Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil III/Vorlesung 82/latex

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\zwischenueberschrift{Orientierungen auf reellen Vektorräumen}

Es seien \mathkor {} {V} {und} {W} {} zwei zweidimensionale reelle Vektorräume mit den Basen \mathkor {} {v_1,v_2} {bzw.} {w_1,w_2} {.} Es sei eine lineare Abbildung \maabbdisp {\varphi} {V} {W } {} gegeben mit
\mathl{\varphi(v_1) = aw_1 +bw_2}{} und
\mathl{\varphi(v_2) = cw_1 + dw_2}{.} Die Matrix, die diese lineare Abbildung beschreibt, ergibt sich, indem man die Koordinaten des Bildvektors des $i$-ten Basisvektors als $i$-te Spalte schreibt. Bei der gegebenen Nummerierung ergibt sich also die Matrix
\mathdisp {\begin{pmatrix} a & c \\ b & d \end{pmatrix}} { , }
und ihre Determinante ist
\mathl{ad-cb}{.} Wenn man hingegen die Reihenfolge von \mathkor {} {v_1} {und} {v_2} {} vertauscht \zusatzklammer {also mit der Basis \mathlk{u_1=v_2}{} und \mathlk{u_2=v_1}{} arbeitet} {} {,} so ist die beschreibende Matrix
\mathdisp {\begin{pmatrix} c & a \\ d & b \end{pmatrix}} { }
mit der Determinante
\mathl{cb-ad=-(ad-cb)}{.} Abhängig von der gewählten Basis kann also die Determinante mal positiv, mal negativ sein \zusatzklammer {bei einem Endomorphismus kann das nicht passieren, wenn man vorne und hinten stets die gleiche Basis nimmt} {} {.}

Im Folgenden ist es wichtig, dass man unter einer Basis nicht die Menge der Basisvektoren
\mathl{\{v_1 , \ldots , v_n\}}{,} sondern das geordnete Tupel
\mathl{(v_1 , \ldots , v_n)}{} der Basisvektoren versteht.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} \definitionsverweis {reeller Vektorraum}{}{.} Man nennt zwei \definitionsverweis {Basen}{}{}
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} und
\mathl{w_1 , \ldots , w_n}{} \definitionswort {orientierungsgleich}{,} wenn die \definitionsverweis {Determinante}{}{} ihrer \definitionsverweis {Übergangsmatrix}{}{} \definitionsverweis {positiv}{}{} ist.

}

Diese Relation zwischen Basen ist eine Äquivalenzrelation, und zwar eine, bei der es nur zwei Äquivalenzklassen \zusatzklammer {genannt \stichwort {Orientierungen} {} oder \stichwort {Orientierungsklassen} {}} {} {} gibt \zusatzklammer {außer beim Nullraum} {} {.}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} \definitionsverweis {reeller Vektorraum}{}{.} Eine \definitionswort {Orientierung}{} auf $V$ ist eine \definitionsverweis {Äquivalenzklasse}{}{} von \definitionsverweis {Basen}{}{} von $V$ unter der \definitionsverweis {Äquivalenzrelation}{}{,} \definitionsverweis {orientierungsgleich}{}{} zu sein\zusatzfussnote {Bei einem $0$-dimensionalen Vektorraum, also dem Nullraum, gibt es nur die leere Basis. Es ist aber dennoch sinnvoll, von zwei Orientierungen auf dem Nullraum zu sprechen, die wir durch \mathkor {} {+} {und} {-} {} repräsentieren} {.} {.}

} Es ist einfach, zu bestimmen, ob zwei Basen die gleiche oder die entgegengesetzte Orientierung besitzen, es macht aber keinen Sinn, die einzelnen Orientierungen zu benennen.






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Kulifeder.JPG} }
\end{center}
\bildtext {Viele Objekte aus Natur und Technik machen deutlich, dass es zwei verschiedene Orientierungen gibt. Es ist einfach, bei gleichartigen Objekten wie Federn die mit der gleichen und die mit der entgegengesetzten Orientierung zu erkennen.} }

\bildlizenz { Kulifeder.JPG } {} {Ghinrael} {Commons} {CC-by-sa 2.0} {}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Ressort_de_compression.jpg} }
\end{center}
\bildtext {Die Benennung der beiden Orientierungen und welchen mathematischen (durch eine Basis repräsentierten) Orientierungen sie entsprechen ist eine Frage der Konvention.} }

\bildlizenz { Ressort de compression.jpg } {} {Jean-Jacques MILAN} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $V$ ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} \definitionsverweis {reeller Vektorraum}{}{.} Er heißt \definitionswort {orientiert}{,} wenn auf ihm eine \definitionsverweis {Orientierung}{}{} erklärt ist.

} Ein Vektorraum wird dadurch orientiert, indem man beispielsweise sagt, dass $V$ die Orientierung tragen möge, die durch die Basis
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{} repräsentiert wird. Der Standardraum $\R^n$ trägt, wenn nichts anderes gesagt wird, die sogenannte \stichwort {Standardorientierung} {,} die durch die \definitionsverweis {Standardbasis}{}{}
\mathl{e_1 , \ldots , e_n}{} repräsentiert wird.




\inputdefinition
{}
{

Es seien $V$ und $W$ zwei \definitionsverweis {endlichdimensionale}{}{} \definitionsverweis {orientierte}{}{} \definitionsverweis {reelle Vektorräume}{}{.} Eine \definitionsverweis {bijektive}{}{} \definitionsverweis {lineare Abbildung}{}{} \maabbdisp {\varphi} {V} {W } {} heißt \definitionswort {orientierungstreu}{,} wenn für jede \definitionsverweis {Basis}{}{}
\mathl{v_1 , \ldots , v_n}{,} die die \definitionsverweis {Orientierung}{}{} auf $V$ repräsentiert, die Bildvektoren
\mathl{\varphi(v_1) , \ldots , \varphi(v_n)}{} die Orientierung auf $W$ repräsentieren.

} Es genügt, diese Eigenschaft für eine einzige, die Orientierung repräsentierende Basis nachzuweisen, siehe Aufgabe 82.4.

Bei einem eindimensionalen reellen Vektorraum $V$ \zusatzklammer {einer Geraden} {} {} ist eine Orientierung einfach durch einen einzigen Vektor
\mathl{v \neq 0}{} gegeben, d.h. es wird einfach eine der beiden \anfuehrung{Halbgeraden}{} als positiv ausgezeichnet. Dies ist wiederum äquivalent zu einer Identifizierung von $V$ mit $\R$, der mit der Standardorientierung versehen ist, bei der $1$ positiv ist. Unter Bezug auf das Dachprodukt kann man generell die Orientierung auf einem reellen Vektorraum auf die Orientierung einer Geraden zurückführen, wie die folgende Aussage zeigt.




\inputfaktbeweis
{Vektorraum/Orientierung/Dachprodukt/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \neq }{ 0 }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein \definitionsverweis {endlichdimensionaler}{}{} \definitionsverweis {reeller Vektorraum}{}{} der \definitionsverweis {Dimension}{}{} $n$.}
\faktfolgerung {Dann entsprechen durch die \definitionsverweis {Zuordnung}{}{}
\mathdisp {[v_1 , \ldots , v_n] \longmapsto [ v_1 \wedge \ldots \wedge v_n ]} { }
die \definitionsverweis {Orientierungen}{}{} auf $V$ den Orientierungen auf
\mathl{\bigwedge^n V}{.}}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

Es seien \mathkor {} {v_1 , \ldots , v_n} {und} {w_1 , \ldots , w_n} {} zwei \definitionsverweis {Basen}{}{} von $V$ mit der Beziehung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \begin{pmatrix} v_1 \\\vdots\\ v_n \end{pmatrix} }
{ =} { M \begin{pmatrix} w_1 \\\vdots\\ w_n \end{pmatrix} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Dann gilt nach Korollar 80.7
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ v_1 \wedge \ldots \wedge v_n }
{ =} { ( \det M) w_1 \wedge \ldots \wedge w_n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} woraus die \definitionsverweis {Wohldefiniertheit der Abbildung}{}{} und die Aussage folgt.

}







\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {One_Big_Arm.jpg} }
\end{center}
\bildtext {Eine rechtswinkende Winkerkrabbe. Wenn sie sich auf einer dreidimensionalen orientierten Mannigfaltigkeit bewegt, bleibt sie stets rechtswinkend (weshalb es sich um einen sinnvollen Begriff handelt). Auf einer nicht orientierbaren Mannigfaltigkeit kann sie linkswinkend werden.} }

\bildlizenz { One Big Arm.jpg } {Charles Lam} {Brian679} {Commons} {CC-by-sa 2.0} {}






\zwischenueberschrift{Orientierungen auf Mannigfaltigkeiten}




\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{.} Eine \definitionsverweis {Karte}{}{} \maabbdisp {\alpha} {U} {V } {} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ U }
{ \subseteq }{ M }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} offen heißt \definitionswort {orientiert}{,} wenn der $\R^n$ \definitionsverweis {orientiert}{}{} ist.

}

Wenn man einen Atlas aus orientierten Karten
\mathl{(U_i,V_i, \alpha_i)}{} hat, so haben die Orientierungen auf den umgebenden Zahlenräumen $\R^n$, in denen die offenen Bilder $V_i$ der Karten liegen, erstmal nichts miteinander zu tun \zusatzklammer {obwohl man stets $\R^n$ schreibt} {} {.} Ein Zusammenhang zwischen den Orientierungen wird erst durch die beiden folgenden Begriffe formulierbar.




\inputdefinition
{}
{

Es sei $M$ eine \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} und es seien \mathkor {} {(U_1,V_1, \alpha_1)} {und} {(U_2,V_2, \alpha_2)} {} \definitionsverweis {orientierte Karten}{}{.} Dann heißt der zugehörige \definitionsverweis {Kartenwechsel}{}{} \maabbdisp {\psi=\alpha_2 \circ \alpha_1^{-1}} { \alpha_1 (U_1 \cap U_2)} { \alpha_2 (U_1 \cap U_2 ) } {} \definitionswort {orientierungstreu}{,} wenn für jeden Punkt
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ Q }
{ \in }{ \alpha_1 (U_1 \cap U_2) }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} das \definitionsverweis {totale Differential}{}{} \maabbdisp {\left(D\psi\right)_{Q}} {\R^n} {\R^n } {} \definitionsverweis {orientierungstreu}{}{} ist.

}




\inputdefinition
{}
{

Eine \definitionsverweis {differenzierbare Mannigfaltigkeit}{}{} $M$ mit einem \definitionsverweis {Atlas}{}{}
\mathl{(U_i, V_i, \alpha_i)}{} heißt \definitionswort {orientiert}{,} wenn jede Karte \definitionsverweis {orientiert}{}{} ist und wenn sämtliche Kartenwechsel \definitionsverweis {orientierungstreu}{}{} sind.

}






\bild{ \begin{center}
\includegraphics[width=5.5cm]{\bildeinlesung {Mobius_strip.jpg} }
\end{center}
\bildtext {Das Möbius-Band ist das typische Beispiel einer nicht orientierbaren Mannigfaltigkeit. Damit es eine Mannigfaltigkeit ist, darf der Rand nicht dazu gehören; dann ist es aber auch keine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit des $\R^3$, diese sind nämlich stets orientierbar.} }

\bildlizenz { Möbius strip.jpg } {} {Dbenbenn} {Commons} {CC-by-sa 3.0} {}

Bei einer orientierten Mannigfaltigkeit besitzt jeder Tangentialraum
\mathl{T_PM}{} eine Orientierung. Man kann einfach eine beliebige Kartenumgebung
\mathl{P \in U}{} wählen und die Orientierung auf
\mathl{V \subseteq \R^n}{} mittels
\mathl{T_P(\alpha^{-1})}{} nach
\mathl{T_PM}{} transportieren. Wegen der Orientierungstreue der Kartenwechsel ist diese Orientierung unabhängig von der gewählten Kartenumgebung.

In einer orientierten Mannigfaltigkeit kann man auch zu zwei Basen in den Tangentialräumen zu zwei verschiedenen Punkten sagen, ob sie die gleiche Orientierung repräsentieren oder nicht. Dies ist der Fall, wenn beide Basen die Orientierung der Mannigfaltigkeit repräsentieren oder aber beide nicht.

Eine Mannigfaltigkeit heißt \stichwort {orientierbar} {,} wenn sie diffeomorph zu einer orientierten Mannigfaltigkeit ist. D.h. wenn es einen Atlas gibt, der die gleiche differenzierbare Struktur definiert und der zusätzlich orientiert werden kann.






\zwischenueberschrift{Kompaktheit}

Teilmengen eines euklidischen Raumes, die sowohl abgeschlossen als auch beschränkt sind, nennt man kompakt. Auf topologischen Räumen, die nicht durch eine Metrik gegeben sind, kann man nicht von beschränkt sprechen, aber auch bei einem metrischen Raum, der keine Teilmenge eines $\R^n$ ist, führen die beiden Eigenschaften abgeschlossen und beschränkt nicht sehr weit. Schlagkräftiger ist das folgende Konzept.


\inputdefinition
{}
{

Ein \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{} $X$ heißt \definitionswort {kompakt}{} \zusatzklammer {oder \definitionswort {überdeckungskompakt}{}} {} {,} wenn es zu jeder offenen Überdeckung
\mathdisp {X= \bigcup_{i \in I} U_i \, \, \, \text{ mit } U_i \text{ offen und einer beliebigen Indexmenge }I} { }
eine endliche Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{J }
{ \subseteq }{I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} derart gibt, dass
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X }
{ =} { \bigcup_{i \in J} U_i }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} ist.

}

Diese Eigenschaft nennt man manchmal auch \stichwort {überdeckungskompakt} {.} Häufig nimmt man zu kompakt noch die Eigenschaft Hausdorffsch mit hinzu. Es sei betont, dass diese Eigenschaft
\betonung{nicht}{} besagt, dass es eine endliche Überdeckung aus offenen Mengen gibt \zusatzklammer {es gibt immer die triviale offene Überdeckung mit dem Gesamtraum} {} {,} sondern dass man, wenn irgendeine irgendwie indizierte offene Überdeckung vorliegt, dann nur eine endliche Teilmenge aus der Indexmenge für die Überdeckung nötig ist.





\inputfaktbeweis
{Topologischer Raum/Abzählbare Basis/Überdeckungskompakt und folgenkompakt/Fakt}
{Lemma}
{}
{

\faktsituation {Es sei $X$ ein \definitionsverweis {topologischer Raum}{}{} mit einer \definitionsverweis {abzählbaren Basis}{}{.}}
\faktfolgerung {Dann ist $X$ genau dann \definitionsverweis {kompakt}{}{,} wenn jede Folge
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} in $X$ einen \definitionsverweis {Häu\-fungspunkt}{}{} \zusatzklammer {in $X$} {} {} besitzt.}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{Es sei $X$ kompakt und sei eine Folge
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} gegeben.  Nehmen wir an, dass diese Folge keinen Häufungspunkt besitzt. Das bedeutet, dass es zu jedem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ y }
{ \in }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine offene Umgebung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ y }
{ \in }{ U_y }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gibt, in der es nur endlich viele Folgenglieder gibt. Wegen
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X }
{ =} { \bigcup_{y \in X} U_y }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} gibt es nach Voraussetzung eine endliche Teilüberdeckung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X }
{ =} { \bigcup_{i = 1}^n U_{y_i} }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Diese enthält einerseits alle Folgenglieder und andererseits nur endlich viele Folgenglieder, ein Widerspruch.}
{}

\teilbeweis {}{}{}
{Es sei die Folgeneigenschaft erfüllt und sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ X }
{ = }{ \bigcup_{i \in I} U_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Überdeckung mit offenen Mengen. Da $X$ eine \definitionsverweis {abzählbare Basis}{}{} besitzt, gibt es nach Aufgabe 63.4 eine abzählbare Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ J }
{ \subseteq }{ I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ X }
{ =} { \bigcup_{i \in J} U_i }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Wir können
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ J }
{ = }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} annehmen.  Nehmen wir an, dass die Überdeckung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ X }
{ = }{ \bigcup_{i \in \N} U_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} keine endliche Teilüberdeckung besitzt. Dann ist insbesondere
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \bigcup_{i = 0}^n U_i }
{ \neq }{ X }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} und daher gibt es zu jedem
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} ein
\mathbed {x_n \in X} {mit}
{x_n \not\in \bigcup_{i =0}^n U_i} {}
{} {} {} {.} Nach Voraussetzung besitzt diese Folge einen Häufungspunkt $x$. Da eine Überdeckung
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ X }
{ = }{ \bigcup_{i \in \N} U_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} vorliegt, gibt es ein
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ k }
{ \in }{ \N }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} mit
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ x }
{ \in }{ U_k }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Da $x$ ein Häufungspunkt ist, liegen unendlich viele Folgenglieder in $U_k$. Dies ist ein Widerspruch, da nach Konstruktion für
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ n }
{ \geq }{ k }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} die Folgenglieder $x_n$ nicht zu $U_k$ gehören.}
{}

}


Der folgende Satz heißt \stichwort {Satz von Heine-Borel} {.}




\inputfaktbeweis
{Kompaktheit/Satz von Heine-Borel/Fakt}
{Satz}
{}
{

\faktsituation {Es sei
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{T }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} eine Teilmenge}
\faktuebergang {Dann sind folgende Aussagen äquivalent.}
\faktfolgerung {\aufzaehlungvier{$T$ ist \definitionsverweis {überdeckungskompakt}{}{.} }{Jede \definitionsverweis {Folge}{}{}
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} in $T$ besitzt einen \definitionsverweis {Häufungspunkt}{}{} in $T$. }{Jede \definitionsverweis {Folge}{}{}
\mathl{{ \left( x_n \right) }_{n \in \N }}{} in $T$ besitzt eine in $T$ \definitionsverweis {konvergente}{}{} \definitionsverweis {Teilfolge}{}{.} }{$T$ ist \definitionsverweis {abgeschlossen}{}{} und \definitionsverweis {beschränkt}{}{.} }}
\faktzusatz {}
\faktzusatz {}

}
{

\teilbeweis {}{}{}
{Die Äquivalenz von (1) und (2) wurde allgemeiner in Lemma 82.10 bewiesen, für die Existenz einer abzählbaren Basis siehe Aufgabe 63.9.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Die Äquivalenz von (2) und (3) ist klar.}
{} \teilbeweis {}{}{}
{Die Äquivalenz von (3) und (4) wurde in Satz 22.3 gezeigt.}
{}

}






\zwischenueberschrift{Maße auf Mannigfaltigkeiten}

Es sei $M$ eine Mannigfaltigkeit. Gibt es ein sinnvolles Volumen für \zusatzklammer {Teilmengen von} {} {} $M$, wann kann man eine auf $M$ definierte Funktion sinnvoll integrieren? Wenn man die Maßtheorie als allgemeines Konzept zugrunde legt, so ergibt sich folgendes Bild: es sei vorausgesetzt, dass $M$ einen abzählbaren Atlas
\mathl{(U_i,V_i,\alpha_i, i \in I)}{} besitzt. Ein Maß $\mu$ auf den Borelmengen
\mathl{{\mathcal B }(M)}{} ist dann durch die Einschränkungen
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \mu_i }
{ = }{ \mu {{|}}_{U_i} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} des Maßes auf die offenen Teilmengen $U_i$ eindeutig bestimmt. Für jedes
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ i }
{ \in }{ I }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} definiert die Homöomorphie \maabbdisp {\alpha_i} {U_i} {V_i } {} das Bildmaß
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \nu_i }
{ = }{ {\alpha_i}_* \mu_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} auf
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ V_i }
{ \subseteq }{ \R^n }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Dabei stehen die Bildmaße
\mathbed {\nu_i} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} untereinander in der Beziehung
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{\nu_i ( \alpha_i(T)) }
{ =} { \mu(T) }
{ =} {\nu_j( \alpha_j(T)) }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für jede messbare Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ U_i \cap U_j }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{.} Mit den Kartenwechseln
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ \psi_{ij} }
{ = }{ \alpha_j \circ \alpha_i^{-1} }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} bedeutet dies
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \nu_i(S) }
{ =} { \nu_j ( \psi_{ij} (S)) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} für jede messbare Menge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ S }
{ \subseteq }{ V_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{,} die ganz innerhalb des Definitionsbereiches der Übergangsabbildung liegt.

Nehmen wir nun an, dass sich die Bildmaße $\nu_i$ jeweils mit einer \definitionsverweis {Dichte}{}{} bezüglich des \definitionsverweis {Borel-Lebesgue-Maßes}{}{} $\lambda^n$ schreiben lassen, sagen wir
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \nu_i }
{ =} { g_i d \lambda^n }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{,} mit auf $V_i$ definierten \definitionsverweis {integrierbaren Funktionen}{}{} \maabb {g_i} {V_i} {\R } {.} Für eine messbare Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ U_i }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt dann also
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ \mu(T) }
{ =} { \nu_i(\alpha_i(T)) }
{ =} { \int_{ \alpha_i(T) } g_i \, d \lambda^n }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{.} Für eine messbare Teilmenge
\mavergleichskette
{\vergleichskette
{ T }
{ \subseteq }{ U_i \cap U_j }
{ }{ }
{ }{ }
{ }{ }
} {}{}{} gilt somit nach der Transformationsformel, angewendet auf die diffeomorphe Übergangsabbildung \maabbdisp {\psi_{ij}} { \alpha_i(U_i \cap U_j) } { \alpha_j(U_i \cap U_j) } {,} die
\mathl{\alpha_i(T)}{} in
\mathl{\alpha_j(T)}{} überführt, die Gleichheit
\mavergleichskettealign
{\vergleichskettealign
{ \int_{ \alpha_i(T) } g_i \, d \lambda^n }
{ =} { \int_{ \alpha_j(T) } g_j \, d \lambda^n }
{ =} { \int_{ \alpha_i(T) } \betrag { \det { \left( D \psi_{ij} \right) } } \cdot ( g_j \circ \psi_{ij} ) \, d \lambda^n }
{ } { }
{ } { }
} {} {}{.} Dies legt für die Dichtefunktionen
\mathbed {g_i} {}
{i \in I} {}
{} {} {} {,} das Transformationsverhalten
\mavergleichskettedisp
{\vergleichskette
{ g_i }
{ =} { \betrag { \det { \left( D \psi_{ij} \right) } } \cdot ( g_j \circ \psi_{ij} ) }
{ } { }
{ } { }
{ } { }
} {}{}{} nahe \zusatzklammer {auch wenn es dies nicht erzwingt, da eine Dichte durch ihr Maß nicht eindeutig bestimmt ist} {} {.} Wir werden die Integrationstheorie für Mannigfaltigkeiten auf dem Konzept der $n$-Differentialformen aufbauen, die in natürlicher Weise dieses Transformationsverhalten \zusatzklammer {ohne den Betrag} {} {} besitzen.




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