Exponentialfunktion/Übergang von Q nach R/Monotonie/Einführung/Textabschnitt

Die oben auf den rationalen Zahlen definierten Exponentialfunktionen besitzen eine Fortsetzung auf die reellen Zahlen, die entsprechend mit

Die Exponentialfunktionen für die Basen und .

bezeichnet wird. Wie ist diese zu definieren, welche Bedeutung soll beispielsweise der Ausdruck

bekommen? Die richtige Idee ist hier, den Exponenten durch eine rationale Folge zu approximieren (etwa durch die Dezimalbruchfolge oder eine Heron-Folge) und dann die Folge von Potenzen mit rationalen Exponenten zu betrachten, die wir im ersten Teil der Vorlesung eingeführt haben. Wenn diese Folge konvergiert, so hat man einen sinnvollen Kandidaten für . Dieser Ansatz erfordert aber, dass man zeigen kann, dass dieser Grenzwert unabhängig von der gewählten Folge ist. Dazu dient das folgende Lemma.


Es sei

eine monotone Funktion.

Dann ist für jedes und jede rationale streng wachsende Folge , , die gegen konvergiert, die Folge konvergent mit einem nur von abhängigen Grenzwert.

Ohne Einschränkung sei wachsend. Es sei eine rationale streng wachsende Folge, die gegen konvergiert. Dann ist auch eine wachsende Folge. Es sei mit . Dann ist auch

für alle . Die Bildfolge ist also wachsend und nach oben beschränkt, daher besitzt sie nach Fakt einen Grenzwert in . Es sei eine weitere rationale streng wachsende Folge, die gegen konvergiert. Dann gibt es zu jedem ein mit

Wegen der Monotonie von überträgt sich dies auf die Bildfolgen, d.h. es ist

Somit ist

und wegen der Symmetrie der Situation konvergieren beide Folgen gegen den gleichen Grenzwert.

Die vorstehende Situation bedeutet, dass man für Zahlen durch die Festlegung

mit einer beliebigen rationalen streng wachsenden Folge , die gegen konvergiert, eine auf ganz definierte Funktion erhält. Da wir für nicht die Stetigkeit voraussetzen, kann sich für rationale Zahlen der Funktionswert bei dieser Konstruktion sogar ändern.

Dieses Fortsetzungsverfahren wenden wir auf die Exponentialfunktion an, d.h. für ist

mit einer beliebigen streng wachsenden Folge aus rationalen Zahlen , die gegen konvergiert. Für rationale Zahlen ändert sich dabei der Wert nicht, da die rationalen Exponentialfunktionen stetig sind. Dies ergibt sich genau so wie die Stetigkeit der auf definierten Exponentialfunktionen weiter unten aus der Funktionalgleichung und der Monotonie, siehe Aufgabe.


Es sei eine positive reelle Zahl. Die Funktion

heißt Exponentialfunktion zur Basis .

Die in Fakt gezeigten Eigenschaften übertragen sich auf die reellen Zahlen.



Es sei eine positive reelle Zahl. Dann besitzt die Exponentialfunktion

folgende Eigenschaften.

  1. Es ist für alle .
  2. Es ist .
  3. Für und ist .
  4. Für und ist .
  5. Für ist streng wachsend.
  6. Für ist streng fallend.
  7. Es ist für alle .
  8. Für ist .

Wir beweisen (1), die anderen Eigenschaften ergeben sich ähnlich, siehe Aufgabe. Es sei eine wachsende rationale Folge, die gegen konvergiert, und eine wachsende Folge, die gegen konvergiert. Dann ist nach Fakt  (1) die Folge eine wachsende rationale Folge, die gegen konvergiert. Somit ist unter Verwendung der rationalen Funktionalgleichung und von Fakt  (2)



Es sei eine positive reelle Zahl. Dann ist die Exponentialfunktion

stetig.

Sei . Wir zeigen zuerst die Stetigkeit im Nullpunkt. Da nach Aufgabe die Folge , , gegen konvergiert, und da die Exponentialfunktion wachsend ist, gibt es zu jedem positiven ein positives mit der Eigenschaft, dass aus

die Abschätzung

folgt. Es sei nun beliebig und vorgegeben. Wir betrachten ein , das zu

die Stetigkeit im Nullpunkt sichert. Dann gilt unter Verwendung von Fakt  (1) für mit

die Abschätzung



Es sei eine positive reelle Zahl. Dann ist die Exponentialfunktion

ein bijektiver Gruppenhomomorphismus.

Die Homomorphieeigenschaft folgt direkt aus der Funktionalgleichung, die Injektivität folgt aus der der Monotonieeigenschaft in Zusammenhang mit Fakt. Zum Nachweis der Surjektivität sei vorgegeben. Nach Fakt gibt es ganze Zahlen mit

Aufgrund des Zwischenwertsatzes, den wir wegen der in Fakt bewiesenen Stetigkeit der Exponentialfunktionen anwenden können, gibt es ein mit

was die Surjektivität bedeutet.


Eine besonders wichtige Exponentialfunktion ergibt sich, wenn man als Basis die Eulersche Zahl nimmt, die wir als

eingeführt haben. In Bemerkung haben wir erwähnt, dass diese Zahl mit

übereinstimmt. Für diese Exponentialfunktion gibt es ebenfalls eine weitere Darstellung, die sich an dieser Reihe orientiert, die Darstellung als Potenzreihe. Diese Übereinstimmung können wir hier nicht beweisen.


Für die Exponentialfunktion zur Basis gilt die Darstellung

Eine Besonderheit dieser Funktion ist, dass sie mit ihrer Ableitung übereinstimmt. Die Steigung der Tangenten an einem Punkt des Graphen stimmt also stets mit dem Funktionswert überein. Der Satz bedeutet insbesondere, dass die Reihe für jedes konvergiert, wobei diese Konvergenz im Allgemeinen recht schnell ist.