Kurs:Elemente der Algebra (Osnabrück 2024-2025)/Vorlesung 2



Ringe

Die wichtigsten mathematischen Strukturen wie besitzen nicht nur eine, sondern zwei Verknüpfungen.


Ein Ring ist eine Menge mit zwei Verknüpfungen und und mit zwei ausgezeichneten Elementen und derart, dass folgende Bedingungen erfüllt sind:

  1. ist eine abelsche Gruppe.
  2. ist ein Monoid.
  3. Es gelten die Distributivgesetze, also und für alle .

Ein Ring heißt kommutativ, wenn die Multiplikation kommutativ ist.

In einem kommutativen Ring muss man nicht zwischen den beiden Formen des Distributivgesetzes unterscheiden. Das Basismodell für einen (kommutativen) Ring bildet die Menge der ganzen Zahlen mit der natürlichen Addition und Multiplikation. Die ist das neutrale Element der Addition und die ist das neutrale Element der Multiplikation. Der Nachweis, dass die Axiome eines Ringes, also die oben aufgelisteten Eigenschaften, erfüllt, beruht letztlich auf den Peano-Axiomen für die natürlichen Zahlen und ist ziemlich formal. Darauf wollen wir verzichten und stattdessen diese seit langem vertrauten Gesetzmäßigkeiten akzeptieren.

Die natürlichen Zahlen bilden keinen Ring, da sie noch nicht einmal eine additive Gruppe bilden. Die Zahlbereiche sind ebenfalls kommutative Ringe, wobei der Nachweis der Eigenschaften dadurch geschieht, dass man die Konstruktion dieser Zahlbereiche aus den „vorhergehenden“ betrachtet (etwa aus ) und die Gültigkeit (in ) auf die Gültigkeit im „Vorgänger“ () zurückführt.

Wir benutzen allgemein die Klammerkonvention, dass Punktrechnung stärker bindet als Strichrechnung, d.h. wir schreiben einfach statt . Das Inverse zu bezüglich der Addition, das es ja immer gibt, schreiben wir als und nennen es das Negative von . Statt schreiben wir . An weiteren Notationen verwenden wir für ein Ringelement und eine natürliche Zahl die Schreibweisen und . Bei einem negativen ist zu interpretieren (dies beruht auf den „Potenzgesetzen“ in einer Gruppe aus der ersten Vorlesung, wobei hier die Gruppe additiv geschrieben wird und deshalb Vielfache genommmen werden) (dagegen macht mit negativen Exponenten im Allgemeinen keinen Sinn). Statt schreiben wir einfach (bzw. manchmal ), d.h. jede ganze Zahl findet sich in jedem Ring wieder.


Die einelementige Menge kann man zu einem Ring machen, indem man sowohl die Addition als auch die Multiplikation auf die einzig mögliche Weise erklärt, nämlich durch und . In diesem Fall ist , dies ist also ausdrücklich erlaubt. Diesen Ring nennt man den Nullring.


Nach dem Nullring ist der folgende Ring der zweitkleinste Ring.


Wir suchen nach einer Ringstruktur auf der Menge . Wenn das neutrale Element einer Addition und das neutrale Element der Multiplikation sein soll, so ist dadurch schon alles festgelegt, da sein muss. Die Operationstafeln sehen also wie folgt aus.



und



Durch etwas aufwändiges Nachrechnen stellt man fest, dass es sich in der Tat um einen kommutativen Ring handelt (sogar um einen Körper).


Eine „natürliche“ Interpretation dieses Ringes gewinnt man, wenn man sich die geraden ganzen Zahlen durch und die ungeraden ganzen Zahlen durch repräsentiert denkt. Beispielsweise ist die Summe zweier ungerader Zahlen stets gerade, was der obigen Gleichung entspricht.

Zu jeder natürlichen Zahl kann man einen kommutativen Ring definieren, nämlich als die Menge , wobei die Addition und die Multiplikation zuerst in ausgeführt wird und davon der Rest bei Division durch genommen wird. Die exakte Durchführung dieser Konstruktion und der Nachweis der Ringeigenschaften verschieben wir auf später, es ist aber sinnvoll, diese (verglichen mit ) untypischen Ringe schon jetzt zur Verfügung zu haben. Der obige Ring mit zwei Elementen ist beispielsweise gleich .



Es sei ein Ring und seien Elemente aus .

Dann gelten folgende Aussagen.

  1. (Annullationsregel),

  2. (Vorzeichenregel),

  3. und ,
  4. (allgemeines Distributivgesetz).

Wir beweisen im nicht kommutativen Fall je nur eine Hälfte.

  1. Es ist . Durch beidseitiges Abziehen von ergibt sich die Behauptung.
  2. nach Teil (1). Daher ist das (eindeutig bestimmte) Negative von .

  3. Nach (2) ist und wegen (dies gilt in jeder Gruppe) folgt die Behauptung.
  4. Dies folgt auch aus dem bisher Bewiesenen.
  5. Dies folgt aus einer Doppelinduktion.



Die Binomialkoeffizienten

Die erste binomische Formel besagt bekanntlich

Für die dritte Potenz einer Summe gilt

und für die vierte Potenz

In dieser Weise kann man jede Potenz einer Summe als Summe von Produkten ausdrücken, wobei die auftretenden Koeffizienten Binomialkoeffizienten heißen. Diese werden mit Hilfe der Fakultät definiert, wobei die Fakultät einer natürlichen Zahl durch

definiert ist.


Es seien und natürliche Zahlen mit . Dann nennt man

den Binomialkoeffizienten über “.

Diesen Bruch kann man auch als

schreiben, da die Faktoren aus auch in vorkommen und daher kürzbar sind. In dieser Darstellung stehen im Zähler und im Nenner gleich viele Faktoren. Gelegentlich ist es sinnvoll, auch negative oder zuzulassen und in diesen Fällen die Binomialkoeffizienten gleich zu setzen.

Von der Definition her ist es nicht sofort klar, dass es sich bei den Binomialkoeffizienten um natürliche Zahlen handelt. Dies folgt aus der folgenden Beziehung.

Das Dreieck der Binomialkoeffizienten war in Indien und in Persien schon um 1000 bekannt,
in China heißt es Yanghui-Dreieck (nach Yang Hui (um 1238-1298)),
in Europa heißt es das Pascalsche Dreieck (nach Blaise Pascal (1623-1662)).



Die Binomialkoeffizienten

erfüllen die rekursive Beziehung

Beweis

Siehe Aufgabe 2.6.

Der Binomialkoeffizient hat die folgende inhaltliche Bedeutung: Er gibt für eine -elementige Menge die Anzahl sämtlicher -elementigen Teilmengen von an, siehe Aufgabe 2.7. Wenn ist oder wenn negativ ist so setzt man den Binomialkoeffizienten gleich null.


Die folgende allgemeine binomische Formel bringt die Addition und die Multiplikation in einem kommutativen Ring miteinander in Beziehung.


Es sei ein kommutativer Ring und . Ferner sei eine natürliche Zahl.

Dann gilt

Wir führen Induktion nach . Für steht einerseits und andererseits . Es sei die Aussage bereits für bewiesen. Dann ist




Nichtnullteiler und Integritätsbereiche

Ein Element in einem kommutativen Ring heißt Nullteiler, wenn es ein von verschiedenes Element mit gibt. Andernfalls heißt es ein Nichtnullteiler.

Die Eins ist stets ein Nichtnullteiler, da aus sofort folgt. Andererseits ist das Nullelement stets ein Nullteiler, es sei denn, der Nullring liegt vor. In gilt und daher sind und Nullteiler in diesem Ring. Die folgende Aussage bedeutet, dass man in einer Gleichung Nichtnullteiler wegkürzen kann.


Es sei ein kommutativer Ring und sei ein Nichtnullteiler.

Dann folgt aus einer Gleichung

dass sein muss.

Man kann die Gleichung zu

umschreiben. Da ein Nichtnullteiler ist, ist , also .


Ein Ring, bei dem es außer der Null keine Nullteiler gibt, heißt nullteilerfrei.


Ein kommutativer, nullteilerfreier, von verschiedener Ring heißt Integritätsbereich.

Die Eigenschaft, dass jedes Element ein Nichtnullteiler ist, kann man auch so ausdrücken, dass aus stets oder folgt, bzw., dass mit und auch ist.



Unterringe

Wir haben die Kette von Unterringen

im Sinne der folgenden Definition.


Eine Teilmenge eines Ringes nennt man einen Unterring, wenn sowohl eine Untergruppe von als auch ein Untermonoid von ist.

Diese Bedingung besagt insbesondere, dass sich die Addition und die Multiplikation von auf einschränken lässt. Ein Unterring ist selbst ein Ring. Zum Nachweis, dass eine gegebene Teilmenge ein Unterring ist, hat man Folgendes zu zeigen.

  1. .
  2. ist abgeschlossen unter der Addition und der Multiplikation.
  3. Mit ist auch .

Die natürlichen Zahlen erfüllen in die ersten beiden Bedingungen, aber nicht die dritte. Die Menge aller geraden Zahlen erfüllen alle Bedingungen außer der, dass die dazugehört. Ebenso ist kein Unterring, da darin die fehlt (obwohl im Nullring für sich betrachtet ist, das ist aber nicht die von ). Die Menge erfüllt die erste und die dritte Bedingung und ist abgeschlossen unter der Multiplikation, aber nicht unter der Addition. Die ganzen Zahlen haben überhaupt nur sich selbst als Unterring.

Zu einer Teilmenge eines Ringes definiert man den durch erzeugten Unterring als den kleinsten Unterring von , der umfasst. Wir bezeichnen ihn mit , da ja jeder Unterring automatisch alle Vielfachen der enthalten muss. Dieser kleinste Unterring ist der Durchschnitt über alle Unterringe, die umfassen. Er besteht aus allen Termen, die man mit den Elementen aus und ihren Negativen mit Addition und Multiplikation erhalten kann.


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