Kurs:Elemente der Algebra (Osnabrück 2015)/Vorlesung 12



Restklassenbildung

In der letzten Vorlesung haben wir in Lemma 11.12 gesehen, dass der Kern eines Gruppenhomomorphismus ein Normalteiler ist. Wir zeigen nun umgekehrt, dass sich jeder Normalteiler als Kern eines geeigneten, surjektiven Gruppenhomomorphismus realisieren lässt.

Die Multiplikation der Nebenklassen zu einem Normalteiler .



Es sei eine Gruppe und ein Normalteiler. Es sei die Menge der Nebenklassen (die Quotientenmenge) und

die kanonische Projektion.

Dann gibt es eine eindeutig bestimmte Gruppenstruktur auf derart, dass ein Gruppenhomomorphismus ist.

Da die kanonische Projektion zu einem Gruppenhomomorphismus werden soll, muss die Verknüpfung durch

gegeben sein. Wir müssen also zeigen, dass durch diese Vorschrift eine wohldefinierte Verknüpfung auf definiert ist, die unabhängig von der Wahl der Repräsentanten ist. D.h. wir haben für und zu zeigen, dass ist. Nach Voraussetzung können wir und mit schreiben. Damit ist

Somit ist . Aus der Wohldefiniertheit der Verknüpfung auf folgen die Gruppeneigenschaften, die Homomorphieeigenschaft der Projektion und die Eindeutigkeit.



Es sei eine Gruppe und ein Normalteiler. Die Quotientenmenge

mit der aufgrund von Satz 12.1 eindeutig bestimmten Gruppenstruktur heißt Restklassengruppe von modulo . Die Elemente heißen Restklassen. Für eine Restklasse heißt jedes Element mit ein Repräsentant von .


Die Untergruppen der ganzen Zahlen sind nach Satz 5.2 von der Form mit . Die Restklassengruppen werden mit

bezeichnet (sprich „ modulo “). Bei ist das einfach selbst, bei ist das die triviale Gruppe. Im Allgemeinen ist die durch die Untergruppe definierte Äquivalenzrelation auf dadurch gegeben, dass zwei ganze Zahlen und genau dann äquivalent sind, wenn ihre Differenz zu gehört, also ein Vielfaches von ist. Daher ist (bei ) jede ganze Zahl zu genau einer der Zahlen

äquivalent (oder, wie man auch sagt, kongruent modulo ), nämlich zum Rest, der sich bei Division durch ergibt. Diese Reste bilden also ein Repräsentantensystem für die Restklassengruppe, und diese besitzt Elemente. Die Tatsache, dass die Restklassenabbildung

ein Homomorphismus ist, kann man auch so ausdrücken, dass der Rest einer Summe von zwei ganzen Zahlen nur von den beiden Resten, nicht aber von den Zahlen selbst, abhängt. Als Bild der zyklischen Gruppe ist auch zyklisch, und zwar ist (aber auch ) stets ein Erzeuger.


Wie bei jeder Äquivalenzrelation auf nennt man eine Teilmenge ein Repräsentantensystem für die Äquivalenzrelation, wenn jede Äquivalenzklasse genau ein Element aus enthält. Dies bedeutet, dass die Abbildung bijektiv ist. Solche Repräsentantensysteme gibt es immer. In unserem gruppentheoretischen Kontext gibt es manchmal eine Untergruppe mit der Eigenschaft, dass die Gesamtabbildung

bijektiv und damit ein Isomorphismus ist. Dies liefert dann eine einfache Beschreibung der Restklassengruppe, wie im folgenden Beispiel.


Wir betrachten die Einheitengruppe von , also .

Zur Untergruppe ist die Abbildung

ein Isomorphismus, die Restklassengruppe ist also isomorph zur Kreisgruppe. Der Kern der Gesamtabbildung besteht aus dem Durchschnitt

daher ist die Abbildung nach Lemma 10.13 injektiv. Zum Beweis der Surjektivität müssen wir zeigen, dass die Äquivalenzklasse zu jedem durch ein Element des Einheitskreises repräsentiert werden kann. Hierzu kann man nehmen.

Zur Untergruppe ist die Abbildung

bijektiv, die Restklassengruppe ist also isomorph zur Gruppe der positiven reellen Zahlen. Die Injektivität ergibt sich wie eben. Die Surjektivität ergibt sich daraus, dass zu (bezüglich der Untergruppe ) äquivalent ist.




Homomorphie- und Isomorphiesatz



Es seien und Gruppen, es sei ein Gruppenhomomorphismus und ein surjektiver Gruppenhomomorphismus. Es sei vorausgesetzt, dass

ist.

Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Gruppenhomomorphismus

derart, dass ist.

Mit anderen Worten: das Diagramm

ist kommutativ.

Wir zeigen zuerst die Eindeutigkeit. Für jedes Element gibt es mindestens ein mit . Wegen der Kommutativität des Diagramms muss

gelten. Das bedeutet, dass es maximal ein geben kann.
Wir haben zu zeigen, dass durch diese Bedingung eine wohldefinierte Abbildung gegeben ist. Es seien also zwei Urbilder von . Dann ist

und somit ist . Daher ist . Die Abbildung ist also wohldefiniert. Seien und seien Urbilder davon. Dann ist ein Urbild von und daher ist

D.h. ist ein Gruppenhomomorphismus.


Die im vorstehenden Satz konstruierte Abbildung heißt induzierte Abbildung oder induzierter Homomorphismus und entsprechend heißt der Satz auch Satz vom induzierten Homomorphismus.



Es seien und Gruppen und sei

ein surjektiver Gruppenhomomorphismus.

Dann gibt es eine kanonische Isomorphie

Wir wenden Satz 12.5 auf und die kanonische Projektion an. Dies induziert einen Gruppenhomomorphismus

mit , der surjektiv ist. Sei und . Dann ist

also . Damit ist , d.h. der Kern von ist trivial und nach Lemma 10.13 ist auch injektiv.



Es seien und Gruppen und sei

ein Gruppenhomomorphismus.

Dann gibt es eine kanonische Faktorisierung

wobei die kanonische Projektion, ein Gruppenisomorphismus und die kanonische Inklusion der Bildgruppe ist.

Dies folgt aus Korollar 12.6, angewandt auf die Bildgruppe .


Diese Aussage wird häufig kurz und prägnant so formuliert:

Bild Urbild modulo Kern.



Es sei eine Gruppe und ein Normalteiler mit der Restklassengruppe . Es sei ein weiterer Normalteiler in , der umfasst.

Dann ist das Bild von in ein Normalteiler und es gilt die kanonische Isomorphie

Für die erste Aussage siehe Aufgabe 11.16. Damit ist die Restklassengruppe wohldefiniert. Wir betrachten die Komposition

Wegen

ist . Daher ergibt Korollar 12.6 die kanonische Isomorphie


Kurz gesagt ist also


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