Kurs:Analysis (Osnabrück 2014-2016)/Teil III/Vorlesung 66/latex

\setcounter{section}{66}

Wir haben jetzt alle Hilfsmittel zusammen, um auf den \definitionsverweis {Borel-Mengen}{}{} des $\R^n$ ein Maß zu definieren, das für einen Quader, dessen Seiten reelle Intervalle sind, einfach das Produkt der Seitenlängen ist. Dieses Maß heißt \stichwort {Borel-Lebesgue-Maß} {.} Wir beginnen mit der eindimensionalen Situation.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {LebesgueH.gif} }
\end{center}
\bildtext { Henri Léon Lebesgue (1875-1941)} }

\bildlizenz { LebesgueH.gif } {} {Skraemer} {Commons} {PD} {http://colloques-irmar.univ-rennes1.fr/site_lebesgue/index.html}






\zwischenueberschrift{Das Borel-Lebesgue-Maß auf $\R$. }





\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Disjunkte Vereinigung von halboffenen Intervallen/Mengen-Präring/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Das \definitionsverweis {Mengensystem}{}{} aller Teilmengen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die sich als eine endliche \zusatzklammer {disjunkte} {} {} Vereinigung von \definitionsverweis {halboffenen Intervallen}{}{}
\mathl{[a,b[}{} schreiben lassen,}
\faktfolgerung {ist ein \definitionsverweis {Mengen-Präring}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Eine Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} lässt sich genau dann als eine endliche Vereinigung von halboffenen Intervallen schreiben, wenn dies mit endlich vielen disjunkten halboffenen Teilmengen möglich ist, siehe Aufgabe 66.18. Die leere Menge ist das halboffene Interall
\mathl{[a,a[}{} \zusatzklammer {bzw. die leere Vereinigung} {} {.} Die Abgeschlossenheit unter Vereinigungen ist klar. Sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ = }{ I_1 \cup \ldots \cup I_m }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ W }
{ = }{ J_1 \cup \ldots \cup J_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dann ist
\mavergleichskettealignhandlinks
{\vergleichskettealignhandlinks
{ V \setminus W }
{ =} { ( I_1 \cup \ldots \cup I_m ) \setminus (J_1 \cup \ldots \cup J_n) }
{ =} { (I_1 \setminus (J_1 \cup \ldots \cup J_n)) \cup \ldots \cup (I_m \setminus (J_1 \cup \ldots \cup J_n)) }
{ =} { ((I_1 \setminus J_1 ) \setminus (J_2 \cup \ldots \cup J_n)) \cup \ldots \cup ((I_m \setminus J_1) \setminus (J_2 \cup \ldots \cup J_n)) }
{ } { }
} {} {}{.} Da
\mathl{I_1 \setminus J_1}{} eine Vereinigung von maximal zwei halboffenen Intervallen ist, folgt die Behauptung durch Induktion über $n$.

}


\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Disjunkte Vereinigung von halboffenen Intervallen/Prämaß/Wohldefiniertheit/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei ${\mathcal V }$ der \definitionsverweis {Mengen-Präring}{}{} aller Teilmengen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die sich als eine endliche Vereinigung von \definitionsverweis {halboffenen Intervallen}{}{}
\mathl{[a,b[}{} schreiben lassen.}
\faktuebergang {Dann gelten folgende Aussagen.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungzwei {Die zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \in }{ {\mathcal V } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} über eine Zerlegung in disjunkte halboffene Intervalle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ = }{ [a_1,b_1[ \uplus \ldots \uplus [a_n,b_n[ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definierte Zahl
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu(V) }
{ =} { \sum_{i = 1}^n (b_i -a_i) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist wohldefiniert. } {Durch die Zuordnung
\mathl{V \mapsto \mu(V)}{} wird ein \definitionsverweis {Prämaß}{}{} auf diesem Präring definiert. }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 66.19. }





\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Borel-Lebesgue-Maß/Existenz und Eindeutigkeit/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ {\mathcal B } }
{ = }{ {\mathcal B }(\R) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die $\sigma$-\definitionsverweis {Algebra}{}{} der \definitionsverweis {Borel-Mengen}{}{} auf $\R$.}
\faktfolgerung {Dann gibt es genau ein \zusatzklammer {$\sigma$-\definitionsverweis {endliches}{}{}} {} {} \definitionsverweis {Maß}{}{} $\lambda$ auf
\mathl{(\R, {\mathcal B } )}{,} das für jedes \definitionsverweis {halboffene Intervall}{}{}
\mathl{[a,b[}{} den Wert
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lambda ( [a,b[ ) }
{ = }{ b-a }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} besitzt.}
\faktzusatz {Statt halboffene Intervalle kann man auch offene oder abgeschlossene Intervalle nehmen.}
\faktzusatz {}

}
{

Dies folgt aus Lemma 66.2, aus Satz 63.7 und aus Satz 64.7. Durch die gegebene Normierung auf den Intervallen sind die in Frage stehenden Maße von vornherein $\sigma$-endlich. Der Zusatz gilt, da man halboffene Intervalle durch offene bzw. abgeschlossene Intervalle beliebig gut approximieren kann.

}





\inputdefinition
{}
{

Das eindeutig bestimmte \definitionsverweis {Maß}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lambda^1 }
{ = }{ \lambda }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf
\mathl{(\R, {\mathcal B }(\R))}{,} das für jedes \definitionsverweis {halboffene Intervall}{}{}
\mathl{[a,b[}{} den Wert
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lambda ( [a,b[ ) }
{ = }{ b-a }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} besitzt, heißt \zusatzklammer {eindimensionales} {} {} \definitionswort {Borel-Lebesgue-Maß}{.}

}

Für jede Borel-Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskettedisphandlinks
{\vergleichskettedisphandlinks
{ \lambda(T) }
{ =} { \inf \, { \left( { \left\{ \sum_{i \in I} (b_i-a_i) \mid T \subseteq \bigcup_{i \in I}[a_i,b_i[ , \, I \text{ abzählbar} \right\} } \right) } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}






\zwischenueberschrift{Das Borel-Lebesgue-Maß auf $\R^n$. }





\inputfaktbeweis
{Borel-Lebesgue-Maß/R^n/Existenz und Eindeutigkeit/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Der $\R^n$ sei mit der $\sigma$-\definitionsverweis {Algebra}{}{} der \definitionsverweis {Borel-Mengen}{}{} ${\mathcal B }^{ n }$ versehen.}
\faktfolgerung {Dann gibt es auf
\mathl{(\R^n,{\mathcal B }^{ n })}{} genau ein \zusatzklammer {$\sigma$-\definitionsverweis {endliches}{}{}} {} {} \definitionsverweis {Maß}{}{} \maabbeledisp {\lambda^n} { {\mathcal B }^{ n }} { \overline{\R}_{\geq 0} } {T} { \lambda^n(T) } {,} das für alle Quader
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ Q }
{ =} { [a_1,b_1[ \times \cdots \times [a_n,b_n[ }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} den Wert
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \lambda^n(Q) }
{ =} { (b_1-a_1) \cdots (b_n-a_n) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} besitzt.}
\faktzusatz {Die Aussage gilt auch für \zusatzklammer {achsenparallele} {} {} Quader mit offenen bzw. abgeschlossenen Intervallen als Seiten.}
\faktzusatz {}

}
{

Für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ = }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist dies der Inhalt von Satz 66.3. Für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \geq }{ 2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} folgt dies aus Satz 65.4, angewendet auf das $n$-fache Produkt von
\mathl{(\R, {\mathcal B }^{ 1 },\lambda^1 )}{} mit sich selbst.

}





\inputdefinition
{}
{

Das eindeutig bestimmte \definitionsverweis {Maß}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lambda }
{ = }{ \lambda^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf
\mathl{(\R^n, {\mathcal B }^{ n })}{,} das für jeden \definitionsverweis {Quader}{}{} der Form
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Q }
{ = }{ [a_1,b_1] \times \cdots \times [a_n,b_n] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} den Wert
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \lambda (Q) }
{ = }{ (b_1-a_1) \cdots (b_n-a_n) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} besitzt, heißt \definitionswort {Borel-Lebesgue-Maß}{} auf $\R^n$.

}






\inputbemerkung
{}
{

Das \definitionsverweis {Borel-Lebesgue-Maß}{}{} ordnet also jeder \definitionsverweis {Borel-Menge}{}{} eine reelle Zahl oder das Symbol $\infty$ zu. Die Quader bilden dabei die Grund\-körper, denen auf eine besonders einfache Weise ein Maß zugeordnet wird, wodurch das gesamte Maß festgelegt wird. Für eine beliebige messbare Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist dabei
\mathl{\lambda(T)}{} gegeben als das Infimum von
\mathl{\sum_{i \in I} \lambda^n(Q_i)}{} über alle abzählbaren Überpflasterungen von $T$ mit Quadern \zusatzklammer {so war eben das \definitionsverweis {äußere Maß}{}{} definiert, mit dessen Hilfe wir den Fortsetzungssatz für Maße aufstellen konnten} {} {.} Es gibt kein allgemeines Verfahren, für gegebene Mengen \zusatzklammer {beispielsweise Flächenstücke, Körper} {} {} ihr Maß \zusatzklammer {ihren Flächeninhalt, ihr Volumen} {} {} effektiv zu bestimmen. Eine wichtige Technik ist die Integration von Funktionen in einer und in mehreren Variablen.

}






\zwischenueberschrift{Die Translationsinvarianz des Borel-Lebesgue-Maßes}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {TraslazioneOK.png} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { TraslazioneOK.png } {} {Toobaz} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}

Für eine beliebige Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{T }
{ \subseteq }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} in einem Vektorraum $V$ und einen Vektor
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{v }
{ \in }{V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nennt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{T+v }
{ =} { { \left\{ x+v \mid x \in T \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} die um $v$ \stichwort {verschobene Menge} {.}


\inputdefinition
{}
{

Ein \definitionsverweis {Maß}{}{} auf einem reellen endlichdimensionalen Vektorraum
\mathl{(V, {\mathcal B }(V) )}{} heißt \definitionswort {translationsinvariant}{,} wenn für alle \definitionsverweis {messbaren Teilmengen}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und alle Vektoren
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v }
{ \in }{ V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Gleichheit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\mu(T) }
{ =} {\mu(T+v) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gilt.

}





\inputfaktbeweis
{R^n/Borel-Lebesgue-Maß/Translationsinvariant/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Das \definitionsverweis {Borel-Lebesgue-Maß}{}{} $\lambda^n$ auf
\mathl{(\R^n, {\mathcal B }^{ n } )}{}}
\faktfolgerung {ist \definitionsverweis {translationsinvariant}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Zu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v }
{ \in }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} betrachten wir die Translationsabbildung \maabbeledisp {\varphi_v} {\R^n} {\R^n } {P} {P+v } {.} Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{\mu }
{ \defeq }{ (\varphi_v)_* \lambda^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} das \definitionsverweis {Bildmaß}{}{} unter der Translationsabbildung. Dieses ist wieder ein $\sigma$-\definitionsverweis {endliches}{}{} Maß. Für jeden Quader
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Q }
{ = }{ [a_1,b_1[ \times \cdots \times [a_n,b_n[ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Q' }
{ = }{Q+v }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} bzw.
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \tilde{Q} }
{ = }{ Q-v }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} wieder ein achsenparalleler Quader, wobei sich die Seitenlängen nicht ändern. Daher ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu (Q) }
{ =} { ((\varphi_v)_* \lambda^n) (Q) }
{ =} { \lambda^n( \varphi_v^{-1} (Q) ) }
{ =} { \lambda^n ( Q-v ) }
{ =} { \lambda^n ( \tilde{Q} ) }
} {
\vergleichskettefortsetzung
{ =} { \lambda^n (Q) }
{ } {}
{ } {}
{ } {}
}{}{.} Das Maß $\mu$ stimmt also auf den Quadern mit $\lambda^n$ überein und daher ist nach Satz 66.5 überhaupt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\mu }
{ =} { \lambda^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.}

}


Die Translationsinvarianz des Borel-Lebesgue-Maßes kann man auch so formulieren, dass jede Translation eine \definitionsverweis {maßtreue Abbildung}{}{} ist.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Parallellopipedum.png} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Parallellopipedum.png } {} {Svdmolen} {nl. Wikipedia} {PD} {}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} \definitionsverweis {reeller Vektorraum}{}{} und seien \definitionsverweis {linear unabhängige}{}{} Vektoren
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ v_1 , \ldots , v_n }
{ \in }{ V }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gegeben. Dann nennt man
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{P }
{ =} { { \left\{ a_1v_1 + \cdots + a_n v_n \mid a_i \in [0,1] \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} das von den $v_i$ \definitionswort {erzeugte Parallelotop}{.}

}





\inputfaktbeweis
{Translationsinvariantes Maß/Echte Unterräume haben Maß 0/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $\mu$ ein \definitionsverweis {translationsinvariantes Maß}{}{} auf dem $\R^n$, das auf dem Einheitswürfel endlich sei. Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subset }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein echter \definitionsverweis {Untervektorraum}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu(U) }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

 Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subset }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {Untervektorraum}{}{} der Dimension
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ d }
{ < }{ n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und nehmen wir an, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu(U) }
{ > }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Es sei
\mathl{u_1 , \ldots , u_d}{} eine \definitionsverweis {Basis}{}{} von $U$ und
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ P }
{ =} { { \left\{ a_1 u_1 + \cdots + a_d u_d \mid a_i \in [0,1] \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} das davon erzeugte $d$-dimensionale \definitionsverweis {Parallelotop}{}{\zusatzfussnote {Wenn man eine Orthonormalbasis wählt handelt es sich um einen Würfel} {.} {.}} Dies lässt sich durch endlich viele verschobene Einheitswürfel überpflastern und besitzt demnach ein endliches Maß. Die verschobenen Parallelotope
\mathdisp {P_k=P+ k_1 u_1 + \cdots + k_d u_d,\, k=(k_1 , \ldots , k_d) \in \Z^d} { }
besitzen wegen der Translationsinvarianz alle dasselbe Maß und bilden eine Überpflasterung von $U$. Da es abzählbar viele sind, muss
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu(P) }
{ > }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gelten. Es sei nun
\mathl{u_{d+1} , \ldots , u_n}{} eine Ergänzung der Basis zu einer Basis von $V$, und sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ R }
{ =} { { \left\{ a_1 u_1 + \cdots + a_d u_d + \cdots + a_n u_n \mid a_i \in [0,1] \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} das zugehörige $n$-dimensionale Parallelotop. Für dieses ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu(R) }
{ <} { \infty }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wir betrachten nun die abzählbar unendlich vielen Parallelotope
\mathdisp {P_q=P + qu_n \text{ mit } q \in [0,1] \cap \Q} { . }
Diese liegen alle innerhalb von $R$ und besitzen wegen der Translationsinvarianz alle das gleiche Maß wie $P$. Ferner sind sie paarweise disjunkt, da andernfalls ein nichttriviales Vielfaches von $u_n$ zu $U$ gehören würde. Aus
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \sum_{ q \in [0,1] \cap \Q } \ \mu (P_q) }
{ =} { \mu { \left( \bigcup_{ q \in [0,1] \cap \Q } P_q \right) } }
{ \leq} { \mu (R) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} folgt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu(R) }
{ = }{ \infty }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} ein Widerspruch.

}


Allgemein nennt man Unterräume \zusatzklammer {und zwar nicht nur Untervektorräume, sondern auch affine Unterräume, also verschobene Untervektorräume} {} {} des $\R^n$ der Dimension
\mathl{n-1}{} \stichwort {Hyperebenen} {.} Insbesondere besitzen Hyperebenen das Maß $0$.





\inputfaktbeweis
{R^n/Borel-Lebesgue-Maß/Charakterisierung mit Translationsinvarianz/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Das \definitionsverweis {Borel-Lebesgue-Maß}{}{} $\lambda^n$}
\faktfolgerung {ist das einzige \definitionsverweis {translationsinvariante}{}{} \definitionsverweis {Maß}{}{} auf
\mathl{(\R^n, {\mathcal B }^{ n } )}{,} das auf dem Einheitswürfel den Wert $1$ besitzt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Das \definitionsverweis {Borel-Lebesgue-Maß}{}{} $\lambda^n$ erfüllt nach Satz 66.9 diese Bedingungen. Es sei $\mu$ ein solches Maß. Nach Lemma 66.11 ist es egal, ob diese Bedingung an den abgeschlossenen, den offenen oder einen halboffenen Einheitswürfel gestellt wird. Wir werden durchgehend mit rechtsseitig offenen Quadern arbeiten. Da der $\R^n$ durch abzählbar viele Verschiebungen des Einheitswürfels überdeckt wird, die wegen der Translationsinvarianz von $\mu$ alle das gleiche Maß besitzen, ist $\mu$ $\sigma$-\definitionsverweis {endlich}{}{.} Wir müssen zeigen, dass $\mu$ mit $\lambda^n$ übereinstimmt, wobei es aufgrund des Eindeutigkeitssatzes genügt, die Gleichheit auf einem durchschnittsstabilen Erzeugendensystem für die Borelmengen nachzuweisen. Ein solches System bilden die Quader der Form
\mathl{[a_1,b_1[ \times \cdots \times [a_n,b_n[}{} mit \definitionsverweis {rationalen}{}{} Ecken. Wegen der \definitionsverweis {Translationsinvarianz}{}{} von $\mu$ besitzt ein solcher Quader das gleiche Maß wie der verschobene Quader
\mathl{[0,b_1-a_1[ \times \cdots \times [0,b_n-a_n[}{.} Wir schreiben einen solchen Quader unter Verwendung eines Hauptnenners als
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Q }
{ = }{ [0, { \frac{ c_1 }{ m } } [ \times \cdots \times [0,{ \frac{ c_n }{ m } }[ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ m, c_1 , \ldots , c_n }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dieser Quader setzt sich disjunkt aus
\mathl{c_1 \cdots c_n}{} Quadern \zusatzklammer {nämlich
\mathl{[{ \frac{ i_1 }{ m } }, { \frac{ i_1+1 }{ m } } [ \times \cdots \times [{ \frac{ i_n }{ m } },{ \frac{ i_n+1 }{ m } }[}{} mit
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ i_j }
{ \in }{ \{0 , \ldots , c_j-1\} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {} zusammen, die alle das gleiche $\mu$-Maß haben, da sie ineinander verschoben werden können. Das $\mu$-Maß des Quaders $Q$ ist also das
\mathl{c_1 \cdots c_n}{-}fache des $\mu$-Maßes des Quaders
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \tilde{Q} }
{ = }{ [0, { \frac{ 1 }{ m } } [ \times \cdots \times [0,{ \frac{ 1 }{ m } }[ }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Da sich der Einheitswürfel aus $m^n$ verschobenen Kopien dieses kleineren Würfels zusammensetzt, muss
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu(\tilde{Q}) }
{ = }{ { \frac{ 1 }{ m^n } } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und damit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu(Q) }
{ =} { c_1 \cdots c_n \cdot { \frac{ 1 }{ m^n } } }
{ =} { \lambda^n (Q) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} sein.

}





\inputfaktbeweis
{Translationsinvariantes Maß/Proportional zum Borel-Lebesgue-Maß/Festlegung auf beliebiger Teilmenge/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {Es sei $\nu$ ein \definitionsverweis {translationsinvariantes Maß}{}{} auf
\mathl{(\R^n, {\mathcal B } ( \R^n ) )}{,} das auf dem Einheitswürfel ein endliches Maß habe.}
\faktfolgerung {Dann gibt es eine eindeutig bestimmte Zahl
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c }
{ \in }{ \R_{\geq 0} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \nu }
{ = }{ c \lambda^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c }
{ = }{ \nu (E) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} wobei $E$ der \definitionsverweis {Einheitswürfel}{}{} im $\R^n$ sei. \fallunterscheidungzwei {Wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c }
{ = }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist, so liegt das \definitionsverweis {Nullmaß}{}{} vor, da sich der $\R^n$ mit abzählbar vielen verschobenen Einheitswürfeln überdecken lässt, die wegen der Translationsinvarianz ebenfalls das Maß $0$ haben. Dann hat der Gesamtraum das Maß $0$ und damit hat jede messbare Teilmenge das Maß $0$.}
{Es sei also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ c }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} In diesem Fall betrachten wir das durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu(T) }
{ \defeq} { { \frac{ 1 }{ c } } \nu(T) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} definierte \zusatzklammer {umskalierte} {} {} Maß. Dieses ist nach wie vor translationsinvariant und besitzt auf dem Einheitswürfel den Wert $1$. Nach Satz 66.12 ist also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu }
{ = }{ \lambda^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und somit ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \nu }
{ = }{ c \lambda^n }
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