Rechtskontext: Vergleich des Interpretationsverständnis Walzers mit der Zwangsgewalt Höffes Bearbeiten

(Christopher Nils Adolph, Freiburg)

AUSWAHL DES KONZENTRATIONSPUNKTS Bearbeiten

Die Auseinandersetzung zwischen liberalen und kommunitarischen Gerechtigkeitskonzeptionen wurde bei Forst im Hinblick auf die liberale Behauptung eines Vorrangs von Fragen der Gerechtigkeit vor solchen des guten Lebens geführt.[1] Dem implizit ist zum einen die methodische Vorrangstellung des Begriffs der Rechtfertigung in einer Theorie der Gerechtigkeit (vgl. F: 420) und zum anderen die Anforderung, dass das Gute, sofern es die Basis von Gerechtigkeitsansprüchen darstellt, sich als »vernünftig« erweisen muss (vgl. F: 74). Dabei übersieht Forst jedoch, dass er selbst einer irreduziblen Substanzphilosophie verhaftet ist. Bezöge Forst diesen Gedanken konsequent mit in seine Überlegungen mit ein, dann müsste er die methodische Vorrangstellung und letztlich auch die Anforderungen an das Gute revidieren. Stattdessen sind die Forst’schen Ausführungen von diesem performativen Selbstwiderspruch überschattet. Es ist klar, dass angesichts dieses Widerspruchs Fragen des guten Lebens in den diversen Hintergrund abgedrängt und ausgeklammert werden müssen. In den Brennpunkt der Aufmerksamkeit im Rechtskontext rückt dem anstelle im Folgenden, von methodisch verzerrenden Vorannahmen befreit, das Verhältnis zwischen legitimer Gerechtigkeit und Fragen des guten Lebens. Die Diskussion wird allerdings auf die hermeneutische Methode Walzers, als Heuristik des guten Lebens und der Rechtszwang legitimierenden Gerechtigkeit zugespitzt.

INTERPRETATION ZWISCHEN TEIL UND GANZEM Bearbeiten

Walzer intendiert in Sphären der Gerechtigkeit nichts anderes als eine Erfassung der Wirklichkeit menschlicher Freiheit (vgl. SG: 19). Diese Freiheit bezieht Gemeinsamkeits- und Differenzmomente so aufeinander, dass in diesem Bezug sich die Geisteshaltung des „geziemenden Respekt[es] vor den Ansichten und Meinungen der Menschheit im Ganzen“ (SG: 451) widerspiegelt. Dieser universelle Aspekt der »Menschheit im Ganzen«, wurde bereits genau dargelegt. Der wesentlich verwobene Sinn des dort explizierten reiterativen Modells des Universalismus, des Selbstbestimmungsuniversalismus und der universell gültigen Standards minimaler Moral, erschließt sich in dem Verhältnis mit dem entfalteten Personenbegriff Walzers (vgl. Gadamer 1975: 178). »Person« steht mit »Universalismus« in der Philosophie Walzers in einem Verhältnis, das sich als »hermeneutischer Zirkel« zwischen »Ganzem und Teil« (Gadamer)[2] beschreiben lässt. Dem »hermeneutischen Zirkel« ist Walzers »Pfad der Interpretation« analog, ein letztlich nicht abschließbares Interpretationsunterfangen (vgl. KG: 36), bei dem es sich um

„das alte hermeneutische Prinzip der Textinterpretation [handelt], das deshalb auch für den Lebenszusammenhang gilt, weil in ihm in gleicher Weise die Einheit einer Bedeutung vorausgesetzt wird, die in allen seinen Teilen zum Ausdruck kommt.“ (Gadamer 1975: 210)

Bevor wir allerdings in den hemenutischen Zirkel hineingelangen, gilt es sich zunächst noch einmal die Beschaffenheit der Universalismen zu vergegenwärtigen, die bei Walzer die Rolle des Ganzen spielen. Forst zufolge handelt es sich bei dem in der Sphärengerechtigkeit zur Anwendung gelangenden Universalismus um einen „kontextualistischen Universalismus, der kontextsensibel ist und Differenzen nicht entwertet.“ (Schnell 2001: 86f., vgl. F: 258) Universalistische (wenn auch minimale) Prinzipien (z.B. das Recht, Rechte zu haben, Freiheit und Selbstbestimmung) bilden einen „formalen Rahmen, der sich stets in Kontexten politischer Gemeinschaften, ihren Selbstverständnissen, Praktiken und Institutionen in jeweils verschiedener Form »reiteriert«“ (F: 258). Die Definition dieser Ge- und Verbote ist immer von »gesellschaftlichen Bedeutungen« abhängig. Weil Walzer deswegen in einer moralischen Argumentation sich nicht auf den universalen Moralcode berufen kann, ohne sich zugleich auch auf die partikularen gesellschaftlichen Bedeutungen zu beziehen (vgl. Haus 2000: 78; Schnell 2001: 87; KG: 36), findet diese Interdependenz ihren Ausdruck in einer dritten Art des Universalismus, dem Selbstbestimmungsuniversalismus.

Letztlich ist jedoch jede einzelne, handlungsrelevante Entscheidungen fällende Person, ist jeder »equal moral maker« für die Interpretation der gesellschaftlichen Bedeutungen verantwortlich zu machen (vgl. KG: 36). Und diese Interpretation ist eher eine fortschreitende, tagtägliche Angelegenheit, von prozessual angelegten Personen, als dass sie mit einer einmaligen Kraftanstrengung zu erledigen wäre (vgl. KG: 37). Jeder »Pfad der Interpretation« beginnt jeweils bei den bereits bestehenden Verständnissen und Moralvorstellungen, die sie Kraft der Autorität ihres Vorhandenseins verpflichtet (vgl. KG: 31), gleichwohl aber mit Mängeln und Defiziten behaftet ist, weswegen die Interpretation sich ihr kritisch zuwendet. Auch wenn „die Kritik des Bestehenden […] mit Grundsätzen [beginnt], die dem Bestehenden bereits innewohnen“ (KG: 31), hat die Interpretation stets „einen für Macht und Herrschaft potentiell subversiven Charakter“ (KG: 31). Denn die hermeneutische Kritik will moralischen Fortschritt und damit eine Veränderung der Gesellschaftspraxis, so, dass „zuvor aus den alten Prinzipien ausgeschlossene Männer und Frauen in ihren Geltungsbereich eingeschlossen werden.“ (KG: 37) Dabei geht es ihr nicht um die schlagartige Ersetzung bestehender, geteilter Bedeutungen, sondern Walzer geht von diesen aus, um eine Lesart von ihnen zu entwickeln, die von »besserer Qualität« ist. Walzer beabsichtigt eine Lesart zu generieren, die bereits bestehende moralische Prinzipien auf schlagendere und überzeugendere Weise interpretiert (vgl. KG: 40). Die wirkliche Autorität einer solchen Interpretation sind jedoch die Leser (vgl. KG: 41) bzw. eine Kritik ist laut Walzer dann am mächtigsten, wenn sie „den gemeinsamen Klagen der Menschen Stimme verleiht oder die Werte erhellt, die jenen Klagen zugrunde liegen“ (Walzer 1991: 30).[3]

Den Gegensatz zu dieser sphärenrelativen Geltung stellt für den Nachmetapysiker Walzer der kritischen »Pfad der Erfindung« und der »Pfad der Entdeckung« dar. Letzterer verpflichtet „kraft der Autorität von Gottes Schöpfung oder ihrer objektiven Wahrheit“ (KG: 30). Mit dem Pfad der Erfindung bezeichnet Walzer in Anlehnung an Habermas und Rawls ein überkontextuelles Verfahren zur Geltungsüberprüfung sozialer Normen (Schnell 2001: 77). Dieses Verfahren muss potentiell die ganze Welt repäsentieren bzw. in einer minimalistischen Version diejenigen repräsentieren, für die die Norm Geltung haben soll (vgl. KG: 27). Walzer entgegnet diesen beiden Pfaden:

„Wir müssen die moralische Welt nicht erst entdecken, da wir immer schon in ihr gelebt haben. Wir brauchen sie nicht zu erfinden, weil sie bereits erfunden wurde […]. Kein Konstruktionsverfahren wachte über ihren Aufbau (design), und das Ergebnis ist zweifellos unstrukturiert und ungewiss.“ (KG: 29)

Jeder Interpretation ist als Ergebnis ein Urteil zu eigen (vgl. KG: 29). Geurteilt wird über einen irgendwie wertvollen Ort (someplace of value), der keiner Gewalt und keiner systematischen Gesetzgebung bedarf, sonst hätten sich die Interpreten dort niemals niedergelassen (vgl. KG: 26). Die »bewohnte Qualität« des Urteils lässt den Vergleich mit einem seit mehreren Generationen von einer Familie bewohnten Haus zu, das voll mit Erinnerungen an ein Set von Erlebnissen, Gegenständen, An- und Umbauten steckt (vgl. KG: 29). „Das gesamte Gebäude – als ein Ganzes betrachtet – fügt sich weniger einem abstrakten Modell als vielmehr einer dichten Beschreibung“ (KG: 29). Mit der dichten Beschreibung[4] greift der Kritiker den Forschungsimpetus des Ethnologen Geertz auf. Eine Beschreibung und (Re-) Konstruktion der betreffenden kulturellen Abläufe, wird bei Geertz ergänzt durch eine Deutung, die von der Vielfalt des entsprechenden untersuchten kulturellen Hintergrundes ausgeht.[5] Weil mehrere Bedeutungsebenen aus dem Hintergrund der entsprechenden, untersuchten Kultur gewonnen werden können und diese auch in ihrem historischem Wandel und der Vielfalt von Selbstverständnissen betrachte werden, findet die Interpretation prinzipiell in iterativer Unendlichkeit statt.

KOLLISION MIT DEM RECHTSZWANG BEI HÖFFE Bearbeiten

Höffes »politische Fundamentalphilosophie« hat gründlicher als Walzers »Pfad der Interpretation« die Absicht, die politischen Verhältnisse einer begrifflich- argumentativen Diskussion auszusetzen (vgl. 4H: 11). Keineswegs zirkelt Höffe dabei hermeneutisch um die gemeinsam Bedeutungen der geteilten Güter, die das entscheidende Medium von sozialen Beziehungen bilden (vgl. SG: 31). Vielmehr geht es Höffe „einzig um die Legitimation des Rechtszwangs.“ (Habermas 1989: 323; vgl. 4H: 68) Aufgrund dieser Intention beginnt Höffe seine Darstellung der (Rechts-)moralisch begründeten Zwangsbefugnisse ist „mit einer universal gültigen „Legitimationsaufgabe“, der Zwangsbefugnis, und einem ebenso universalen „Legitimationskriterium“, einer allseitigen Zustimmungswürdigkeit aufgrund allseitigen Vorteils“ (8H: 9) zu beginnen.

Im Sinne eines nachmetaphysisch- koventionellen Vernunftrechts (vgl. 4H: 92ff) legitimiert Höffe den Rechtszwang (Legitimationsaufgabe) mithilfe eines durch Hobbes und Kant inspirierten Gedankenexperiments, das aus drei Schritten besteht:

a)

Bereits im Naturzustand bestehen sozialer Zwang und Konflikt. Höffe gilt als objektive Bedingung, dass Menschen potentiell im Streit oder Konflikt einander Schaden zufügen (vgl. 1H: 27). „Das Ziel eines Konflikt- und Zwangsgefahr enthobenen Zusammenlebens freier Personen ist […] in allen möglichen Welten unerreichbar.“ (4H: 334) Weil also latent in der Sozialsituation Konfliktgefahr besteht (4H: 74), Personen „mit- und füreinander, allerdings auch gegeneinander agieren“ (4H: 64) können, deswegen besteht im sozialen Zusammenleben ein Gebot zur wechselseitigen Freiheitseinschränkung zugunsten der wechselseitigen Freiheitssicherung (vgl. 4H: 135; vgl. Hobbes 1992: Kap. 14). Es gilt: „Freiheitswesen, die in derselben Welt leben, schränken sich unvermeidlich in ihrer Freiheit ein.“ (4H: 382) Der Verzicht, der einer wechselseitigen Freiheitseinschränkung immanent ist, erfolgt freiwillig, weil er im aufgeklärten Selbstinteresse von jedermann steht (vgl. 9H: 102). Er macht den eigentlichen Gesellschaftsvertrag aus.[6]

b)

Diesen negativen Tausch reziproker Freiheitsverzichte allgemein zu legitimieren schickt sich der distributive Vorteil an. Dieser distributive Vorteil ist erreicht, wenn in der Kosten- Nutzen- Bilanz des gegenseitigen Zwangs zum Freiheitsverzicht jedem einzelnen Betroffenen mehr Vor- als Nachteile zukommen (vgl. 4H: 76).

c)

Um der Gefahr des „Trittbrettfahrerdilemmas“ zu entgehen (vgl. 4H: 412ff.) und den gerechten Tausch gegen andere Prinzipien durchzusetzen (vgl. 3H: 72f.), braucht der negative Tausch reziproker Freiheitsverzichte eine mit Sanktionsmacht ausgestattete öffentliche Gewalt (4H: 323f.). Allein die Zwangsmacht ist in der Lage, den schädlichen Folgen konsequenten Selbstinteresses entgegen zu treten (vgl. 4H: 426).

Die dreistufige Legitimationsaufgabe a) wechselseitiger Freiheitsverzicht, b) distributiver Vorteil und c) öffentliche Zwangsgewalt hat also „rechtskonstituierende Gerechtigkeit“ (vgl. 1H: 36) zum Ergebnis. Höffe meint dazu, dass Recht gar nicht anders definiert werden kann als eine Ordnung und Satzung, die ihrem Sinn nach bestimmt ist, der Gerechtigkeit zu dienen (vgl. 1H: 36). Dementsprechend sieht er als geeignetes Legitimationskriterium für den durch die „rechtskonstituierende Gerechtigkeit“ nomierten „Sozialzwang“ einen »kategorischen Rechtsimperativ« an. Dieser Rechtsimperativ verpflichtet zum einen das Recht auf die Moral (vgl. Höffe 1990: 51)[7], hat aber darüber hinaus gehend auch dafür Sorge zu tragen, dass der Rechtszwang letztlich jedem einzelnen zugute kommt (vgl. 1H: 36). „Der kategorische Rechtsimperativ ist das Maß für alle Bedingungen, ohne deren Anerkennung eine Koexistenz in gleichberechtigter Freiheit nicht möglich ist“ (12H: 146). Diese Art der Freiheit, um deren Verwirklichung es Höffe im öffentlichen Bereich in Ergänzung zur »Tausch-Moral« geht, wird von Kant »Freiheit der Willkür des einzelnen« genannt. Nach Kant ist „eine jede Handlung […] Recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann.“[8] Weil der Rechtsimperativ frei von Moralität ist, ist er kompatibel mit der legitimierten rechtskonstituierenden Gerechtigkeit. Er gebietet die vom transzendentalen Tausch begründeten Rechte anzuerkennen. Pflichtgemäße Anerkennung kann in diesem Sinne auch ein Volk von Teufeln leisten, sofern es nur die Gesetze achtet und den distributiven Vorteil für alle verwirklicht (vgl. Brunkhorst 1997: 229f.).[9]

Das Ergebnis der Legitimationsaufgabe, die »rechtskonstituierenden Gerechtigkeit«, und das Legitimationskriterium, der »kategorische Rechtsimperativ«, definieren gemeinsam die „zwangsbesetzte Verhaltensregelung des Gemeinwesens“ (4H: 65), also den Spielraum des sozial zulässigen. Es ist folglich in Höffes Gerechtigkeitskonzeption die soziale Institution des Rechts- und Staatswesens, mithin das Zentrum der Gesellschaft, das sozial vorbildliches Tun und Lassen definiert und das Definierte auch mit Hilfe von positiven und negativen Sanktionen durchsetzt (vgl. 4H: 64). Weit davon entfernt, damit eine Konzeption formuliert zu haben, die aller besonderer Anerkennungsforderungen gerecht wird, ist damit nur ein »Minimum an Gleichberechtigung« formuliert, ohne welche eine Integration von Gesellschaft und infolgedessen Gesellschaft überhaupt nicht möglich ist (vgl. Wetzel 1994: 147). Was Ottfried Höffe jenen entgegnen würde, die Rechte verteidigen, die jenseits des allgemeinen Rechts auf Leben und Freiheit liegen und die aus gemeinsamen Vorstellungen von sozialen Gütern folgen (vgl. SG: 21), ist zunächst der Rechtszwang. Die von Höffe entwickelte natürliche Zwangsbefugnis ist jedoch „nicht mehr als ein allgemeines Prinzip […], dessen konkrete Anwendung produktive Interpretations- und Beurteilungsprozesse erforderlich macht“ (4H: 405). Auch Walzer anerkennt die „die Grundvoraussetzung, dass die politischen Rechte, welche die Rahmenbedingungen strukturieren, für alle gleich sind“ (Krause 1998: 79). Aber er moniert zugleich, dass „jeder philosophische Versuch, die Rechte oder Ansprüche von Einzelnen im Detail festzulegen, […] den Rahmen der demokratischen Entscheidungsfindung radikal einschränken“ (SG: 112).

Indes sind es bei Walzer die Güter, denen eine Gesetze generierende Kraft anhaftet, auch wenn dies oberflächlich betrachtet zunächst nebulös oder esoterisch klingen mag. Besonders dann, wenn Walzer als Eingeweihter davon spricht, dass er „die Kraft sichtbar machen [will], die den zur Verteilung gelangenden Dingen selbst anhaftet“. Mit dieser »Kraft« ist aber nichts anderes gemeint als „die Kraft, die unseren Vorstellungen von diesen Dingen innewohnt. Wir erzeugen und gestalten die soziale Welt nämlich ebenso sehr in unserm Geiste wie mit unseren Händen“ (SG: 20). Tatsächlich geht es ihm um die gemeinsam Bedeutungen der geteilten Güter, die mit und wegen ihrer Bedeutungen das entscheidende Medium von sozialen Beziehungen und somit auch die Grundlage von Gesetzen bilden (Vgl. SG: 31). In zweiter Linie bliebe dem Autor von Politische Gerechtigkeit nichts anderes übrig, als auf

„Gebote, Verbote und Verfahrensvorschriften [hinzuweisen], die im wesentlichen vorher bekannt und relativ genau umgrenzt sind, die ferner in Streitfällen autoritativ ausgelegt und notfalls mit Gewalt bzw. unter Androhung mit Rechtsstrafen durchgesetzt werden.“ (4H: 65)

Sollte also ein »equal moral maker« wider Höffe’s normative Rechtstheorie auf die handlungsrelevante Bedeutung von Gütern pochen, die innerhalb einer Sphäre Gleichgesinnter die hermeneutische Einigung hervorgebracht hat, dann beißt diese Insistenz in Beton. In einem solchen Fall steht Bürgeridentität, politische Solidarität und verantwortliche Gemeinschaft der Kontinuität des real existierenden Egoismus und des wölfischen Leviathan antagonistisch gegenüber.

Referenzen Bearbeiten

  1. Vgl. Brumlik, M., Brunkhorst, H. (1993): Gemeinschaft und Gerechtigkeit. S. 166- 272. In: Dies. (Hrsg.). Frankfurt am Main: Fischer Verlag.
  2. Die hermeneutische Regel lautet: Man muss das Ganze aus dem Einzelnen und das Einzelne aus dem Ganzen verstehen – ein zirkelhaftes Verhältnis. „Die Antizipation von Sinn, in der das Ganze gemeint ist, kommt dadurch zu explizitem Verständnis, dass die Teile, die sich vom Ganzen her bestimmen, ihrerseits auch dieses Ganze bestimmen.“ Die Bewegung des Verstehens läuft stets vom Ganzen zum Teil und zurück zum Ganzen. „Die Aufgabe ist, in konzentrischen Kreisen die Einheit des verstandenen Sinnes zu erweitern. Einstimmung aller Einzelheiten zum Ganzen ist das jeweilige Kriterium für die Richtigkeit des Verstehens.“ Vgl. Gadamer 1975: 275.
  3. Walzer, M. (1991): Zweifel und Einmischung. Gesellschaftskritik im 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main: Fischer Verlag. S.30.
  4. Vgl. Geertz, C. (1983): Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Luchesi, B., Bindemann, R. (Übers.) Frankfurt am Main: Suhrkamp.
  5. Vgl. Wolff, S. (2003)2: Clifford Geertz. S. 84-95 In: Flick, U., von Kardorff, E., Steinke, I. (Hrsg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
  6. Brunkhorst 1997: 231ff. kritisiert den Gedanken des Gesellschaftsvertrags aufs Schärfste. Auch Walzer steht in Sphären der Gerechtigkeit der Konzeption eines Gesellschaftsvertrags aus dem Grund kritisch gegenüber, dass in der Regel nicht „alle Mitglieder am Geschäft der Interpretation des Gesellschaftsvertrags beteiligt“ (SG: 133) sein dürften.
  7. Höffe, O. (1990): Kategorische Rechtsprinzipien. Ein Kontrapunkt der Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. S. 51. Im Folgenden mit „12H“ abgekürzt.
  8. Vgl. Kant, I. (2000b) Metaphysik der Sitte. Rechtlehre. Einleitung in die Rechtslehre. § C Allgemeines Prinzip des Rechts. In: Millium Media Management (Hrsg.): Immanuel Kant. Sämtliche Werke. Bd.2. Mundus Verlag. S. 494.
  9. Brunkhorst, H. (1997): Die Kontingenz des Staates. S.225- 242. In: Kersting, W. (Hrsg.): Gerechtigkeit als Tausch. Auseinandersetzung mit der politischen Philosophie Otfried Höffes. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. S. 229f.. Neben dem Rechtsimperativ wird durch die Tauschgerechtigkeit auch ein »Staatsimperativ« begründet, der dem Rechtsimperativ subsidiär ist. Dieser Staatsimperativ macht es jedem Menschen zur unbedingten Pflicht, einen Staat zur Durchsetzung moralischer Rechte einzurichten. (vgl. 12H: 261; Brunkhorst 1997: 237f.).