gal}\, ( { \mathcal M } { \left( Y \right) } {{|}} { \mathcal M } { \left( X \right) } ) } {,} die offenbar ein \definitionsverweis {Gruppenhomomorphismus}{}{} ist. Es werde ${ \mathcal M } { \left( Y \right) }$ über ${ \mathcal M } { \left( Y \right) }$ von der meromorphen Funktion $g$ erzeugt und es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ H(T) }
{ =} { T^n+a_{n-1}T^{n-1} + \cdots + a_1 T+a_0 }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} das \definitionsverweis {Minimalpolynom}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ a_j }
{ \in }{ { \mathcal M } { \left( X \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Q }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein Punkt, der nicht im Verzweigungsbild liegt und wo die Koeffizientenfunktionen $a_j$ holomorph seien, mit den Urbildpunkten
\mathl{P_1 , \ldots , P_n}{.} Dann besitzt $g$ an diesen Punkten unterschiedliche Werte. Aus
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ g \circ \varphi }
{ = }{ g }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} im Körper ${ \mathcal M } { \left( Y \right) }$ für alle Decktransformationen $\varphi$ folgt, dass diese Punkte in sich selbst überführt werden und daraus ergibt sich überhaupt mit Lemma 6.16, dass $\varphi$ die Identität ist. Der Gruppenhomomorphismus ist also \definitionsverweis {injektiv}{}{.}

Es sei nun $\psi$ ein Automorphismus des Körpers. Dieser ist durch das Bild $\tilde{g}$ des Erzeugers $g$ festgelegt, und $\tilde{g}$ erfüllt ebenfalls das Minimalpolynom. Wir betrachten
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ V }
{ =} { { \left\{ (x ,t) \in X' \times {\mathbb C} \mid H(x,t) = 0 \right\} } }
{ \subseteq} { X' \times {\mathbb C} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei $X'$ die Teilmenge von $X$ bezeichne, auf der eine Überlagerung \maabb {} {Y'} {X' } {} vorliegt und so, dass die $a_j$ auf $X'$ und $g$ auf $Y'$ holomorph ist. Wegen Satz 26.12 ist $Y'$ biholomorph zum \definitionsverweis {Nullstellengebilde}{}{} zu $H$ über $X'$. Die Abbildung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \varphi (x,t) }
{ =} { (x, \tilde{g} (x,t)) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist eine Decktransformation oberhalb von $X'$, die auf $\psi$ abbildet. Nach Lemma 9.13 lässt sich die Decktransformation auf ganz $Y$ ausdehnen.

}





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Flächen/Holomorphe endliche Abbildung/Normal und galoissch/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei \maabb {p} {Y} {X } {} eine \definitionsverweis {endliche}{}{} \definitionsverweis {holomorphe Abbildung}{}{} zwischen den \definitionsverweis {zusammenhängenden}{}{} \definitionsverweis {riemannschen Flächen}{}{} \mathkor {} {Y} {und} {X} {} mit der zugehörigen \definitionsverweis {endlichen Körpererweiterung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal M } { \left( X \right) } }
{ \subseteq }{ { \mathcal M } { \left( Y \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist die Abbildung genau dann \definitionsverweis {normal}{}{,} wenn die Körpererweiterung \definitionsverweis {galoissch}{}{} ist.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei $n$ die mit der \definitionsverweis {Blätterzahl}{}{} der Abbildung, die nach Satz 26.8 mit dem Grad er Körpererweiterung übereinstimmt. Die Aussage folgt aus Lemma 27.5. Galoissch bedeutet nach Definition 14.8, dass die Galoisgruppe aus $n$ Elementen besteht. Normalität bedeutet, dass man jeden Faserpunkt in jeden Faserpunkt überführen kann. Das bedeutet, angewendet auf eine Faser ohne Verzweigungspunkte, dass es zumindest $n$ Decktransformationen gibt. Die Existenz von $n$ Decktransformationen bedeutet wiederum für eine unverzweigte Faser, dass von einem Punkt aus jeder andere Punkt erreicht wird, da es wegen der Eindeutigkeit der Liftung nur eine Decktransformation gibt, die einen Punkt erreicht.

}






\zwischenueberschrift{Die Spur einer Differentialform}

Wir erinnern an ein weiteres Konzept aus der Galoistheorie.


\inputdefinition
{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{K }
{ \subseteq }{L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {endliche Körpererweiterung}{}{.} Zu einem Element
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{f }
{ \in }{L }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nennt man die \definitionsverweis {Spur}{}{} der $K$-\definitionsverweis {linearen Abbildung}{}{} \maabbeledisp {\mu_f} {L} { L } {y} { fy } {,} die \definitionswort {Spur}{} von $f$. Sie wird mit
\mathl{\operatorname{Spur} { \left( f \right) }}{} bezeichnet.

}




\inputdefinition
{}
{

Es sei \maabb {p} {Y} {X } {} eine \definitionsverweis {endliche}{}{} \definitionsverweis {holomorphe Abbildung}{}{} mit der \definitionsverweis {Blätterzahl}{}{} $n$ zwischen den \definitionsverweis {zusammenhängenden}{}{} \definitionsverweis {riemannschen Flächen}{}{} \mathkor {} {Y} {und} {X} {} mit der zugehörigen \definitionsverweis {endlichen Körpererweiterung}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal M } { \left( X \right) } }
{ \subseteq }{ { \mathcal M } { \left( Y \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Zu einer \definitionsverweis {holomorphen Differentialform}{}{} $\omega$ auf $Y$ nennt man die lokal durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Spur} { \left( \omega \right) } }
{ =} { \operatorname{Spur} { \left( dg \right) } }
{ \defeq} { d \operatorname{Spur} { \left( g \right) } }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definierte holomorphe Differentialform auf $X$ die \definitionswort {Spur}{} von $\omega$

}

Bei einer normalen verzweigten Abbildung ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Spur} { \left( \omega \right) } }
{ =} { \sum_\varphi \varphi^* \omega }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei die Summe über alle Decktransformationen läuft. Dies ist eine invariante Form und entspricht einer Differentialform auf $X$, siehe Satz Anhang.. Es ist ja
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \operatorname{Spur} { \left( dg \right) } }
{ =} { d \operatorname{Spur} { \left( g \right) } }
{ =} { d { \left( \sum_\varphi g \circ \varphi \right) } }
{ =} { \sum_\varphi d { \left( g \circ \varphi \right) } }
{ =} { \sum_\varphi \varphi^* d g }
} {} {}{.}





\inputfaktbeweis
{Riemannsche Flächen/Holomorphe endliche Abbildung/Differentialform/Wegintegral/Spur/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei \maabb {p} {Y} {X } {} eine \definitionsverweis {endliche}{}{} \definitionsverweis {holomorphe Abbildung}{}{} mit der \definitionsverweis {Blätterzahl}{}{} $n$ zwischen den \definitionsverweis {riemannschen Flächen}{}{} \mathkor {} {Y} {und} {X} {.} Es sei $\omega$ eine \definitionsverweis {holomorphe Differentialform}{}{} auf $Y$ und $\delta$ ein \definitionsverweis {stetiger Weg}{}{} in $X$. Es seien $\delta_1 , \ldots , \delta_n$ \definitionsverweis {Liftungen}{}{} von $\delta$ nach $Y$, die außerhalb der Verzweigungspunkte die möglichen Liftungen abdecken.}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i\in I} \int_{\delta_i} \omega }
{ =} { \int_\delta \operatorname{Spur} { \left( \omega \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Integrale hängen nicht von Verzweigungspunkten ab. Wir berechnen also die Wegintegrale abschnittsweise im unverzweigten Ort. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine offene Kreisscheibe außerhalb des Verzweigungsortes und sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ p^{-1} (U) }
{ =} { \biguplus_{ i\in I} V_i }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Es sei \maabb {p_i} {V_i} {U } {} der lokale Homöomorphismus und sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \omega {{|}}_{V_i} }
{ = }{ \omega_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Wir bezeichnen die eingeschränkten Wege auf $U$ bzw. auf $V_i$ wie zuvor. Dabei gilt wegen der Biholomorphie
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \int_{\delta_i} \omega }
{ =} { \int_{\delta_i} {\omega_i} }
{ =} { \int_\delta p_i^{-1*}\omega_i }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dann ist
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \sum_{i \in I} \int_{\delta_i} \omega }
{ =} { \sum_{i \in I} \int_{\delta} p_i^{-1*}\omega_i }
{ =} { \int_{\delta} \sum_{i \in I} p_i^{-1*}\omega_i }
{ =} { \int_{\delta} \operatorname{Spur} { \left( \omega \right) } }
{ } { }
} {} {}{.}

}

\seitenueberschrift{}


Wir erinnern daran, dass zu einer holomorphen Differentialform $\omega$ die \definitionsverweis {Periodengruppe}{}{} durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{Per} (\omega) }
{ =} { { \left\{ \int_\gamma \omega \mid \gamma \in \pi_1(X) \right\} } }
{ \subseteq} { {\mathbb C} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definiert ist. Der folgende Satz ist eine wichtige Vorstufe für den Satz von Abel-Jacobi, man spricht von der \stichwort {Abelschen Relation für Hauptdivisoren} {.}




\inputfaktbeweis
{Riemannsche Flächen/Kompakt/Holomorphe Abbildung/Hauptdivisor/Periode/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ eine \definitionsverweis {kompakte}{}{} \definitionsverweis {zusammenhängende}{}{} \definitionsverweis {riemannsche Fläche}{}{.} Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ f }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine \definitionsverweis {meromorphe Funktion}{}{} auf $X$ mit dem \definitionsverweis {Hauptdivisor}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \operatorname{div} { \left( f \right) } }
{ =} { \sum_{i \in I} P_i - \sum_{i \in I} Q_i }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Es seien $\gamma_i$ \definitionsverweis {stetige Wege}{}{} von $Q_i$ nach $P_i$. Es sei $\omega$ eine \definitionsverweis {holomorphe Differentialform}{}{} auf $X$}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i \in I} \int_{\gamma_i} \omega }
{ \in} { \operatorname{Per} (\omega) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Bei $f$ konstant ist die Aussage klar, sei also $f$ nicht konstant. Wir fassen $f$ im Sinne von Satz 18.6 als eine \definitionsverweis {endliche}{}{} \definitionsverweis {holomorphe Abbildung}{}{} \maabb {f} {X} { {\mathbb P}^{1}_{{\mathbb C}} } {} auf. Die Anzahl von $I$ ist die Blätterzahl $n$ von $f$ und nach Satz 26.8 auch der Grad der Körpererweiterung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ { \mathcal M } { \left( {\mathbb P}^{1}_{} \right) } }
{ = }{ {\mathbb C} (t) }
{ \subseteq }{ { \mathcal M } { \left( X \right) } }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Nach Korollar 19.14 besteht die \definitionsverweis {Faser}{}{} über $0$ aus den Punkten $P_i$ und die Faser über $\infty$ aus den Punkten $Q_i$, wobei Wiederholungen erlaubt sind. Wir fixieren einen Basisweg $\delta$ in ${\mathbb P}^{1}_{{\mathbb C}}$ von $0$ nach $\infty$, der außer eventuell am Rand durch keinen Verzweigungsbildpunkt verläuft. Dieser Weg liftet zu $n$ Wegen $\delta_i$, wobei $\delta_i$ in $P_i$ beginnen soll. In der Wegfamilie bestehend aus allen $\gamma_i$ und $\delta_i$ tritt jeder Punkt genauso oft als Anfangspunkt und als Endpunkt auf \zusatzklammer {der Punkt $P_i$ tritt so oft auf, wie es die Verzweigungsordnung angibt} {} {.} Es liegt also ein Zykel vor bzw. man kann die Wege in eine Reihenfolge bringen, dass ein geschlossener Weg entsteht. Damit ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i \in I} \int_{\gamma_i} \omega + \sum_{i \in I} \int_{\delta_i} \omega }
{ \in} { \operatorname{Per}(\omega) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Nach Lemma 27.9 ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i \in I} \int_{\delta_i} \omega }
{ =} { \int_{\delta} \operatorname{Spur} { \left( \omega \right) } }
{ =} { 0 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} wobei die letzte Gleichung darauf beruht, dass nach Lemma 15.9 auf der projektiven Geraden die globale holomorphe Differentialform $\operatorname{Spur} { \left( \omega \right) }$ trivial ist. Also ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{i \in I} \int_{\gamma_i} \omega }
{ \in} { \operatorname{Per}(\omega) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

}