Kurs:Analysis (Osnabrück 2021-2023)/Teil I/Vorlesung 7/latex

\setcounter{section}{7}






\zwischenueberschrift{Weitere Eigenschaften der reellen Zahlen}





\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Folge/Beschränkt monoton/Konvergiert/Fakt}
{Korollar}
{}
{

\faktsituation {}
\faktvoraussetzung {Eine \definitionsverweis {beschränkte}{}{} und \definitionsverweis {monotone}{}{} \definitionsverweis {Folge}{}{} in $\R$}
\faktfolgerung {\definitionsverweis {konvergiert}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Nach Voraussetzung ist die Folge wachsend und nach oben beschränkt oder fallend und nach unten beschränkt. Nach Lemma 6.9 liegt eine Cauchy-Folge vor, und diese konvergiert in $\R$.

}


Diese Aussage ist auch die Grundlage dafür, dass die Dezimalentwicklung stets eine \zusatzklammer {eindeutige} {} {} reelle Zahl definiert. Eine \zusatzklammer {unendliche} {} {} Dezimalentwicklung
\mathdisp {a,a_{-1} a_{-2} a_{-3} \ldots} { }
mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ \in }{\N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {wir beschränken uns auf nichtnegative Zahlen} {} {} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a_n }
{ \in }{ \{0 , \ldots , 9\} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{\N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist nämlich zu verstehen als die Folge der rationalen Zahlen
\mathdisp {x_0 \defeq a,\, x_1 \defeq a + a_{-1} \cdot { \frac{ 1 }{ 10 } } ,\, x_2 \defeq a + a_{-1} \cdot { \frac{ 1 }{ 10 } }+ a_{-2} \cdot \left({ \frac{ 1 }{ 10 } }\right)^2 ,\, \rm{etc}.} { }
Diese ist offenbar monoton wachsend. Wir werden in der übernächsten Vorlesung \zusatzklammer {siehe insbesondere Aufgabe 9.34} {} {} sehen, dass sie nach oben beschränkt ist \zusatzklammer {beispielsweise durch \mathlk{a+1}{}} {} {,} so dass dadurch in der Tat eine reelle Zahl definiert wird.

Eine weitere Möglichkeit, reelle Zahlen zu beschreiben, wird durch Intervallschachtelungen gegeben.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Illustration nested intervals.svg} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Illustration nested intervals.svg } {} {Stephan Kulla} {Commons} {CC-by sa 3.0} {}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $K$ ein \definitionsverweis {angeordneter Körper}{}{.} Eine Folge von abgeschlossenen \definitionsverweis {Intervallen}{}{}
\mathdisp {I_n =[a_n ,b_n], \, n \in \N} { , }
in $K$ heißt eine \definitionswort {Intervallschachtelung}{,} wenn
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ I_{n+1} }
{ \subseteq }{ I_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für alle
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{n }
{ \in }{\N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist und wenn die Folge der Intervalllängen, also
\mathdisp {{ \left( b_n-a_n \right) }_{ n \in \N }} { , }
gegen $0$ \definitionsverweis {konvergiert}{}{.}

}

Die Intervalllängen müssen also insbesondere eine fallende Nullfolge bilden. Es wird nicht eine bestimmte Geschwindigkeit dieser Konvergenz verlangt. Die \stichwort {Intervallhalbierung} {} ist eine spezielle Intervallschachtelung, bei der man zusätzlich verlangt, dass das folgende Intervall jeweils die untere oder die obere Hälfte des Vorgängerintervalls ist. Zu einer \definitionsverweis {Dezimalbruchfolge}{}{}
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x_n }
{ =} { { \frac{ a_n }{ 10^ n } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gehört die Intervallschachtelung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{I_n }
{ =} { [ { \frac{ a_n }{ 10^n } } , { \frac{ a_n+1 }{ 10^n } } ] }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Hier ist $x_n$ der untere Rand des Intervalls $I_n$ und es gilt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x_{n+1} }
{ \in }{ I_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} \zusatzklammer {und wobei zusätzlich ausgeschlossen ist, dass $x_{n+1}$ der rechte Rand von $I_n$ ist} {} {.} Die Intervalllängen sind hier
\mathl{{ \frac{ 1 }{ 10^n } }}{.}

\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Intervallschachtelung/Punkt/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mathbed {I_n} {}
{n \in \N} {}
{} {} {} {,} eine \definitionsverweis {Intervallschachtelung}{}{} in $\R$.}
\faktfolgerung {Dann besteht der Durchschnitt
\mathdisp {\bigcap_{n \in \N} I_n} { }
aus genau einem Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ \in }{ \R }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {Eine reelle Intervallschachtelung bestimmt also genau eine reelle Zahl.}
\faktzusatz {}

}
{ Siehe Aufgabe 7.3. }


Genauer gilt, dass bei einer Intervallschachtelung sowohl die Folge der unteren Intervallgrenzen als auch die Folge der oberen Intervallgrenzen gegen ein und dieselbe Zahl konvergieren. Ebenso konvergiert jede Folge
\mathl{ { \left( x_n \right) }_{n \in \N } }{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x_n }
{ \in }{I_n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gegen diesen Grenzwert, siehe Aufgabe 7.4.

Die Vollständigkeit der reellen Zahlen sichert auch die Existenz einer eindeutig bestimmten Quadratwurzel für eine nichtnegative reelle Zahl.




\inputfaktbeweis
{Reelle positive Zahl/Quadratwurzel/Eindeutige Existenz/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {}
\faktvoraussetzung {Zu jeder nichtnegativen \definitionsverweis {reellen Zahl}{}{}
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ \in }{\R_{\geq 0} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}}
\faktfolgerung {gibt es eine eindeutige nichtnegative reelle Zahl $x$ mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x^2 }
{ = }{ c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}}
\faktzusatz {Diese Zahl $x$ heißt die \stichwort {Quadratwurzel} {} von $c$ und wird mit $\sqrt{c}$ bezeichnet.}
\faktzusatz {}

}
{

Nach Aufgabe 5.4 kann es maximal zwei Zahlen geben, deren Quadrat gleich $c$ ist, und diese Zahlen sind wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ (-x)^2 }
{ =} { (-1)^2 x^2 }
{ =} { x^2 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} negativ zueinander. Es kann also maximal nur eine nichtnegative Quadratwurzel geben. Die Existenz wird durch das babylonische Wurzelziehen gesichert, das eine \definitionsverweis {Intervallschachtelung}{}{} beschreibt. Nach Satz 7.3 legt eine Intervallschachtelung eine eindeutig bestimmte reelle Zahl fest. Nennen wir diese Zahl $x$. Wir müssen zeigen, dass diese Zahl in der Tat eine Quadratwurzel von $c$ ist, dass also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x^2 }
{ = }{c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Bei
\mathl{c=0}{} ist dies klar, wir nehmen also
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{c }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} an. Die Intervallgrenzen sind rekursiv \zusatzklammer {bei einem Startwert
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{x_0 }
{ > }{0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {} {} durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_{n+1} }
{ =} { { \frac{ x_n + { \frac{ c }{ x_n } } }{ 2 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und
\mathl{{ \frac{ c }{ x_{n+1} } }}{} bestimmt und die Folge $x_n$ konvergiert gegen $x$. Dies gilt auch für die \anfuehrung{verschobene}{} Folge
\mathl{x_{n+1}}{.} Nach den Rechengesetzen für konvergente Folgen gilt somit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{x }
{ =} { { \frac{ x+ { \frac{ c }{ x } } }{ 2 } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dies ergibt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x }
{ =} { { \frac{ c }{ x } } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} und somit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x^2 }
{ = }{ c }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.}

}


Bei einer wachsenden, nach oben beschränkten Folge
\mathl{ { \left( x_n \right) }_{n \in \N } }{} kann man den Grenzwert auch als das Supremum der Menge
\mathl{ { \left\{ x_n \mid n \in \N \right\} } }{} auffassen. Insofern ist die folgende Aussage eine weitreichende Verallgemeinerung von Korollar 7.1.




\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Beschränkte Teilmenge hat Supremum/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {}
\faktvoraussetzung {Jede nichtleere \definitionsverweis {nach oben beschränkte}{}{} Teilmenge der reellen Zahlen}
\faktfolgerung {besitzt ein \definitionsverweis {Supremum}{}{} in $\R$.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es sei
\mathl{M \subseteq \R}{} eine nichtleere, nach oben beschränkte Teilmenge. Es sei
\mathl{x_0 \in M}{} und $y_0$ eine obere Schranke für $M$, d.h. es ist
\mathl{x \leq y_0}{} für alle
\mathl{x \in M}{.} Wir konstruieren zwei Folgen \mathkor {} {{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }} {und} {{ \left( y_n \right) }_{n \in \N }} {,} wobei
\mathl{x_n \in M}{} wachsend,
\mathl{{ \left( y_n \right) }_{n \in \N }}{} fallend ist und jedes $y_n$ eine obere Schranke von $M$ ist \zusatzklammer {sodass insbesondere
\mathl{x_n \leq y_n}{} für alle $n$ ist} {} {,} und so, dass
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} eine Cauchy-Folge ist. Dabei gehen wir induktiv vor, d.h. die beiden Folgen seien bis $n$ bereits definiert und erfüllen die gewünschten Eigenschaften. Wir setzen
\mathdisp {x_{n+1} \defeq \begin{cases} x_n,\, \text{ falls } [ \frac{x_n+ y_n}{2}, y_n] \cap M = \emptyset \, , \\ \text{ein beliebiger Punkt aus } [ \frac{x_n+ y_n}{2}, y_n] \cap M \text{ sonst}\, . \end{cases}} { }
und
\mathdisp {y_{n+1} \defeq \begin{cases}

 \frac{x_n+ y_n}{2}  ,\,  \text{ falls } [ \frac{x_n+ y_n}{2}, y_n] \cap M = \emptyset \, , \\

y_n \text{ sonst} \, . \end{cases}} { }
Dieses Punktepaar erfüllt die gewünschten Eigenschaften, und es ist
\mathdisp {y_n -x_n \leq \left(\frac{1}{2}\right)^n (y_0-x_0)} { , }
da in beiden Fällen der Abstand zumindest halbiert wird. Da die Folge
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} wachsend und nach oben beschränkt ist, konvergiert sie nach Korollar 7.1 gegen einen Grenzwert, sagen wir $x$. Ebenso ist die fallende Folge
\mathl{{ \left( y_n \right) }_{n \in \N }}{} nach unten beschränkt und konvergiert gegen denselben Grenzwert $x$. \teilbeweis {}{}{}
{ Wir behaupten, dass dieses $x$ das Supremum von $M$ ist. Wir zeigen zuerst, dass $x$ eine obere Schranke von $M$ ist.  Sei dazu
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ > }{x }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{z }
{ \in }{M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} angenommen. Da die Folge
\mathl{{ \left( y_n \right) }_{n \in \N }}{} gegen $x$ konvergiert, gibt es insbesondere ein $n$ mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x }
{ \leq} {y_n }
{ <} { z }
{ } {}
{ } {}
} {}{}{} im Widerspruch dazu, dass jedes $y_n$ eine obere Schranke von $M$ ist.}
{}\teilbeweis { Für die Supremumseigenschaft müssen wir zeigen, dass $x$ kleinergleich jeder oberen Schranke von $M$ ist.\leerzeichen{}}{}{}
{Sei dazu $u$ eine obere Schranke von $M$ und  nehmen wir an, dass
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{x }
{ > }{u }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist. Da
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} gegen $x$ konvergiert, gibt es wieder ein $n$ mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{u }
{ <} { x_n }
{ \leq} { x }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} im Widerspruch dazu, dass $u$ eine obere Schranke ist.}
{\leerzeichen{}Also liegt wirklich das Supremum vor.}

}


Mit diesem Satz kann man einfach die Existenz von beliebigen Wurzeln nachweisen.


\inputbeispiel{}
{

Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{a }
{ \in }{ \R_{\geq 0} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{k }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es sei
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ M }
{ =} { { \left\{ x \in \R_{\geq 0} \mid x^k \leq a \right\} } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Diese Menge ist wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{0 }
{ \in }{M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} nicht leer und \definitionsverweis {nach oben beschränkt}{}{} \zusatzklammer {bei \mathlk{a \leq 1}{} ist $1$ eine obere Schranke, sonst ist $a$ eine obere Schranke} {} {.} Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s }
{ = }{ {\operatorname{sup} \, ( M ) } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} das es nach Satz 7.5 geben muss. Dann ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s^k }
{ = }{a }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} d.h. $s$ ist eine $k$-te Wurzel von $a$, da sowohl die Annahme
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s^k }
{ < }{a }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} als auch die Annahme
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{s^k }
{ > }{a }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} zu einem Widerspruch führt, siehe Aufgabe 7.19.


}






\zwischenueberschrift{Der Satz von Bolzano-Weierstraß}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Karl_Weierstrass_2.jpg} }
\end{center}
\bildtext {Karl Weierstraß (1815-1897)} }

\bildlizenz { Karl Weierstrass 2.jpg } {Conrad Fehr} {} {Commons} {PD} {}


Die folgende Aussage heißt \stichwort {Satz von Bolzano-Weierstraß} {.}




\inputfaktbeweis
{Reelle Zahlen/Bolzano Weierstraß/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} eine \definitionsverweis {beschränkte}{}{} \definitionsverweis {Folge}{}{} von \definitionsverweis {reellen Zahlen}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann besitzt die Folge eine \definitionsverweis {konvergente}{}{} \definitionsverweis {Teilfolge}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Die Folge
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} sei durch
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{a_0 }
{ \leq} { x_n }
{ \leq} { b_0 }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} beschränkt. Wir definieren zuerst induktiv eine \definitionsverweis {Intervallhalbierung}{}{} derart, dass in den Intervallen unendlich viele Folgenglieder liegen. Das Startintervall ist
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ I_0 }
{ \defeq }{ [a_0,b_0] }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Es sei das $k$-te Intervall
\mathl{I_{ k }}{} bereits konstruiert. Wir betrachten die beiden Hälften
\mathdisp {[a_{ k }, \frac{ a_{ k }+b_{ k } }{2}] \text{ und } [ \frac{a_{ k }+b_{ k } }{2},b_{ k }]} { . }
In mindestens einer der Hälften liegen unendlich viele Folgenglieder, und wir wählen als Intervall
\mathl{I_{ k +1}}{} eine Hälfte mit unendlich vielen Gliedern. Da sich bei diesem Verfahren die Intervalllängen mit jedem Schritt halbieren, liegt eine Intervallschachtelung vor. Als Teilfolge wählen wir nun ein beliebiges Element
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ x_{n_k} }
{ \in} { I_k }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n_{ k } }
{ > }{ n_{ k-1 } }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dies ist möglich, da es in diesen Intervallen unendlich viele Folgenglieder gibt. Diese Teilfolge konvergiert nach Aufgabe 7.4 gegen die durch die Intervallschachtelung bestimmte Zahl $x$.

}


Eine äquivalente Formulierung ist, dass jede beschränkte Folge in $\R$ einen Häufungspunkt besitzt.






\zwischenueberschrift{Die eulersche Zahl e}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Intervallschachtelung_e.gif} }
\end{center}
\bildtext {} }

\bildlizenz { Intervallschachtelung e.gif } {} {Caldrac} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}

Wir besprechen eine Beschreibung der sogenannten \stichwort {eulerschen Zahl} {} $e$.




\inputfaktbeweis
{Intervallschachtelung/Eulersche Zahl/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {}
\faktfolgerung {Die Intervalle
\mathbed {I_n=[a_n,b_n]} {}
{n \geq 1} {}
{} {} {} {,} mit den Grenzen
\mathdisp {a_n= { \left( 1+ \frac{1}{n} \right) }^n \text{ und } b_n = { \left( 1+ \frac{1}{n} \right) }^{n+1}} { }
definieren eine \definitionsverweis {Intervallschachtelung}{}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{Wegen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ 1 + { \frac{ 1 }{ n } } }
{ > }{ 1 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ist klar, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ a_n }
{ <} { a_n { \left( 1+ { \frac{ 1 }{ n } } \right) } }
{ =} { b_n }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist, sodass also wirklich Intervalle vorliegen.}
{} \teilbeweis {Um zu zeigen, dass die Intervalle ineinander liegen, zeigen wir, dass die unteren Grenzen wachsend und die oberen Grenzen fallend sind.\leerzeichen{}}{}{}
{Wir betrachten zuerst
\mathl{{ \left( a_n \right) }_{n \in \N }}{.} Aufgrund der Bernoulli-Ungleichung gilt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ { \left( 1- \frac{1}{n^2} \right) }^n }
{ \geq} {1- n \frac{1}{n^2} }
{ =} {1- \frac{1}{n} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dies schreiben wir als
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\frac{n-1}{n} }
{ \leq} { { \left( \frac{n^2-1}{n^2} \right) }^n }
{ =} { { \left( \frac{n+1}{n} \cdot \frac{n-1}{n} \right) }^n }
{ =} { { \left( \frac{n+1}{n} \right) }^n { \left( \frac{n-1}{n} \right) }^n }
{ } { }
} {}{}{.} Daraus ergibt sich durch beidseitige Multiplikation mit
\mathl{{ \left( \frac{ n}{n-1} \right) }^n}{} \zusatzklammer {es sei
\mavergleichskettek
{\vergleichskettek
{ n }
{ \geq }{ 2 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{}} {.} {} die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{a_{n-1} }
{ =} { { \left( \frac{n}{n-1} \right) }^{n-1} }
{ \leq} { { \left( \frac{n+1}{n} \right) }^n }
{ =} {a_n }
{ } { }
} {}{}{.}

Für die oberen Intervallgrenzen $b_n$ ergibt die Bernoullische Ungleichung die Abschätzung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{{ \left( 1+ \frac{1}{n^2-1} \right) }^n }
{ \geq} {1+ \frac{n}{n^2-1} }
{ \geq} {1+ \frac{1}{n} }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Daraus folgt
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{1+ \frac{1}{n} }
{ \leq} { { \left( \frac{n^2}{n^2-1} \right) }^n }
{ =} { { \left( \frac{n}{n-1} \cdot \frac{n}{n+1} \right) }^n }
{ =} { { \left( \frac{n}{n-1}\right)^n \left( \frac{n}{n+1} \right) }^{n} }
{ } { }
} {}{}{.} Durch beidseitige Multiplikation mit
\mathl{{ \left( \frac{n+1}{n} \right) }^n}{} ergibt sich
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{b_n }
{ =} { { \left( \frac{n+1}{n} \right) }^{n+1} }
{ \leq} { { \left( \frac{n}{n-1} \right) }^{n} }
{ =} { b_{n-1} }
{ } { }
} {}{}{.}}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Wir betrachten schließlich die Intervalllängen. Diese sind
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{b_n-a_n }
{ =} { a_n { \left( 1+ { \frac{ 1 }{ n } } \right) } -a_n }
{ =} { a_n { \frac{ 1 }{ n } } }
{ \leq} { { \frac{ b_1 }{ n } } }
{ } { }
} {}{}{} und konvergieren somit gegen $0$.}
{}  Also liegt insgesamt eine Intervallschachtelung vor.

}







\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Leonhard_Euler_by_Handmann_.png} }
\end{center}
\bildtext {Leonhard Euler (1707-1783)} }

\bildlizenz { Leonhard Euler by Handmann .png } {Emanuel Handmann} {QWerk} {Commons} {PD} {http://www.euler-2007.ch/doc/Bild0015.pdf}

Durch diese \definitionsverweis {Intervallschachtelung}{}{} ist aufgrund von Satz 7.3 eindeutig eine reelle Zahl bestimmt.




\inputdefinition
{}
{

Die reelle Zahl
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{e }
{ \defeq} { \lim_{n \rightarrow \infty} { \left( 1+ { \frac{ 1 }{ n } } \right) }^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} heißt \definitionswort {Eulersche Zahl}{.}

}

Ihr numerischer Wert ist
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{e }
{ =} {2{,}718281828459 { \ldots } }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wir werden bei der Behandlung der Exponentialfunktion auf die eulersche Zahl zurückkommen und eine andere Beschreibung dafür kennenlernen.